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Meine erste Reaktion war
seltsam: Ich schämte mich für ihn und fühlte mich gleichzeitig
erregt. Dann wurde Hunters Keuchen lauter und schneller, und ich
dachte mir, ich würde doch zu gerne seinen Gesichtsausdruck sehen,
wenn ich jetzt plötzlich ins Zimmer trat.
Im ersten Augenblick ging ich gar nicht davon
aus, dass er eine Frau bei sich haben könnte. Dieser Gedanke kam
erst eine halbe Sekunde später, als ich mich daran erinnerte, dass
Hunter an diesem Morgen nicht das leiseste Bedürfnis verspürt
hatte, mit mir zu schlafen, obwohl wir uns seit drei Monaten nicht
gesehen hatten. Aber schließlich hatte er sich krank gefühlt. Und
ich hatte meine Tage erwartet, was Hunter nie sehr anziehend fand.
Ich hatte es ihm zwar nicht gesagt, aber ich war mir ziemlich
sicher, dass er die Schachtel mit Slipeinlagen im Badezimmer
bemerkt hatte. Er besaß die Begabung vieler guter Journalisten,
stets das zu sehen, was er eigentlich nicht sehen sollte.
Wieder hörte ich die raschen Klatschgeräusche im
Schlafzimmer und lauschte angestrengt, ob ich noch jemand anderen
keuchen hören konnte. Nichts. Natürlich gibt es Frauen, die sehr
leise sind. Ich hatte mir angewöhnt, in solchen Situationen lauter
zu atmen, auch wenn ich mir
dabei wie eine Betrügerin vorkam. Aber Hunter hatte einmal
behauptet, ich würde wie eine Nonne in Kriegszeiten lieben, was ich
nicht auf mir sitzenlassen wollte.
Natürlich hatte er mich damit nur aufziehen
wollen. Aber trotzdem...
Ich hörte ein leises Ächzen – nichts
Weltbewegendes -, und dann herrschte auf einmal Stille. Einen
Augenblick lang blieb ich noch im Wohnzimmer stehen. Mir fiel die
dichte Staubschicht auf dem mexikanischen Tonkrug auf, und auch
unter dem Sofa hatte ich schon lange nicht mehr gesaugt.
»Hunter?«
Stille.
»Hunter?«
Etwas raschelte. »Abra? Bist du das?«
»Ja, ich bin’s.« Ich wartete.
»Einen Moment...« Wieder hörte ich ein Rascheln.
»Okay, komm rein.«
Ich ging ins Schlafzimmer. Hunter saß aufrecht
gegen das Kopfteil unseres Bettes gelehnt und hatte die hellblaue
Decke bis zum Bauch hochgezogen. Er hatte sich gar nicht erst die
Mühe gemacht, die Fensterläden zu schließen. Im Zimmer roch es nach
salziger Seeluft – oder nach einem Samenerguss. Er atmete noch
immer so heftig, dass man deutlich sehen konnte, wie sich sein
blasser schlanker Brustkorb hob und senkte. Seine dunkelbraunen
Haare waren so lang geworden, dass sie ihm in die Augen und den
Nacken fielen, während seine braunen Augen dunkel und eingesunkener
wirkten als sonst. Doch obwohl er mitgenommen und erschöpft aussah,
blieb er nach wie vor ein überaus attraktiver Mann.
»Ich habe dich gar nicht hereinkommen hören«,
sagte er ohne einen Anflug von Scham.
»Weil ich durch das Fenster ins Wohnzimmer
geklettert bin.«
»Versuchst du etwa, mich mit einer anderen Frau
zu erwischen?«
Ich sah ihn an, ohne zu antworten.
»Okay, probieren wir es noch einmal. Warum hast
du nicht die Tür benutzt?«
»Ich hatte keinen Schlüssel. Man hat mir meine
Tasche gestohlen, und du hast weder das Telefon abgenommen noch die
Tür geöffnet.« Ich bemühte mich darum, nicht allzu pikiert oder
vorwurfsvoll zu klingen. Obwohl ich mich eigentlich genauso fühlte
– pikiert und vorwurfsvoll.
»Du machst Scherze! Arme Abra.« Er wandte mir
seine ganze Aufmerksamkeit zu, als er das sagte, und ich merkte,
wie ich mich schon wieder von seinem Charme einlullen ließ. Hunter
konnte so konzentriert zuhören, dass einem erst dabei bewusst
wurde, wie die meisten Leute nur darauf warteten, selbst sprechen
zu können.
»Ich mache keine Scherze!«
»Du bist wirklich durch unser Wohnzimmerfenster
eingestiegen?« Hunter griff nach seiner Armbanduhr, die auf dem
Nachtisch lag, und band sie um sein Handgelenk.
»Ich bin am Nachbarhaus hochgeklettert und dann
zu unserem Balkon rübergestiegen.«
»Gütiger Himmel.« Hunter schüttelte bewundernd
den Kopf. »Wahrscheinlich war das die einzig logische Art und
Weise, ins Haus zu kommen – oder?«
»Ich musste einfach... ich muss noch ein paar
Dinge erledigen.«
»Verstehe. Übrigens wurde deine Hose etwas in
Mitleidenschaft gezogen.«
Ich beugte mich vor, um den Schaden zu
begutachten und gleichzeitig darüber nachzudenken, wie ich meine
nächste Frage formulieren sollte. »Äh... Hunter... hier ist sonst
niemand anderes, oder?«
Er lachte, vermied es aber, mich anzusehen. Nun
schien ihm das Ganze doch etwas peinlich zu sein. »Wie bitte?
Meinst du, ich verstecke jemanden im Schrank oder was? Nein, Abra,
hier ist sonst niemand.« Er blickte endlich auf und schaute mich
ernst an. »Tut mir leid, das mit dem Telefon. Ich habe angenommen,
es wäre wieder einer dieser nervenden Werbeanrufe.« Er klopfte auf
die Matratze neben sich. »Komm, setz dich zu mir.«
»Ich muss meine Kreditkarten und Schecks als
gestohlen melden.«
»Das kannst du doch gleich machen. Jetzt komm
erst mal zu mir. Ich sehe doch, wie aufgewühlt du bist.«
Ich setzte mich neben ihn, und er nahm mich in
die Arme. Er schien nicht einmal verschwitzt zu sein. In Hunters
Familie entwickelte man bei weitem nicht so starke Körpergerüche
wie in meiner. Während er mich an sich gedrückt hielt, sah ich,
dass seine Tasche auf unserer Kommode lag. Visitenkarten,
Wechselgeld, Dollarscheine und Zigaretten waren herausgerutscht und
brachten meine ordentlich aufgereihten Parfümflakons und
Schmuckkassetten durcheinander.
»Geht es wieder besser, Cadabra?«
Ich nickte, ohne mich von der Stelle zu rühren.
»Hunter?« Wieder überlegte ich mir, wie ich meine nächste Frage
formulieren sollte. »Liegt es an mir?«
Ich merkte, wie sich sein Körper anspannte. Dann
löste er sich von mir. »Es hat nichts mit dir zu tun, Abs. Ich bin
nur... es waren schwierige zwei Monate.«
In Wirklichkeit waren es drei Monate gewesen.
Anfang Mai hatte ich auf unserer Chaiselongue aus Plastik gelegen,
die wir seitlich auf unseren Balkon gezwängt hatten, und in einer
Broschüre etwas über Block Island gelesen. Im Sommer gab es dort
keine Autos, es war fast wie ein kleines Nantucket ganz in der
Nähe. Mein praktisches Jahr am Institut sollte erst im Juli
beginnen, und ich fragte Hunter, ob er Lust hätte, mit mir im Juni
in den Urlaub zu fahren. Er klang unkonzentriert, als er mir
antwortete. Er hätte gerade eine Idee für eine Story über ein
mythisches Wesen in Rumänien gehabt.
Grob übersetzt bedeutete das: Ich habe schon den Flug gebucht, und du wirst mich erst
wiedersehen, wenn die letzten Blätter von den Bäumen
fallen.
Hunter hatte die vergangenen Jahre damit
verbracht, Artikel für Zeitschriften wie Outside und Backpacker zu
schreiben. Ich wusste, dass er ständig auf der Suche nach einer
Geschichte war, die seiner journalistischen Karriere den nötigen
Push gab, um einen Featureartikel in Vanity Fair, eine Absprache
für ein Buch, einen Filmvertrag oder einen festen Auftrag als
Verfasser einer Kolumne zu bekommen. Er brauchte nur noch einen
Durchbruch – seinen persönlichen Mount Everest.
Deshalb war Hunter auch so darauf versessen
gewesen, den Sommer lieber mit seinem Englisch-Rumänisch-Wörterbuch
als mit mir zu verbringen. Offenbar war die letzte europäische
Wolfspopulation in Rumänien in Gefahr, endgültig ausgerottet zu
werden. In Ceauşescus totalitärem
Regime hatte man sich nur um die nationalen Wälder und ihre
Bewohner gekümmert, um das Ganze als Jagdgrund nutzen zu können.
Die heutigen Rumänen kamen auf die Idee, reiche Amerikaner und
Europäer in jene Gegenden zu locken, wo ihre Vorfahren noch Angst
vor Trollen, Drachen und fleischfressenden Kreaturen gehabt hatten.
Schließlich ging es hier um Transsylvanien, um das berühmte Land
der Monster.
Und es gab einige Leute, die gerne viel Geld
dafür ausgaben, ein Monster zu sehen.
Als die geschäftstüchtigen Rumänen ihre alten
Baumbestände fällten und neue schicke Hotels errichteten, wurden
die Wolfsbestände stetig kleiner. Und da Wölfe bei
Touristenfamilien deutlich weniger beliebt sind als zum Beispiel
Elche oder Adler, schreckten die Einheimischen auch nicht davor
zurück, den jeweiligen Übeltäter zu töten, der ein Kalb oder ein
Schaf gerissen hatte.
Wenn der erlegte Wolf groß genug war, nannte man
ihn dann stolz einen Werwolf.
Es hörte sich wie eine überzeugende Story an,
eine Geschichte mit Moral, einer kräftigen Prise Ironie und einem
Touch billigem Dracula-Film. Hunter hatte sie zudem gut erzählt, an
jenem Tag im Mai auf unserem kleinen Balkon in Manhattan.
Leider war die Story derart überzeugend, dass
mein von Transsylvanien begeisterter Mann mich in drei Monaten
gerade dreimal anrief. Zu mehr hatte er angeblich keine Zeit.
Sobald ich mit meiner Arbeit im Institut anfing, war ich allerdings
auch selbst beschäftigt genug. Man hatte mich dem Team von Malachy
Knox zugewiesen, was sozusagen mit einer militärischen
Spezialeinheit zu vergleichen
war. Viel Gelegenheit hatte ich nun nicht mehr, mir über meinen
fernen Liebsten groß Gedanken zu machen.
Doch jetzt war Hunter zurück. Darüber war ich
erleichtert und dankbar, auch wenn ich ihn in diesem Augenblick am
liebsten angebrüllt hätte: Mit wem hast du geschlafen? Wenn es nur
eine Möglichkeit gegeben hätte, diese Frage zu stellen, ohne sie
direkt formulieren zu müssen...
»Du hast mir noch nicht viel über deine Reise
erzählt«, sagte ich.
»Abra, du wirst die Geschichte doch nicht ernst
nehmen und aus einer Mücke einen Elefanten machen wollen –
oder?«
Ich drehte mich zu ihm. Sein Tonfall zeigte mir,
dass er bereit war, jeden Moment wütend zu werden, falls es nötig
sein sollte.
»Ich wollte nur wissen, warum du nicht... warum
du nicht mit mir...« Schlafen wolltest. Ich konnte den Satz nicht
beenden. Lächerlich, ich weiß.
Hunter seufzte und zog mich wieder in seine
Arme. Er legte sein Kinn auf meinen Kopf, was sich nicht sehr
angenehm anfühlte.
»Ach, Abra. Ich habe mich einfach krank,
erschöpft und kaputt gefühlt. Ich hätte dir sicher nicht gutgetan.
Ich habe nur etwas... ich brauchte nur etwas Schnelles und
Einfaches. Das ist alles.«
»Ich kann auch schnell und einfach sein.«
Hunter strich über meinen Rücken. Seine Hände
wanderten unter mein Oberteil und zu meiner Taille. »Du bist
wirklich süß.«
Ich merkte, wie mir die Tränen in die Augen
stiegen, und kämpfte dagegen an. »Ich muss jetzt meine Anrufe
machen
und dann ins Institut. Ich bin schon wahnsinnig spät dran,
Hunter.«
»Dann ist es doch sowieso schon egal.« Sein Mund
wanderte zu meinem Ohr. Sein Atem roch vom Schlaf noch etwas
abgestanden.
»Hunter.« War das ein Zeichen seiner Zuneigung,
erneuter Lust oder einfach nur Mitleid mit mir? Es war nie leicht,
so etwas bei Hunter klar zu unterscheiden. Seine Lippen wanderten
meinen Hals entlang nach unten. Dann schob er meine Tunika hoch,
und seine Hände glitten unter meinen ebenso praktischen wie
beigefarbenen BH.
»Mein Gott, du hast noch immer die Brüste einer
dreizehnjährigen Jungfrau.« Es mochte vielleicht nicht in
jedermanns Ohren wie ein Kompliment klingen, aber Sie können mir
glauben – als solches war es gemeint. Hunter zog mir das Oberteil
über den Kopf, und einen Augenblick lang verfing es sich in meinen
langen Haaren.
»Die wirst du nie abschneiden, nicht
wahr?«
Meine Haare reichten fast bis zur Taille hinab.
»Nein«, murmelte ich.
Hunter wickelte meine Haare um sein Handgelenk
und zog spielerisch daran. »Ich hab dich. Jetzt bist du meine
Gefangene.«
Ich sah ihn mit zurückgelegtem Kopf an. »Ist es
das, was du willst?«
Seine dunklen Augen funkelten, als er meinen
Hals betrachtete. Dann blickte er an sich herab und zog die
Augenbrauen hoch. »Was meinst du?«
Wir schauten einander einen Moment lang an.
»Also gut. Einverstanden.«
Für eine Sekunde herrschte Stille. Dann ließ
Hunter meine
Haare los und zog mir die Hose herunter. »Einfach so? Ohne dich
zuerst zu berühren? Schnell und einfach? Meine Gefangene?«
Ich beobachtete ihn. Wir hatten uns seit drei
Monaten nicht geliebt. Als ich das letzte Mal in seinen Armen
gelegen hatte, war er in Gedanken bereits Tausende von Kilometern
entfernt gewesen, auf der Reise zu neuen Abenteuern. »Nein«, sagte
ich vorsichtig und bewegte meinen Kopf, so dass meine Haare hin-
und herflogen. »Nein, bitte. Nein.« Ich wollte sichergehen, dass er
mein Spiel verstand und mein Nein nicht ernst nahm.
Hunter bog meine Arme nach oben und hielt meine
Handgelenke fest. Er war stärker, als sein drahtiger Körper es
vermuten ließ. »Spreiz sie.«
»Nein.« Wie sollte das gehen? Wenn er meine
Handgelenke festhielt, konnte er unmöglich gleichzeitig meine Beine
spreizen, wenn ich nicht mitmachte.
Hunter schob sein Knie zwischen meine Schenkel.
»Los, spreiz sie schon.«
»Nein.«
In seinem Gesicht zeigte sich ein Ausdruck, der
beinahe wie Wut wirkte. Für einen Moment befürchtete ich, etwas
falsch gemacht zu haben. Dann hielt er meine Handgelenke mit der
einen Hand fest und nutzte die andere dazu, seinen Weg in mich
hinein zu finden. Nach einem Augenblick gab er jedoch auf, sah mich
an und meinte: »Du solltest besser auf deinen Herrn und Meister
hören, Sklavenmädchen.«
Auch ich verspürte nun den Anflug echter Wut.
»Nein«, entgegnete ich erneut.
Hunter lehnte sich zurück und überlegte. Es war
ein Spiel
um Macht und Dominanz. Wie weit sollten wir gehen? Ich war
neugierig. Und ziemlich erregt.
Was er als Nächstes tat, kam überraschend und
unerwartet. Er sprang auf, riss mich hoch und drehte mich auf den
Bauch. Dann packte er mich am Nacken, wie man das bei einer jungen
Katze tut. Ich kam anscheinend auf der Fernbedienung zu liegen,
denn etwas drückte gegen meine Brust.
»Hunter...«
Unser Bett war recht hoch, und Hunter stand, als
er in mich stieß. Einen Moment lang spürte ich sein Drängen an
meinem Eingang, ehe er begann, tiefer und schneller in mich
hineinzufahren. Es war ein Rhythmus, der vor allem seiner Lust
diente und nicht der meinen. Wieder hörte ich das
Aufeinanderklatschen von Haut, so wie ich es zuvor vom Wohnzimmer
aus belauscht hatte. Doch diesmal wusste ich, dass ich unter ihm
lag. Ich hatte mich stärker danach gesehnt, als mir bewusst gewesen
war.
»Hunter.«
Er hörte nichts mehr. Viel zu sehr war er in die
Jagd vertieft und stieß mit einer rauen Heftigkeit in mich, die ich
nicht kannte. Sie berührte auf eine beinahe schmerzhafte Weise
einen Punkt tief in meinem Inneren. Es war kein echter Schmerz,
denn ein Schmerz steigt nicht hoch, nimmt nicht so zu. Immer mehr,
immer stärker...
Hunter kam viel zu schnell und mit einem tiefen
Stöhnen, das so gar nicht nach ihm zu klingen schien. Dann brach er
auf mir zusammen.
Nach einer Weile küsste er meinen Nacken. »Alles
in Ordnung, Sklavenmädchen?« Tastend fuhr er mit seiner Hand
zwischen meine zitternden Beine. »Ich war etwas zu schnell für
dich, nicht wahr?«
»Nein, ich... Er bewegte seine Finger, und ich
hielt unwillkürlich den Atem an.
»Na? Stimmt doch, oder? Komm schon, Abra. Lass
mich machen.«
Ich stöhnte ein wenig, nur ein wenig. Ich
wusste, dass ich niemals in der Lage sein würde, die
Selbstbeherrschung zu verlieren, wenn Hunter mir dabei zusah und
auf meine Reaktion wartete. Er bewegte die Finger schneller, da er
die Laute, die ich von mir gab, als Anzeichen meiner Lust
missverstand.
Endlich stöhnte ich laut auf und betrog damit
nicht nur ihn, sondern auch mich. Hunter jedoch merkte nichts
davon. Zufrieden und erschöpft sah er mich an.