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In dem meisten Romanen
von Jane Austen sind es die flatterhaften, oberflächlichen
Menschen, die sich nach den Vergnügungen der Stadt sehnen, während
die nachdenklichen, gefühlvollen ausreichend innere Ruhe besitzen,
um die stillen Freuden des Landlebens zu genießen. Zugegebenermaßen
trifft das wohl eher auf die Verfilmungen der Ausren-Romane als auf
die Bücher zu, die ich das letzte Mal im Alter von sechzehn Jahren
gelesen hatte. Ich nahm es mir allerdings immer wieder vor, sie mir
noch einmal zu Gemüte zu führen, vor allem wenn ich gerade wieder
eine jener großartigen BBC-Verfilmungen mit einer Hauptdarstellerin
gesehen hatte, die in einem taillierten Empire-Kleid durch die
schlammigen Täler Englands stürmte und dabei einfach fantastisch
aussah.
Es ist allerdings eine Sache, einer fotogenen
Schauspielerin in einer saftig grünen Hügellandschaft zuzuschauen,
jedoch etwas ganz anderes, sich auf einmal selbst in einem Haus
mitten auf dem Land wiederzufinden und nicht zu wissen, was man
bitte schön als Nächstes tun soll.
Wie bei allen Dingen, die man sich besonders
schrecklich ausmalt, kam mir der Umzug zuerst gar nicht einmal so
schlimm vor.
»Und? Wie findest du es, Abra?«
Hunter legte mir einen Arm um die Schultern, als
wir unser neues Zuhause begutachteten. Der alte Familiensitz der
Barrows lag versteckt zwischen gelben und roten Ahornbäumen. Der
Weg, der auf das Haus zuführte, war mit duftenden Kiefernadeln
bedeckt, und das Ganze wirkte auf den ersten Blick wie aus einem
Märchen. An einer Mauer rankte sich das Efeu weit hinauf. Man
konnte das bröckelnde Dach erkennen, dessen Ziegel an die Schuppen
von Drachen erinnerten, dann den einsamen Spitzturm und die
Doppelfenster im Speicher, die auf den düsteren Wald und den mit
Weiden umrahmten Eingang hinabblickten. Entlang der nördlichen
Seite des Hauses, wo die Sonne kaum hinreichte, waren die Schindeln
feucht und schimmelig – vermutlich ein wahres Paradies für
Kellerasseln und anderes Ungeziefer.
An diesem strahlenden Oktobertag wirkte das Haus
nur etwas heruntergekommen und renovierungsbedürftig. Aber ich
konnte mich noch gut an meinen letzten Aufenthalt im Winter
erinnern, wo es bereits nach vier Uhr nachmittags dunkel geworden
war und ich beim Anblick des Gebäudes an die Filme meiner Mutter
hatte denken müssen.
»Einiges gibt es hier schon zu tun«, bemerkte
ich etwas mutlos.
»Soll ich dich über die Schwelle tragen?« Hunter
zeigte auf die Haustür.
»Nein, dafür bin ich doch zu schwer.«
»Gut, wenn du nicht willsr...«
Ich streckte die Arme nach ihm aus, und Hunter
hob mich sogleich hoch.
»Wie willst du denn die Tür öffnen?«
»Wird schon gehen.« Er kämpfte eine Weile mit
dem alten Schloss. Schließlich setzte er mich ab. Dann hob er
gleichzeitig die Tür an, während er den Schlüssel im Schloss
drehte. Endlich ließ sich der verrostete Mechanismus öffnen.
»Das muss dringend geölt werden.«
»Okay, Abs. Los, wir versuchen es noch einmal.
Wir müssen das richtig machen.« Er hob mich erneut hoch und presste
mich eng an seine Brust. Mir stieg der staubige Geruch alter Möbel
und lange nicht geputzter Böden in die Nase. Als Hunter mich dann
über die Schwelle trug, war sein Gesicht für einen Moment in
Dunkelheit gehüllt. Dann legte er den Kopf zurück, um mich zu
küssen.
Ich schlang die Arme um ihn und erwiderte seinen
Kuss voller Leidenschaft. Gierig sog ich den Nikotin- und
Wollgeruch ein, den er verströmte. Schließlich stellte er mich
wieder auf die Beine.
»Wir haben viel zu tun, Abra.« Seine Hände
schoben die meinen beiseite, so dass ich ihn losließ.
»Natürlich. Du hast Recht.« Ich holte tief Luft
und blickte mich in der düsteren Eingangshalle um. Ein buntes
Glasfenster warf ein grünliches Licht auf die große alte Standuhr
und einen abgetretenen türkischen Teppich. Außer einer niedrigen
Rattanbank, auf der ein Stapel alter Taschenbücher aus den
siebziger Jahren mit Titeln wie Angeln für Anfänger und Schwester
Angelicas Dilemma lag, gab es keine weiteren Möbelstücke. Schwester
Angelica hielt sich mit einer manikürten Hand den Kopf, als hätte
sie unter schweren Schmerzen zu leiden. Irgendwie verstand ich
recht gut, wie sie sich fühlen mochte.
Ich spürte das leere Haus um mich herum – sein
Labyrinth
aus Zimmern, Hintertreppen und seltsam altmodischen Speisekammern,
die seit jener Zeit, als die Frauen selbst während der
Schwangerschaft noch ein Korsett trugen, nicht mehr renoviert
worden waren. Bei meinem letzten Besuch hatte ich mich verirrt und
immer wieder Dinge zu erleben geglaubt, die ich bis dahin nur mit
meiner Mutter in Zusammenhang gebracht hatte – eine mysteriöse
Kälte, Luftzüge in fensterlosen Zimmern, unheimliche Geräusche
hinter den Wänden.
»Das Haus steckt voller Geschichten«, meinte
Hunter einmal lapidar und zeigte mir einen Schrank aus Zedernholz,
in dem eine Ahnin gestorben und zwei Monate lang nicht entdeckt
worden war.
Jetzt wohnte ich hier.
Und Hunter war bereits verschwunden.
Mit wild pochendem Herzen ließ ich die
Eingangshalle hinter mir und machte mich auf den Weg in das blutrot
gestrichene Speisezimmer. Von dort aus schlich ich über knarzende
Bodenbretter in die völlig heruntergekommene Küche, wo die schweren
Möbel mit den Klauenfüßen von einem hässlichen Linoleumboden aus
den siebziger Jahren und verrosteten beigefarbenen Küchengeräten
verdrängt worden waren. Hier fand ich zum Glück auch meinen
Mann.
»Hunter, ich habe dich schon gesucht.« Ich
bemühte mich, nicht hysterisch zu klingen.
»Wollte nur kurz nachsehen, wie es mit Essen
aussieht.«« Er schloss einen riesigen alten Kühlschrank. »Aber
natürlich ist nichts da.«
»Ich könnte rasch einkaufen fahren...«
»Vielleicht später. Die Möbelpacker sollten bald
kommen.
Wenn sie wieder weg sind, könnten wir in den nächsten Supermarkt
fahren.« Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern fuhr ruhelos
und seltsam energiegeladen fort, die Küchenschränke und Schubladen
zu öffnen und wieder zu schließen. Ich hingegen wusste nichts mit
mir anzufangen. Er warf mir einen Blick über die Schulter hinweg
zu. »Wie wäre es, wenn du hier erst mal etwas aufräumst, während
ich mich im restlichen Haus umsehe? Ich bin mir sicher, dass du
keine Lust haben wirst, auf dem Herd zu kochen, ehe du ihn nicht
gründlich saubergemacht hast. Stimmt doch, oder?«
Mir wäre es zwar lieber gewesen, gemeinsam mit
ihm unser neues Zuhause anzusehen, aber ich hatte es ja auch schon
früher einmal in Augenschein genommen. Außerdem wollten wir am
Abend in der Lage sein, hier unser erstes Essen zu uns zu
nehmen.
»Gut, einverstanden.«
»Schön.« Hunter gab mir einen Kuss auf die Stirn
und verließ die Küche. Als er bereits am Fuß der geschwungenen
Treppe stand, blieb er stehen und drehte sich nochmal zu mir um.
»Ist das wirklich okay?«
Ich hielt gerade eine Kristallflasche mit
Olivenöl hoch, die auf dem Tisch stand. Der Verschlusskorken war
von einer Maus zur Hälfte weggenagt worden, die sich dann durch den
schmalen Flaschenhals hineingezwängt hatte. Jetzt schwamm sie tot
in der gelblichen Flüssigkeit, das kleine Maul mit den scharfen
Zähnen weit geöffnet.
»Ja, kein Problem.«
»Ich komme gleich wieder und helfe dir«, sagte
er und verschwand nach oben.
Nachdem ich die tote Maus in den Garten
befördert hatte,
versuchte ich den uralten Staub, der überall herumlag, mit einem
ähnlich uralten Mob und einem Rest Putzmittel zu beseitigen. Obwohl
ich mir die größte Mühe gab, schien ich den Schmutz nur stärker zu
verteilen, anstatt ihn loszuwerden. In der regungslosen Luft
tanzten schon bald unzählige Staubmäuse. Als ich versuchte, eines
der Fenster zu öffnen, brach der Griff ab.
Nachdem ich eine geschlagene Stunde damit
verbracht hatte, die Küchengeräte und das Geschirr unter die Lupe
zu nehmen, war es mir gelungen, einige brauchbare Teller und Becher
(die seltsamerweise allesamt ein psychedelisches Muster aus den
sechziger Jahren aufwiesen), zwei zerkratzte Bratpfannen und einen
schweren Emaillekochtopf zu entdecken. Das einzige Besteck war
eines, das mit seinen feinziselierten Knochengriffen so aussah, als
würde es noch aus den Zeiten Edward VII. stammen.
In der Spülmaschine hingegen fand ich einen
Frosch im Winterschlaf.
Um fünfzehn Uhr war Hunter immer noch nicht
wieder da, und auch die Umzugsleute ließen sich nicht blicken. Ich
stand am Fuß der Treppe und rief nach oben. »Hunter?«
Keine Antwort.
»Hunter?«
Langsam stieg ich die Treppe in den ersten Stock
hinauf, wo es vier kleine Schlafzimmer gab. »Hunter? Bist du
da?«
Obwohl es draußen noch hell war, konnte ich in
dem düsteren Licht des Hauses nur wenig erkennen. An der Decke
hingen keine Lampen, da Hunters Mutter in diesen Teil des Hauses
keinen Strom verlegen ließ. Meinem Mann zufolge hatte sie die alten
Gaslampen aus den Zeiten vor
der Elektrizität so charmant und stilvoll gefunden. Ich hingegen
vermochte das leise Zischen der Gasdüsen nicht zu hören, ohne
sofort an Vergiftungen, Explosionen und Feuersbrünste denken zu
müssen, weshalb ich fest entschlossen war, als Erstes den
Elektriker kommen zu lassen.
Als ich eines der Schlafzimmer betrat, in dem
sich nur ein schmales Bett, ein Tisch und ein Stillleben befanden,
hörte ich das Knirschen des Kieses vor dem Haus. Ich sah aus dem
Fenster und entdeckte die gelbe Kühlerhaube unseres
Möbeltransporters.
Hastig eilte ich die Treppe in den Speicher
hinauf, der teilweise ausgebaut war und von einem Ende des Hauses
bis zum anderen reichte. Hier oben war es noch dunkler und kühler
als in den unteren Stockwerken. Durch kleine Schlitze in den
Bodenbrettern konnte man in die Küche hinuntersehen. Hunter saß in
einer Ecke und hämmerte auf seinen Laptop ein. Er stützte sich mit
einem Fuß, der in einem blaugelben Sneaker steckte, an einem Balken
ab. Seine Jeans legte sich eng um seinen angespannten Wadenmuskel.
Als ich hinter ihn trat, konnte ich gerade noch >Eine
durchdringende Stille erfüllte... < lesen, ehe er mich bemerkte
und aufschaute.
»Weißt du was?«, meinte er freudig und
aufgeregt. »In New York habe ich geglaubt, mit diesem Artikel nicht
mehr weiterzukommen. Aber im Grunde war das gar nicht das Problem.
Gerade ist mir klargeworden, dass diese Geschichte gar nicht für
einen Artikel geeignet ist. Ich habe hier genügend Materialien für
ein Buch zusammen.«
Was hatte ich denn erwartet? Eine
leidenschaftliche Liebeserklärung oder zumindest ein kleines
Dankeschön dafür, dass ich die Küche stundenlang geputzt hatte?
Idiotisch. Ich
schluckte meine Enttäuschung herunter und erklärte: »Die
Möbelpacker sind da.«
»Bin gleich unten.« Er wandte sich wieder seinem
Laptop zu.
Ich zählte innerlich bis zehn, und es gelang
mir, nicht so verärgert zu klingen, wie ich mich in Wirklichkeit
fühlte. »Ich möchte dich nicht stören, Hunter. Aber könntest du das
vielleicht etwas spärer...«
»Ja, klar. Ich sichere das nur noch schnell,
dann bin ich da.«
Ich spürte, wie er mir nachsah, während ich die
Treppe hinunterstieg. Kurz darauf hörte ich auch schon wieder das
Klappern der Tasten, und er schien jetzt noch besessener als zuvor
weiterzuschreiben. Meine Schritte hallten einsam im leeren Haus
wider. Ich fühlte mich vollkommen mutlos und ernüchtert.
Als ich die Haustür öffnete, waren die
Umzugsmänner vor dem Möbelwagen in ein Gespräch vertieft.
»Was hab ich dir gesagt? Hier ist also doch die
Skunk’s Misery Road«, sagte der Größere der beiden. Er hatte eine
Glatze und hinten auf dem Nacken das Tattoo eines ägyptischen
Horusauges.
Der Kleinere, der eine merkwürdig altmodische
Brille trug und einen langen blonden Pferdeschwanz hatte, erwiderte
etwas in einer Sprache, die ich nicht verstand. Vermutlich war es
Hebräisch.
»Hallo«, begrüßte ich die Männer.
»Es ist seine Schuld, dass wir uns verspätet
haben«, erklärte sogleich der Größere. »Er hatte die Karte und hat
uns falsch gelotst.«
Der schlanke, intellektuell wirkende Mann sah
mich
ungerührt an. »Sie haben doch behauptet, es würde eine Stunde auf
der Autobahn dauern. Oder?«
»Sie haben mit meinem Mann gesprochen, nicht mit
mir. Ich weiß nicht, was er gesagt hat.««
»Aber das ist keine Stunde. Ich sage zu Ronen:
>Wenn wir weiterfahren, wir brauchen einen Pass für
Kanada.«‹
»Itzik«, mischte sich der andere wieder ein.
»Sei endlich still.«
Itzik ging um den Lastwagen herum nach hinten.
»Hier ist es im Winter richtig kalt, oder? Minus zehn Grad? Oder
auch Minus zwanzig?«
Der glatzköpfige Umzugsmann schüttelte den Kopf
und sagte etwas auf Hebräisch. Dann waren die Männer einige Minuten
lang damit beschäftigt, unsere Couch aus dem Wagen zu hieven.
Sie riefen sich Befehle zu, und ich konnte
innerlich nur ein Stoßgebet zum Himmel schicken, dass hoffentlich
alles heil im Haus ankomme.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte ich.
»Wenn Sie uns die Tür öffnen würden«, erwiderte
der Größere etwas atemlos.
Ronen und Itzik hatten alles ins Haus gebracht
und tranken gerade Wasser aus angeschlagenen Porzellantassen, als
Hunter endlich zu uns stieß.
»Wie läuft’s?«, fragte er lässig. Zuerst
betrachtete er die Männer und dann mich und lächelte. Dabei strich
er sich seine Haare aus der Stirn, die seltsamerweise feucht vor
Schweiß war.
»Wir sind fertig«, sagte ich.
»Jetzt bekommen wir noch unser Geld«, erinnerte
mich Ronen.
»Richtig. Ich hole schnell mein Scheckbuch«,
meinte Hunter.
Ich folgte ihm in die Eingangshalle. »Du musst
unbedingt ein großes Trinkgeld geben. Wo hast du die ganze Zeit
gesteckt?«
Ohne aufzublicken stellte Hunter den Scheck aus.
»Ich wollte noch etwas zu Ende bringen, ehe ich es wieder
vergesse.« Er kehrte in die Küche zurück und reichte dem größeren
Mann den Scheck. »Hier.«
Ronen warf einen kurzen Blick auf die Summe und
steckte das Blatt Papier dann in seine hintere Hosentasche. »Alles
okay, dann vielen Dank. Itzik, pack jetzt endlich das blöde Handy
weg.««
»Ich versuche nur Ari im Büro zu
erreichen.««
Wir warteten.
»Hier ist kein Empfang«, sagte Itzik nach einer
Weile. Er drückte auf einige Tasten. »Nein, gar nichts.«« Er sah
uns an. »Kann ich über Ihr Festnetz anrufen?«
Hunter schüttelte den Kopf. »Leider nein, wir
sind noch gar nicht angeschlossen.«
Itzik warf Ronen einen überraschten Blick zu,
und die beiden tauschten sich kurz auf Hebräisch aus.
»Also gut, dann fahren wir jetzt«, erklärte
Ronen schließlich und reichte mir die Hand. »Ich wünsche Ihnen viel
Glück.« Von Hunter verabschiedete er sich nur mit einem kurzen
Nicken.
Es war inzwischen fast sechs Uhr abends. Die
Schatten der Bäume wurden bereits länger, als ich die beiden zu
ihrem Wagen brachte. Die Bäume in Northside waren mit den kleinen,
gestutzten Exemplaren meiner Kindheit nicht zu vergleichen. Hier
wuchsen riesige Kiefern, Ahornbäume
und Silberbuchen wild durcheinander. Dazwischen rankten sich
struppige Dornenhecken empor.
»Sie müssen sich jemanden besorgen, der Ihnen
den Garten macht«, bemerkte Ronen noch, während er auf den
Fahrersitz kletterte.
»Ja, hier stehen zu viele Bäume. Passen Sie auf,
dass Sie beißt keine Zecke. Sonst können Sie diese Krankheit
bekommen«, meinte Itzik. Er putzte sich die Brille mit einem Zipfel
seines T-Shirts. »Diese... Bohrkrankheit.«
»Sie meinen wahrscheinlich Borreliose«,
erwiderte ich. »Dafür ist es jetzt schon zu kalt. Ihr Jungs mögt es
auf dem Land wohl nicht allzu sehr, was?«
»Na ja.« Itzik lächelte. »Wenn man mag Zecken
und Stinktiere, dann ist das alles in Ordnung. Ich persönlich bin
aber ein Stadtmensch.«
Ronen versuchte es wieder auf dem Handy. »Noch
immer keine Verbindung«, meinte er. »Ari wird einen Tobsuchtsanfall
bekommen.«
Als sie losfuhren, konnte ich über den
Motorenlärm hinweg hören, wie sie darüber diskutierten, ob sie eher
Lust auf einen Kebab oder etwas Mexikanisches hätten, wenn sie
wieder in New York waren.
Ich drehte mich zu meinem neuen Zuhause um.
Innerhalb weniger Minuten war es noch einmal wesentlich dunkler
geworden. In der Stadt herrschte um diese Zeit in den U-Bahnen
Hochbetrieb. Hier draußen auf dem Land spürte ich stattdessen einen
kaum merklichen Wandel, als ob auf einmal eine größere Anspannung
in der Luft lag. Nun kamen die Tiere der Nacht langsam aus ihren
Verstecken.
Ich kehrte ins Haus zurück, das noch immer im
Dunklen lag. »Hunter?«
Ich drückte auf einen Lichtschalter, doch nichts
passierte. »Hunter, wo steckst du? Hast du uns noch gar nicht
angemeldet? Wir haben nämlich keinen Strom.« Ich ärgerte mich, das
nicht schon früher kontrolliert zu haben. Mein Mann kümmerte sich
selten um solche Dinge. Dabei hatte ich mir noch nicht einmal die
Schlafzimmer angesehen, um zu entscheiden, wo wir schlafen wollten;
jetzt war es schon fast zu dunkel dafür. »Hunter?«
Ich entdeckte ihn auf der Schwelle der
Küchentür. Er blickte in den Garten hinaus.
Als ich meine Arme um seine Taille schlang,
schien er sich für einen Moment lang über meine Anwesenheit beinahe
zu wundern. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit erneut der
abendlichen Natur zu.
»Wir haben keinen Strom, Hunter. Es gibt kein
Licht und keine Heizung. Hast du wenigstens eine Taschenlampe
mitgebracht?«
»Im Auto.««
Ich überlegte mir einen Augenblick lang, ob es
nicht langsam an der Zeit wäre, mich darüber zu beschweren, wie
wenig er mitgeholfen hatte. Doch etwas an der Stille ließ mich
innehalten. Wir waren auf einmal ganz allein. Ich hatte eigentlich
keine Lust, einen Streit vom Zaun zu brechen. »Meinst du nicht,
dass wir uns auf die Suche nach einem Supermarkt machen sollten?
Ich habe Hunger. Oder willst du noch länger hierbleiben?«
»Hunger?« Hunter drehte sich zu mir um und
lächelte. Er wirkte derart glücklich, dass er zu strahlen schien.
»Klar. Ach, Abra, du wirst staunen, wenn du siehst, woran ich
arbeite. Dieser Ort wird ganz andere Qualitäten in mir ansprechen.
Das spüre ich schon jetzt.«
»Freut mich.««
Er legte den Arm um mich und atmete die kalte
Luft ein. Ich blieb ganz still neben ihm stehen, damit er nicht
merkte, wie müde, angespannt und alles andere als glücklich ich im
Gegensatz zu ihm war.