5.
„Und so was nennt sich `Profi`. Mit deiner billigen Ausrüstung hättest du beinahe die gesamte Erde auf dem Gewissen gehabt.“ Ribotex spuckte einen blutigen Klumpen aus und ächzte. Die Väter waren offenbar nicht die einzigen, die kürzlich mit den unangenehmen Seiten der Körperlichkeit zu tun bekommen hatten. Gerade was das Phänomen `Schmerz` betraf, hätte ihnen der geschundene Telepath einiges erzählen können.
Jazzman achtete kaum auf ihn... oder auf irgendwen sonst. Er war mit vollem Körpereinsatz bemüht, seine völlig außer Kontrolle geratene Tarnvorrichtung zu bändigen. An der Stelle, an die Ribotex seine Worte gerichtet hatte, war nur ein einziges Licht- und Farben- Wirrwarr zu erkennen. Die Stimme des Androiden drang abgehackt dahinter hervor.
„Was... du eigentlich... Haben sie... es geschluckt... oder nicht...?“
In der Empfangshalle der Result Organisation herrschte ausgelassene Stimmung. Es war vergleichbar mit der Stimmung von Schülern nach einem Elternsprechtag, der nicht stattgefunden hatte, weil alle Lehrer verhindert waren. Einige ungestümere Charaktere sahen sich sogar genötigt, Freudentänze aufzuführen.
Doch das bunte Treiben dauerte nur genau solange an, bis man den Großen Denker herein fuhr. Er lag in einer rostigen Schubkarre und war an Armen und Beinen gefesselt. Für letzteres hatte man lediglich zwei kurze Schnürriemen benötigt, aber auch ein Wollfaden hätte es sicherlich schon getan. Nun band man ihn eilig los. Der Große Denker erweckte nicht den Eindruck, irgendwelchen physischen Widerstand leisten zu wollen. Schlaff und kraftlos lagen die dünnen Ärmchen auf seinem Schoß. Doch in seinem Gesicht versuchten sich gleich mehrere Empfindungen auf einmal Ausdruck zu Verschaffen. Ärger, Wut und bittere Enttäuschung waren nur einige davon.
Leicht verlegen trat Quirnseus an die Schubkarre heran. Er brachte es kaum übers Herz, seinem einstigen Führer und Vordenker in die gebrochenen Augen zu sehen, oder gar das Wort an ihn zu richten.
Zum Glück kam ihm der Große Denker in dieser Angelegenheit entgegen.
„Auch du mein Sohn, Quirnseus“, begann er auf wahrhaft klassische Art. „Von dir hätte ich diesen Verrat wirklich als letztes erwartet. Doch wie ich hören musste, warst du bei diesem Umsturz sogar der Rädelsführer.“
„Sir, ich möchte nicht, dass Sie meine Beweggründe falsch interpretieren. Irgendwer musste etwas unternehmen. Ich war dabei nur eben der einzige, der seinen Hintern wirklich hochbekommen hat... äh, Sir.“
„Mein gesamtes Lebenswerk zerstört. Genau wie auch mein Körper.“ Der Große Denker erging sich in gerechtem Selbstmitleid.
Quirnseus dachte für einige Momente darüber nach.
„Ich würde das ganze gar nicht so negativ beurteilen. So wie es aussieht, hat sich für uns vieles zum Guten gekehrt. Es wird jetzt allerdings Einiges zu regeln geben...“
Er deutete mit dem Finger auf den Zweiten Denker, der noch immer bewusstlos am Boden lag.
„Ich glaube, wir sollten morgen als erstes gleich mal eine Versammlung einberufen... Und was Ihren Körper angeht, Sir... Er ist eigentlich noch vollkommen intakt. Sie werden nur künftig mit ein paar Gehirnteilen weniger zurechtkommen müssen. Aber vielleicht kann das für Sie auch so etwas wie eine Fahrkarte in ein normaleres Leben sein...“
Nachdenklich zerdrückte der Große Denker eine Träne unter seinen großen klaren Augen.
„Auch ich habe bereits darüber nachgedacht. Jetzt wo die ganze Verantwortung von meinen Schultern genommen ist, gibt es für mich keinen Grund mehr, mir weiter die Last dieser ungeheuren Intelligenz aufzubürden.“
Entschlossenen Mutes fuhr er sich an den Kopf und riss eines der modularen Gehirnteile ab.
Inzwischen hatte man ihn in der Schubkarre zurück in seinen Raum gefahren, wo der Androide Jazzman gerade seine Technik unter Kontrolle bekam.
„So, verdammter Mist noch mal“, knurrte der übellaunige künstliche Agent und pfefferte den defekten Bildgenerator gegen die nächste Wand.
„War er es, der meinen Platz eingenommen hatte?“ fragte der Große Denker etwas ungläubig. Es war für ihn nicht leicht nachvollziehbar, dass irgendwer dieses Drahtgestell mit ihm verwechseln könnte. Schon allein diese ungepflegte Ausdrucksweise...
„Darauf können sie Gift nehmen, Sir“ antwortete Ribotex etwas vorlaut. „Wobei ich noch immer nicht begreife, wie dieseVäter auf solche billigen Taschenspielertricks reinfallen konnten.“ Er bohrte mit dem Finger im rechten Segelohr und förderte eine erstaunliche Menge Schmalz zutage. „Ich vermute, diese Typen leben wirklich hinterm Mond.“
„Ich kann mir das nur so erklären, dass dieVäter trotz ihrer hohen Entwicklungsstufe wenig Ahnung von Technik haben“, vermutete Quirnseus. Er half dem Großen Denker sacht aus der Schubkarre. „Oder vielleicht sind ihnen in ihrer Kultur auch nur solche Dinge wie Betrug oder Lüge vollkommen fremd.“
„Das leuchtet ein“, überlegte Ribotex. „Wenn jeder die Gedanken des anderen lesen kann, haben notorische Lügner nicht allzu viel zu lachen.“
Jazzman war das Gerede über solch unwichtigen Kram zuwider.
Hoch erhobenen Kopfes trat er zur Tür und wandte sich dann noch einmal selbstgefällig zu den debattierenden Telepathen um.
„Also, mir ist es wirklich gleich, warum diese Aliens so dumm waren. Hauptsache, sie sind weg. Ich schätze, mein Auftrag ist damit zufriedenstellend erfüllt.“
Er betätigte noch einmal den kleinen Sender, den er an den stählernen Hüften befestigt hatte. Doch auch jetzt erklang nur das vertraute Rauschen.
„Verflixt“, fluchte Jazzman. „Ich schaffe es einfach nicht, die Eisberg-Station zu erreichen. Dabei hätte ich zu gerne Meldung gemacht. Für mich sieht die ganze Sache nach einem verdammten Happy End aus!“