7.

 

General Orge hatte offenbar einen guten Tag. Jedenfalls, soweit man in seinem Fall von so etwas überhaupt sprechen konnte: Es schien ihm nur dann wirklich gut zu gehen, wenn sich Lagen zuspitzten, Katastrophen anbahnten oder schlimme Unglücke einzutreffen drohten. Angesichts dieser Tatsache hatte es etwas einigermaßen Beunruhigendes, ihn mit einem strahlenden Lächeln zu sehen. Man könnte hinzufügen, dass sich dieser Effekt noch verdoppelte, wenn es das erste war, was man nach einer Reaktivierung zu Gesicht bekam.

Und genau so erging es Jazzman.

Er hatte noch keine Gelegenheit gehabt, die Geschehnisse vor seiner Ohnmacht Revue passieren zu lassen und konnte sich daher auch nicht so sehr freuen, überhaupt noch zu funktionieren. Aber dieses Lächeln löste bei ihm - im wahrsten Sinne des Wortes automatisch - Besorgnis aus. Zuletzt hatte es Jazzman kurz vor der Schlacht gegen die Wüstencreeper gesehen. Und so verheerend die Schlacht auch war, das Lächeln fiel damals nicht halb so breit aus wie gerade jetzt.

Jazzman rechnete mit dem Schlimmsten.

Er stellte fest, dass er im Büro des Generals saß. Und zwar genauer in einem äußerst bequemen Stuhl. Seufzend lehnte er sich zurück.

Bei General Orge hatte man es mit einem äußerst kräftig gebauten Mann zu tun, was dieser jedoch einem operativ implantierten Endoskelett verdankte. Auf den Militärlatrinen der Eisberg-Station hielt sich das Gerücht hartnäckig, der General sei in den Jahren vor seiner Operation ein ausgesprochenes Handtuch gewesen. Es ist unnötig zu erwähnen, dass das bloße Äußern dieser Vermutung schon unter Strafe stand. Schließlich war Franklin Orge, in seiner Funktion als General, der Repräsentant der gesamten Station. Wie es sich gehörte, war sein Kopf kahl geschoren. Die einzigen auffallenden Haare in seinem Gesicht waren daher die überaus buschigen Augenbrauen, die eigentlich nur eine einzige ununterbrochene Braue bildeten. Und diese Braue war in der Regel immer zusammengekniffen. Bis auf heute.

„Sie haben ihren letzten Auftrag wie immer exzellent gemeistert!“ lobte General Orge. „Sie erinnern sich doch sicherlich noch an alle Einzelheiten, oder?“

Das tat Jazzman zwar bisher noch nicht, doch nun holte er es innerhalb weniger Zehntelsekunden nach. Er verfügte in der Tat über einen erstaunlich schnellen Prozessor - ganz im Gegensatz zu den meisten seiner Artgenossen. „Ja Sir, ich erinnere mich an alles!“ antwortete er. Er erinnerte sich auch an ein erbeutetes Motorrad und nahm sich vor, so schnell wie möglich danach zu fragen.

„Von Ihrem großen Fang hatten wir uns allerdings etwas mehr erhofft“, stellte der General bedauernd fest.

„Sie meinen Ribotex, Sir?“

„Rigofex, ja, das war wohl sein Name. Hatte nicht allzu viel zu bieten, verglichen mit Ihren sonstigen Gefangenen. Gerade mal eine Psi-Fähigkeit hat ihre Blackbox über ihn ausgespuckt. Sehr, sehr mager!“

„Aber diese Fähigkeit liegt in besonders ausgeprägter Form vor, Sir! Da wird doch was zu machen sein?“

Das Lächeln des Generals wurde tatsächlich noch eine Spur breiter.

„Ja, ja mein guter alter Jazzman, dieselbe Söldnernatur wie eh und je! Aber keine Sorge, Sie werden auch dieses Mal ihre Spesen decken können: Der Telepath war für uns nicht nur wegen seiner Psi-Fähigkeiten von Bedeutung. Unsere Jungs von der Medizinischen Abteilung haben ihn gerade in der Mangel. Der Kerl war ja mehr tot als lebendig!“

„Er lebt?“ fragte Jazz erstaunt. Sein Gefangener war wohl wirklich zäher, als es den Anschein hatte.

„Aber natürlich lebt er“, antwortete der General, „wir haben sie beide schließlich aus dem Sand geborgen. Sie haben wirklich noch mal Glück gehabt, mein Lieber!“

„Das wäre vielleicht gar nicht nötig gewesen, wenn unsere Nachrichtenübermittlung nicht so veraltet wäre, Sir!“

„Sagen Sie nichts gegen die Weeper! Sie haben dem Militär schon so manchen Dienst erwiesen. Und sei es nur, indem sie die Soldaten von einigen ihrer Körperteile befreiten, die dann durch hochwertige bionische Prothesen ersetzt werden konnten. So mancher schlappe Arm hat schon sein Ende im Bauch eines Weepers gefunden und so Platz gemacht für kräftige, effektive Ersatzteile der Firma Cyberleg und Co!“

„Deren Besitzer Ihr Schwiegersohn ist...“, murmelte Jazzman leise.

Das habe ich gehört!“ Das Gesicht des Generals nahm eine rötliche Färbung an. „Nehmen Sie sich nur nicht zuviel heraus, Agent Jazzman, sonst werden Sie noch in unseren Schmelzanlagen enden!“

„Entschuldigung Sir, ich hatte nur laut gedacht. Und meine Schaltkreise sind wohl immer noch etwas durcheinandergeschüttelt.“    

„Das will ich gemeint haben! Aber lassen wir das unnütze Geschwätz, es gibt wichtigere Dinge zu bereden!“

Jazzman schluckte. Er hatte es ja kommen sehen. Bestimmt hatte der General wieder einen dieser unangenehmen Spezialaufträge für ihn. Aufträge, die keiner sonst übernehmen wollte.

„Ich habe einen wichtigen Spezialauftrag für Sie, den keiner sonst übernehmen kann“, begann General Orge. „Haben Sie schon mal was über denDreizehnten Ruf gehört, Jazzman?“

„Bisher noch nicht, Sir, aber Sie sprechen das Wort irgendwie komisch aus, Sir!“

„Albern Sie jetzt bitte nicht rum, die Lage ist äußerst kritisch! Es gibt, wie uns unsere Agenten unter Einsatz ihres Lebens übermittelt haben, eine Vereinigung, die sich Result nennt. Wo sie sich genau befindet, ist uns nicht bekannt. Aber wir wissen, dass wir es mit der bisher wahrscheinlich größten Zusammenschließung von Telepathen überhaupt zu tun haben. Ihre Anführer sind mit Kräften ausgestattet, von denen Ihr letzter Gefangener nur träumen kann. Wie Sie sich denken können, bedeuten diese Fähigkeiten für uns eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit.“

Jazzman nickte gelangweilt: Er hatte diese Propagandareden über die Gefährlichkeit von Telepathen für den Rest der Erdbevölkerung schon mehr als einmal über sich ergehen lassen müssen. Schließlich war es das, womit er seinen Lebensunterhalt verdiente: Das Ausfindigmachen und Sicherstellen von Staatsfeinden, bei denen die Telepathen eben an erster Stelle standen. Und Jazzman war geradezu prädestiniert für diesen Job, denn er hatte schließlich keine Gedanken im eigentlichen Sinne und war so gegen die meisten telepathischen Tricks völlig immun. Aus genau diesem Grund konnte er allerdings auch nicht die Paranoia nachempfinden, die die Menschen gegenüber den Telepathen an den Tag legten. Er hielt sie für einigermaßen harmlos.  

„Aber diese alltägliche Gefahr durch unsere telepathisch veranlagten Mitmenschen“, fuhr der General fort, „ist diesmal nicht Kernpunkt Ihres Auftrags. Es handelt sich vielmehr um eine äußerst spezielle Gefahr.“

„Hat sie etwas zu tun mit diesem Dreizehnten Ruf, den Sie eben erwähnten, Sir?“

„Sie sprechen es falsch aus, es heißtDreizehnter Ruf. Aber ja, Sie haben recht. Es hat sogar direkt damit zu tun, wenn Sie es genau wissen wollen. Und Sie sollten es genau wissen wollen, da dies auch der Schlüssel zu Ihrer Mission ist. Also hören Sie gut zu! Was nun folgt, ist Geschichtsunterricht, wie ihn die Telepathen gerne gelehrt sähen:

Telepathen gibt es noch nicht allzu lange. Frühestens seit 150 Jahren, also etwa 80 Jahre nach dem großen Nordpol/Südpol Krieg. Viele Mediziner sagen natürlich, das ist das, was radioaktive Strahlung mit den Genen anrichtet. Aber die Telepathen selbst haben eine etwas andere Theorie über ihre Herkunft. Sie glauben, dass es Außerirdische waren, die das Leben auf diesem Planeten ans Laufen gebracht haben!“

Der General holte ein sehr alt wirkendes, ledriges Etwas unter dem Schreibtisch hervor. Es war viereckig und offensichtlich aufklappbar, denn der General klappte es auf.

„Das hier ist ein Buch, falls Ihnen der Begriff noch etwas sagen sollte. Man verwendete sie vor hundert Jahren oder so noch häufig als Brennmaterial, bis sie alle aufgebraucht waren. Ihre Ursprüngliche Funktion war es jedoch, Wissen in Form von Schrift abzuspeichern. Wie dem auch sei, dieses hier hat niemand angezündet. Denn es handelt sich um das Buch ´Gedankensprung´, die Bibel der Telepathen.“

General Orge deutete mit dem Finger auf die alten Zeichen im Buch und begann zu übersetzen:

„Hier steht geschrieben: `...so kamen dieVäter von den Sternen und säten die Saat des Lebens über dem Planeten aus, den sie Erde nannten. Ein Planet von vielen war es und sie wussten, dass viele Missernten abzuwarten waren, bis sich Leben gebildet haben würde, welches von ihnen selbst als gleichwertig anzusehen sei. Einen Hirten für jeden Planeten ließen sie zurück, der weit entfernt über der Saat wachen sollte und warten sollte, bis sie zur vollen Blüte herangezüchtet war. Als Zeichen für den Hirten vereinbarten dieVäter mit der Saat einen Gedankenruf, der dem Hirten verkünden sollte, wann es an der Zeit sei, dieVäter zu rufen. Sie zu rufen, auf dass sie die gute Saat ernten und die schlechte vernichten. Denn die Saat des Lebens war ihr Versuch. Und wir, meine Brüder, wir sind das Ergebnis.

General Orge blätterte einige Seiten weiter und las dann erneut:

„Hier steht dann noch: `Dreizehn mal, so sollt ihr uns rufen. Jedes Mal ein wenig lauter. Und wenn der Hirte euch hört - und begreift, was da reift - dann wird er uns holen, und wir werden kommen, um euch dann zu ernten... und die Spreu im All zu pulverisieren!“  

Der General ließ das Buch mit einem lauten Knall zuklappen.

„Nun, Jazzman, was halten Sie davon? Es ist Ihnen ja wohl klar geworden, wer mit der Spreu gemeint ist, die im All pulverisiert werden soll: So ziemlich jedes nicht telepathische Wesen auf diesem Planeten!“

„Ich halte das alles für lächerlichen Aberglauben, Sir!“ antwortete Jazzman gelassen. „Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass Sie so einen Quatsch tatsächlich ernst nehmen?“

Der General kniff die buschige Braue zusammen und sah den Androiden fest an.

„Wir haben es lange Zeit auch für Unfug gehalten. Jedenfalls solange, bis vor etwa einem Jahr die Daten unserer Mars-Sonde zu uns gelangten: Irgendetwas ist da oben, und es ist ganz sicher nicht irdischen Ursprungs. Die Sonde versuchte es zu scannen und wurde daraufhin vernichtet. Und wenn ich mir das ganze Gerede über den Urknall und so durch den Kopf gehen lasse, erscheint mir die Theorie der Telepathen gar nicht mehr so absurd...“

„Sie wollen also sagen, dass die Telepathen versuchen, eine Gedanken- Nachricht zum Mars zu schicken, um dann die Schöpfer allen Lebens auf der Erde hierher zu locken?“ fragte Jazzman ungläubig. 

„Sehr richtig!“ bestätigte General Orge ernst.

„Und dann sollen diese Schöpfer kommen, um die Telepathen einzusammeln und alle anderen Wesen zu vernichten?“         

„Ich sehe Jazzman, Sie haben gut zugehört! Der ganze Planet wird dann ausgelöscht. Weiter hinten im Buch wird dies ziemlich blumig beschrieben.“

„Und Sie nehmen an, dass dieserDreizehnte Ruf nun unmittelbar bevorsteht?“

„Wir haben allen Grund, das anzunehmen. Die Telepathenvereinigung, Result, behauptet, den geforderten Evolutionsschritt getan zu haben. Sie sehen sich selbst als das Ergebnis des Versuchs, hochwertiges Leben auf diesem Planeten zu züchten. Unseren Agenten zufolge, soll sich ihr Anführer, den sie den Großen Denker nennen, schon seit Wochen in tiefer Meditation befinden. Er sammelt Kraft, um denRuf auszusenden. Man könnte sagen, die Lage spitzt sich zu!“

Schon konnte Jazzman wieder das Lächeln auf den Gesicht des Generals erkennen. Er hustete.

„Und was soll ich bei der ganzen Angelegenheit für eine Rolle spielen, Sir?“ fragte er zögernd.

„Sie sind es, der unbedingt verhindern soll, dass derDreizehnte Ruf zustande kommt! Natürlich sind Sie in dieser Sache nicht der einzige Mann, den wir im Einsatz haben, vielleicht aber der erfolgversprechenste. Schließlich haben Sie nicht nur die ideale physische Disposition für diesen Job, sondern auch die umfangreichste Erfahrung in Bezug auf Telepathen!“

„Meine Erfahrungen beschränken sich eigentlich darauf, die Telepathen festzunehmen, Sir!“ antwortete Jazzman unsicher.

„Aber nicht doch mein Freund! Sie nehmen die Telepathen in der Regel nicht nur fest. Sie verfolgen und jagen sie doch auch. Und heißt es dazu nicht, dass der beste Jäger genau weiß, wie seine Beute denkt?“

„Aber dieses mal ist mein Auftrag doch wesentlich umfangreicher, Sir?!“

„Warum sollte er das sein? Sie können es doch einfach so sehen: Jagen und verhaften Sie den Großen Denker. Viel mehr wird niemand von Ihnen erwarten!“ Das Lächeln zog sich jetzt buchstäblich von einem Ohr zum anderen.

Jazzman seufzte erneut. Was kam da nur wieder auf ihn zu.

„Also gut, Sir“, antwortete er, „wo soll ich denn mit meiner Suche beginnen?“

Der General erhob sich aus dem Drehstuhl. Er kam auf Jazzman zu und schüttelte ihm die Greifzange.

„Sehr gut, das ist der richtige Unternehmensgeist! Aber übereilen Sie nichts. Sie müssen absolut top secret und undercover arbeiten. Es wird höchstwahrscheinlich notwendig sein, Sie unerkannt in die Organisation einzuschleusen. Das heißt, nachdem Sie sie ausfindig gemacht haben. Über den Standort der Result Vereinigung können wir Ihnen bisher leider noch nicht viel sagen. Unbestimmten Meldungen zur Folge soll es sich allerdings um einen riesigen Palast handeln. Eine äußerst noble Angelegenheit. Es fragt sich natürlich, wo es so etwas in unseren Breiten noch gibt!“

„Aber wie soll ich sie denn finden, wenn ich so gut wie keinen Anhaltspunkt habe?“ wunderte sich der Androide lautstark. „Unter den Gefangenen Telepathen müsste doch wenigstens einer sein, aus dem man ein paar genauere Informationen herausholen könnte.“

„Tja, das hatten wir eigentlich auch gedacht. Nur leider scheint es, dass der Zutritt zur Result Vereinigung selbst unter den Telepathen nur den Mächtigsten und Fähigsten gewährt wird. Und diesbezüglich gibt es da einige seltsame Ungereimtheiten: Nicht einer unserer Gefangenen Telepathen hatte auch nur den leisesten Schimmer, wo sich der Palast der Vereinigung befinden könnte. Und das, obwohl die Black Boxes sie als die gefährlichsten Gehirnmutanten des Universums ausgewiesen haben... Und ausgerechnet Ihr letzter Fang mit seiner lächerlichen Illusionskraft scheint sich als einziger mit Result auszukennen. Ich kann mir darauf wirklich keinen Reim machen!“

„Ähm..äh.. vielleicht hat er einfach gute Beziehungen, oder so...“, druckste der Androide nervös.     

Der General betätigte den Schalter der Gegensprechanlage. Eine mechanisch klingende Stimme meldete sich scheppernd. Jazzman ordnete diese Stimme sofort einem völlig veralteten SR16 Androidenmodell zu. Er empfand für diese Modelle ungefähr so, wie ein Homo Sapiens gegenüber einem Keulen schwingenden Neandertaler.

„Sir, General Orge, Sir! Was wünschen Sie, Sir?“ schepperte die Stimme, der allerdings etwas unverkennbar feminines mitschwang.

„Bringen Sie mir bitte unverzüglich den Gefangenen!“ befahl Orge ungeduldig.

Kurz darauf wurde die Türe des geräumigen Büros aufgestoßen und zwei bewaffnete Soldaten führten einen kleinen gefesselten Mann herein. Es war Ribotex. 

Vor circa fünfzehn Stunden war er auf einem Operationstisch festgeschnallt zu sich gekommen. Man hatte die fehlende Hand durch eine bionische Mehrzweckhand ersetzt und ihm schmerzende Psi-Blocker in den Kopf implantiert. Außerdem, und das war das einzige, dem Ribotex etwas Positives abgewinnen konnte, hatten sie im Schnellverfahren sämtliche seiner zahlreichen Knochenbrüche geheilt.

Beim Gedanken an den Ort, an dem er sich befand, dem militärischen Hauptstützpunkt, überkam Ribotex eine grenzenlose Sympathiewoge.

Na toll, dachte er, sie haben mir also auch noch ein Verhaltensimplantat verpasst. Wer weiß, was sie sonst noch alles mit mir angestellt haben...

Ribotex hatte so manches Verhör über sich ergehen lassen müssen, wobei er feststellte, dass man die meisten Informationen schon vor seinem Erwachen aus ihm herausgeholt hatte. Gewiss war den Verhörern dabei irgendein telepathischer Kollaborateur behilflich gewesen. Während der Befragungen war Ribotex teilweise so sehr mit Drogen abgefüllt worden, dass er zwischenzeitlich nicht mehr gewusst hatte, wie sein Name ausgesprochen wurde. Diesbezüglich war es ihm übrigens genau wie seinen Verhörern ergangen.      

Schließlich hatte man den Telepathen dann hierher gebracht.

„Hallo, Ribotex!“ begrüßte ihn Jazzman. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dich so schnell wieder zu sehen. Oder überhaupt...“

Die Augen des Telepathen weiteten sich vor Entsetzen.

„Oh nein, nicht Du schon wieder! Das hatte mir gerade noch zu meinem Glück gefehlt. Ich hoffte, man hätte dich im Sand verrosten lassen!“

General Orge schlug mit der riesigen bionischen Faust auf den Schreibtisch.

„Ich bitte Sie meine Herren, mäßigen Sie sich! Es geht hier um wichtigere Dinge, als Ihre unbedeutenden Streitereien!“

„Unbedeutende Streitereien?“ schrie Ribotex. „Dieser Blechkasten hätte mich beinahe für immer unter die Erde gebracht!“

„Halten Sie den Mund, Gefangener! Oder muss ich Sie erst von unseren Sicherheitsleuten ruhigstellen lassen?“ brüllte der General. „Wir sind hier, um Ihren gemeinsamen Einsatz durchzusprechen. Von jetzt an können Sie sich als Partner betrachten!“

„Als Partner?“ entfuhr es Jazzman und Ribotex gleichzeitig und gleichermaßen erschrocken.

„Sie haben mich sehr richtig verstanden, meine Herren!“ bestätigte General Orge. „In dieser Angelegenheit wird es absolut notwendig sein, dass Sie beide eng zusammenarbeiten!“

Ribotex winselte.

„Aber das geht nicht, Sir!“ warf Jazzman ein. „Ich bin es gewohnt, im Alleingang zu operieren. Ich verstehe mich einfach nicht auf Teamwork.“

„Sie haben doch nicht etwa vor, sich meinen Befehlen zu widersetzen?“ hakte der General scharf nach. „Ich muss Sie doch nicht schon wieder an unsere Schmelzanlagen erinnern?“

Mit einem Ächzen drängte Jazzman seine weiteren Einwände zurück.

Ribotex schluchzte leise.

General Orge nickte abschließend. Er machte es sich wieder auf dem Drehstuhl bequem, der unter dem enormen Gewicht bedenklich nachgab.

„So, nachdem wir uns in dieser Hinsicht alle einig sind, kommen wir nun auf die Einzelheiten Ihrer Zusammenarbeit zu sprechen. Worum es in erster Linie geht, dürfte Ihnen klar sein: Finden und infiltrieren Sie die Result Vereinigung. Wir hoffen, dass Mr. Ribotex seine Beziehungen nutzen kann. Seine uneingeschränkte Loyalität halten wir für gesichert. Wir selbst waren es, die sie gesichert haben. Wir brauchten da nur ein kleines Implantat anzubringen. Aber was uns Sorgen macht, ist der Zeitfaktor. Hoffentlich sind Sie nicht zu spät vor Ort! Sie sollten sich am besten noch heute auf den Weg machen!“

„Etwa zu Fuß?“ fragte Ribotex beunruhigt. „Ich halte bei den Temperaturen da draußen keine fünf Meilen durch!“

„Sie werden das Motorrad für Ihre Reise benutzen, das man zusammen mit Ihnen geborgen hat.“

„Sie haben es gefunden?“ freute sich Jazzman. „Wo ist es, haben Sie es wieder flott machen können?“

„Es befindet sich zur Zeit in unserer Werkstatt“, antwortete der General. „Unsere Mechaniker haben da noch einige spezielle Funktionen eingebaut, die wir Ihnen anschließend präsentieren werden. Und nun richten Sie bitte Ihre Blicke auf das kleine Gerät da vor Ihnen!“  

Jazzman und Ribotex blickten gleichzeitig nach unten und entdeckten einen etwa 40 Zentimeter hohen metallischen Kasten auf Rädern. Er musste schon die ganze Zeit da gestanden haben, nur hatte ihn bisher noch keiner von ihnen zur Kenntnis genommen. Der kleine Kasten, auf dessen Vorderseite zwei antennenartige Fühler angebracht waren, ließ ein freundliches Piepen erklingen.

„Was Sie da vor sich sehen, meine Herren, ist die neue Black Box Generation. Ist sie nicht unglaublich? Ein wahres Wunderwerk der Technik!“

Jazzman betrachtete den Kasten ungläubig von allen Seiten.

„Das soll das neue Black Box Modell sein, Sir? Aber es ist doch viel zu groß und zu unhandlich, um es ständig mit sich herumzutragen. Außerdem fällt man mit so einem Ding doch überall auf!“

Beschwichtigend hob der General die gepanzerte Hand.

„Auffallen werden Sie damit nirgendwo. Diese neuen Black Boxes zeichnen sich unter anderem besonders durch ihre unglaubliche Unscheinbarkeit aus. Sie sind sozusagen so unscheinbar, dass man sie erst bemerkt, wenn man auf sie hingewiesen wird!“

Jazzman musste eingestehen, dass der Kasten da vor ihm tatsächlich derart uninteressant aussah, dass sein Blick automatisch auf etwas anderes abschweifte - und sei es nur auf ein einfaches Stuhlbein.

„Außerdem werden Sie es nicht tragen brauchen. Wie Sie sehen, bewegt es sich auf Rädern. Und sollten Sie einmal auf unwegsamen Gelände reisen, so ist dieses Gerät tatsächlich in der Lage, sich über gewisse Distanzen zu teleportieren.“

„Wie bitte?“ rief Jazzman erstaunt. „Sie haben es geschafft, die Beemtechnik zu entwickeln?“

„Nun ja“, zögerte General Orge, „Es funktioniert noch nicht bei Lebewesen, sondern nur mit Gegenständen, die darüber hinaus mit einer speziellen Legierung überzogen sein müssen. So wie die neuen Black Boxes. Ich sagte ja: ein wahres Wunderwerk der Technik!“

Jazzman verpasste dem Wunderwerk einen leichten Tritt, woraufhin dieses kurz fiepte.

„Das ist ja alles gut und schön, Sir“, sagte er, „aber mir scheinen diese Dinger nicht besonders viel auszuhalten. Sie gehen im Eifer des Gefechts sicherlich schnell kaputt...“ 

Der General winkte ab.

„Oh, versuchen Sie nur einmal, es zu zerstören!“ forderte er den kritischen Androiden auf. „Sie können dazu meinetwegen auch ruhig Ihr Gewehr benutzen! Na los, worauf warten Sie?“ 

Damit hatte Jazzman zwar nicht gerechnet, doch er zuckte nur mit den schmalen Schultern und zog seine Doppelläufige. Er legte auf die Black Box an und feuerte.

Die Black Box zersplitterte in tausend Teile, die sich gleichmäßig im Raum verteilten. Doch schon wenige Sekundenbruchteile später materialisierte sich eine neue Box, einige Zentimeter von der Stelle entfernt, wo eben noch die erste gestanden hatte. Jazzmans Verblüffung kannte keine Grenzen.

„Ist das nicht einmalig?!“ jubelte der General. „Ein einmaliges Wunderwerk der Technik! Wie Sie sicherlich bemerkt haben, ist es tatsächlich in der Lage, sich im Falle seiner Zerstörung selbst zu replizieren. Die neue Black Box hat dann alle Daten und Erinnerungen ihres Vorgängers. Und das Beste daran ist: Das kann sie immer wieder tun! Sie ist sozusagen unzerstörbar! Sogar gegen telepathische Attacken ist sie völlig immun!“

„Das ist wirklich erstaunlich“, gab Jazzman verblüfft zu.

„Nun ja, eine einzige kleine Schwachstelle hat das ganze System allerdings: Wurde eine Box genau 135 Mal zerstört, so ist die 136. Replizierung leider nicht mehr hundertprozentig gegen Psi-Attacken resistent. Das haben unsere Tests ergeben. Seltsamer Weise ist dieser kleine Fehler bei der 137. Version verschwunden. Es hat wohl etwas mit Algorithmen zu tun. Unsere Wissenschaftler stehen da vor einem Rätsel. Aber ansonsten wird uns dieses raffinierte Ding alles über Ihre Mission aufzeichnen. Und machen Sie sich keine Sorgen, falls Sie beide umkommen sollten: Die Black Box wird dann selbständig zur Eisberg Station zurückkehren und uns alles berichten.“

„Da bin ich wirklich sehr beruhigt“, beteuerte Jazzman. „Und Sie meinen wirklich, diese neuen Black Boxes können nicht mehr... äh... manipuliert werden?“

„Keine Chance! Niemand wird in der Lage sein, irgendetwas an ihrem Datenmaterial zu verändern!“

Verdammter Mist, dachte Jazzman, ich glaube, ich sehe magere Zeiten auf mich zukommen.

Der General erhob sich und führte das ungleiche Team in den Nebenraum, wo Mrs. Cablewash, das SR 16 Modell, gerade mit der Büroarbeit beschäftigt war.

„Mrs. Cablewash, geleiten Sie diese Männer bitte in die Ausrüstungsabteilung!“ befahl General Orge seiner Androidensekretärin. „Sie sollen sich genau mit ihrem Equipment vertraut machen!“       

 

Für eine Greifzange voll Dollar
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