8.

 

Der Große Denker machte seinem Namen alle Ehre: Er dachte.

Er dachte, dass er dachte, doch dachte er nicht nur, dass er dachte: Er dachte sich in Trance, er dachte sich in verwinkelte Bewusstseinszustände, er dachte sich in andere Raum-Zeit-Gefüge. Er dachte sich, wohin er gerade wollte und wohin ihn die Neugierde trieb. Sein Denken verhalf ihm dazu, den Körper zu verlassen und den Geist raketengleich in die Erdumlaufbahn zu katapultieren. Doch bis zum Mars war es ein weiter Weg...

Der Raum, in dem sich der Große Denker befand, war angenehm abgedunkelt. Es gab zwar Fenster, die jedoch mit Brettern vernagelt waren, so dass das einzige Licht von einer einzelnen Räucherkerze erzeugt wurde. Der Boden war weich, mit einem samtartigen Stoff ausgelegt und überall waren Kissen verteilt worden. An der Wand gegenüber der einzigen Tür hing ein ausgeblichenes Poster, das einen alten, schnurrbärtigen Mann zeigte, der jedem Betrachter frech die Zunge entgegenstreckte.  

In der linken Ecke, neben dem Poster stand ein kleiner Hocker, der als Unterlage für einen altersschwachen Kassettenrecorder diente. Im Recorder rotierte eine Kassette im endlosen Autoreverse Modus. Dadurch wurde der Raum abwechselnd mit entspannenden Sphärenklängen und Bachs Neunter berieselt. Es war die Musik, bei der der Große Denker am besten abschalten konnte.

In diesem arrangierten Szenario breitete sich der Große Denker nicht nur geistig aus: Auch sein Körper, der zu immerhin 85 Prozent aus Gehirnzellen bestand, dehnte sich hier genüsslich nach allen Seiten hin. Rund um seinen Platz, in der Mitte des Raumes verteilt, standen steinerne Wasserschüsseln, in denen der Große Denker besonders erschöpfte Teile seines Gehirns kurzzeitig eintauchen und abkühlen konnte. Wenn er sich manchmal außergewöhnlich intensiv anstrengte, war es möglich, dass sich einzelne Teile des Gehirns so sehr erhitzten, dass er sie herausnehmen und für längere Zeit in einer der Schüsseln ablegen musste. Oft war dann das Wasser schon nach wenigen Sekunden vor Hitze brodelnd, so dass die Gehirnteile schnell in die nächste Schüssel umgeschüttet wurden. Der Große Denker versuchte solche Anstrengungen nach Möglichkeit zu vermeiden. Doch er wusste auch, dass er sich einiges abverlangen musste, wenn er seine große Aufgabe vollenden wollte.

Erst vor wenigen Tagen war es ihm beinahe schon gelungen: Er hatte sich so sehr darauf konzentriert, seinen Geist von der Erde wegzufeuern, dass er doch tatsächlich über sein Ziel hinausgeschossen war: Er ließ den Mars Hunderte von Kilometern hinter sich und musste dann erst einmal zum Halten kommen. In dieser Situation hatte es sich als überaus schwierig erwiesen, die richtige Strecke zur Erde auch wieder zurückzufinden. Und natürlich kam der Geist dabei kurz an seinem eigentlichen Zielpunkt vorbei. Es war nur für wenige Sekunden. Für einen kurzen Augenblick war sogar ein telepathischer Kontakt zum Wartenden Wächter hergestellt. Doch dieser schien seiner gar nicht gewahr zu werden. Der Große Denker hatte gerade mal genügend Zeit, einen einzigen Gedanken des Wächters aufzuschnappen: Straight schlägt Doppelpärchen.

Dann war die Entfernung auch schon zu groß geworden, und die Verbindung ließ sich nicht länger halten. Allerdings hätte der Große Denker ohnehin nicht mehr genug Willenskraft besessen, um noch eigene Worte zu formen. Nach diesem Beinahe-Erfolg hatte es einige Stunden gebraucht, die einzelnen Gehirnteile wieder vollständig abzukühlen.

Doch trotz aller Fehlversuche: Der Große Denker war fest entschlossen, die Sache durchzuziehen. Früher oder später. Sein Volk vertraute auf ihn. Er wollte niemanden enttäuschen.     

 

Für eine Greifzange voll Dollar
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