34. Nicht für Geld und gute Worte
»Was wollt Ihr? Ihr seid von Sinnen!« Es war Holgar, der andere Händler, der das rief. Wir befanden uns alle wieder im Gastraum, unten im Keller des Turms lag aufgerollt das Seil aus dem Schacht. Der Baron war uns entkommen, und dass er zurückkehrte, zumindest auf diesem Weg, war unwahrscheinlich.
Ein jeder hatte seine Waffen wieder an sich genommen, die Leiche des unglücklichen Bergarbeiters war ins Lager gebracht worden, und zum ersten Mal seit Tagen atmeten alle leichter, die Bedrohung schien zu Ende.
Sieglinde war auch wieder auf den Beinen, ihr aufgeplatztes Auge war verschwunden, nachdem Zokora ihr dort die Hand aufgelegt und ein Gebet an ihre Göttin gemurmelt hatte. Sie bediente wieder die Gäste, gegen den Willen Eberhards, aber ihre Miene war zugleich zornig und nachdenklich.
Auch Timothy ging es besser. Er saß bleich und verängstigt auf einem Stuhl, noch ganz verwirrt von dem Schlag, den er erhalten hatte. »Es ist ihm nichts passiert«, sagte die Dunkelelfe, nachdem sie ihn kurz berührt hatte. »Er hat einen harten Kopf. Etwas Ruhe, und es wird ihm bald besser gehen.«
Ruhe fand der Junge im Moment nicht; es war laut geworden, als die anderen begriffen hatten, was ich zu tun beabsichtigte.
»Wir müssen diesen Mann unschädlich machen«, sagte ich zum wiederholten Mal. »Und deshalb brauche ich Männer, die ihn mit uns verfolgen und ihn seiner Strafe zuführen.«
»Er ist ein Mörder. Ein Magier! Und er hat elf Leute bei sich!«
»Zehn«, korrigierte Janos. »Er hat einen weiteren verloren.«
Palus, eine der Wachen Rigurds, hob beschwichtigend die Hände. »Es sind zu viele. Habt ihr gesehen, was er mit dem Bergarbeiter getan hat? Wie nanntet Ihr ihn, Dunkelelfe?«
»Ja, fragt sie!«, rief Holgar. »Sie scheint sich ja in dunklen Mächten auszukennen!« Er sah sie giftig an.
»Ich nannte ihn Nekromant. Und wenn du, Holgar, mich noch einmal so verächtlich ansprichst, dann schneide ich deine Zunge heraus, grille sie im Feuer, würze sie mit deinen Eingeweiden und gebe sie dir zum Fraß. Ich nannte meinen Namen, benutze ihn.«
»Ich …«, fing Holgar in empörtem Tonfall an.
»Du wirst höflich sein«, unterbrach ich ihn. Er sah meinen Blick, murmelte etwas vor sich hin, nickte dann aber.
»Verzeiht, Zokora«, sagte er mit einiger Überwindung, immerhin brachte er die Worte über seine Lippen. Allerdings sah er aus, als würde er fast daran ersticken.
»Was ist ein Nekromant?«, fragte Palus Zakora.
»Eine Legende«, mischte Leandra sich ein.
Zokora zog die Augenbrauen hoch. »Hast du nicht gelernt, Leandra, dass Legenden wahr sein können? Du bist zu jung, aber ich habe bereits den einen oder anderen Nekromanten gesehen.« Zokora schaute in die Runde. »Es gibt Magier, die die Kräfte der Magie für sich nutzen, die überall zu finden sind. Priester, die göttliche Gaben missbrauchen, die ihnen zuteil werden, da sie die Gunst ihrer Götter durch treues Dienen erlangten. Es gibt Talente, die manche von uns haben, der eine vermag mit Tieren zu sprechen, der andere immer zu sagen, wie spät es ist, andere können schweben oder über Wasser gehen.«
Verschiedene Leute nickten. Diese kleinen Talente waren manchmal sinnlos, manchmal überaus nützlich. Meistens aber hielt man sie verborgen, um nicht den Neid anderer zu erwecken.
»Die Fähigkeit, Magie zu nutzen, ist auch ein solches Talent. Ein weiteres ist, anderen diese Gaben zu entreißen, und mit ihnen das Leben, den Geist, die Seele. Wenn man nicht weiß, worauf man achten muss, kann man einen Magier nicht von einem Nekromanten unterscheiden, ein Grund, warum in manchen menschlichen Ländern jeder Magier verfolgt und verbrannt wird.«
»Bei uns nicht!«, warf jemand ein.
»Ja«, nickte Zokora. »Denn Nekromanten sind selten. Seelenmörder ist ein anderes Wort für sie. Sie stehlen und töten, um Magie zu wirken.« Sie wandte sich an einen der überlebenden Bergarbeiter. »Welches Talent besaß Euer Freund?«
»Er … er konnte im Dunkeln sehen. Ohne Lampe«, antwortete dieser zögerlich.
Sie schaute sich um. »Jetzt kann der Baron im Dunkeln sehen.«
»Nicht für Geld und gute Worte werde ich einem solchen Nekromanten in die eisigen Tiefen folgen«, sagte ein Wächter Holgars.
»Das will ich auch meinen! Ich verlange, dass ihr mich beschützt, dafür bezahle ich«, rief Holgar. »Lasst sie diesen Irrsinn allein begehen!«
»Rigurd hielt Euch für einen Freund«, sagte Zokora ruhig.
Holgar machte eine wegwerfende Geste. »Ein Geschäftsfreund, nichts weiter, ich kannte ihn nur ein paar Jahre. Kein Grund, für sein Andenken zu sterben.«
»Nicht für Geld und gute Worte?«, fragte Sieglinde hinter mir. Sie schob sich an mir vorbei nach vorne.
»Ich habe etwas anderes anzubieten.« Sie leckte sich über die Lippen und musterte die Männer vor sich. In ihrer Stimme lag ein Timbre, das Aufmerksamkeit forderte.
»Ich werde mit jedem schlafen, der sich Ser Havald und Sera Leandra anschließt.« Ungläubiges Gemurmel erfüllte den Raum, auf einmal war die Luft wie elektrisiert. Urplötzlich lag nackte Lüsternheit in den Augen der Wachen.
»Das wirst du nicht!«, rief Eberhard entsetzt. »Ich verbiete es!«
»Das kannst du mir nicht verbieten, Vater. Ich will Rache. Ich kann kein Schwert führen oder mit einer Armbrust umgehen, aber ich kann das Angebotene tun.«
»Sie meint es sowieso nicht ernst«, sagte eine der Wachen.
»Nicht?«, sagte Sieglinde und ging mit wogenden Hüften zu ihm. Sie zog die Schnur ihrer Bluse auf und gab den Blick auf ihren Busen frei. »Hier«, sagte sie, ergriff die Hand des Mannes und legte sie auf ihre nackte Haut. »Fühlt sich das an, als ob ich es nicht ernst meinte?«
»Ich werde es nicht zulassen«, rief Eberhard und eilte auf sie zu, aber sie drehte sich um und funkelte ihn an.
»Dann wirst du mich verlieren, Vater. Ich schwöre, ich werde euch verlassen und mein Glück auf der Straße suchen, wenn du mich hinderst!«
Eberhard wurde bleich und taumelte nach hinten, als ob sie ihn geschlagen hätte. Ich hingegen fühlte einen echten Schlag, Leandra hatte mir ihren Ellenbogen in die Seite gerammt.
»Tu etwas …«, zischte sie mich von der Seite an.
»Warte«, sagte ich leise zu ihr, während ich mit mir selbst im Wettstreit lag. Bis jetzt waren wir zu viert, das waren zu wenige, wir brauchten weitere Mitstreiter. Aber auch um diesen Preis, dass sich das Mädchen hier offen prostituierte?
»Ich verbiete es«, sagte Janos überraschend. Sieglinde fuhr zu ihm herum, den Busen immer noch entblößt, und lachte schallend.
»Du? Ausgerechnet du? Was hast du mir zu sagen? Warst du es nicht, der mir als Erster lüstern nachgestiegen ist, der mir versprach, das Leben meiner Geschwister und meines Vaters zu schonen, wenn ich mich dir hingebe? Ausgerechnet du willst es mir verbieten?«
Sie lachte, und dieses Gelächter trieb Janos zurück. Sieglinde stand vor uns, ließ ihre Hände über ihren Körper gleiten, und ihre Augen waren wieder die einer Fee. »Ich schwöre bei allen Göttern, dass ich jedem Mann, der diesem Mörder folgt, um ihn zu richten, eine Liebschaft sein werde, für die es sich lohnt zu sterben! Oder seid ihr alle feige und entmannt?« Sie hob den Kopf. »Und ich werde euch nichts verwehren, macht mit mir, was ihr wollt!«
Leandra trat vor und fasste Sieglinde am Arm. »Sieglinde, das seid nicht Ihr!«
»O doch, das bin ich. Und wisst Ihr was, Sera, der Gedanke erregt mich sogar! Es erregt mich, mich all diesen lüsternen Männern hinzugeben, hier, auf diesem Tisch, so dass alle sehen können, wie ich meine Versprechen halte, wenn es diesen Baron nur den Kopf kostet! All dies für einen guten Zweck … ja, Sera, das bin ich! Ein jeder hier hat nach meinem Körper gegeifert, hat mich aus gierigen Augen angesehen, berührte mich verstohlen oder offen, machte mir Angebote …« Sie fuhr zu mir herum. »Auch Ihr, Ser Havald, habt mich so angesehen, Ihr gabt mir sogar den Rat dazu, also schweigt!«
Ich hob die Hände, ich hatte nichts gesagt. Sieglinde stand mit wogendem Busen vor uns, grenzenlose Verführung, ein geheimnisvolles und zugleich entschlossenes Lächeln auf ihrem Gesicht.
»Also! Wer den Mut hat, diesem Mörder zu folgen, kann bei mir liegen, hier und jetzt!«
»Sieglinde.« Zokoras Stimme war kalt und schnitt in diese angeheizte Stimmung wie eine Klinge aus Eis. »Sera Leandra hat Recht. Dies bist nicht du. Deine Erregung kommt von der Traube, die ich dir verabreicht habe.«
»Was?« Leandra fuhr herum. »Was sagt Ihr da?«
Zokora legte den Kopf zur Seite. »Du hast nach einer Möglichkeit gefragt, die Empfängnis zu verhüten. Bei uns müssen junge Frauen einmal im Jahr im Tempel der Weiblichkeit huldigen. Obwohl es sonst für uns so wichtig ist, dass wir die Väter mit Bedacht aussuchen, können wir das zu dieser Zeit nicht. Also verhindern wir so das Empfangen. Auf der anderen Seite sorgt der Zauber für Erregung, so dass wir uns wieder und wieder paaren wollen. Ihr nennt so etwas, glaube ich, eine Orgie.«
Leandra stand da und sah sie fassungslos an. Ich hatte gerade einen Schluck Wein genommen und hustete.
Sieglinde lachte. »Da hört Ihr es. Ich spreche die Wahrheit, ich bin erregt und stehe zu meinem Wort! Na los, wer ist der erste Mann, der mich nimmt!«
»Ich!«, rief eine der Wachen und trat vor, als Sieglinde sich breitbeinig auf einen der Tische setzte.
»Nein«, sagte ich. Ich war zu einer Entscheidung gekommen. Sieglinde mochte jetzt so denken, aber wenn die Wirkung der Traube nachließ … Ich konnte es einfach nicht zulassen. Es musste auch so gehen.
»Denn ich werde niemanden mitnehmen, der das tut! Ein Mann sollte nicht nur Mut zeigen, wenn es darum geht, bei einer Frau zu liegen, er muss auch Ehre besitzen, wie sonst kann man sich auf ihn im Kampf verlassen? Und wie lange hält solcher Mut an?«
»Das könnt Ihr nicht tun!«, rief Sieglinde. »Dieser Nekromant ist der wahre Grund für unser Leid! Er muss sterben!«
»Das wird er«, sagte ich. Ich ging zu Eberhard. »Gebt mir das Wagenrad.« Wortlos griff er in seine Weste und gab mir das Goldstück.
»Nicht für Geld und gute Worte, hieß es«, sagte ich und trat vor, zwischen Daumen und Zeigefinger hielt ich die große Goldmünze, die wir bei dem armen Martin gefunden hatten. Ich hielt sie hoch, so dass ein jeder sie sehen konnte.
»Dreitausend dieser Münzen liegen dort unten. Wer uns folgt, bekommt einen Anteil an diesem Gold, zu gleichen Teilen.«
Die Gier, die nun aus diesen Augen leuchtete, sah nicht viel anders aus als bei Sieglinde, gefiel mir allerdings besser. Gold war das Einzige, das ihr Angebot übertraf. Eine einzige dieser Münzen, und jeder gierige Bock konnte sich ein Dutzend Frauen kaufen. Nicht eine davon so viel wert wie Sieglinde. Ich verstand sie, es war, wie sie sagte: Sie konnte nicht kämpfen, aber nicht für einen Moment bezweifelte ich, dass sie uns in diese eisigen Höhlen folgen würde, wenn sie es könnte.
»Ist die echt?«, fragte eine der Wachen atemlos.
»Ja«, sagte ich. »Hier.« Ich legte die Münze auf einen Tisch, gegenüber des Tisches, von dem Sieglinde sich gerade erhob. »Seht sie euch an.«
Die Männer stürzten sich darauf, selbst Holgar begab sich dorthin. Ich nutzte die Gelegenheit und ging hinüber zu Sieglinde, die nun hemmungslos weinte. Ich nahm sie in die Arme und strich ihr über das Haar, während mich Leandra nachdenklich ansah.
»Sieglinde, das war tapfer von dir, aber es braucht dieses Opfer nicht.«
»Ich…« Sie hatte Schluckauf. »… ich hätte es gemacht …«
»Ich weiß«, sagte ich und zog ihr mit zwei Fingern die Bluse zu. »Aber ich weiß, wovon ich rede. Ich will niemanden bei mir haben, der nur mutig tat, weil er bei dir liegen will. Auch wenn ich zögerte, denn du hast sie wahrlich motiviert.«
Sie wischte sich die Tränen ab. »Ser Havald, es ist etwas, was ich tun will, nein, ich fühle, dass ich es tun muss. Die Männer sollen motiviert sein, nicht wahr? Geradezu verrückt, fast wahnsinnig, um dort in die Kälte zu steigen …«
»Ja.«
»Gut. Dann werde ich …«
Ich legte ihr einen Finger auf die Lippen. »Warte erst ab, was ich noch sagen werde. Wenn du dann darauf bestehst, noch etwas anzubieten, werde ich dich nicht weiter hindern.«
»Versprecht Ihr es?«
Ich zögerte, sah ihren ernsten Gesichtsausdruck und nickte dann. »Ich gebe dir mein Wort.«
»Gut, ich warte, bis Ihr gesprochen habt.«
Ich wandte mich den anderen zu. »Wenn euch das Gold nicht reicht, gebe ich euch einen weiteren Grund.«
Die Männer, die sich um die Münze scharten, sahen zu mir. »Und was wäre das?«
»Euer Leben.«
»Droht Ihr uns?«, fragte Holgar. Ich konnte den Händler weniger und weniger leiden.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Aber es gibt etwas, von dem ihr nichts wisst! Es ist so, dass die Kälte magisch erzeugt wird, sie wird von dem Ort unter uns angezogen. Wenn wir nicht hinuntergehen und der Maestra die Möglichkeit geben, den Fluss der Magie zu richten, dann wird jeder hier erfrieren. Ihr, der Wirt, die Tiere und auch Sieglinde und ihre Schwestern.«
»Ist das wahr?«, fragte eine der Wachen Leandra.
Sie nickte. »Ja. Allerdings kann ich …«
»… nicht sagen, wie viel Zeit das Ganze in Anspruch nehmen wird. Wir müssen Vertrauen zu den Göttern haben!«, unterbrach ich Leandra. Zokora musterte uns und zog eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts.
Die Leute sahen sich gegenseitig an, aufgeregtes Gemurmel erfüllte den Raum.
»Warum hast du mich unterbrochen?«, fragte mich Leandra leise.
»Damit du ihnen nicht erzählst, dass du nicht weißt, wie du die Magie richten sollst.«
»Aber so ist es!«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß, dass du eine Möglichkeit finden wirst.«
»Aber …«
»Wenn nicht, macht es keinen Unterschied, wer geht oder wer bleibt. Also, warum sollte jemand mit uns kommen? So haben wir eine Chance.«
Sie nickte verständig.
»Da Ser Havald«, fing Sieglinde hinter mir an zu sprechen, ihre Stimme klang ruhig und bestimmt, »mich darauf aufmerksam gemacht hat, dass der Mut einen Mann wieder verlässt, nachdem ich mein Wort gehalten habe, gebe ich ein neues Versprechen. Wer nach dem Kampf zurückkehrt, dem gebe ich meine Liebschaft.«
»Ich werde das sein. Niemand außer mir«, sagte Janos.
»Was, du? Du hast uns das alles eingebrockt, warum sollte sie dich wählen!«, rief einer der Männer erzürnt.
»Es gibt keinen Grund«, sagte Janos ruhig. »Nur den, dass ich sie liebe.«
»Liebe?«, rief Eberhard, »aus Eurem Mund hört sich das an, als ob ein Steuereintreiber die Messe lesen will!«
»Ein Dieb, meint Ihr«, sagte Janos. »Aber es ist wahr. Ich schwöre es vor allen Göttern. Gebt mir ihre Hand und lasst sie mich zum Weib nehmen, denn es ist mir ernst. Und zwar bevor ich in das Eis hinabsteige.«
»Ich mich Euch zum Weib geben? Ihr seid verrückt!«, rief Sieglinde.
»Ich werde die Höhlen wohl kaum überleben. Und wenn doch …« Er warf einen Blick auf Leandra. »Die Sera will mich jagen und hängen.«
»Nein«, sagte Sieglinde. »Ich versprach, mit denen zu schlafen, die nach dem Kampf zurückkommen.« Sie hob stolz das Kinn. »Ich gebe meinen Körper, aber nicht meine Hand.«
Jemand räusperte sich. Wir sahen ihn alle überrascht an. Es war Varosch, einer der Wächter, bisher eher einer der Stilleren. Der, den Rigurd als stetig bezeichnet hatte und der bereits einmal sein Talent mit Armbrust und Bolzen bewiesen hatte.
»Freunde«, sagte er. »Ich gehe mit. Nicht für ihre Gunst oder das Gold. Sondern weil es richtig ist. Ser Havald hat Recht: Ein Mann sollte seinem Namen Ehre machen.« Er verbeugte sich vor Sieglinde. »Überlebe ich, wird es mir eine Ehre sein, um Euch buhlen zu dürfen. Aber ich werde nicht Euren Körper fordern. Und ich will niemanden Freund nennen, der sich so ehrlos benimmt.« Er sah zu mir. »Wann brechen wir auf?«
Zu meiner großen Überraschung nickten die anderen ebenfalls. Ein Weiterer trat vor. Es war Palus, der andere Wächter Rigurds. »Varosch hat Recht. Wir sind nicht ohne Ehrgefühl. Verzeiht, Mädchen, aber Eure Schönheit betörte uns. Kein Mann kann Eure Reize übersehen, aber es ist nicht richtig. Ihr seid keine Hure.« Er sah seine Kameraden an. »Wir retten unser Leben vor der Kälte, töten einen Nekromanten, werden reich mit Gold entlohnt und können unseren Stolz bewahren. Was sagt ihr dazu?«
Einer nach dem anderen nickten sie.
»Ihr könnt mich hier nicht unbewacht zurücklassen.« Holgar war aufgesprungen, die Fäuste geballt. »Wir haben eine Vereinbarung!«
Varosch drehte sich zu ihm um. Sein Gesicht war ausdruckslos. »Herr, wir schützen Euer Leben. Hier oben droht keine Gefahr mehr, außer dem Tod durch das Eis. Genau diesen versuchen wir von Euch zu wenden.«
»Aber …«
»Wenn wir überleben, braucht Ihr Schutz für den Rückweg«, sagte einer der anderen Wächter. »Ich jedenfalls werde mein Leben nicht für jemanden geben, der so wenig Anstand besitzt, dass er mir verbieten will, meinen Weg zu gehen.«
Holgar merkte, wie die Männer ihn ansahen, und warf die Arme in die Luft. »Geht, in Soltars Namen! Ihr werdet sehen, was ihr davon habt!«
»Wir vier kommen auch mit, wenn ihr uns dabei haben wollt«, meinte Simon, der Bergarbeiter. »Wir sind nicht die besten Kämpfer, aber wir kennen uns unter der Erde aus. Wir werden euch nützlich sein.«
Ich atmete erleichtert, aber heimlich aus. »Sieglinde, einen Grog für uns alle.« Ich wandte mich an die Männer, die ihre Aufmerksamkeit nun auf mich richteten. »Als Erstes werden wir uns ausrüsten …«
Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Sieglinde aufstand und zur Theke ging. Als sie mir etwas später den Grog in die Hand drückte, lächelte sie ein wenig.
»Ich hatte es ernst gemeint«, sagte sie leise zu mir, bevor sie weiterging. »Aber ich danke Euch trotzdem.«