6. Ein Toter im Stall
Das Poltern an der Tür weckte mich. Dunkelheit umgab uns, die Glut im Kamin war nahezu erloschen. Leandra und ich waren ineinander verschlungen, hatten jeden Millimeter Haut und Wärme gesucht, die man nur finden konnte. Selten war ich fester umarmt worden. Sie murmelte etwas, noch nicht ganz wach. Ich erlaubte mir ein Lächeln, schloss meine Augen, suchte und fand die Kerze auf dem Tisch, ohne das Bett zu verlassen, und sandte einen Funken an den Docht. Den einen oder anderen kleinen Trick lernte man auch, ohne dass man im Tempel studierte.
Das Poltern an der Tür war nur gedämpft, ich meinte allerdings auch die Stimme unseres Wirts zu hören. Barfuß und schaudernd, als ich den kalten Boden spürte, begab ich mich zur Tür und wollte den Riegel anheben. Der war jedoch wie festgefroren. In meinem verschlafenen Zustand nahm ich an, dass er genau dies wäre, und zog eine Weile vergeblich an ihm, bis mir einfiel, dass meine Bettgefährtin die Tür magisch verschlossen hatte.
Ich begab mich zurück zum Bett. Das Licht der Kerze war ausreichend, um mir Lea zu zeigen, verschlafen, ihr weißes Haar wie eine helle Flamme über das Bett ausgebreitet, zusammengerollt unter den Decken, eine Schulter aus dem Leinengewand herausgerutscht und schutzlos der Kälte preisgegeben.
Ich verspürte den Drang, sie zuzudecken. Wünschte, ich könnte sie mit einer Blume oder einem heißen Honigtee wecken. Dachte viele seltsame Dinge, als ich sie sanft an der Schulter schüttelte, bis sie verschlafen die Augen aufschlug. Sie erblickte mich und lächelte, ein Lächeln, das mich die Kälte vergessen ließ. Dann schien sie sich zu besinnen, und ihr Gesicht und ihr Blick wurden betont neutral.
»Was ist?«
»Jemand will etwas von uns. Aber die Tür ist verschlossen.«
Sie setzte sich auf, strich sich die Haare mit jener typisch weiblichen Geste aus dem Gesicht und gab einen überraschten leisen Laut von sich, als ihre bloßen Füße den kalten Boden berührten. Sie verzog das Gesicht, stand entschlossen auf, ging hinüber zur Tür und hob den Riegel an.
Der Wirt fiel ihr beinahe entgegen.
»Sera, Ser, Ihr müsst mir helfen! Es ist etwas Schreckliches passiert heute Nacht! Ich brauche Eure Hilfe, bei den Göttern, ich weiß nicht, was ich tun soll.«
Dann erst schien er uns zu sehen. Sie stand an der Tür, auf einem Bein, mit dem anderen Fuß rieb sie ihre Wade, ihr Haar offen und zerzaust, und hinter ihr stand ich, nur gekleidet in eine knielange Hose und ein offenes Hemd.
»Ich bitte vielmals um Verzeihung, die hohen Herrschaften, ich wusste ja nicht …«
»Schon gut«, sprach ich und schob Lea sanft zur Seite. »Besteht unmittelbare Gefahr, oder können wir uns ankleiden?«
»Ihr könnt Euch ankleiden, sicherlich könnt Ihr das. Gefahr? Ich weiß nicht …«
»Gut«, sagte ich. »Geht hinunter in den Gastraum und bereitet ein gutes, wärmendes Frühstück vor. So lange hat es doch noch Zeit, oder?«
»Vielleicht …«, stammelte der Wirt. »Das Frühstück wird auf die Herrschaften warten, aber vielleicht könntet Ihr doch einen Blick darauf werfen …«
»Guter Mann, so beruhigt Euch doch«, sagte Lea und legte ihm ihre schlanke Hand auf die Schulter. Der Wirt nahm sie in seine Hände, kniete sich hin und küsste ihre Hand, bevor sie sie zurückziehen konnte. Er klammerte sich an sie, als wäre sie seine einzige Rettung. Sanft, aber bestimmt löste sie ihre Hand aus seinem Griff. Er verharrte in seiner knienden Position und sah zu uns auf.
Es war lange her, dass jemand vor mir gekniet hatte, und ich mochte es heute noch weniger als damals. Ich bedeutete ihm, sich zu erheben.
»Was habt Ihr?«
»Es ist Theobald. Er war mir wie ein Sohn. Ich hatte sogar gehofft …«
»Was ist passiert? Sagt es möglichst kurz«, wies ich ihn an.
Er holte tief Luft. »Irgendetwas hat in der Nacht meinen Stallburschen gefressen.«
Die Tür geschlossen, der Wirt draußen unterwegs, das Frühstück bereiten zu lassen, und wir stehend im Raum. Unwillkürlich warf ich einen Blick auf das Bett, wo die Decken noch immer unsere Körper nachzeichneten, und dann zu ihr. Sie errötete leicht und blickte von mir zu dem Kaminschirm, auf dem die Kleidung wartete.
»Etwas hat ihn gefressen?«, fragte sie.
»So sagte der Wirt.« Ich beobachtete sie fasziniert. Ich hatte nicht die geringste Neigung, mich abzuwenden, und sie wusste das. Sie holte tief Luft und zog mit einer entschlossenen Bewegung das leinene Nachtgewand aus, über ihren Kopf hinweg. Sie beugte sich dabei vor, damit es einfacher ging, und als sie sich wieder aufrichtete, stand sie nackt vor mir.
Sie warf mir einen Blick zu, der tausend Bedeutungen haben mochte oder keine, und fing an, sich anzukleiden.
»Sera?«
»Ja?« Ihre Stimme war belegt.
»Ihr seid schön.«
»Danke. Ich weiß«, war ihre Antwort. Ich trat hinter sie und berührte ihre Schulter. Lea schien zu erstarren, hielt sogar den Atem an.
»Wenn Ihr erlaubt«, sagte ich und ließ meine Hand durch ihr Haar gleiten.
»Was?« Es klang etwas atemlos.
»Wenn Ihr erlaubt, flechte ich Euer Haar. Ich tat das oft für meine Schwester.«
»Ich bin nicht Eure Schwester.«
»Aber Ihr habt genauso schönes Haar.«
Als wir zusammen unsere Kammer verließen und die Stiege zum Gastraum hinuntergingen, schwiegen wir. Ich hatte mein Lederbündel auf den Rücken geschlungen, und sie trug Steinherz in der gleichen Position.
Der Wirt erwartete uns händeringend am Fuß der Treppe, mit seiner Geduld am Ende.
Mein Zeitgefühl sagte mir, dass es eigentlich Tag sein müsste, früher Morgen, aber hier herrschte finsterste Nacht. Der Gastraum war deutlich abgekühlt. Drei Wanderer hatten sich ein Lager vor dem Kamin bereitet, unter ihren Decken rührte sich nichts. Die unbekannte Gestalt in der Ecke hatte sich dort zusammengekauert, fern von den anderen und sicherlich nicht am wärmsten Ort für die Nachtruhe. Meine Knochen schmerzten allein bei dem Anblick. Eine schlanke, schwarz behandschuhte Hand umschloss das Heft des Langschwertes, das neben ihr auf dem Boden lag. Ein vorsichtiger Mensch, selbst im Schlaf.
Der Geruch von altem Bier und Schweiß sowie Rauch und nasser Wolle lag in der Luft, ich verspürte den Impuls, die Tür aufzureißen und frische Luft hineinzulassen, wusste aber, dass ich nur eine weiße Wand sehen würde. Erfroren waren schon viele, erstunken wohl kaum einer.
Dennoch, angenehm war der Geruch wahrlich nicht.
»Folgt mir, Herrschaften.« Eberhard sah meinen Gesichtsausdruck. »Ich will es nicht beschönigen, es ist besser, wenn Ihr vorher nichts esst …«
»So schlimm?«, meinte Leandra.
Der Wirt eilte voraus und öffnete eine der Türen, die das Haupthaus mit den Nebengebäuden verbanden. »Ja. Ich bin nicht so weit herumgekommen wie die hohen Herrschaften, aber auch meine Augen haben schon einiges gesehen. Doch dies ist wahrlich kein schöner Anblick.«
Die Tür führte in die Schmiede, das zweitgrößte Gebäude des Hofs. Hier gab es Licht, denn hoch oben war das Dach überlappend angeordnet. War die Schmiede in Betrieb, konnte so die Luft leichter abziehen, nicht nur durch den mächtigen Schornstein. Durch das offene Dach heulte der Sturm unvermindert; zusammen mit den Schneeflocken, die alles unter einer dünnen weißen Schicht begraben hatten, fiel fahles graues Licht herein, das erste natürliche Licht, das ich seit Stunden gesehen hatte. Der Schnee ließ den Raum hell erscheinen, es war eisig, aber nicht so kalt wie außerhalb der Mauern. Die Luft war sauber und roch frisch, und ich wollte einfach nur verweilen, um tief durchzuatmen. Eine dünne Spur verlief quer durch die Schmiede zu einer anderen Tür. Wie ich wusste, führte sie zu einem Lager, und von diesem wiederum konnte man in die Stallungen gelangen.
Der Wirt war dabei, weiterzueilen, als ich ihn festhielt. »Wartet kurz.« Ich musterte die Spur im Schnee. Es brauchte keinen Fährtenleser, um zu erkennen, dass es in der Tat die des Wirts war. Keine andere Spur war zu sehen; wenn hier jemand entlanggegangen war, dann war dies geschehen, bevor die Schneeschicht alles bedeckt hatte.
Ich ließ den Wirt los, und er drängte weiter. Es ging nun durch das Lager. Hier blieb mir nicht viel mehr in Erinnerung als große gestapelte Fässer, Kisten und Ballen. Wir folgten dem schmalen Pfad zwischen dem Frachtgut, der zu einer Art kleiner Wohnstatt führte: eine Laterne mit einer Talgkerze, ein kleines Fass mit einem Brett darauf als Tisch, eine schmale Kiste als Stuhl, eine andere, größere Kiste mit Stroh gefüllt. In einer Ecke befand sich ein kleiner Altar, ebenfalls aus einer Kiste gefertigt. Sorgsam hatte der Stallbursche hier das Dreieck hineingeschnitten. Ein Herbstapfel lag als Gabe inmitten des Dreiecks. Auf dem behelfsmäßigen Tisch stand auf einem Holzbrett das Frühstück für den Stallburschen, eine Schüssel Gerstenbrei, ein weiterer Apfel und ein Kanten frisches Brot.
Lea musterte das Lager. »Hier schlief der Stallbursche? Und Ihr habt ihm sein Frühstück gebracht?«
»Das tue ich immer. Heute früher als sonst, diese Nacht schlief ich nicht gut.« Er warf mir einen Blick zu. »Ich habe die Seile an der Stiege befestigt, und ich sprach mit meinen Töchtern über Euren Rat.«
»Tut mir Leid«, sagte ich ehrlich.
Er straffte die Schultern. »Es mag nicht in mein Herz wollen, aber mein Verstand sagt mir, dass Ihr Recht habt. Meine Töchter wissen das auch. Es führte trotzdem nicht zu einem erholsamen Schlaf. Wir haben lange gebetet, und ich schlief ein. Doch ich hielt es nur kurz im Bett aus. Also begab ich mich nach unten und räumte ein wenig auf. Was man so macht, wenn einem nichts Besseres einfällt.«
»Wie früh ist es eigentlich?«, fragte ich.
Er zuckte mit den Schultern. »Nicht so früh. Ich habe jedes Zeitgefühl verloren. Aber es ist spät genug für die Tiere.«
Einen Moment lang wusste ich nicht, was er meinte. Das Geheul des Sturms war allgegenwärtig, auch hier, aber ich hörte auch ein anderes Geräusch von jenseits der Tür, die zum Stall führte.
»Die Kühe«, sagte Lea.
Der Wirt nickte. »Ich hörte sie, als ich das Essen hier abstellte, und wunderte mich schon. Theobald ist … war ein ordentlicher Junge, es sah ihm nicht ähnlich. Ich ging also hinüber in den Stall …«, er schluckte. »Seht selbst.«
Er öffnete die Tür und ließ uns den Vortritt. Ich sah, dass Lea die Hand um den Knauf ihres Langschwerts schloss.
Hinter uns kam der Wirt herein und hielt die Laterne hoch.
Der Stall war nicht so abgedichtet wie die anderen Gebäude, hier und da fiel durch Ritzen Licht, aber das gedrängt stehende Vieh gab genug Wärme, dass es fast anheimelnd war. Für einen Moment konnte ich nichts erkennen, außer dass die Tiere nervös waren und die Kühe jämmerlich muhten.
Dann erkannte ich langsam die beiden Haufen auf dem Boden.
»Sein Hund«, erklärte der Wirt, als ich mich dem ersten näherte. Es war wohl mal ein Wolfshund gewesen, ich erinnerte mich vage an ihn, von mittlerer Größe und noch jung, er war freundlich genug, meine Hand zu beschnüffeln und mit dem Schwanz zu wedeln. Ein gutmütiges Biest.
Eine Klaue hatte ihn vom Bauchfell bis zum Brustkorb geöffnet, ein einzelner Streich, wie es schien. Der Hund war danach gegen die Wand geschleudert worden – dunkle Tropfen zeichneten seine Flugbahn nach – und an dieser herabgeglitten, um so zur Ruhe zu kommen, wie er nun vor uns lag. Ein Schlag, und das Tier war zerschmettert worden.
Ich hielt meinen Dolch in der Hand – ich erinnerte mich gar nicht, ihn gezogen zu haben – und schob mit der Spitze die Lefzen des Tieres nach oben. Sie ließen sich, wenn auch nur widerwillig, bewegen. Lange war das Tier noch nicht tot, und vor seinem Ende hatte es sich heftig gewehrt. Seine Zähne waren blutig, und es erschien mir, als ob sich Haare zwischen seinen Zähnen verfangen hätten.
Ich erhob mich wieder und ging langsam zu dem zweiten Haufen hinüber. Ich versuchte mich an den Stallburschen zu erinnern. Nicht viel älter als Lisbeth, ein sommersprossiges Gesicht, eingehüllt in mehrere Lagen viel zu großer Kleidungsstücke. Er hatte ein freundliches Wort für Zeus, mein Pferd, gehabt. Sommersprossen. Ich erinnerte mich an seine Sommersprossen.
Meine Augen wichen dem, was vor mir lag, aus und fanden eine Mistgabel mit hölzernen Zinken. Sie war zerbrochen … Ich kniete mich nieder und studierte sie. Hinter mir standen Lea und der Wirt, niemand sagte etwas, es gab nur die Tiere und das Geräusch des ewigen Schneesturms. Das Schnauben im Hintergrund erkannte ich: Zeus hatte mich gerochen, aber er musste warten.
Der Schaft der Mistgabel war nicht gebrochen. Etwas hatte ihn entzweigebissen, die Abdrücke der Zähne waren deutlich zu sehen.
Schließlich wandte ich mich doch wieder dem Jungen zu.
Er lag da wie eine zerbrochene Puppe, Arme und Beine unnatürlich abgewinkelt, an seinem Oberschenkel hatte sich ein Knochen durch sein Beinkleid gedrückt. Vom Becken bis zum Brustbein war er ausgehöhlt, die Rippen aufgebrochen. Die Bauchhöhle und der Brustraum waren sauber ausgeweidet, vielleicht sogar ausgeleckt. Er lag inmitten eines großen dunklen Flecks, seinem Blut, es war noch zäh und klebrig, schon kalt, aber nicht gefroren.
Seine Augen fehlten, genau wie Nase und Ohren.
Sein Wams war auseinander gerissen worden, die Holzknöpfe aufgesprungen, als es zerfetzt worden war.
»Ich habe noch nie von einem Tier gehört, das sein Opfer entkleidet.« Es war meine Stimme, die sprach, es war mir nur nicht bewusst, dass ich meine Gedanken laut äußerte. Ich sah mich im Stall um. Er war groß, das größte Gebäude auf dem Hof, und bot im Normalfall Platz für gut vierzig Pferde. Heute mochten siebzig Tiere hier sein: die wertvollsten Tiere der Kuhherde, die Pferde der Gäste und das eigene Nutzvieh des Wirts.
Der Stall hatte einen doppelten Heuboden, zwei offene Ebenen, die über eine Leiter zu erreichen waren. Dort oben rührte sich etwas, und ein zerzauster Kopf erschien. Ich hatte ganz vergessen, dass ein Teil der Gäste hier nächtigte. Es war eine der jungen Frauen aus der adligen Reisegesellschaft. Für einen Moment sah sie verständnislos zu uns herab, dann erkannte sie langsam, was das Licht der Laterne beleuchtete. Sie fing an zu schreien, ein Schrei, der sich endlos hochschraubte, die Tiere nervös machte und meine Zähne schmerzen ließ. Er schien eine Ewigkeit anzuhalten. Ich sah den Wirt hektische Gesten machen, aber sie hörte nicht auf, bis eine Hand von hinten erschien, ihr den Mund schloss und sie aus meinem Sichtbereich zerrte.
Der Kopf des Vaters des Mädchens erschien über der Kante, und eine der Wachen, nur zum Teil angekleidet, aber ein Schwert in der Hand, kletterte eilig die Leiter herab, erreichte unweit von uns den Boden und kam zu uns herüber, um vor der Leiche des Jungen stehen zu bleiben.
»Schöne Schweinerei«, sagte er, griff in seine Jacke und holte eine Rolle Kautabak heraus. Abwesend bot er sie uns an, auch Lea, die wie wir alle den Kopf schüttelte. Er biss sich ein Stück ab, kaute gemächlich darauf herum, beugte sich dann zu dem Stallburschen herunter und drückte auf die Wange des toten Jungen. Sie gab nach.
»Noch nicht sehr lange tot.« Er blickte sich im Stall um, sah nach oben, von wo der Rest der Familie zu uns herunterschaute, dann wieder zu uns.
»Ihr habt nichts gehört?«, stellte Lea die Frage, die mir auf der Zunge lag.
»Die Tiere waren heute Morgen unruhig. Ich war schon drauf und dran, herunterzuklettern und die verdammten Kühe selbst zu melken. Warme Milch zum Frühstück ist nicht verkehrt. Aber sonst ist mir nichts aufgefallen.«
»Habt Ihr Wache gehalten?«, war meine Frage.
Er kratzte sich gedankenverloren zwischen den Beinen und spuckte ein Stück Kautabak aus. Er verfehlte dabei nur knapp meine Stiefel.
»Nicht in dem Sinne. Ich selbst lag an der Leiter. Wir haben Heuballen aufgeschichtet, so einen Raum gebaut … jemand hätte über mich steigen müssen, um zu meinen Herrschaften zu gelangen. Mein Name ist übrigens Sternheim.«
»Ich bin Havald, dies dort ist Maestra de Girancourt.«
»Eure Tochter?«, fragte Sternheim.
»Nein«, entgegnete Lea ihm knapp. Wir betrachteten alle fasziniert, wie eine feine Röte in ihr Gesicht stieg. »Er ist nicht mein Vater.«
Sternheim zuckte die Achseln. »Die Geschmäcker sind verschieden.« Er blickte wieder zu dem toten Stallburschen hinunter, dann wieder hoch zu den Gesichtern über uns.
»Das wird Ärger geben. Er wird verlangen, dass ein Zimmer für ihn geräumt wird.«
»Ich habe keine anderen Zimmer frei«, erinnerte ihn der Wirt.
Wieder zuckte Sternheim die Achseln. »Meistens ist er eigentlich ganz vernünftig, aber manchmal …« Er machte eine bezeichnende Handbewegung in Nähe seiner Schläfe. »Das wird ein anstrengender Tag.«
»Und Ihr habt wirklich nichts gehört?«, fragte Lea noch einmal nach. »Nichts?«
»Nichts, was dem gleicht, was ich hätte hören müssen.« Er musterte den toten Jungen. »Er sieht nicht aus, als wäre er leise gestorben.«
»Und das stört Euch nicht?«, fragte Lea.
»Mich?« Wieder das Achselzucken. »Wenn es zu mir kommt, kriegt es meinen Stahl in den Bauch, und damit ist das Thema erledigt. Ich frage mich nur, wo sich das Biest befindet.«
Ich sah ihn an, bis er mir in die Augen blickte.
»Das, mein Freund, ist eine gute Frage, findet Ihr nicht?«