Achtundzwanzigstes Kapitel

Wir wissen nicht, was in einem Buch steht, bis es aufgeschlagen wird.

Alan Christoffersens Tagebuch

Am nächsten Morgen blieb ich nach dem Aufwachen noch kurz im Bett liegen und dachte nach. Zum ersten Mal seit Tagen war ich nicht von Trauer überwältigt. Irgendetwas in mir fühlte sich anders an. Grundlegend anders. Ich nehme an, ich fühlte Hoffnung. Oder vielleicht fühlte ich auch nur irgendeinen Teil von McKale wieder – einen Teil der echten McKale und nicht des Verzweiflung auslösenden Gespenstes, zu dem ich sie gemacht hatte. Ich stand auf, duschte und ging dann durch den Bungalow, um meine Sachen einzusammeln. Meine Kleider waren trocken, bis auf zwei Paar meiner dicksten Socken. Ich rollte sie dennoch zusammen und packte sie zusammen mit den anderen Sachen ein.

Ich schloss den Bungalow ab und ging hinüber zum Diner, in der Hoffnung, dass Ally vielleicht doch dort sein würde. Sie war es nicht. Ihre Vertretung trug ein Namensschild, auf dem PEGGY SUE stand. Ich fragte sie nicht nach ihrem richtigen Namen.

Ich gab den Schlüssel für den Bungalow zurück, dann bestellte ich mir einen Stapel Bananenpfannkuchen mit einem 59er-Rührei. Dabei handelte es sich um Rührei mit Schinken, Zwiebeln, Tomaten und grüner Paprika, gekrönt von Cheddarkäse und Sauerrahm.

Um halb neun war ich wieder unterwegs. Die Straße führte weiterhin hauptsächlich bergab und folgte dem Wenatchee River, der in dieselbe Richtung unterwegs war wie ich, und das auch nicht viel schneller.

Ich ging den ganzen Tag und machte nur ein paar Minuten Pause, um etwas zu Mittag zu essen – eine Banane, einen Apfel und ein paar Muffins, die ich mir in dem Diner gekauft hatte. Das war mein ganzer Proviant. Denn Peggy Sue, die Kellnerin, hatte gesagt, dass es in Leavenworth einen Supermarkt gäbe. Dort gedachte ich, meine Vorräte aufzustocken.

Leavenworth war genau so, wie Ally es beschrieben hatte. Die Stadt sah aus, als sei sie von den Alpen gepflückt und nach Chelan County versetzt worden.

Die Main Street war gesäumt von europäischen Straßenlaternen, an denen weihnachtliche Zierschneeflocken hingen. Es gab mindestens ein Dutzend Hotels und Gasthöfe. Ich wählte den, der am wenigsten teuer aussah: Der Ritterhof Motor Inn.

Die Stadt weckte meinen Appetit auf deutsches Essen, und ich fand schnell ein passendes Restaurant. Ich orderte das volle Programm: Wiener Schnitzel, Leberkäse, Rotkraut und Spätzle mit Jägersauce.

Ich musste daran denken, wie ich McKale einmal in ein deutsches Restaurant eingeladen hatte. Sie war dort so fehl am Platz wie ein Diabetiker in einer Schokoladenfabrik. Sie fragte mich, ob es dort noch irgendetwas anderes gebe außer übertrieben großen, extravaganten Hotdogs. Schließlich ging ich mit ihr zu McDonald’s.

Bei dem Gedanken daran musste ich lächeln. Mir wurde bewusst, dass ich zum ersten Mal an McKale dachte, ohne dass mir der Magen wehtat. Ich überließ es dem Essen, dafür zu sorgen.