Fünfunddreißigstes Kapitel
Kierkegaard schrieb, dass »wir unser Leben rückwärts verstehen, aber vorwärts leben müssen«. Er hatte natürlich Recht. Aber wenn wir auf die Hammerschläge zurückblicken, die unsere Seelen bearbeiten und formen, dann verstehen wir mehr als unser Leben oder uns selbst – wir beginnen, den Bildhauer zu begreifen.
Alan Christoffersens Tagebuch
Ich würde das, was ich als Nächstes erlebte, als eine Art außerkörperliche Erfahrung beschreiben, nur dass ich dafür eigentlich zu viele Schmerzen hatte. Ich hatte höllische Schmerzen.
Jemand kniete neben mir. Rings um mich hörte ich Stimmen, es waren andere als die meiner Angreifer. Ältere. Klarere. Sie wirbelten um mich herum und sprachen über mich. Keine davon sprach mit mir – als wäre ich gar nicht da. Ich nehme an, in gewisser Weise war es auch so.
Ich konnte nicht sprechen. Ich konnte nicht einmal knurren, um ihnen zu verstehen zu geben, dass ich sie hörte. Meine Augen waren geschlossen oder fast geschlossen, und statt Menschen sah ich nur verschwommene, sich bewegende Farbkleckse vor den Scheinwerfern gelegentlich vorüberfahrender Wagen und dem Licht einer Straßenlaterne, die über mir leuchtete. Es könnte aber auch der Mond gewesen sein. Außerdem nahm ich blinkende rote und blaue Lichter wahr.
Mit der Zeit gelang es mir, die Stimmen voneinander zu unterscheiden. Ich hörte eine wütende ältere Stimme rufen: »Liegen bleiben!« Ich nahm an, dass der Befehl nicht mir galt.
Dann drückte jemand auf meine Seite, und Schmerzen durchfluteten meinen ganzen Körper. Ein dunkler Klecks sagte irgendetwas, das ich nicht verstand. Dann kamen zwei hellere Kleckse, und die dunkle Gestalt verschwand. Der Druck auf meine Seite nahm zu. Ich konnte spüren, wie irgendetwas Flüssiges hinunter in meinen Magen lief.
Irgendjemand zog mir das Hemd hoch. Der Stoff klebte an meiner Seite, und ich konnte spüren, wie irgendetwas von meiner Haut gerissen wurde, wie ein Verband.
Meine linke Seite pochte unterhalb des Brustkorbs vor Schmerzen. Die rechte Seite meines Kopfs dröhnte. Meine Haare waren nass. Warum waren meine Haare nass?
Jemand packte mein Handgelenk und drückte einen Finger auf meinen Puls. Eine Manschette wurde mir um den Arm gelegt.
Ich hörte ein Funkgerät knacken und knistern.
Die Stimmen waren sehr nahe. Ich konnte ihr Gespräch gut verstehen. »Sein Puls ist stabil. Aber der Blutdruck ist niedrig, sechzig zu zwanzig. Er hat viel Blut verloren. Verständigen Sie das Sacred Heart.«
»Verständigen Sie besser seine nächsten Angehörigen. Irgendwelche Ausweispapiere?«
»Haben Sie in allen Taschen nachgesehen?«
Ich spürte, wie eine Hand mein rechtes Bein abtastete. Dann mein linkes.
»Hier ist etwas.«
Ich wurde vom Boden hochgehoben, und dann spürte ich, wie mir eine Plastikmaske über Mund und Nase gedrückt wurde. In dem Augenblick schoss mir ein Satz aus meinem früheren Leben durch den Kopf, ein Satz aus meinem Leben als Werbetyp. Zu Schwarz verblasst.