Elftes Kapitel

McKale ist heute nach Hause gekommen. So froh ich über ihre Heimkehr auch bin, so sehr trifft mich jetzt doch die volle Wucht der Erkenntnis, dass unser Leben nie wieder dasselbe sein wird. Aber es könnte schlimmer sein. Ich hätte allein nach Hause kommen können.

Alan Christoffersens Tagebuch

Obwohl meine Welt in Trümmern lag, war der Tag, an dem McKale nach Hause kam, wie Weihnachten für mich. Zumindest, bis ich sie zu Bett gebracht hatte. Dann holte mich die Wirklichkeit wieder ein. Auf dem Anrufbeantworter waren ungefähr hundert Nachrichten. Ein paar waren Beileidsanrufe, aber bei den meisten handelte es sich um Mahnanrufe. Ich saß mit Stift und Papier da und schrieb sie alle auf.

Die Mahnanrufe kamen mehr als einmal, und sie klangen immer entschiedener und drohender.

McKale war nicht die Einzige, die schlecht mit Geld umgehen konnte. Mein Vater war zwar Buchhalter gewesen, aber ich hatte nichts von seiner Haushaltsdisziplin geerbt. Madgic war losgegangen wie eine Rakete, und McKale und ich hatten damals alles sofort gewollt. Wir leisteten uns das größte Haus, für das wir einen Kredit bekommen konnten, teure Autos, Urlaubsreisen und so ziemlich alles andere, wonach uns verlangte. Wir gingen fast jeden Abend essen. McKale war keine große Köchin. Sie sagte gern: »Das Einzige, was ich machen kann, sind Reservierungen.«

Außerdem war McKale über die Maßen großzügig und spendete für so ziemlich jede Hilfsorganisation, die anfragte – von der Stiftung zur Förderung der Gesundheit Neugeborener bis zur Gesellschaft zum Schutz der Windhunde. Wir hatten Unmengen ungeöffneter Kartons mit Keksen von Pfadfinderinnen in unserer Vorratskammer. Jedes Mal, wenn uns klar wurde, dass uns wieder einmal das Geld ausgegangen war, regte ich mich eine Weile auf, bis McKale sagte: »Du bist schlau. Du wirst noch mehr machen.«

Schon vor dem Unfall (und dem Untergang der Agentur) hatten wir Probleme gehabt. Wir waren mit allen Rechnungen im Verzug, wir hatten eine zweite Hypothek auf unser Haus aufgenommen, und das Volumen unserer Kreditkarten war ausgeschöpft. Es war ein finanzieller Drahtseilakt gewesen. Und nun hatte jemand unser Seil an einem Ende durchtrennt.

McKale war dafür zuständig, die Rechnungen zu bezahlen, und das hatte sie natürlich schon seit einer ganzen Weile nicht mehr getan. Zusätzlich zu den Nachrichten auf dem Anrufbeantworter lag ein großer Haufen Rechnungen neben der Hintertür auf dem Boden. Beim ersten Mal, als ich ihn mir vornehmen wollte, verließ mich meine Entschlusskraft, und ich ließ ihn einfach liegen.

Irgendjemand hat einmal gesagt: »Wir können die Realität leugnen, aber wir können nicht die Konsequenzen des Leugnens der Realität leugnen.« Die erste dieser Konsequenzen wurde am Sonntagnachmittag manifest. Während ich nach dem Mittagessen aufräumte, klingelte es an der Haustür. Als ich öffnete, standen zwei Männer vor mir. Der erste war etwa so groß und kräftig wie ich, er war allerdings etwa zehn Jahre älter und hatte schütteres Haar. Der zweite Mann hatte sandfarbenes Haar und sah aus wie ein Linebacker der Seattle Seahawks. Der erste Mann übernahm das Reden.

»Sind Sie Alan Christoffersen?«

»Der bin ich.«

»Wir sind von Avait Leasing. Wir sind hier, um ein Lexus-Sportcoupé und einen Cadillac Escalade wieder in Besitz zu nehmen.«

Meine Augen schossen zwischen den beiden hin und her. »Hören Sie, meine Frau ist eben erst aus dem Krankenhaus zurückgekommen. Können wir das vielleicht irgendwie anders regeln?«

»Es tut mir leid, aber dafür ist es mittlerweile zu spät. Wenn Sie uns bitte zu den Wagen führen würden.«

Ich sah ihn an und suchte nach irgendeiner Spur von Mitleid, aber ich fand keine. Er war hier, um seine Arbeit zu machen. »Die Autos stehen in der Garage. Ich mache sie Ihnen auf.« Die Männer traten zur Seite, um mich zur Haustür hinauszulassen. Ich gab den Code für die Alarmanlage ein und öffnete die Garage. »Geben Sie mir bitte einen Augenblick Zeit, um unsere Sachen aus den Wagen zu holen.«

»Kein Problem.«

Ich sammelte unsere Habseligkeiten ein – Sonnenbrillen, CDs, Handy-Ladegeräte –, den üblichen Krimskrams. Als ich fertig war, nahm ich die Wagenschlüssel von den Schlüsselringen und reichte sie dem Mann. Er warf seinem Partner den Escalade-Schlüssel zu und stieg dann in meinen Lexus. »Tut mir leid.«

Ich sah ihnen nach, wie sie mit unseren Autos davonfuhren. Ich schloss das Garagentor und ging wieder ins Haus.

»Wer war denn da an der Tür?«, fragte McKale.

Ich legte die Stirn in Falten. »Die Leasingfirma. Sie haben eben unsere Wagen wieder abgeholt.«

»Es tut mir leid.« Sie wandte den Blick von mir ab.

»Keine Sorge«, sagte ich. »Es sind nur Autos.« Die Wahrheit ist, dass ich mir vorkam wie ein Penner.

Es wurde immer schlimmer. Als ich an jenem Abend die Post durchsah, stieß ich auf die erste Arztrechnung. Über eine viertel Million Dollar. Ich schaffe das, sagte ich mir. Keine Panik. Nur keine Panik. McKale braucht dich.

Ich brach dennoch in Panik aus.