Einunddreißigstes Kapitel
Die Zeit ist reif, so sprach der Wanderer, von mancherlei zu reden. Von Kornkreisen und UFOs und von den Touristen, die diese Dinge bringen …
(Entschuldige, Lewis Carroll.)
Alan Christoffersens Tagebuch
Die nächsten Tage meiner Reise waren anstrengend, aber sonst größtenteils nicht erwähnenswert. Ich ging von Douglas nach Coulee, von Coulee nach Wilbur und von Wilbur nach Davenport, im Durchschnitt etwa achtundzwanzig Meilen am Tag.
Zum Glück gab es unterwegs Orte, wo ich ein Bett und eine Mahlzeit bekommen konnte. In Coulee übernachtete ich im Ala Cozy Motel und aß nebenan in Big Wally’s Shell-Tankstelle, die gleichzeitig ein Laden für Angelbedarf war, einen Burrito mit grünem Chili. Ich wünschte, sie hätten auch T-Shirts verkauft.
Coulee war industriell geprägt, sodass ich die Berge umso mehr vermisste. Mir wurde bewusst, wie viel Glück ich auf dem ersten Teil meines Wegs gehabt hatte, denn er hatte mich durch die Natur mit ihren heilenden Kräften geführt. In dieser Gegend gab es nichts zu tun, außer zu gehen und zu grübeln.
Es waren etwa dreißig Meilen bis Wilbur – seit Tagen die größte Stadt, durch die ich kam. Wilbur war eine richtige Stadt mit einer Bank, einem Immobilienbüro und einer Klinik. Ich stieg im Eight Bar B Hotel ab, das nach eigenen Angaben über »die größten Zimmer des Bezirks« verfügte. Diese Behauptung schien ihre Berechtigung zu haben. Das Hotel lag neben einem kleinen Burger-Imbiss namens Billy Burger.
Ich ließ meinen Rucksack im Zimmer und ging hinunter zu dem Billy Burger, um etwas zu essen. Ich hatte großen Hunger und bestellte mir den Wild Goose Bill Burger, der nach dem Gründer von Wilbur, Wild Goose Bill, benannt war. Ich war mir sicher, dass es auch hierzu eine Geschichte gab, aber ich kam nie dazu, danach zu fragen.
Die Wände des Billy Burger zierte die größte (und einzige) Salz- und Pfefferstreuersammlung, die ich je gesehen hatte. Darunter waren ein Paar Würfel, auf denen in goldener Glitzerschrift »Vegas« stand, ein paar Hulamädchen, ein paar politisch nicht korrekte Little-Black-Sambo-Streuer, eine Waschmaschine mit Trockner und ein sitzender JFK.
Außerdem verkauften sie Billy-Burger-T-Shirts und ein Buch über die Geschichte von Wilbur, das es, so meine Vermutung, wohl nie auf die Bestsellerliste der New York Times schaffen wird, auch wenn schon Seltsameres vorgekommen ist. Mir war aufgefallen, dass fast alles in Wilbur mit dem Buchstaben B anfing, und ich fragte die Frau an der Theke, Kate, warum.
»Gute Frage«, sagte sie. »Ein einflussreicher Bürger von Wilbur, Benjamin B. Banks, hatte acht Söhne, und er und seine Frau Belva haben allen Namen gegeben, die mit B anfingen. Er glaubte an harte Arbeit, daher sorgte er dafür, dass all seine Kinder ein Geschäft gründeten, um für ihre Collegegebühren aufzukommen. Und Billy Burger war Billys Projekt. Er hat es verkauft, als er aufs College gegangen ist.«
Das erklärte auch das Eight Bar B Hotel. Während ich aß, bemerkte ich eine Plakette an der Wand.
Auszeichnung
Ein Dank an die Außerirdischen, die Wilbur
zu ihrem Urlaubsziel erklärt haben.
Unter der Plakette hing die gerahmte Doppelseite einer Zeitung. Sie zeigte Bilder von Kornkreisen. Diese Bilder hatte ich irgendwo schon einmal gesehen, aber ich wusste nicht, dass sie aus Washington stammten. Ich stand auf, um den Artikel zu lesen.
Offenbar war die Kleinstadt Wilbur nicht nur einmal, sondern gleich zweimal mit Kornkreisen gesegnet worden. Der erste wurde im Frühjahr 2007 von einem Sprühflugzeug entdeckt. Der zweite tauchte zwei Jahre später auf, im Jahr 2009.
»Und das ist hier passiert?«, fragte ich Kate.
»Aber klar doch. Zweimal. Drüben bei Jesse Beales.«
»Und wer hat sie gemacht?«, fragte ich. »Jugendliche aus der Gegend, die jemandem einen Streich spielen wollten?«
Die Frau zog die Stirn in Falten. »Nein, Sir. Die hat keiner von uns hier gemacht. Die sind vom Himmel gekommen. Da gab’s keine Spuren ins Feld oder zurück. Diese Fußstapfen, die Sie auf dem Bild dort sehen, die sind von den Touristen und den UFO-Jägern.«
»Touristen kommen hierher, um sich das anzusehen?«
»Aber ja, Sir. Aus der ganzen Welt. Damit hat sich Wilbur wirklich einen Platz auf der Landkarte erobert. Die Leute kommen mit Footballhelmen, die sie mit Alufolie umwickelt haben, und in Jesusgewändern. Mr. Beales sagt, dass ihm diese Außerirdischen 500 Dollar schulden und dass er sich die holen wird, und wenn er sie ihnen aus ihren erbärmlichen grünen Häuten prügeln muss.«
»Das wäre vielleicht eine Schlagzeile«, überlegte ich laut. »Farmer attackiert Außerirdische mit Heugabel. Welt geht unter.«
Die Frau lächelte nicht.
»Mr. Beales sollte von den Touristen einfach Eintritt verlangen«, sagte ich.
Sie sah mich an, als hätte ich soeben das Hungerproblem der Welt gelöst. »Das ist eine verdammt gute Idee. Das werde ich ihm sagen, wenn er das nächste Mal vorbeikommt.«
»Sie glauben also, die Kornkreise wurden von Außerirdischen gemacht?«
»Nein, Sir.«
Ich wandte mich zu ihr um. »Aber Sie haben doch gesagt, sie seien vom Himmel gekommen.«
»Air Force«, sagte sie, wobei sie ihre Stimme dämpfte, als ob sie Angst hätte, belauscht zu werden. »Die waren das.«
»Die Air Force hat das gemacht?«
»Ja, Sir. Ein Stück die Straße hinunter ist die Fairchild Air Force Base. Die führen hier ständig irgendwelche hoch geheimen Forschungen durch. Vermutlich irgendein neuer Hightech-Laserstrahl.«
Mir fiel noch eine Schlagzeile ein, aber ich behielt sie lieber für mich. Air Force erklärt Farmer Beales den Krieg und verbrennt Kreise auf den Kornfeldern.
»Natürlich könnten es auch einfach Außerirdische sein«, lenkte sie dann ein. »Wir leben in einer merkwürdigen Welt. Man kann nie wissen.«
»Ja«, gab ich ihr Recht, »man kann nie wissen.« Ich setzte mich wieder hin und aß auf. »Das war ein guter Burger. Danke.«
»Wir haben auch Shakes da. Intergalaktisch berühmte.«