Sechstes Kapitel

Nichts ist quälender, als auf das Urteil der Geschworenen zu warten. Außer vielleicht, das Urteil der Geschworenen zu hören.

Alan Christoffersens Tagebuch

Die nächsten drei Tage verstrichen in einem surrealen Schwebezustand, in dem ich zwischen Hoffnung und Verzweiflung schwankte. Die Ärzte wiederholten, was schon die Sozialarbeiterin gesagt hatte – dass sie über das genaue Ausmaß des Nervenschadens vor Ablauf der nächsten zweiundsiebzig Stunden nichts sagen könnten. In zweiundsiebzig Stunden kann viel passieren, sagte ich mir. Vielleicht würde sie, wenn die Schwellung zurückging, wieder etwas spüren und sich bewegen können.

Sie musste gesund werden. McKale im Bett, bewegungsunfähig, das war mit das Schlimmste, was ich mir vorstellen konnte.

Alles andere, was meine Welt ausgemacht hatte, hörte auf zu existieren. Ich blieb die ganze Zeit an McKales Seite. Nachts schlief ich auf einem Feldbett neben ihrem Bett, oder ich versuchte es zumindest, da die Schwestern scheinbar alle zwanzig Minuten hereinkamen, um nach irgendetwas zu sehen. Ich wollte nicht, dass sie aufwachte und ich nicht da war. Sam, McKales Vater, kam am Samstagnachmittag, und zum ersten Mal wich ich von ihrer Seite und fuhr nach Hause, um zu duschen und meine Kleidung zu wechseln. Ich war nur für ein paar Stunden fort.

Am Montagmorgen fuhr ich nicht nach Hause. Zweiundsiebzig Stunden waren seit dem Unfall vergangen, und die Ärzte hatten uns gesagt, sie würden an diesem Morgen kommen, um McKale zu untersuchen. Endlich würden wir etwas über das Ausmaß der Schädigung erfahren. Sam traf gegen zehn ein. Keiner von uns sprach über die Untersuchungen. McKale redete mit ihrem Vater über sein neues Haus in Florida, dann fragte sie mich nach der Arbeit. Da erst wurde mir bewusst, dass ich ihr noch gar nichts von dem Brücke-Auftrag erzählt hatte.

»Das sind ja gute Neuigkeiten«, sagte sie.

Sam war aufgeregter als wir beide. »Gut gemacht, mein Junge. Gut gemacht.«

Ich zwang mich zu einem Lächeln. Mich interessierte der Auftrag überhaupt nicht, ich sprach nur davon, um uns von schwereren Gedanken abzulenken.

Gegen halb zwölf betraten drei Ärzte das Zimmer. Einer trug eine kleine schwarze Tasche in der Hand, ein anderer ein Klemmbrett. Ich erkannte die Ärztin vom Tag des Unfalls. Sie sagte zu mir: »Ich bin Dr. Hardman. Sie sind McKales Ehemann?«

»Ja, Ma’am.«

»Und Sie sind ihr Vater?«

Sam nickte.

»Ich möchte Sie beide bitten, das Zimmer zu verlassen, während wir diese Untersuchungen durchführen.«

Ich wollte fragen, warum, aber ich tat es nicht. Ich legte viel Vertrauen in die Ärzte. Später begriff ich, dass ich nicht auf sie vertraut hatte, sondern auf meine Hoffnung, McKale würde geheilt werden. Sam trat zur Seite, und einer der Ärzte begann, die Vorhänge um das Bett zuzuziehen.

»Könnten wir vielleicht davor warten und zuhören?«, fragte ich und deutete auf die andere Seite des Vorhangs.

»Natürlich«, sagte sie.

Ich beugte mich vor und küsste McKale auf die Stirn. »Ich liebe dich.«

»Ich dich auch.«

Ich teilte den Vorhang und stellte mich auf der anderen Seite neben Sam.

»Wie geht es Ihnen, McKale?«, fragte Dr. Hardman.

McKale murmelte etwas.

»Es tut mir leid. Wir werden ein paar einfache Untersuchungen durchführen. Sie dürften Ihnen keine Schmerzen bereiten.« Dann war ein Schlurfen zu hören, und McKale stöhnte vor Schmerz auf, als sie sie auf die Seite drehten, um sich ihre Wirbelsäule anzusehen.

Ich hörte, wie der Reißverschluss einer Tasche aufgezogen wurde, und dann sagte einer der Ärzte: »Dr. Schiffman wird mit diesem Gerät einige Ihrer Körperteile berühren.« (Nach dieser Prozedur sah ich das Gerät. Es sah aus wie ein mittelalterliches Folterinstrument. Es war wie ein Rad geformt und mit Nadeln besetzt.) »Wir werden mit diesem Gerät über verschiedene Teile Ihres Körpers fahren und Sie dann nach Ihrer Reaktion fragen. Sind Sie bereit?«

»Ja«, sagte McKale matt.

Dann hörte ich einen der Ärzte fragen: »Können Sie das spüren, McKale?«

»Ja.«

Mein Herz schlug höher. Ich wollte Sam mit einer Hand abklatschen, aber sein Blick war stur auf den Boden gerichtet.

»Okay. Wir werden es jetzt unterhalb Ihrer Taille versuchen. Können Sie das spüren?«

Eine lange Pause trat ein. McKale sagte: »Nein.«

»Und wie ist es hier?«

Noch eine Pause folgte. Diesmal klang McKales Stimme leicht angespannt. »Nein.«

Mein Magen verkrampfte sich. Komm schon, McKale.

»Und wie ist es hier?«

McKale begann zu schluchzen. »Nein.«

Ich begann im Stillen zu beten. Lieber Gott, bitte lass sie etwas spüren.

»Und wie ist es hier?«

Inzwischen weinte McKale. »Nein.«

Sam bedeckte seine Augen mit der Hand.

»Und hier?«

»Nein, ich kann gar nichts spüren«, rief sie. »Ich kann gar nichts spüren!«

Ich teilte den Vorhang, aber Dr. Hardman sah mich nur kopfschüttelnd an. Ich trat zurück.

»Wir werden Sie jetzt auf einen tiefer liegenden Nervenschaden untersuchen. Manchmal ist ein Nervenschaden nur oberflächlich, und Patienten können unter der Haut noch immer etwas spüren. Ich werde diese Nadel in Ihr Bein einführen, und Sie müssen mir sagen, ob Sie irgendetwas spüren.«

Ich wartete auf eine Reaktion, aber McKale gab keinen Laut von sich.

Ich ließ mich auf einen Stuhl fallen und stützte den Kopf in die Hände. Mir war schlecht. Sie konnte nichts spüren. McKale war gelähmt.