Keith

15. KAPITEL

Bei Kerzenschein legte Roland letzte Hand an die Leinwand vor sich an.

Er hatte diese Frau seit einer Woche nicht mehr gesehen. Oh, Rhiannon war hier, seine Gebete waren erhört worden. Sie sprach nicht mehr davon, dass sie ihn für immer verlassen würde. Aber sie war nicht die wahre Rhiannon. Nur noch ein dünner Schatten der lebhaften, eitlen Prinzessin des Nils. Er wollte sie unbedingt wiederhaben, so wild und kampfeslustig und unberechenbar wie früher. Er vermisste sie. Das Schloss wirkte leer, wie eine Gruft, ohne ihre lärmende Gegenwart auf allen Fluren. Er fragte sich, warum ihm diese Leere vorher denn nie aufgefallen war.

Er ließ den Blick über die Schönheit vor seinen Augen schweifen. Es war ihm gelungen, mit dem Pinsel die Beschaffenheit ihrer Haut, das teuflische Funkeln in ihren Augen und die Locken des satingleichen Haars einzufangen. Er sehnte sich wie eh und je nach ihr, vielleicht noch mehr. Aber sie wirkte ihm gegenüber fast gleichgültig. Hatte sie ihn früher mit ihrer schnippischen Art fast zur Raserei getrieben, hatte sie jetzt kaum einen Blick für ihn übrig. Es war zum Verrücktwerden.

„Das hast du also hier oben getrieben.“ Erics Stimme tönte durch die Falltür in der Mitte des Fußbodens, dann kletterte er selbst herauf.

Er stand da, klopfte sich ab und betrachtete das Bild mit vor der Brust verschränkten Armen. „Roland, das ist atemberaubend.“

„Es ist Rhiannon. Wie könnte es anders sein?“

Eric lächelte und schüttelte hastig den Kopf. „Hast du ihr gesagt, dass du sie über alle Maßen liebst?“

Roland verzog das Gesicht. „Vermutlich hätte sie sich halb tot gelacht. Du weißt ja, was sie von einfältigen menschlichen Gefühlen hält.“

„Vielleicht hat sie ihre Ansichten in den vergangenen Wochen geändert, mein Freund.“

„Dann wären sie nicht das Einzige, das sich verändert hat.“

Eric sah Roland eine ganze Weile ins Gesicht. „Vielleicht denkst du einmal darüber nach, dass sie nur deinen Wünschen entspricht.“

„Was ist das denn für ein Unsinn? Ich habe sie nie darum gebeten, ein Heimchen am Herde zu werden.“

Eric zuckte mit den Schultern, steckte die Hände in die Taschen und entfernte sich langsam von Roland. „Du hast ihr ununterbrochen vorgeworfen, wie tollkühn sie ist, wie impulsiv. Du hast kritisiert, wie gern sie auffällt und wie sie überall Aufsehen erregen muss, wohin sie auch geht. Ihr extrovertiertes Benehmen. Mehr als einmal hast du sie in meiner Gegenwart gebeten – nein, ihr befohlen –, sich wie eine Dame zu benehmen. Jetzt beschwerst du dich darüber, dass sie tut, worum du sie gebeten hast.“

Roland runzelte die Stirn und sah zu Boden. „Glaubst du wirklich, dass sie das tut?“

Eric zuckte mit den Schultern. „Eine bessere Erklärung fällt mir im Moment nicht ein.“

Roland steckte den Pinsel in den Halter und ließ den Blick darauf gerichtet. „Und was soll ich jetzt machen?“

Rhiannon hielt das sonnengelbe Kissen in beiden Händen und zog so lange daran, bis der Stoff mit einem grässlichen Geräusch riss und die flauschige weiße Füllung zu Boden fiel. Dann stieß sie einen knurrenden Schrei aus und drehte sich im Kreis.

„Ah, Rhiannon, da bist du ja. Wo hast du dich in den letzten paar Tagen versteckt?“

Sie drehte sich zu der jungen Frau um und biss sich auf die Lippen. Niemand hatte sehen sollen, wie sie die Beherrschung verlor. „Ich weiß nicht, wovon du redest.“

„Ha!“ Tamara betrat das Zimmer, hob zwei Hände voll Kissenfüllung auf und warf sie in die Luft. „Und was ist dann das? Möchtest du alle Kissen neu füllen, um ihn zu beeindrucken?“

Rhiannon schlug die herabfallende Masse zur Seite. „Ich muss niemanden beeindrucken.“

„Natürlich nicht. Ich war mir nur nicht sicher, ob du das auch weißt, das ist alles.“

Pandora sprang mit einem leisen Fauchen aus dem Bett, sprang auf die Füllmasse, als sie landete, und schlug ungeschickt mit der geschienten Pfote darauf.

Rhiannon warf die Kissenfüllung beiseite und ging ins Wohnzimmer.

„Was meinst du, wie lange hältst du das noch durch, Rhiannon?“

Sie drehte sich zu Tamara um, die ihr auf den Fersen folgte. Als sie gerade losbrüllen wollte, sah sie die Weisheit in den Augen der jungen Frau. „Nicht mehr lange. Oh Tamara, ich bin dafür einfach nicht geschaffen. Unterwürfig zu sein. Ich könnte so langsam an den glatten Wänden hinaufgehen. Und außerdem scheint es überhaupt nicht den gewünschten Effekt zu haben. Seit jener Nacht, als er mich nach Hause getragen hat, hat er mich kaum eines Blickes gewürdigt.“

„Oh, er hat schon Blicke für dich übrig.“

Rhiannon runzelte die Stirn, aber die junge Frau schien nicht mehr sagen zu wollen. „Raus damit, Vampirin, oder lass mich in Ruhe.“

„Schöne Ruhe, unschuldige Kissen zu zerstören, wo du doch in Wahrheit ihn in Stücke reißen möchtest.“

Rhiannon seufzte. Ihre Geduld war ebenso überstrapaziert wie ihr Temperament. „Sag, was du zu sagen hast, Grünschnabel.“

Tamara lächelte. „Eric und ich reisen heute Nacht ab. Ich wollte mich nur verabschieden.“

„Ihr reist ab?“

„Oh, keine Bange, wir kommen bald wieder. Ich möchte nur in Jameys Nähe sein, falls er mich braucht. Und ich glaube, du und Roland solltet allein sein, damit ihr euch einmal aussprechen könnt.“

Rhiannon sah kopfschüttelnd zu Boden. „Ich fürchte, da gibt es nichts auszusprechen. Er wusste, dass ich aufbrechen wollte, sobald der Junge in Sicherheit ist. Ich habe mein Wort nicht gehalten, und er fragt sich zweifellos, warum.“

„Hör auf meinen Rat und rede mit ihm, bevor du gehst. Sag ihm alles. Halt nichts zurück, rein gar nichts. Mach ein für alle Mal reinen Tisch zwischen euch, Rhiannon. Wenn du das nicht tust, wirst du dir das nie verzeihen.“

Rhiannon blinzelte. Dann hob sie zaghaft die Arme und legte sie Tamara um die Schultern. Sie drückte die junge Frau an die Brust. „Dafür, dass du noch so jung bist, gibst du gute Ratschläge, Kleines. Ich werde dich vermissen.“

Sie versammelten sich in dieser Nacht abermals um den Kamin im großen Saal, alle vier. Roland sah Rhiannon in die Augen und stellte zufrieden fest, dass sie wieder funkelten. Sie trug das schwarze Samtkleid, das sie in der ersten Nacht getragen hatte, und prostete ihnen allen mit dem Glas zu, das sie zwischen ihren rot lackierten Nägeln hielt.

„Wenn wir uns wiedersehen, dann an einem anderen Ort“, sagte Eric leise. „Dieses zugige alte Schloss wird mir fehlen.“

„Oh, ich weiß nicht“, sagte Tamara. „Vielleicht muss Roland es ja doch nicht aufgeben.“ Man sah in ihren Augen, dass sie ein Geheimnis hütete, und Roland grinste fast über die kindliche Freude, die sie daran hatte, dass sie etwas wusste und die anderen nicht.

„Na los, Grünschnabel, sprich aus, was dir auf dem Herzen liegt.“

„Ja, Tamara. Du hast schon die ganze Zeit diesen Ausdruck in den Augen, seit du telefoniert und gefragt hast, ob wir sicher in die Staaten zurückkehren können“, sagte Eric. „Wieso um Himmels willen bist du so gut gelaunt?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich habe mit meiner Freundin Hilary gesprochen. Die noch für das DPI arbeitet. Offenbar sind sie auf der Suche nach einem übersinnlich Begabten, der verdächtigt wird, Curtis Rogers ermordet zu haben.“

„Was?“ Roland hielt das Glas noch fester.

Tamara warf Rhiannon einen wissenden Blick zu. „Zuletzt wurde er in einer Notaufnahme in Paris gesehen, wo er sich ein gebrochenes Handgelenk behandeln ließ. Er verschwand mitten in der Nacht aus seinem Krankenhausbett, und seither hat niemand mehr etwas von ihm gehört.“

Roland riskierte einen Blick zu Rhiannon und stellte fest, dass Eric und Tamara sie ebenfalls ansahen. Sie trank und tat so, als bemerkte sie es nicht.

„Rhiannon, was weißt du darüber?“

Sie sah ihm in die Augen und zuckte geziert mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.“

„Rhiannon …“

Sie warf ihm einen Blick zu, der ihn zum Schweigen brachte. In seiner Erleichterung darüber, dass sie ihren alten Hochmut wiedergefunden hatte, beließ er es dabei. Er sah, dass sie entweder nicht wusste, was aus Lucien geworden war, oder nicht darüber sprechen wollte.

Als sie sich an der Eingangstür verabschiedet hatten, drehte Roland sich zu Rhiannon um. Es war an der Zeit, ihr die Wahrheit zu sagen. Er wollte ihr seine Seele entblößen, ihren Hohn und ihren Spott riskieren, ihr gestehen, dass er die ganze Zeit falschgelegen hatte, und sie bitten, ihm zu verzeihen. Sicher, er hatte die arme Rebecca in den Selbstmord getrieben, und das war ein Schmerz, der ihn nie mehr verlassen würde. Rhiannon dagegen war eine so starke Frau, dass er sie nie auf diese Weise verletzen könnte. Jedenfalls hoffte er das, denn er konnte auf gar keinen Fall zulassen, dass sie aus seinem Leben verschwand. Niemals.

Was er in ihren Augen sah, ließ ihn wankelmütig werden. Die arrogante Tochter des Pharaos war tatsächlich wieder da. Sie sah ihn einen Moment stechend an und ging die Treppe hinauf.

„Komm mit mir, Roland, wenn du magst. Auch ich bin zum Aufbruch bereit, aber vorher muss ich etwas mit dir besprechen.“

„Aufbruch?“ Er lief ihr hinterher, die ausgetretene Treppe empor. Als sie direkt zum Turmzimmer ging, dankte er seinen Sternen, dass er das Bild abgedeckt hatte, bevor er heruntergekommen war. „Du willst fort? Rhiannon, ich …“

„Nein. Ich habe dir genügend Zeit gelassen zu sagen, was du zu sagen hast. Und du hast nicht ein einziges Wort herausgebracht, darum bin ich jetzt an der Reihe.“ Sie ging zur Leiter in der Mitte des Zimmers und stieg hinauf zur höchsten Spitze der Burg.

Roland folgte ihr. Als er oben ankam, lehnte sie an der unebenen Brüstung und ließ den Blick durch die Nacht über die weiten Felder bis zum Zusammenfluss der beiden Ströme schweifen. Der Wind zerrte an ihrem Haar, bis sich Strähnen aus dem Knoten am Hinterkopf lösten. Sie drehte sich zu ihm um, griff mit den Händen nach dem Knoten, riss wütend die Nadeln heraus und warf sie mit übertriebenen Gesten über die Mauer.

Als ihr Haar offen herabhing, maß sie ihn mit einem trotzigen Blick. „So stirbt dein Mauerblümchen.“

Gott sei Dank, dachte er. Aber er sagte nichts.

Sie wandte sich abermals von ihm ab. „Ich kann nicht von hier fort, ehe du die Wahrheit kennst, denn ich werde dich aller Wahrscheinlichkeit nach nie wiedersehen, um dir zu erzählen, wie deine geliebte Rebecca wirklich ihr Ende fand.“

Roland runzelte die Stirn. „Ich dachte, wir wären hierhergekommen, um über … dich und mich zu reden.“

Sie wich seinem Blick aus. „Mir scheint, zu diesem Thema gibt es wenig zu sagen. Aber über Rebecca weißt du vieles nicht.“ Sie holte tief Luft, als müsste sie sich wappnen. „Du hast behauptet, du hättest sie nie geliebt, aber du kannst mich nicht belügen. Ich spüre deine Gefühle … meistens. Ich weiß, wie viel dir an ihr lag.“

„Und wozu ich sie getrieben habe“, murmelte er und sah an Rhiannon vorbei zum Boden tief unten hinab. Er erinnerte sich, wie er Rebecca dort gefunden hatte. Der Schmerz und die Schuldgefühle erwachten zu neuem Leben.

„Rebeccas Zimmer … ich bin noch einmal dort gewesen, weißt du.“

„Warum?“

„Ihre Aura ist noch da. Sie hat keinen Frieden gefunden, Roland, in all den Jahrhunderten nicht. Wegen deiner Schuldgefühle. Sie wollte, dass du das weißt.“

Er schüttelte den Kopf, weil er das nicht hören wollte.

„Heute Nacht wird sie endlich ihren Frieden finden, denn ich werde dir erzählen, was ich in diesem Zimmer von ihr erfahren habe.“

Roland schloss die Augen. „Ich möchte nicht über Rebecca sprechen. Nicht hier.“ Das Bild, wie sie in den Abgrund stürzte, quälte ihn, obwohl er die Augen zusammenkniff, damit er es nicht sehen musste.

„Sie hat dich geliebt, Roland.“

Er schlug sofort die Augen auf. „Sie hat mich zutiefst verabscheut.“

„Sie wollte dich für das hassen, was du getan hattest, aber sie verliebte sich dennoch in dich. Sie kam nur in diesen Turm, um zu entscheiden, was sie tun sollte. Sie hatte Schuldgefühle, weil sie so für dich empfand. Ihr schien, als würde sie ihres Vaters Andenken damit entweihen, wollte aber deinen Heiratsantrag dennoch annehmen.“

Er ließ die Atemluft zischend entweichen. „Du lügst. Warum sagst du das alles, Rhiannon? Um mir die Schuldgefühle abzunehmen, die ich seit Jahrhunderten mit mir herumschleppe? Das nutzt nichts. Ich weiß, was ich ihr angetan habe.“

„Sie trug ein goldenes Kruzifix an einem Lederband um den Hals.“

Roland atmete hastig ein und sah Rhiannon in die Augen. Sie schien ihn gar nicht wahrzunehmen. Vielmehr war es, als würde sie durch ihn hindurchsehen. Sie hob die zur Faust geballte Hand zu der Stelle, wo Rebecca das Kreuz getragen hatte.

„Woher weißt du das?“

„Ihr Vater hat es für sie anfertigen lassen, und es war ihr lieb und teuer.“ Sie nahm die Hand weg und öffnete sie. Ihr Blick schweifte über die leere Handfläche. „Aber die Schnur ging auf, und das Kruzifix fiel hinunter.“

Roland runzelte die Stirn und brachte kein Wort heraus. Rhiannon wandte sich ab und lehnte sich über die Mauer. „Es verfing sich in einer Steinfuge. Sie konnte es sehen und wollte danach greifen.“

Roland packte Rhiannon an den Schultern. Ihre Haltung, wie sie sich über die Mauer lehnte, war gefährlich. Er drehte sie zu sich um und sah zu seinem Erstaunen Tränen in ihren Augen.

„Aber sie war so zierlich wie Tamara. Sie konnte es unmöglich erreichen, Roland, oder? Und sie stürzte ab. Der arme, unschuldige Engel mit dem aschblonden Haar. Sie stürzte ab, und das Kruzifix blieb, wo es war.“ Sie trat zur Seite und zeigte mit dem Finger nach unten.

Roland ging fassungslos zu der Mauer und beugte sich darüber. Zuerst sah er nichts. Dann fiel ihm ein Funkeln auf. Dort glitzerte das kleine, fest in einer Fuge zwischen zwei Mauersteinen verkantete Kruzifix im Mondschein. Er schüttelte fassungslos den Kopf, während es schien, als würde ihm eine Last, die er schon seit Ewigkeiten trug, von der Schulter genommen werden.

„Sie hat sich nicht das Leben genommen“, flüsterte er.

„Nein, Roland. Es war ein Unfall.“ Rhiannon ging zu der Falltür zurück und trat auf die Leiter. „Jetzt kannst du dein Leben ohne Schuldgefühle leben. Das ist mein Abschiedsgeschenk für dich.“

Roland wirbelte zu ihr herum. „Warte!“

Ungeachtet seines Befehls verschwand ihr Kopf, als sie die Leiter hinabstieg. Roland folgte ihr hastig durch die Falltür, packte sie an den Schultern und drehte sie zu sich um, ehe sie zur Tür hinauskonnte.

„Ich sagte, warte.“

Sie blinzelte heftig, wandte den Blick jedoch nicht ab. „Worauf?“

Er schüttelte den Kopf. „Wir … haben immer noch etwas zu besprechen, Rhiannon. Das weißt du so gut wie ich.“

„Das spielt keine Rolle mehr, Roland. Es ändert nichts mehr.“

„Warum?“

„Weil ich nichts mehr tun kann, du Narr. Weil ich nichts mehr tun will, damit ich begehrenswert für dich bin. Seit Jahren will ich dir beweisen, dass ich deiner würdig bin. Die vergangenen Wochen waren turbulent, doch was auch immer ich tat, um dir meine Stärke zu beweisen, machte dich nur noch wütender. Je mehr ich mich um deine Gunst bemühte, desto unwilliger wurdest du.“

Er spürte, wie er die Lippen zu einem Lächeln formte, und streckte die Hände nach ihr aus, doch sie wich zurück und wandte das Gesicht von ihm ab. „Rhiannon, ich …“

„Nein. Hör mir zu, Roland. Ich sage das jetzt oder werde nie wieder eine Veranlassung dazu sehen. Du kannst getrost alles wissen. Als Lucien mich in diesem Loch festgehalten hat, sagte er mir, du wärst tot. Und in meinem Kummer heulte ich zu den Göttern empor. Ich schwor, dass ich das fügsame Geschöpf sein würde, das du dir wünschst, wenn sie dich nur zu mir zurückbringen würden. Kannst du das glauben? Ich, Rhiannon, bettelte darum, einem Mann zu gefallen.“

Er schloss die Augen und schüttelte langsam den Kopf, aber sie fuhr fort: „Ich habe versucht, mein Versprechen zu halten, Roland. Seit Tagen schleiche ich durch diese Hallen wie eine welkende Pfingstrose. Und was hat es gebracht? Du schenkst mir noch weniger Aufmerksamkeit als vorher. Doch wenn du es getan hättest, hätte das auch nichts geändert, denn ich kann mich nicht so ändern, um dir oder irgendeinem anderen zu gefallen. Das habe ich erst kürzlich gelernt. Ich bin die, die ich bin. Rhiannon, als Rhianikki geboren, Tochter des Pharaos, Prinzessin von Ägypten, Vampirin, unsterbliche Frau.“

Sie drehte sich um und packte mit den Händen seine Schultern. „Sieh mich an, Roland. Siehst du es nicht in meinen Augen?“

Aber gerade sah er in ihren Augen nichts als eine plötzliche glitzernde Flut von Tränen.

„Ich liebe dich“, flüsterte sie. „Du kannst die ganze Welt absuchen, die Wüste sieben, die Meere durchkämmen, und du wirst nie eine Liebe wie meine finden. Sie ist endlos, grenzenlos und wird niemals verblassen. Ich habe fast mein ganzes Leben dagegen gekämpft, und doch blieb sie. Und du hast beschlossen, diese Liebe wegzuwerfen, wie mein Vater vor dir. Du bist ein Narr, Roland, dass du mich gehen lässt. Aber ich bin ebenfalls eine Närrin, weil ich mich dir ein letztes Mal zu Füßen werfe, bevor ich gehe. Tritt auf mein Herz, und mach dieser Qual ein für alle Mal ein Ende. Jedenfalls kannst du jetzt nicht mehr daran zweifeln, was du vermissen wirst.“

Roland biss sich auf die Lippen. Er würde sie nicht anschreien, auch wenn die Versuchung groß war. „Rhiannon, bist du fertig?“

Sie nickte. „Ja. Ich halte mein Versprechen und verlasse dich jetzt.“

„Nein. Noch nicht ganz. Ich glaube, zwischen uns ist noch einiges ungesagt. Hörst du mir zu?“

„Nein.“

Er sah ihr ins Gesicht, doch sie wandte sich ab. „Warum nicht?“

Ihre Stimme klang heiser. „Ich möchte mich nicht noch mehr erniedrigen, indem ich wie ein Kind vor dir weine, wenn du mich dieses letzte Mal ablehnst.“

Er seufzte, als sie sich von ihm entfernte. „Dann hör dir wenigstens das an, Rhiannon. Die ganze Zeit, als du Risiken eingegangen bist und tollkühn warst, hast du nicht versucht, mir zu beweisen, dass du würdig bist.“

Sie drehte sich langsam und mit stechendem Blick zu ihm um. „Nicht?“

„Nein, und auch nicht deinem Vater.“ Er kam näher und packte sie an den Schultern. „Du hast nur versucht, es dir selbst zu beweisen. Da dein Vater und ich dich abgewiesen haben, hast du an dir selbst gezweifelt, Rhiannon.“

Sie blinzelte, und er sah neuerliche Nässe an ihren Wimpern. „Vielleicht …“

„Zweifle nicht mehr. Dein Heldenmut, deine Tapferkeit sind größer als die jedes Ritters, den ich je gekannt habe, Rhiannon. Nie gab es eine Frau, die dir gleichkommt, und nie wird es eine geben. Glaub mir.“

Sie schniefte wütend, riss sich von ihm los, wich seinem Blick aus. „Lass mich gehen. Ich will nicht vor dir weinen.“

„Musst du denn weinen, wenn ich dir sage, dass ich dich liebe?“

Sie schluckte heftig und drehte sich mit großen, fassungslosen Augen zu ihm um.

Er nahm ihre Hände in seine und führte sie an die Lippen. „Rhiannon, hör dir bitte an, was ich zu sagen habe. Ich habe seit der Nacht, als du mich dem Tode nahe auf dem Schlachtfeld gefunden und in die Arme genommen hast, gegen diese Liebe angekämpft. Oh, ich dachte, ich hätte meine Gründe. Ich war ein Tier, einer Göttin wie dir nicht würdig. Ich redete mir ein, dass meine Liebe Gift wäre, dass sie dir nur Leid und Elend bringen würde, wie allen anderen, die ich vor dir geliebt habe. Mir gefiel nicht, wie du ganz nach Belieben gekommen und gegangen bist, sodass ich mich nach deiner Rückkehr sehnte und mir einredete, es wäre mir gleichgültig, ob du bei jedem Besuch einen Tag oder einen Monat bleiben würdest. Und doch starb jedes Mal, wenn du wieder fortgegangen bist, ein kleiner Teil von mir.“

Er drehte sich zu dem verdeckten Gemälde um und nahm eine Ecke des Stoffs in die Hand. „Dieses Mal habe ich mir geschworen, dass ich einen kleinen Teil von dir bei mir behalten würde, für immer.“ Er zog das Tuch weg und hörte, wie sie scharf einatmete.

Er sah sie an, während sie ihr Ebenbild auf der Leinwand betrachtete. Ihre Hand zitterte, als sie sie von den Lippen zur Leinwand führte. Sie berührte das Bild, und Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie schüttelte den Kopf. „Das … ist nicht … kann nicht … ich sein.“

„Es ist deine Essenz, Rhiannon. Aber ich fürchte, ich habe meine Meinung geändert.“ Er sah ihren verblüfften Blick. „Diesmal lasse ich dich nicht gehen. Ich begnüge mich nicht damit, dieses Bild anzusehen. Ich will in deine Augen sehen. Und ich möchte Leben und Schalkhaftigkeit darin erblicken, wie immer. Sie sollen nicht stumpf sein, weil du versuchst, deinen wahren Charakter zu verleugnen. Ich liebe dich genau so, wie du bist, Rhiannon. Und ich werde die ganze Ewigkeit mit dir streiten, solltest du weiter versuchen, dich zu ändern.“

Er ging vor ihr auf die Knie und drückte ihre Hände an sein Herz. „Bleib für immer bei mir, Göttin unter den Frauen. Sei meine Gefährtin, meine Geliebte, meine Freundin. Lass mich nie wieder allein, damit ich mich nach dir verzehren muss.“

Sie ließ sich ebenfalls auf die Knie sinken und strich durch sein Haar. „Ich bewundere dich, Roland. Aber ich bin nicht sicher, ob ich ein Leben in Abgeschiedenheit führen kann, das Leben eines Einsiedlers, so wie du.“

„Nein, das würde ich auch nicht von dir verlangen. Ich habe meine Strafe verbüßt, Rhiannon. Du hast mir die Schlüssel gegeben, mit denen ich mich befreien konnte.“

Da lächelte sie so schelmisch und diabolisch, wie er es in den vergangenen Tagen vermisst hatte. „Sag es mir noch mal.“

„Ich liebe dich, Rhiannon.“

Er stand auf und legte ihr die Arme um die Taille. Sie ließ ihre auf seine Schultern wandern. Er küsste sie lang und innig auf den Mund, als würde er ihren Geschmack das erste Mal kosten.

„Dein Vater hat sich geirrt, Rhiannon. Wusstest du das schon? Du bist ein Schatz, so selten und so kostbar … den man suchen und finden, aber niemals besitzen kann. Nur eine Weile halten.“

„Dann halte mich, Roland. Halte mich für lange, lange Zeit.“

– ENDE –