Keith
12. KAPITEL
Vor Morgengrauen fanden sie einen Unterschlupf in einem leer stehenden Haus mehrere Meilen außerhalb des Dorfes. Rhiannon machte mit Trümmern der verrotteten Rollläden wagemutig ein Feuer in dem uralten Kanonenofen.
„Für jemanden, der so empfindlich gegen offenes Feuer ist, gehst du ein großes Risiko ein, Rhiannon. Der Kamin ist vermutlich in einem ebenso jämmerlichen Zustand wie das ganze Haus.“
Wie immer musste Roland ihr Vorwürfe machen. „Mach dir keine Sorgen. Ich komme nicht direkt mit den Flammen in Berührung. Und ich achte darauf, dass es erloschen ist, bevor wir uns zur Ruhe begeben.“
Eric und Tamara waren auf der Suche nach einer Ruhestätte in den Keller gegangen – und um ein wenig Zeit allein miteinander zu verbringen, dachte sie. Sie versuchte, ihrem Neid zu unterdrücken und sich auf praktischere Dinge zu konzentrieren. Offen gestanden wünschte sie sich, sie hätte eine große, behagliche Daunendecke mitgebracht, in die sie sich einwickeln konnte. Es war schon schlimm genug gewesen, dass sie in einem Heuhaufen voller Mehltau schlafen musste; in dieser Ruine würde es noch schlimmer sein.
„Rhiannon, es ist Zeit.“
Sie warf noch ein Stück Holz in das lodernde Feuer, hielt die Hände aber sorgfältig von den Flammen fern, schloss die Gusseisentür und wischte sich den Ruß von den Fingern. „Zeit?“
„Mir zu sagen, was du mit Lucien vorhast.“
„Damit du mir sagen kannst, wie närrisch und riskant es ist?“ Sie schüttelte rasch den Kopf, ging durch das Zimmer und begutachtete zaghaft das vorsintflutliche Sofa. „Nein, danke. Du, Eric und Tamara könnt nach Jamey suchen. Ich halte Lucien auf Trab … am Leben, aber auf Trab, bis ihr den Jungen gefunden habt.“
„Darum das Gerede von dem langen Ritual?“
Sie nickte. „Er will Macht. Ihn dürstet es so danach wie einen Trinker nach Alkohol. Wenn man etwas so sehr will, ist das eine Schwäche. Und diese Schwäche verwende ich gegen ihn. Wenn er glaubt, dass mein Ritual ihm mehr Kräfte verleiht, dann macht er mit.“
Sie schüttelte die fadenscheinigen Kissen mehrmals auf und hielt Ausschau, ob Insekten herausgekrochen kamen. Erst dann setzte sie sich.
Roland setzte sich an ihre Seite. „Und was sollte das, dass er nichts essen und trinken darf?“
Seine Schulter berührte ihre, so dicht saß er neben ihr. Er presste den Schenkel an ihren, versuchte aber nicht einmal, etwas daran zu ändern. Sie war sich nicht sicher, ob sie es sollte. Aber eigentlich wollte sie es gar nicht anders.
„Entzug von Nahrung und Schlaf schwächt den Geist. Das ist ein alter Trick, den alle erfolgreichen kulturellen Anführer ausnutzen. Ich wünschte nur, ich könnte ihn noch länger fasten lassen, bevor ich ihm entgegentrete.“
Sie rückte nicht weg. Wenn Roland die Nähe nicht störte, warum sollte sie sich dann freiwillig um dieses Vergnügen bringen?
„Das hört sich nach einem Kampf an.“
Sie lehnte sich seufzend gegen die graue Polsterung, die aus dem zerschlissenen Überzugmaterial quoll, und verschränkte die Arme vor der Brust. „Es wird auch eine Art Kampf. Ein mentaler Kampf.“ Sie machte die Augen zu und versuchte, den hastig entworfenen Plan klarer zu sehen. Sie wollte, dass es sich nach einer vernünftigen Vorgehensweise anhörte, wenn sie es Roland erklärte, nicht wie das Gestammel eines sorglosen, unvorsichtigen Kindes.
„Während Lucien meditiert, Roland, bearbeite ich seinen Verstand. Ich versetze ihn in eine Trance, wie ich das schon mit zahlreichen Menschen gemacht habe, wenn es die Situation erforderte. Ich bringe ihn völlig unter meine Kontrolle.“
Roland drehte sich halb um, sodass er sie ansehen konnte. Sie wich seinem Blick aus, doch das ließ er sich nicht gefallen. Er hielt ihr Kinn mit zwei Fingern und drehte sie zu sich. „Du weißt sehr genau, dass dieser Mann kein gewöhnlicher Mensch ist. Seine übersinnlichen Fähigkeiten sind stark. Er kann seinen Geist vor dir abschirmen.“ Gefühle funkelten in seinen Augen, doch sie glaubte nicht, dass es Zorn war. Er verkrampfte den Kiefer. Seine vollen Lippen wurden schmal.
„Er ist geschwächt und müde. Ich bin stark und auf den Kampf vorbereitet. Weihrauch und Kerzen werden ihn ablenken, aber meine Konzentration stärken.“
Er nahm die Hand von ihrem Kinn und legte sie ihr auf die Schulter. „Wenn das gelingt und du ihn unter deine Kontrolle bekommst, was dann?“
Sie kämpfte gegen den Wunsch, den Kopf schief zu legen und mit der Wange über seine Hand auf ihrer Schulter zu streichen. Es gelang ihr gerade noch. „Ich erkunde seinen Verstand und finde heraus, wo der Junge steckt. Diese Information leite ich dir und den anderen weiter, und ihr rettet ihn.“
„Bei dir hört sich das so einfach an.“
„Ist es ja auch.“
„Und wenn du es nicht schaffst? Wenn sein Geist zu stark ist?“
„Dazu wird es nicht kommen.“
„Könnte es aber, Rhiannon.“
„Nein.“ Sie berührte mit einer Hand sein Gesicht. „Versuch nur dieses eine Mal, an mich zu glauben, Roland. Achte nicht auf meine Fehler, sondern sieh die Kraft, die ich habe. Ich kann das.“
Sein Stirnrunzeln kam schnell und verschwand fast ebenso schnell wieder. „An deiner Kraft habe ich nie gezweifelt. Ich glaube an dich, Rhiannon. Daran bestand nie ein Zweifel. Aber ich fürchte …“
„Dass ich es vermassle und es Jameson das Leben kostet.“ Sie ließ die Hand sinken und streifte seine von ihrer Schulter.
„Nein, kleines Vögelchen. Dass du Jamesons Leben rettest und dabei deines riskierst.“ Roland stand unvermittelt auf, ergriff ihre Hände und zog sie in die Höhe. „Lucien hätte dich schon einmal beinahe getötet, Rhiannon. Ich habe das unheimliche Gefühl, dass er das jetzt auch wieder vorhat.“
„Das Risiko ist nicht wichtig. Nur Jameys Rettung.“
„Ich begleite dich“, sagte Roland heiser. „Ich beobachte die ganze Angelegenheit, und wenn er eine Hand gegen dich erhebt, töte ich ihn, bevor er einen weiteren Atemzug tun kann.“
Sie schüttelte den Kopf. „Das kannst du nicht. Er will, dass ich allein komme …“
„Ich komme mit, oder du hältst dich auch fern. Deine Entscheidung, Rhiannon.“ Seine Augen funkelten wie schwarze Glassplitter.
Sie seufzte und wandte sich ab. „Warum musst du nur so schwierig sein?“
Eine Hand aus Stahl packte sie an der Schulter und wirbelte sie herum, dass sie gegen seine Brust sackte. Im selben Moment griff er mit dem anderen Arm um ihre Taille und hielt sie so fest wie in einem Schraubstock. Sein Atem strich ihr über das Gesicht, als sie aufschaute, und dann presste er seine Lippen unerbittlich auf ihre.
Innerhalb von Sekunden wurde sie vom schockierten Opfer zur willigen Partnerin. Sie öffnete ihren Mund weit, damit der sinnliche Tanz beginnen konnte. Abwechselnd ließen sie die Zunge im Mund des anderen kreisen und knabberten einander an den Lippen. Rhiannon schlang die Arme um seinen Nacken. Roland umklammerte voller Begierde ihre Pobacken mit den Händen, drückte ihre Hüfte an seine und rieb sie an der prallen Wölbung seiner erregten Männlichkeit.
Als er endlich mit dem Mund von ihr abließ, spürte sie, wie er am ganzen Körper erschauerte. Er presste sein Gesicht in ihr Haar und vergrub seine Lippen darin.
„Darum bin ich so schwierig, meine Tollkühne. Weil dieser Planet ohne dich so ein trostloser Ort wäre wie … wie dieses Haus. Und ebenso leer.“
Rhiannon schloss die Augen. Seine Worte erfüllten ihre Seele mit süßer Qual. Sie konnte seinen pochenden Herzschlag an ihrer Brust spüren, seinen Atem in ihrem Haar. „Aber du möchtest diese Leere. Du wünschst dir, dass ich aus deinem Leben verschwinde.“
Er hielt sie noch fester. Seine Stimme bebte unter dem Überschwang seiner Gefühle. „Nein, Rhiannon. Das möchte ich nicht, aber es ist erforderlich. Nicht dich möchte ich aus meinem Leben verbannen, sondern das Monster, das in mir lebt. Wie kann ich dir das nur verständlich machen?“
Sie atmete stockend und flach. „Ich will es nicht verstehen. Ich will nur dich.“ Sie nahm den Kopf von seiner Schulter und sah ihm in die Augen. „Ich habe geschworen, ich würde dir keine Chance mehr geben, mich zurückzuweisen, Roland, und doch gebe ich mich dir hin und warte auf deine Worte der Ablehnung. Wenn Jamey in Sicherheit ist und ich weit weg bin, habe ich nichts mehr als süße Erinnerungen an deine Berührung, deine Küsse. Der Geist dieses einen Mals wird mir aber, fürchte ich, niemals genügen.“
Er schloss die dunklen Augen, sie sah seine Lippen beben.
„Gib mir noch eine Erinnerung, Roland. Mehr verlange ich nicht von dir, ich verspreche es. Schlaf mit mir. Jetzt.“
Er schlug die Augen wieder auf; das Feuer seines Blicks brannte sich tief in ihr Herz. Sie ließ den Kopf auf seine Brust sinken, da sie es nicht ertragen konnte, wie er sie abermals verstieß.
„Na los“, flüsterte sie. „Sag mir, dass ich dich in Ruhe lassen soll. Erkläre mir, dass keine Dame sagen würde, was ich gesagt habe. Lass mich deine Missbilligung noch einmal spüren. Vielleicht kann ich dann endlich begreifen, dass ich deiner nicht würdig bin für deine …“ Sie verstummte, da ihre Kehle wie zugeschnürt war. Liebe. Sie hatte „Liebe“ sagen wollen. Herrgott, was war denn nur mit ihr los?
„Es tut mir leid, Rhiannon.“
Sie biss sich auf die Lippen und wappnete sich gegen seine Ablehnung. Langsam ließ er die Hände aufwärtsgleiten, rieb mit den Handflächen an ihrer Wirbelsäule, strich ihr mit den Fingern über den Nacken. Er hielt ihren Kopf, bog ihn zurück, sah ihr in die Augen.
„Nicht du bist unwürdig, ich bin es. So wie ich letztes Mal die Beherrschung verloren habe, sollte ich mir nicht einmal diese Umarmung gönnen …“ Er senkte ihr das Gesicht entgegen, bis seine Lippen ihre beim Sprechen fast berührten. „Aber ich kann dich nicht abweisen. Mein Verlangen nach dir raubt mir meinen Willen.“
Er presste den Mund auf ihren, während er weiter ihren Kopf zwischen den Händen hielt. Und küsste sie wie noch niemals vorher. Zärtlich, langsam. Jede Bewegung seiner Zunge löste ein sanftes Kribbeln aus, jede Berührung seiner Lippen war eine Liebkosung. Er grub die Finger in ihr Haar und strich immer wieder hindurch. Dann zog er sich zurück, während sie bebte vor Leidenschaft.
„Zieh dich für mich aus, Rhiannon. Lass mich dich in all deiner strahlenden Schönheit sehen.“
Sie nickte und griff mit zitternden Händen nach der Seidenbluse, die sie trug. Er schlug sie mit seinem Blick in den Bann, während sie langsam die Knöpfe öffnete. Doch als sie die Bluse fallen ließ und ihm die Brüste unverhüllt darbot, wanderten seine Augen zu ihrem Busen. Die Intensität dieses Blicks störte sie nicht. Sie spürte, wie ihre Brustwarzen auf ihn reagierten und steif wurden, als wollten sie sich ihm entgegenrecken.
Er atmete schwer und ließ den Blick tiefer gleiten, während sie den Knopf ihrer Jeans öffnete und den Reißverschluss nach unten zog. Ohne Scham oder Zaghaftigkeit schob sie die Jeans nach unten und den Slip gleich mit. Sie trat aus den Kleidungsstücken und stieß sie zur Seite.
Roland kam auf sie zu und streckte einen Arm aus. Sie wich ihm ebenso schnell aus und lächelte, als sie seinen verwirrten Blick sah. „Jetzt du.“
Er lächelte ihr ebenfalls zu, zog hastig das Hemd über den Kopf und ließ es auf den staubigen Boden fallen.
Sie ließ den Blick ungeniert über seine nackte Haut und den dunklen lockigen Pelz wandern, der sie geradezu herausforderte, ihn mit Fingern und Lippen zu erforschen. „Ich habe deine Brust immer bewundert, weißt du. So breit, so …“ Sie konnte nicht widerstehen, ging näher zu ihm und strich mit den Händen über die Locken und straffen Muskeln. Sie vergrub das Gesicht darin und sog seinen Duft ein.
Als sie das Gesicht wieder hob, ließ sie die Hände nach oben wandern. „Und deine Schultern“, flüsterte sie und registrierte überrascht, wie heiser ihre Stimme klang. „Und deine Arme. So wie du gebaut bist, könnte man meinen, du bist Bodybuilder.“
„Das einzige Gewicht, das ich je gehoben habe, war mein Schwert, wie du sehr wohl weißt.“
Sie drückte die Lippen an seine Schulter. „Ich bin froh, dass du es gehoben hast.“ Sie küsste eine Spur bis zu seinem Hals und daran hoch und genoss den Geschmack seiner Haut. Derweil wanderten ihre Hände zum Bund seiner Hose, öffneten mit fliegenden Fingern den Reißverschluss und schoben sie eilig nach unten. „Beeil dich, Roland.“
Er lachte tief in sich hinein und half ihr, ihn seiner restlichen Kleidungsstücke zu entledigen. Dann pressten sie ihre Körper aneinander, Fleisch auf Fleisch. Sein Brusthaar rieb an ihren Brüsten. Der harte Stab seiner Erregung bedrängte ihren Unterleib. Sie strich ihm mit den Händen über den Rücken bis zu den Pobacken, die er unter ihrer Berührung spannte.
Roland umfing ihre Taille mit den Händen und küsste sie innig, gierig. Sie sanken zu Boden, und Rhiannon bedrängte ihn sanft, bis er sich auf den Rücken legte. Sie streckte sich auf ihm aus und bedeckte seinen Hals und die Schultern mit Küssen. Mit den Lippen erforschte sie seine Brust und knabberte mit den Zähnen an einer Brustwarze. Er stöhnte vor Lust oder Überraschung, packte sie am Hinterkopf und drückte sie fester an sich. Sie saugte an der festen kleinen Knospe, dann leckte sie eine Bahn an seinem Brustbein hinab über den Bauch bis zum Nabel.
Sein ganzer Körper erschauerte als Reaktion auf ihre Zärtlichkeiten. Sein Atem ging immer schneller, je länger die süße Folter andauerte. Als sie die Spitze seiner Männlichkeit mit der Zunge berührte, grollte er wie ferner Donner. Als sie die Lippen darumschloss, krümmte er sich und stieß den Unterleib hoch. Er krallte die Finger in ihr Haar. Augenblicke später keuchte er heftig und wollte sie mit den Händen wegdrücken. Aber sie bestand darauf, seine pralle Männlichkeit weiter mit dem Mund zu verwöhnen, bis sein Keuchen zu einem hilflosen Flehen wurde und er sie nicht mehr wegdrücken wollte, sondern noch fester an sich zog.
Er rief ihren Namen mit erstickter Stimme und erstarrte am ganzen Körper, als sein Samen sich in sie ergoss.
Langsam entspannte er sich, erschauerte aber immer noch bei jeder Berührung. Sie hob den Kopf und glitt an seinem Körper hinauf. Sie sah ihm in die Augen, fuhr mit ihrer Zungenspitze über ihre Lippen. Augenblicklich presste er sich hart an ihren Schenkel, worauf sie ihre Haltung veränderte, sich auf ihn setzte und sich bereit machte, ihn zu empfangen.
Er ließ die Hände an ihre Hüften schnellen, drückte sie fest auf sich, zwängte sich in sie hinein. Sie warf ihren Kopf nach hinten und schloss die Augen. Er füllte sie aus, nicht nur körperlich. Auf diese Weise eins mit ihm zu sein füllte einen unerforschten Raum ihrer Seele, den noch niemals jemand betreten hatte.
Sie spürte, wie er seine Hände über ihren Rücken wandern ließ und ihre Schultern zu sich zog. Er hob ihr seinen Oberkörper entgegen, nahm eine ihrer Brüste in den Mund. Behutsam saugte er daran, dann zunehmend fester, und der Druck seines Mundes nahm im Einklang mit seinen immer heftigeren Stößen zu.
Rhiannon spürte, wie er sie rasch an jenen Ort brachte, an dem er gerade gewesen war. Sie hob und senkte die Hüften, konnte es kaum erwarten, endlich dort zu sein. Sie schmiegte sich an ihn, spürte, wie die Welt um sie herum explodierte. Sie erschauerte, so heftig waren ihre Empfindungen, während er sich immer weiter in ihr bewegte. Er hielt ihre Hüften fest, behielt sein Tempo bei. Er knabberte und saugte an ihrer Brustwarze, bis sie aufschrie und ihn wegstieß.
Dann lag er still, sah ihr in die Augen, und sie wusste, er hatte die Reise mit ihr nicht zu Ende gebracht. Er zog sie auf seine Brust herab und hielt sie fest. Ihr Gesicht ruhte in den krausen Löckchen, während ihr ganzer Körper noch vor Wonne bebte.
Er presste sie dicht an sich und rollte sie beide herum, bis sie unten und er oben lag. Er neigte ihren Kopf nach hinten und küsste sie heiß und innig. Sie war außer Atem, hatte aber dennoch längst nicht genug von ihm. Er schien es zu spüren, denn er begann erneut in einem langsamen, quälenden Rhythmus, der sie ganz sicher um den Verstand bringen würde. Ihre Nervenenden schienen wundgerieben zu sein, denn sie spürte jede Empfindung, als wäre sie tausendfach verstärkt. Seine Größe in ihrem Inneren, seine flüsternden Locken, verwoben mit ihren weichen, seine Zunge in ihrem Mund, seine Brust an ihren Brüsten.
Als das Feuer erneut in ihr aufloderte, schlang sie ihre Beine um ihn und überkreuzte die Knöchel hinter seinem Rücken, während er seine Arme unter sie schob, ihren Po anhob, ihre Hüften noch fester an sich drückte und sie noch tiefer aufspießte als zuvor. Sein Tempo nahm zu, während ihr Körper sich verkrampfte. Er ließ die Zunge von ihrem Mund zum Ohr wandern und knabberte an ihrem Ohrläppchen.
Diesmal war sie diejenige, die hilflos keuchte, während er ihren Körper mit seinem in immer höhere Höhen peitschte. Doch diesmal schrien sie beide vor süßer Lust auf, als ihre Körpersäfte sich vereinigten. Sie spürte das langsame Pochen seines Körpers und ihre eigenen Krämpfe, wo sie ihn umfing.
Allmählich wurde das Zimmer wieder klar. Rhiannon sah sich um, dann in Rolands pechschwarze Augen. „Wir können von Glück sagen, dass Eric und Tamara nicht hereingeplatzt sind.“
Sein träges Lächeln war bezaubernd. „Unmöglich. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass sie sich gerade irgendwo verkrochen haben und dasselbe machen wie wir.“
Sie nickte verständnisvoll, obwohl sie neuerlichen Neid auf das kleine Glück der beiden verspürte. Für sie war dies das letzte Mal gewesen. Der Schmerz dieser Erkenntnis erfüllte sie bereits mit Elend. „Vielleicht sollten wir einen Ort zum Ausruhen finden, bevor es Tag wird.“
„Wir haben noch eine Stunde bis zur Dämmerung, Rhiannon.“ Er hob eine Hand und strich ihr über das Haar. „Eine Stunde, die ich auf interessante Art zu verbringen gedenke.“
Der Schmerz ließ nach. „Auf welche Art?“
„Ich zeig’s dir.“
Als der Morgen graute, suchten sie Schutz in einem dunklen Schrank im ersten Stock. In dem engen Raum legten sie sich immer noch nackt und in inniger Umarmung hin.
Rhiannon schlief bereits. Sie hatte den Kopf auf Rolands Schulter liegen, ihr seidiges Haar bedeckte seine Brust wie eine Decke. Er hielt sie dicht an sich und lauschte ihrem Atem.
Er hatte die Beherrschung nicht verloren. Er war nicht zu einer rasenden Bestie geworden, nicht einmal einen Augenblick. Stattdessen wurde er eins mit ihr und verspürte eine Lust dabei, wie er sie vorher noch nie bei einer Vereinigung empfunden hatte.
Vielleicht gab es ja doch noch Hoffnung für ihn, dachte er und stellte sich endlich dem Gedanken, der seit dem ersten Kuss an ihm nagte. Er war nicht mehr sicher, ob er die Kraft aufbringen würde, sie gehen zu lassen.
Sie gehen lassen? Er schüttelte unmerklich den Kopf. Er verspürte keine Gewissheit, dass er sie überreden konnte, nicht zu gehen. Bisher war sie stets so unvorhersehbar wie ein Wirbelsturm in seinem Leben aufgetaucht und wieder verschwunden.
Aber das war vorher gewesen, dachte er in gequälter Stille.
Wovor? Was haben wir miteinander geteilt, jenseits der Vollendung einer langjährigen beiderseitigen Lust? Das hitzige Kopulieren zweier williger Körper?
Nein. Gewiss gab es da noch mehr. Nicht Liebe, denn er wusste, dass er zu so einer zarten Gefühlsregung gar nicht fähig war. Er hatte schon einmal geglaubt, er wäre verliebt.
Die Erinnerung an dieses andere Mal bohrte sich wie ein Dolch in sein Gedächtnis. Rebecca, so jung und unschuldig. Eine Zeit lang hatte er wirklich gedacht, er würde sie lieben. Aber sein Bedürfnis, sie zu beherrschen, hatte sie in den Selbstmord getrieben. Für sie war seine Liebe oder das, was er für Liebe gehalten hatte, Gift gewesen.
Würde es bei Rhiannon ebenso sein? Suchte er nicht jetzt schon insgeheim nach einer Möglichkeit, wie er sie ändern, sie in eine willensschwache Kreatur verwandeln konnte, die sich damit begnügte, das zurückgezogene Leben zu führen, das er bevorzugte? Würde er ihren Lebenswillen mit der Zeit auch töten, wie den von Rebecca?
Er betrachtete ihre schlafende Gestalt, so friedlich in seinen Armen. Nein, das konnte er ihr nicht antun. Es wäre ein schlimmeres Verbrechen als Mord, sollte er versuchen, aus Rhiannon einen anderen Menschen zu machen. Vielleicht konnte er es doch über sich bringen und sie gehen lassen. Vielleicht konnte er seine Gedanken vor ihr verbergen, bis sie frei war.
Wenigstens die Freiheit schuldete er ihr. Schließlich war das das einzige Geschenk, das er ihr machen konnte.
Kurz nach Einbruch der Dämmerung begannen sie den Aufstieg auf den Mont Noir, zu der malerischen Hütte, in deren Mauern sich etwas unaussprechlich Böses verbarg. Lucien. Rhiannon fragte sich, wer er war. Warum hatte er von allen Untoten, die in der Welt des zwanzigsten Jahrhunderts durch die Nacht gingen, ausgerechnet sie ausgewählt? Es gab so viele von ihnen, sogar einige wenige, die älter waren als sie. Der berüchtigte Damien zum Beispiel. Warum hatte Lucien nicht ihn auserkoren, damit er ihm den dunklen Segen gab?
Bei dieser Vorstellung hätte sie fast laut aufgelacht. Selbst unter Vampiren flüsterte man den Namen des Ältesten nur hinter vorgehaltener Hand. Lucien würde gewiss nicht wagen, mit so einer Kreatur seine Spielchen zu spielen.
Sie stolperte über einen Stein, Roland hielt sie mit den Armen. Sie lehnte sich dankbar in diese Umarmung. Bald würde sie ihn verlassen. Zu bald. Sie schüttelte den Kopf bei dem Gedanken. Niemals wäre noch zu bald.
„Etwas beschäftigt dich.“
Sie sah ihn seufzend an. Ihre Gedanken vor Roland zu verbergen hatte sie zunehmend satt. Und es war anstrengend, da er ihren Geist ständig mit Fragen zu bombardieren schien. Dabei war er immer derjenige gewesen, bei dem sie sich am besten entspannen konnte. Ihm hatte sie stets freien Zugang zu ihren Gedanken gewährt.
Traurig, wie sich alles verändern musste.
„Ich dachte an Tamara“, log sie voller Schuldgefühle. „Hoffentlich findet sie den Jungen.“
Roland nickte und hielt sie weiterhin fest, während sie um ein Bett loser Steine herummanövrierten. „Es würde helfen, wenn Jameson versuchen würde, sie zu erreichen.“
„Glaubst du, das macht er?“
Rolands Lippen wurden dünn, während er den Kopf schüttelte. „Nicht wenn er glaubt, dass er sie dadurch in Gefahr bringt. Ich vermute, er hat von uns gelernt, wie man seine Gedanken abschirmt. Andernfalls hätten wir ihn schon aufgespürt. Er ist ein Starrkopf, dieser Junge.“
Rhiannon nickte und dachte wieder an Tamara und Eric. Sie hatten sie an einer kleinen Lichtung im nahen Wald zurückgelassen, wo sie auf dem Boden im Moos saßen. Kerzen und Weihrauch brannten zwischen ihnen, und Tamara hatte die Augen geschlossen, während sie ihre geistigen Fühler in die Nacht ausstreckte und nach ihrem geliebten Jamey suchte. Sollte dem Jungen etwas zustoßen, würde Lucien sterben, daran bestand nicht der geringste Zweifel. Denn wenn Rhiannon und Roland ihn nicht erledigten, dann würde Tamara es persönlich tun.
Ein verhaltenes Lächeln umspielte Rhiannons Lippen. „Erics Kleine hat eine dunkle Seite in sich.“
Roland warf ihr einen Seitenblick zu. „Haben wir das nicht alle?“
„Vermutlich schon. Aber bei ihr ist sie gut verborgen, wie das Laub eines Nachtschattengewächses und seine weinroten Beeren – wunderschön, äußerlich harmlos, aber voll tödlichem Nektar.“
„Ich würde Tamara kaum als tödlich bezeichnen.“
„Mit den richtigen Motiven sind wir alle in der Lage zu töten, Roland, und ich glaube, die meisten Menschen sind das auch.“ Sie benetzte ihre Lippen und sah ihm ins Gesicht. „Deine Wahnvorstellung, auf irgendeine Weise ein größeres Ungeheuer zu sein als der Rest von uns, beruht entweder auf Unwissenheit oder Einbildung. Welches von beidem, da bin ich mir noch unsicher.“
Er blieb stehen und drehte sich mit einer tiefen Falte zwischen den Brauen zu ihr um. „Bist du böse auf mich, Rhiannon?“
Sie blinzelte. Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Sie war böse auf ihn. Wütend. Wegen seiner törichten Gedanken musste sie länger leiden, als ihr lieb war. Doch statt ihm diese neue Erkenntnis mitzuteilen, zuckte sie nur mit den Schultern und sagte: „Wenn ich mich recht erinnere, liegt die Hütte gleich hinter diesen Felsen. Von hier an gehe ich allein.“
Roland zog eine verkniffene Miene. „Ein Stück komme ich noch mit.“
„Dann kann er dich sehen. Warte hier im Schatten dieser Felsen. Wenn er überzeugt ist, dass ich allein bin, kannst du etwas näher kommen. Aber sei vorsichtig, Roland.“
Einen Moment schien er ihr Gesicht zu studieren. „Ich kann kaum glauben, was ich da sehe. Du bist aufgeregt wegen dieser Begegnung! Du freust dich regelrecht darauf!“
Sie zog die Stirn kraus und zuckte mit den Schultern. „Ich habe Herausforderungen immer genossen.“ Sie wusste, diese Bemerkung würde ihn rasend machen. Auch das machte ihr Spaß, obwohl sie nie genau verstanden hatte, warum.
Sie ließ den Blick über ihre Kleidung schweifen, die sie in einem Touristenladen im Dorf gekauft hatte. Sie trug hautenge Leggings und ein eng anliegendes Top, damit sie sich ungehindert bewegen konnte, sollte es erforderlich sein. Ihre Schuhe waren flach und schwarz glänzend; die Sohlen rau genug, um Felswände zu erklimmen.
Aber diese praktische Kluft hatte sie unter einem bodenlangen wallenden Kimono aus blauem Satin verborgen, den sie an der Taille hochgebunden hatte, um besser gehen zu können. Roland hatte ihr seinen schwarzen Mantel gegeben. Der war warm und verlieh jeder ihrer Bewegungen etwas Magisches, da er sie unterstrich wie die Schwingen eines Raben. Er hatte weder einen Kragen noch Bänder, lediglich zwei Knöpfe, mit denen man ihn am Hals zuknöpfen konnte.
Roland nickte anerkennend. „Von Kopf bis Fuß eine Zauberin, Rhiannon. Er dürfte bei deinem Anblick vor Furcht erschauern.“
„Spotte nicht“, schimpfte sie. „Ich kann jeden Vorteil gebrauchen, und wenn meine Kleidung dazu angetan ist, ihn einzuschüchtern, umso besser.“
„Ich weiß. Entschuldige.“ Er packte sie an den Schultern und hielt sie fest. „Pass auf dich auf, Rhiannon.“ Seine Augen verrieten sehr viel mehr als seine Worte. Er machte sich wirklich Sorgen um ihre Sicherheit. „Ruf mich, wenn du Betrug witterst. Zögere nicht!“
„Sicher nicht.“ Etwas in ihr drängte sie, den Körper nur einmal an seinen zu pressen, die Lippen zu schürzen und auf seinen Abschiedskuss zu warten. Sie kämpfte dagegen an, hoffte, dass er ihr es nicht an der Nasenspitze ansah. „Jetzt lass mich gehen, bevor mich mein Mut verlässt.“
„Bevor dich dein Mut verlässt … eher friert die Hölle zu!“, sagte er und ließ sie los.
Sie drehte sich um und lief hastig zu der Hütte.