Im November gab der Senat seinen Widerstand auf. Marcus Licinius Crassus erhielt die Mitteilung, daß er in absentia für das Konsulat kandidieren dürfe. Gnaeus Pompeius Magnus erhielt die Mitteilung, daß der Senat die Volksversammlung per Beschluß aufgefordert habe, in seinem Fall die üblichen Bedingungen für eine Konsulkandidatur — Mitgliedschaft im Senat, Quästorat und Prätorat — auszusetzen. Als die Volksversammlung das entsprechende Gesetz verabschiedet hatte, freute sich der Senat, Pompeius mitteilen zu dürfen, daß er in absentia für das Konsulat kandidieren könne et cetera, et cetera.
Wenn ein Kandidat in Abwesenheit kandidierte, erschwerte das normalerweise seinen Wahlkampf. Er durfte das pomerium nicht überschreiten, um wichtige Wähler zu treffen, mit den Leuten auf dem Forum zu plaudern, bescheiden in der Nähe herumzustehen, wenn ein Volkstribun eine contio einberief, um auf dieser Versammlung die Verdienste seines bevorzugten Kandidaten herauszustreichen und seine Rivalen herunterzuputzen. Da die Kandidatur in absentia der besonderen Erlaubnis des Senats bedurfte, war sie sehr selten. Es war noch nie vorgekommen, daß zwei Kandidaten gleichzeitig in absentia zur Wahl gestanden hatten. Es stellte sich jedoch heraus, daß die üblichen Nachteile dieses Mal keinerlei Rolle spielten. Die Debatte im Senat hatte sich lange hingezogen und war sehr hitzig geführt worden, obwohl beide Kandidaten mit ihrer nicht entlassenen Armee gedroht hatten; als der Senat schließlich nachgab, hatten alle anderen Kandidaten ihre Bewerbung zurückgezogen, um gegen den krassen Rechtsbruch zu protestieren, den die Kandidatur des Pompeius darstellte. Durch den Rücktritt aller anderen Bewerber waren Pompeius und Crassus als die verkappten Diktatoren entlarvt worden, die sie tatsächlich waren.
Pompeius und Crassus bekamen zahlreiche Drohungen zu hören, die sich zumeist auf eine Anklage wegen Hochverrats nach dem Verlust ihrer Imperien bezogen. Als daher der Volkstribun Marcus Lollius Palicanus, ein Picenter, eine besondere Versammlung der Plebs im Circus Flaminius auf dem Marsfeld einberief, wußten die Senatoren, die sich von Pompeius und Crassus losgesagt hatten, sofort, was sich da zusammenbraute. Pompeius und Crassus würden den Kopf aus der Schlinge ziehen, indem sie das Volkstribunat wieder mit den alten Vollmachten ausstatteten und zehn dankbare Volkstribunen anschließend ein Gesetz durchbringen ließen, das sie gegen die verdiente Strafe für ihre Handlungen immunisierte.
Viele Bürger Roms hätten es gerne gesehen, wenn das alte Volkstribunat wiederhergestellt worden wäre. Die meisten, weil es sich um eine altehrwürdige Institution handelte, die dem mos maiorum entsprach. Nicht wenige jedoch, weil sie die aufregenden alten Zeiten wieder herbeisehnten, in denen ein radikaler Demagoge die Massen auf dem unteren Forum Romanum hatte aufhetzen können, bis die Fäuste flogen und sich gemietete ExGladiatoren in den Kampf stürzten. Es war daher abzusehen, daß die Versammlung des Lollius Palicanus, von der allgemein bekannt war, daß auf ihr die Wiederherstellung des alten Volks- tribunats diskutiert werden sollte, eine große Menschenmenge anziehen würde. Als sich jedoch die Nachricht verbreitete, daß Pompeius und Crassus für Palicanus sprechen würden, erreichte die Begeisterung ein Ausmaß, das nicht mehr dagewesen war, seit Sulla die Versammlung der Plebs zu einem weitgehend bedeutungslosen Stelldichein degradiert hatte.
Im Circus Flaminius fanden normalerweise die weniger aufwendigen Spiele statt. Er faßte nur fünfzigtausend Zuschauer, und als Palicanus seine Versammlung abhielt, war er bis zur letzten Tribüne besetzt. Da man kein Wort verstand, wenn man das Pech hatte, mehr als wenige hundert Fuß vom Redner entfernt zu sein, waren die meisten Leute nur ans Tiberufer geströmt, damit sie ihren Enkeln einst erzählen konnten, daß sie an dem historischen Ereignis persönlich teilgenommen hatten, bei dem zwei Konsulkandidaten und militärische Helden versprachen, das Volkstribunat wiederherzustellen. Denn genau das würden sie tun! Mit Sicherheit!
Palicanus eröffnete die Versammlung mit einer mitreißenden Rede, die darauf abzielte, bei den kurulischen Wahlen möglichst viele Stimmen für Pompeius und Crassus zu gewinnen; wer nahe genug bei ihm stand, um ihn verstehen zu können, gehörte den höheren Klassen an, und seine Stimme hatte Gewicht. Alle neun Kollegen des Palicanus waren anwesend; sie alle sprachen für Pompeius und Crassus. Als Crassus erschien, erhob sich donnernder Applaus, und auch seine Rede war von Beifallsstürmen begleitet. Sie bildete eine gute Einstimmung auf das wirkliche Ereignis des Tages. Denn nach ihm betrat der eigentliche Star die Bühne: Pompeius der Große! Er trug eine Rüstung aus gleißendem Gold, so hell wie die Sonne, und er sah absolut göttlich aus.
Er brauchte keine große Rede zu halten; denn die Masse war einzig gekommen, um Pompeius den Großen zu sehen, nicht, um ihn zu hören, und sie ging in einem Taumel der Begeisterung nach Hause.
So war es kein Wunder, daß Pompeius aus den kurulischen Wahlen, die am Tag vor den Nonen des Dezember stattfanden, als erster Konsul hervorging und Crassus als zweiter. Rom würde einen Konsul haben, der nie im Senat gesessen hatte — und Rom hatte ihn seinem älteren und orthodoxeren Kollegen vorgezogen.
»Nun hat Rom also zum ersten Mal einen Konsul, der nie Senator gewesen ist«, sagte Caesar, nachdem sich die Wahlversammlung zerstreut hatte. Er saß mit Crassus auf der Loggia derselben Villa, auf der einst Jugurtha von Numidien seine finsteren Pläne geschmiedet hatte. Crassus hatte die Villa auf dem Pincius gekauft, nachdem er die lange Liste erlauchter Ausländer gesehen hatte, die sie im Lauf der Jahre gemietet hatten. Er und sein Gast sahen den Staatssklaven zu, wie sie die Umzäunungen, Stege und Wahlplattformen auf der Saepta abbauten.
»Und dies allein deshalb, weil er unbedingt Konsul werden wollte«, antwortete Crassus, wobei er den weinerlichen Ton nachahmte, der in Pompeius’ Stimme lag, wann immer ihm etwas verweigert wurde. »Er ist ein großes Kind.«
»In mancher Hinsicht schon.« Caesar warf einen Blick in Crassus’ Gesicht, das wie immer völlig ausdruckslos war. »Du wirst das Regieren besorgen müssen. Er versteht nichts davon.«
»Als ob ich das nicht wüßte! Obwohl er inzwischen Varros kleines Benimm-Handbuch für Senatoren und Konsuln studiert haben muß.« Crassus grunzte verächtlich. »Stell dir das vor! Ein erster Konsul, der ein Benimm-Handbuch zu Rate zieht! Es macht mir großen Spaß, wenn ich mir vorstelle, was Cato der Zensor dazu sagen würde.«
»Er hat mich gebeten, das Gesetz zu verfassen, das dem Volks- tribunat wieder die alten Vollmachten verleiht. Hat er dir davon erzählt?«
»Wann erzählt er mir schon was?«
»Ich habe abgelehnt.«
»Warum?«
»Erstens, weil er annahm, daß er der erste Konsul sein würde.«
»Er wußte, daß er der erste Konsul sein würde!«
»Und zweitens, weil du absolut in der Lage bist, jedes Gesetz zu entwerfen, das ihr beide vorschlagen wollt — schließlich bist du Stadtprätor gewesen!«
Crassus schüttelte den Kopf und legte eine Hand auf Caesars Arm. »Mach es, Caesar, mach es! Es wird ihn bei Laune halten. Wie alle verwöhnten Babys hat auch er die Gabe, die richtigen Leute für seine Ziele einzuspannen. Wenn du ablehnst, weil du dich nicht benutzen lassen willst, habe ich nichts dagegen. Aber wenn du die Arbeit als eine Herausforderung betrachtest und sie eine wertvolle gesetzgeberische Erfahrung für dich ist, dann mach das Gesetz. Niemand wird davon erfahren — dafür wird er schon sorgen.«
»Da hast du allerdings recht«, lachte Caesar. Dann wurde er ernst. »Ich würde es tatsächlich gerne tun. Wir haben keine ordentlichen Volkstribunen mehr gehabt, seit ich ein Junge war — Sulpicius war der letzte. Und ich sehe eine Zeit voraus, in der wir die Gesetze der Tribunen alle dringend brauchen werden. Für mich als Patrizier war es eine interessante Erfahrung, mit den Volkstribunen zusammenzuarbeiten. Palicanus hat mir übrigens schon den Mann vorgestellt, mit dem ich als nächstes arbeiten werde.«
»Wen?«
»Einen gewissen Plautius, aber nicht aus der alten Familie der Silvani. Er stammt wie Palicanus aus Picenum, und seine Familie scheint auf einen Freigelassenen zurückzugehen. Ein guter Mann. Er ist bereit, alles durchzusetzen, was ich durch die wiedererstarkte Versammlung der Plebs erreichen will.«
»Die tribunizischen Wahlen haben noch nicht stattgefunden«, sagte Crassus. »Vielleicht wird er nicht gewählt.«
»Er kann nicht verlieren«, sagte Caesar zuversichtlich. »Er ist einer von Pompeius’ Leuten.«
»Sind sie nicht ein Fluch unserer Zeit?«
»Pompeius hat Glück, daß er dich zum Kollegen hat, Marcus Crassus. Ich muß mir immer Metellus das Zicklein an deiner Stelle vorstellen. Eine Katastrophe! Aber es tut mir leid, daß du nicht die Ehre hast, erster Konsul zu sein.«
Crassus lächelte milde. »Mach dir keine Sorgen, Caesar. Ich habe ein paar Überraschungen für ihn auf Lager. Wenn unsere Amtszeit Ende nächsten Jahres zu Ende ist, wird Rom mehr Grund haben, meinen Abschied zu beklagen als den seinen, das garantiere ich dir.«
»Na dann«, sagte Caesar und erhob sich. »Höchste Zeit, daß ich nach Hause gehe. Ich habe die Frauen in meiner Familie noch kaum gesehen, seit ich nach Rom zurückgekehrt bin. Sie brennen sicher darauf, alles über die Wahlen zu hören.«
Caesar bereute seinen Entschluß, kaum daß er einen Blick in sein Wohnzimmer geworfen hatte. Es schienen unzählige Frauen auf ihn zu warten. Als er sie trotzdem zählte, waren es sechs: seine Mutter, seine Frau, seine Schwester Ju-ju, seine Tante Julia, die Frau des Pompeius und noch eine weitere Frau, die er nach einigem Überlegen als seine Cousine Julia identifizierte. Sie wurde Julia Antonia genannt, weil sie mit Marcus Antonius, dem Piratenjäger, verheiratet war. Aller Augen waren auf sie gerichtet, und das war kein Wunder. Sie saß mit steif von sich gestreckten Beinen auf dem Rand ihres Stuhls und heulte wie ein Schloßhund.
Caesar hatte noch kein Wort sagen können, da erhielt er einen gewaltigen Stoß ins Kreuz, und als er herumwirbelte, sah er einen großen Knaben hinter sich stehen, der unübersehbar ein Antonius war und ein breites Grinsen aufgesetzt hatte. Das Grinsen verging ihm rasch. Caesars Hand schoß vor, er packte den Jungen an der Nase und riß ihn grob zu sich her. Der Knabe stieß ein Heulen aus, das dem seiner Mutter in nichts nachstand, aber er dachte nicht daran, sich hilflos zusammenzukrümmen. Statt dessen versuchte er mit seinem großen Fuß Caesars Schienbein zu treffen, ballte die Hände zu Fäusten und schlug wild um sich. In diesem Augenblick stürzten sich zwei weitere kleinere Jungen auf Caesar und bearbeiteten seine Flanken und seine Brust mit ihren Fäustchen. Doch der dreifache Angriff verpuffte wirkungslos in den Falten von Caesars riesiger Toga.
Im Nu waren alle drei Knaben außer Gefecht gesetzt — zu schnell, als daß eine der Anwesenden hätte sehen können, wie es geschah. Die beiden kleineren Jungen knallten hörbar mit den Köpfen zusammen und flogen gegen die Wand; der größere Junge erhielt eine Ohrfeige, die ihm die Tränen in die Augen trieb, und wurde mit einigen kräftigen Tritten in den Hintern zu seinen Brüdern befördert.
Die Mutter hatte aufgehört zu heulen, als der ungleiche Kampf begann, und sprang jetzt auf, um über den Peiniger ihrer Lieblinge herzufallen.
»Setz dich, Weib!« donnerte Caesar so laut, daß sie zurück zu ihrem Stuhl wankte und erneut in Tränen ausbrach.
Caesar faßte nun die Jungen ins Auge, die sich halb liegend, halb sitzend an die Wand drückten und genauso laut heulten wie ihre Mutter.
»Wenn sich einer von euch von der Stelle rührt, wird er wünschen, nie geboren zu sein. Dies ist mein Haus, und nicht die Menagerie auf dem Mons Pincius. Solange ihr meine Gäste seid, müßt ihr euch wie zivilisierte Römer benehmen, und nicht wie tingitanische Affen. Ist das klar?«
Seine arg zerzauste und beschmutzte Toga zusammenhaltend, schritt Caesar zwischen den Frauen hindurch auf sein Arbeitszimmer zu. »Ich bringe das hier in Ordnung«, sagte er in einem scheinbar ruhigen Ton, an dem seine Frau und seine Mutter erkannten, daß er sich eisern beherrschen mußte. »Und wenn ich zurückkomme, wird hier absoluter Friede herrschen. Bringt dieses elende Weib zum Schweigen, selbst wenn ihr sie knebeln müßt, und übergebt ihre Söhne Burgundus. Richtet ihm aus, daß er sie mit meiner Erlaubnis notfalls erdrosseln kann.«
Caesar war nicht lange weg, aber als er zurückkehrte, waren die Knaben verschwunden, und die sechs Frauen saßen aufrecht und schweigend auf ihren Stühlen. Sechs Paare weit aufgerissener Augen folgten ihm, als er zwischen seiner Mutter und seiner Frau Platz nahm.
»Nun, Mater, wo liegt das Problem?« sagte er freundlich.
»Marcus Antonius ist tot«, erklärte Aurelia. »Er hat auf Kreta Selbstmord begangen. Du weißt, daß er von den Piraten geschlagen wurde, zweimal zu Wasser und einmal zu Land. Er hat alle seine Schiffe und Männer verloren. Aber du weißt vielleicht nicht, daß die Anführer der Piraten, Panares und Lasthenes, ihn gezwungen haben, einen Vertrag zwischen dem kretischen Volk und Rom zu unterzeichnen. Der Vertrag ist gerade in Rom angekommen, zusammen mit der Asche des Marcus Antonius. Der Senat hat zwar noch nicht die Zeit gefunden, über Marcus Antonius zu beraten, aber in der Stadt geht bereits das Gerücht um, daß er seinen Namen für immer entehrt hat — die Leute nennen ihn sogar schon Marcus Antonius Creticus! Aber sie meinen damit nicht >Kreter<, sondern >Mann aus Kreide<.«
Caesar seufzte, und sein Gesicht zeigte eher Ärger als Bedauern. »Er war nicht der richtige Mann für die Aufgabe«, sagte er, wobei er auf die Gefühle der Antonia keine Rücksicht nahm. »Ich habe das schon als Tribun in Gytheion gemerkt. Ich muß jedoch gestehen, daß ich ein solches Ende nicht vorausgesehen habe. Aber es hat viele schlimme Vorzeichen gegeben.« Er wandte sich der Witwe zu. »Herzliches Beileid, Julia Antonia. Leider sehe ich nicht, wie ich dir helfen könnte.«
»Julia Antonia bittet dich, die Bestattungsriten für Marcus Antonius zu organisieren«, sagte Aurelia.
»Aber sie hat doch einen Bruder«, antwortete Caesar schroff. »Warum kann Lucius Caesar die Aufgabe nicht übernehmen?«
»Lucius Caesar ist mit der Armee von Marcus Cotta im Osten«, sagte Tante Julia. »Und dein Vetter Sextus Caesar will nichts mit dem Begräbnis zu tun haben. Da auch Gaius Antonius Hybrida nicht in Rom ist, sind wir die Familie, die Julia Antonia am nächsten steht.«
»In diesem Fall werde ich die Trauerfeierlichkeiten organisieren. Es wäre allerdings klug, wenn wir ihn in aller Stille beerdigen würden.«
Julia Antonia erhob sich in einer wahren Kaskade von Nadeln, Broschen, Kämmen und Taschentüchern. Sie schien Caesar wegen der unsanften Behandlung ihrer Söhne und der nüchternen Analyse der Fähigkeiten ihres toten Ehemanns nicht mehr gram zu sein. Offensichtlich genießt sie es, angeschrien und zurechtgewiesen zu werden, dachte Caesar, als er sie zur Tür begleitete. Und ohne Zweifel hat der tote Marcus Antonius dieses Bedürfnis mehr als erfüllt. Schade, daß er nicht auch die Kinder diszipliniert hat, denn die Mutter ist dazu offensichtlich nicht in der Lage. Die Knaben wurden aus Burgundus’ Gemächern geholt, wo sie eine heilsame Erfahrung gemacht hatten: Die Söhne von Cardixa und Burgundus waren wahre Riesen im Vergleich zu ihnen. Wie ihre Mutter schienen auch sie keinen Groll mehr zu hegen, aber sie waren vor Caesar auf der Hut.
»Ihr braucht keine Angst vor mir zu haben, wenn ihr euch anständig benehmt«, sagte Caesar vergnügt und zwinkerte ihnen zu. »Aber wenn ich euch wieder erwische, wenn ihr ungezogen seid, dann könnt ihr was erleben!«
»Du bist sehr groß, aber ich hätte nicht gedacht, daß du so stark bist«, sagte der älteste Junge. Er war der hübscheste der drei, obwohl seine Augen für Caesars Geschmack etwas zu dicht beieinander lagen. Doch sie blickten ihm offen ins Gesicht und hatten einen mutigen und intelligenten Ausdruck.
»Eines Tages wirst du auf einen kleinen Winzling treffen, der dich flach auf den Rücken legt, bevor du auch nur einen Finger krumm machen kannst«, sagte Caesar. »Aber jetzt geh nach Hause und kümmere dich um deine Mutter. Und mach deine Hausaufgaben, anstatt durch die Subura zu schleichen, Unheil anzurichten und Leute zu bestehlen, die dir nichts getan haben. Auf lange Sicht werden dir die Hausaufgaben mehr nützen.«
Der junge Marcus Antonius kniff skeptisch die Augen zusammen. »Woher willst du das wissen?«
»Ich weiß alles«, sagte Caesar, schloß hinter den Jungen die Tür und kehrte zu den restlichen Frauen zurück. »Die Invasion der Germanen«, sagte er lächelnd. »Was für ein furchterregender Stamm kleiner Jungen! Haben sie niemand, der sie beaufsichtigt?«
»Niemand«, sagte Aurelia. Sie ließ einen entzückten Seufzer hören. »Ach, wie ich es genossen habe, als du ihnen Manieren beigebracht hast! Ich hatte Lust, ihnen eine Tracht Prügel zu verpassen, seit sie angekommen sind.«
Caesars Augen ruhten wohlgefällig auf Mucia Tertia, die er ungeheuer attraktiv fand. Die Ehe mit Pompeius bekam ihr offensichtlich gut. In Gedanken notierte er sie auf seiner Liste künftiger Eroberungen — Pompeius hatte es mehr als verdient! Aber die Zeit war noch nicht reif. Der schreckliche kleine Schlächter sollte zuerst noch höher aufsteigen. Caesar zweifelte nicht, daß er bei Mucia Tertia Erfolg haben werde; es war ihm nicht entgangen, daß sie ihn ein paarmal interessiert angestarrt hatte. Aber die Traube sollte noch eine Weile an Pompeius’ Weinstock reifen, bevor er sie abschnitt. Im Moment hatte er mit Metella, der Frau des Gaius Verres, mehr als genug zu tun. Metellas Furche zu pflügen war eine Form von Gartenarbeit, die er ungeheuer befriedigend fand.
Da seine süße kleine Frau ihn beobachtete, riß er seine Augen von Mucia Tertia los und ließ sie zu Cinnilla wandern. Als er ihr mit einem Auge zublinzelte, mußte sie ein Kichern unterdrücken, und es zeigte sich, daß sie mindestens eine Eigenschaft ihres Vaters geerbt hatte: sie wurde feuerrot. Ein liebes Mädchen. Nie eifersüchtig, obwohl sie natürlich Gerüchte gehört hatte — und sie wahrscheinlich glaubte. Nach all den Jahren kannte sie ihren Caesar gut genug! Der Einfluß Aurelias war jedoch zu stark, als daß Cinnilla seine Schürzenjägerei zur Sprache gebracht hätte, und er selbst tat es natürlich auch nicht.
Bei seiner Mutter war er nicht so vorsichtig. Schließlich hatte sie als erste die Idee gehabt, daß er die Frauen seiner Standesgenossen verführen könnte. Auch scheute er sich nicht, sie gelegentlich um Rat zu fragen, wenn sich eine Frau als schwierig erwies. Die Frauen waren für ihn ein Geheimnis, das er wohl nie lösen würde, und es lohnte sich, Aurelias Meinung zu hören. Seit sie häufig mit Frauen ihres Standes vom Palatin und aus Carinae zusammenkam, war sie über jeden Klatsch informiert und gab ihn vertrauensvoll und unverblümt an ihren Sohn weiter. Natürlich genoß er es, seine Frauen verrückt vor Liebe zu machen, bevor er sie fallenließ; dann waren sie für die Ehemänner, denen er Hörner aufgesetzt hatte, nie mehr zu gebrauchen.
»Ich vermute, ihr habt euch alle hier versammelt, um Julia Antonia zu trösten«, sagte er und überlegte, ob seine Mutter wohl den Mut haben würde, ihm süßen verdünnten Wein und kleine Kuchen zu reichen.
»Sie kam mit all ihren Kinkerlitzchen in mein Haus und hatte diese entsetzlichen Knaben im Schlepptau«, sagte Tante Julia. »Ich wußte, daß ich mit allen vier nicht fertigwerden würde. Deshalb habe ich sie hergebracht.«
»Und du hast Tante Julia besucht?« fragte Caesar Mucia Tertia mit einem betörenden Lächeln.
Sie holte tief Atem, verschluckte sich und hustete verlegen. »Ich besuche Julia sehr häufig, Gaius Julius. Der Quirinal liegt ganz nahe beim Pincius.«
»Ach ja, natürlich.« Er bedachte Tante Julia mit einem ähnlich strahlenden Lächeln. Auch sie war keineswegs unempfänglich dafür, nahm es jedoch naturgemäß anders auf.
»Ich fürchte, ich werde Julia Antonia in nächster Zeit öfter zu Gast haben«, sagte Tante Julia seufzend. »Und ich wünschte, ich würde deine Technik beherrschen, was ihre Söhne betrifft!«
»Ihre Besuche werden nicht lange anhalten, Tante Julia, und ich werde es mir zur Aufgabe machen, den Knaben hin und wieder ins Gewissen zu reden. Keine Sorge! Julia Antonia ist in kürzester Zeit wieder verheiratet.«
»Die will doch niemand!« schnaubte Aurelia verächtlich.
»Es gibt immer Männer, die auf den Charme hilfloser Frauen besonders anfällig reagieren«, sagte Caesar. »Unglücklicherweise hat sie bei der Wahl ihrer Männer keine glückliche Hand. Deshalb wird auch der nächste nicht besser sein als Marcus Antonius, der Mann aus Kreide.«
»Da hast du entschieden recht, mein Sohn.«
Caesar wandte sich seiner Schwester Ju-ju zu, die bis jetzt kein Wort gesagt hatte, obwohl sie eigentlich eine lebhafte Person war. »Ich pflegte auch von Lia zu sagen, daß sie keine glückliche Hand mit Männern hat«, sagte er. »Aber dir habe ich noch keine Gelegenheit gegeben, dein Geschick zu beweisen.«
Sie lächelte. »Ich bin sehr zufrieden mit dem Mann, den du für mich ausgesucht hast, Caesar. Außerdem muß ich zugeben, daß die jungen Männer, auf die ich vor meiner Heirat ein Auge geworfen hatte, sich alle als ziemlich enttäuschend erwiesen.«
»Dann läßt du besser Atius und mich den Mann für deine Tochter beschaffen, wenn die Zeit kommt. Atia ist sehr hübsch und zugleich intelligent; sie wird also nicht jedermann ansprechen.«
»Ist das nicht schade?« sagte Ju-ju.
»Daß sie intelligent ist, oder daß die Männer damit nichts anfangen können?«
»Letzteres.«
»Mir gefallen intelligente Frauen«, sagte Caesar. »Aber sie sind dünn gesät. Keine Sorge, wir finden schon jemanden für Atia, der ihre Qualitäten zu schätzen weiß.«
Tante Julia erhob sich. »Es wird bald dunkel, Caesar — ich weiß, daß du dich am liebsten so nennen läßt, selbst von deiner Mutter. Aber mir fällt es immer noch schwer. Ich muß gehen.«
»Ich bitte die Söhne von Lucius Decumius, dir eine Sänfte zu besorgen und dich zu begleiten«, sagte Caesar.
»Ich habe eine Sänfte«, sagte Tante Julia. »Mucia darf nicht zu Fuß gehen, also sind wir äußerst bequem vom Quirinal in die Subura gelangt. Das heißt, es wäre bequem gewesen, wenn wir das Transportmittel nicht mit Julia Antonia hätten teilen müssen. Sie hat uns beinahe ertränkt mit ihren Tränen. Außerdem haben wir selbst ein paar stramme Burschen, die uns begleiten.«
»Ich bin auch mit einer Sänfte gekommen«, sagte Ju-ju.
»Verwöhntes Pack«, schnaubte Aurelia. »Es hätte euch allen gutgetan, zu Fuß zu gehen.«
»Ich wäre gern zu Fuß gegangen«, sagte Mucia Tertia leise. »Aber nicht alle Ehemänner haben die gleichen Ansichten wie du, Aurelia. Gnaeus Pompeius findet es unschicklich, wenn ich zu Fuß gehe.«
Caesar spitzte die Ohren. Aha, eine Spur von Unzufriedenheit! Sie fühlt sich eingeengt; er läßt ihr zu wenig Freiheit. Er sagte jedoch nichts, sondern wartete einfach ab und plauderte mit den Frauen, während ein Sklave zur Straßenkreuzung lief, um die Sänften zu rufen.
»Du siehst nicht gut aus, Tante Julia.« Caesar sprach das Thema erst an, als er seiner Tante auf ihren Platz in der geräumigen Sänfte half, die Pompeius für Mucia Tertia besorgt hatte.
»Ich werde alt, Caesar«, antwortete sie leise und drückte seine Hand. »Siebenundfünfzig. Aber es fehlt mir nichts, außer daß mir die Knochen weh tun, wenn das Wetter kalt ist. Ich habe allmählich Angst vor dem Winter.«
»Hast du es warm genug, da draußen auf dem Quirinal?« fragte Caesar scharf. »Dein Haus ist dem Nordwind ausgesetzt. Soll ich in deinen Keller ein hypocaustum einbauen lassen?«
»Spar dein Geld, Caesar«, sagte sie. »Ich kann mir die Bodenheizung schon leisten, wenn ich sie brauche.« Dann zog sie die Vorhänge zu.
»Es geht ihr nicht gut«, sagte Caesar zu seiner Mutter, als sie in die Wohnung zurückgingen.
Aurelia dachte einen Augenblick nach und kam zu einem abgewogenen Urteil. »Es würde ihr schon gutgehen, wenn sie ein erfülltes Leben hätte. Aber ihr Mann und ihr Sohn sind tot. Sie hat niemand außer uns und Mucia Tertia. Und wir sind nicht genug.«
Das Wohnzimmer war von den Flämmchen der Öllampen in ein weiches Licht getaucht, und die Läden waren geschlossen, um den kalten Wind fernzuhalten, der durch den Lichtschacht drang. Das Zimmer war warm und heimelig. Cinnilla saß mit Caesars Tochter auf dem Boden. Das Mädchen war jetzt fast sechs, ein entzückendes Kind, feingliedrig, anmutig und so blond, daß ihr Haar silbern schimmerte.
Als sie ihren Vater erblickte, trat ein Leuchten in ihre großen blauen Augen. Sie breitete die Arme weit aus und rief: »Papa! Papa! Nimm mich auf den Arm!«
Caesar hob sie auf und preßte seine Lippen auf ihre rosige Wange. »Na, wie geht es meiner Prinzessin heute?«
Aurelia und Cinnilla sahen zu, wie er ganz begeistert einer langen Litanei kleiner kindlicher Taten lauschte. Cinnilla ging dabei nur durch den Kopf, wie sehr sie die beiden liebte, aber Aurelia dachte über das Wort Prinzessin nach. Caesar wird es weit bringen und eines Tages sehr reich sein. Also wird das Kind zahllose Verehrer haben. Aber Caesar wird nicht so nett zu ihr sein, wie meine Mutter und mein Stiefvater-Onkel zu mir waren. Er wird sie mit dem Mann verheiraten, den er am meisten braucht, gleichgültig, wie es ihr dabei geht. Also muß ich sie dazu erziehen, daß sie ihr Schicksal gefaßt und heiter auf sich nimmt.
Am vierundzwanzigsten Dezember feierte Crassus endlich seine Ovation. Da auch viele Samniter für Spartacus gekämpft hatten, hatte ihm der Senat zwei Zugeständnisse gemacht: Er mußte nicht zu Fuß gehen, sondern durfte auf einem Pferd reiten, und statt dem weniger angesehenen Myrtenkranz durfte er den Lorbeerkranz des Triumphators tragen. Eine ordentliche Menge von Zuschauern jubelte seiner Armee zu, die er für die Feier von Capua nach Rom geführt hatte. Angesichts der mageren Beute setzte es allerdings viele Rippenstöße und spöttische Bemerkungen. Denn ganz Rom wußte, daß Marcus Crassus’ größtes Laster die Geldgier war.
Die Menge, die bei Pompeius’ Triumph am letzten Tag des Dezember die Straßen säumte, war viel größer. Irgendwie hatte es Pompeius geschafft, sich beim Volk von Rom beliebt zu machen, vielleicht wegen seiner relativen Jugend, seiner strahlend blonden Schönheit, die an Alexander den Großen errinnerte, oder weil sein Gesicht auf das Volk irgendwie anziehend wirkte. Trotzdem war die Liebe, welche die Römer für Pompeius hegten, nicht dieselbe, die sie für Gaius Marius gefühlt hatten. Marius war trotz aller gegenteiligen Bemühungen Sullas der liebenswerteste Mensch in ihrem Gedächtnis geblieben.
Anfang Dezember, etwa um die Zeit, als in Rom die kurulischen Wahlen abgehalten wurden, überquerte Metellus Pius endlich die Alpen und führte sein Heer nach Gallia Cisalpina hinunter, wo er seine Truppen sofort entließ und sie auf den weiten, reichen Ländereien nördlich des Po ansiedelte. Während der letzten gemeinsamen Monate in Spanien hatte Metellus das Ferkel wohl gespürt, daß Pompeius sich nicht damit abfinden würde, nach seiner Rückkehr einfach in der Versenkung zu verschwinden, und hatte sich zu den Konflikten in Rom demonstrativ neutral verhalten. Auch als Catulus, Hortensius und andere angesehene Mitglieder der Familie Caecilius Metellus ihn brieflich baten, doch Stellung zu beziehen, hatte er sich mit der Begründung geweigert, er sei zu lange nicht in Rom gewesen, um sich zu den Geschehnissen zu äußern. Als er schließlich Ende Januar in Rom eintraf, feierte er einen bescheidenen Triumph mit den Truppen, die er zu diesem Zweck nach Rom geführt hatte, und nahm seinen alten Platz in dem von Pompeius und Crassus beherrschten Senat wieder ein, als sei nichts geschehen. Mit diesem Verhalten ersparte er sich viel Ärger, auch wenn ihm dadurch die Anerkennung für seinen Sieg über Quintus Sertorius versagt blieb, die er eigentlich verdient gehabt hätte.
Die lex Pompeia Licinia de tribunicia potestate wurde Anfang Januar unter der Ägide des Pompeius im Senat angeschlagen, denn er hatte als erster Konsul in diesem Monat die fasces inne. Das Gesetz, das die alten Vollmachten der Volkstribunen wiederherstellte, war so populär, daß ihm der Senat kaum Widerstand entgegensetzte. Auch die Senatoren, von denen Pompeius und Crassus eigentlich erwartet hatten, daß sie laut gegen das Gesetz wettern würden, begnügten sich mit einem leisen Meckern, und das senatus consultum, das der Volksversammlung empfahl, das Gesetz zu verabschieden, fiel fast einstimmig aus. Einige Senatoren hatten zwar den Einwand erhoben, daß es eigentlich von den Zenturiatskomitien ratifiziert werden müsse, aber Caesar, Hortensius und Cicero hatten übereinstimmend versichert, daß nur die Tribuskomitien Gesetze beschließen könnten, welche die Tribus beträfen. Innerhalb des vorgeschriebenen Zeitraums von drei Marktwochen trat die lex Pompeia Licinia in Kraft. Die Volkstribunen konnten nun wieder gegen Gesetze und gegen die Handlungen von Magistraten ihr Veto einlegen; sie konnten in der von ihnen geleiteten Versammlung der Plebs Plebiszite mit Gesetzeskraft verabschieden lassen, ohne dazu durch ein senatus consultum ermächtigt zu sein; und sie konnten sogar wegen Hochverrat, Erpressung und anderen politischen Delikten Anklage erheben.
Caesar sprach jetzt regelmäßig im Senat. Da es sich immer lohnte, ihm zuzuhören — seine Reden waren geistreich, interessant, knapp und treffend —, hatte er sich schon bald eine Gefolgschaft erworben und wurde immer häufiger gebeten, seine Reden zu veröffentlichen. Sie galten als ebensogut wie die Ciceros, und selbst dieser soll gesagt haben, Caesar sei der beste Redner Roms - außer ihm selbst natürlich.
Der Volkstribun Plautius brannte darauf, von den erneuerten Vollmachten seines Amtes Gebrauch zu machen. Er verkündete im Senat, daß er der Versammlung der Plebs ein Gesetz vorlegen werde, das den verurteilten Anhängern von Lepidus und Sertorius das Bürgerrecht zurückgeben würde. Caesar erhob sich sofort und hielt eine Rede für das Gesetz, wobei er leidenschaftlich dafür plädierte, es auch auf all die Bürger auszudehnen, die unter Sulla proskribiert worden waren. Der Senat stimmte der Erweiterung jedoch nicht zu und unterstützte nur das auf die Anhänger von Lepidus und Sertorius beschränkte Gesetz des Plautius. Caesar aber schien gar nicht enttäuscht, daß sein Antrag abgelehnt worden war. Ja, er wirkte sogar seltsam vergnügt.
»Der Senat hat dir einen Korb gegeben, Caesar«, sagte Marcus Crassus verwirrt, »du aber schnurrst vor Zufriedenheit!«
»Mein lieber Crassus, ich habe ganz genau gewußt, daß sie einer Amnestie für Sullas Proskribierte niemals zustimmen würden«, sagte Caesar lächelnd. »Zu viele wichtige Männer, die durch die Proskriptionen fett geworden sind, müßten dann alles zurückgeben. Das konnte niemals durchgehen. Es sah jedoch ganz danach aus, als ob es dem konservativen Block um Catulus gelingen könnte, auch die Amnestie für die Anhänger des Lepidus und Sertorius zu verhindern. Deshalb habe ich dafür gesorgt, daß diese Maßnahme im Vergleich zu einer Amnestie aller Proskribierten gemäßigt wirkte. Wenn du etwas durchsetzen willst und merkst, daß dir der Wind ins Gesicht bläst, dann mußt du viel weiter gehen, als du eigentlich willst, Marcus Crassus. Die Opposition regt sich dann so über deine Zusatzanträge auf, daß sie ganz aus den Augen verliert, daß sie eigentlich auch gegen den ursprünglichen Antrag war.«
Crassus grinste. »Caesar, du bist der geborene Politiker. Ich hoffe nur, daß deine Gegner deine Methoden nicht eines Tages durchschauen, sonst könnten sie dir das Leben ziemlich schwermachen.«
»Ich mache einfach gern Politik«, sagte Caesar.
»Du machst alles gern, was du tust, und setzt dich mit Leib und Seele dafür ein. Das ist dein Geheimnis. Und natürlich, daß du den nötigen Grips dafür hast.«
»Schmeichle mir nicht, Crassus, so groß ist mein Kopf nun auch wieder nicht«, antwortete Caesar.
»Er ist zu groß, wenn du mich fragst«, sagte Crassus lachend.
»Und du solltest in deinem Umgang mit den Frauen anderer Männer auch etwas diskreter sein, wenigstens was die nähere Zukunft betrifft. Wie ich höre, wollen unsere neuen Zensoren sich den Senatorenlisten mit derselben Sorgfalt widmen, wie ein übereifriges Kindermädchen nach Läusen sucht.«
Es gab zum ersten Mal wieder Zensoren, seit Sulla das Amt von der Liste der Magistrate gestrichen hatte. Und sie waren ein seltsames Paar, die Zensoren Gnaeus Cornelius Lentulus Clodianus und Lucius Gellius Poplicola. Jeder wußte, daß sie Pompeius’ Kreaturen waren, aber als Pompeius sie im Senat für das Amt vorgeschlagen hatte, waren alle geeigneteren Kandidaten — Catulus und Metellus Pius, Vatia Isauricus und Curio — von ihrer Kandidatur zurückgetreten und hatten Clodianus und Gellius das Feld überlassen.
Crassus’ Prophezeiung erwies sich als richtig: Normalerweise vergaben die Zensoren zuerst alle Staatsaufträge, aber Clodianus und Gellius verteilten lediglich die heiligen Ämter, wie etwa das Füttern der Gänse und Hühner des Kapitols. Danach widmeten sie sich sofort der Säuberung des Senats. Das Ergebnis wurde auf einer speziellen contio verlesen, die sie auf dem Forum Romanum von der Rostra aus einberufen hatten, und es war eine ungeheure Sensation. Nicht weniger als vierundsechzig Senatoren wurden aus dem Senat entfernt, zumeist, weil sie im Verdacht standen, als Geschworene Bestechungsgelder angenommen oder bezahlt zu haben. Viele Geschworene aus dem Prozeß gegen Statius Albius Oppicianus waren betroffen, und auch Cluentius, der Stiefsohn des Oppicianus, der bei dem Prozeß als Ankläger fungiert hatte, wurde degradiert. Viel aufsehenerregender war jedoch die Tatsache, daß auch Quintus Curius, einer der Qästoren des vergangenen Jahres, Publius Cornelius Lentulus Sura, der erste Konsul desselben Jahres, und Gaius Antonius Hybrida, das Monster vom Orchomenos-See, aus dem Senat ausgeschlossen wurden.
Es war nicht unmöglich für einen ausgestoßenen Senator, wieder in den Senat zu gelangen. Allerdings durfte er diesen Dienst nicht von den Zensoren erwarten, die ihn ausgestoßen hatten, sondern mußte sich entweder zum Quästor oder zum Volkstribun wählen lassen. Dies war ein beschwerlicher Weg für Lentulus Sura, der bereits Konsul gewesen war — und keiner, den er sofort zu beschreiten gedachte. Er war nämlich verliebt, und der Senat interessierte ihn im Moment herzlich wenig. Kurz nach seinem Ausschluß heiratete er die schutzbedürftige Julia Antonia. Caesar hatte recht behalten. Julia Antonia hatte keine glückliche Hand bei der Wahl ihrer Ehemänner, und mit Lentulus Sura hatte sie eine noch schlechtere Wahl getroffen als mit Marcus Antonius, dem Mann aus Kreide.
Als Clodianus und Gellius mit dem Senat fertig waren, machten sie sich endlich daran, auch die normalen Staatsaufträge zu verteilen. Sie betrafen hauptsächlich die Steuerpacht in den Provinzen, aber auch die Bau- und Restaurationsaufträge für zahlreiche staatliche Gebäude und öffentliche Einrichtungen, von der Renovierung von Latrinen und Zirkustribünen bis zum Bau von Brücken und Basiliken. Auch diesmal trafen sie eine sensationelle Entscheidung: Sie schafften das Steuersystem ab, das Sulla eingeführt hatte, um die Provinz Asia zu entlasten.
Lucullus und Marcus Cotta schienen den Krieg gegen Mithridates zu einem befriedigenden Abschluß gebracht zu haben, wobei sich allerdings nur Lucullus Lorbeeren verdient hatte. Im Jahr des Konsulats von Pompeius und Crassus sah sich Mithridates gezwungen, an den Hof seines Schwiegersohns Tigranes von Armenien zu fliehen. Tigranes aber weigerte sich, ihn zu empfangen. Lucullus hatte nun fast ganz Pontus sowie Kappadokien und Bithynien besetzt und mußte sich nur noch mit Tigranes befassen. Zunächst aber fand er endlich die Zeit, sich um die dringend notwendige Regierungsarbeit zu kümmern, und machte sich sofort daran, die verwickelten finanziellen Angelegenheiten der Provinz Asia zu regeln, die er zusammen mit Cilicia seit drei Jahren regierte. Dabei ging er mit aller Härte gegen die Steuerpächter vor, so hart, daß er zweimal von seinem Recht Gebrauch machte, innerhalb seiner Provinzen Hinrichtungen anzuordnen. Er ließ mehrere publicani köpfen und trat damit in die Fußstapfen von Marcus Aemilius Scaurus, der einige Jahre zuvor dasselbe getan hatte.
In Rom erhob sich wegen der Hinrichtungen ein gewaltiges Geschrei, besonders als die Reformen des Lucullus die Profite der Steuerpächter noch mehr schmälerten als Sullas System. Lucullus hatte schon immer dem erzkonservativen Block im Senat angehört, und er war bei den führenden Geschäftsleuten Roms, zu denen auch Männer wie Crassus und Atticus gehörten, ausgesprochen verhaßt. Außerdem war er der einzige Feldherr seiner Zeit, der Pompeius das Wasser reichen konnte, und das war vielleicht der Grund, warum auch Pompeius ihn nicht mochte.
So überraschte es niemanden, als die von Pompeius gekauften Zensoren verkündeten, daß Sullas System der Steuereintreibung in Asia abgeschafft sei und die vorsullanischen Zustände wiederhergestellt würden.
Lucullus aber ließ die Entscheidung kalt, und er ignorierte die Direktiven der Zensoren. Solange er Statthalter in Asia sei, verkündete er, werde er weiterhin nach Sullas System verfahren. Es sei vorbildlich und hätte auch in allen anderen Provinzen Roms eingeführt werden sollen. In der Folge gingen die hastig gegründeten Gesellschaften bankrott, die auf die Steuerpacht in Asia spekuliert hatten, und die mächtigsten Angehörigen des Ritterstands forderten einmütig, Lucullus als Statthalter zu entlassen.
Lucullus aber ignorierte die Direktiven aus Rom — und seine eigene schwierige Lage — weiterhin. Ihm war es viel wichtiger, seine Provinzen nach den großen Kriegen in Ordnung zu bringen. Ein Mann wie er würde sie in sauberem Zustand verlassen.
Caesar fühlte sich zwar von Natur aus keineswegs zu erzkonservativen Senatoren wie Catulus und Lucullus hingezogen, aber er hatte allen Grund, Lucullus dankbar zu sein. Denn er hatte folgenden Brief der Königin Oradaltis von Bithynien erhalten:
Meine Tochter ist nach Hause zurückgekehrt, Caesar. Wie Du sicher weißt, hat Lucius Licinius Lucullus den Krieg gegen Mithridates sehr erfolgreich geführt und ihn schon vor einem Jahr nach Pontus hineingetragen. Unter den vielen Festungen des Königs galt Kabeira immer als die stärkste. Dieses Jahr aber hat sie sich Lucullus ergeben, und er hat entsetzliche Dinge darin gefunden: Die Kerker waren voll mit politischen Gefangenen und Verwandten, die Mithridates vielleicht hätten gefährlich werden können. Sie wurden gefoltert oder vom König bei seinen ständigen Experimenten mit Gift als Versuchstiere mißbraucht. Aber ich will mich nicht bei diesen grauenhaften Geschichten aufhalten. Dafür bin ich zu glücklich.
Unter den Frauen, die in der Festung lebten, befand sich auch Nysa. Sie brachte fast zwanzig Jahre dort zu und ist als eine alte Frau von über sechzig Jahren zu mir zurückgekehrt. Mithridates hatte sie jedoch für seine Verhältnisse gut behandelt — er machte keinen Unterschied zwischen ihr und der kleinen Sammlung von Nebenfrauen und Konkubinen, die er sich auf Kabeira hielt. Auch einige seiner Schwestern, die nicht heiraten und Kinder gebären sollten, hielt er dort fest, und so hatte mein Kind eine Menge alte Jungfern zur Gesellschaft. Übrigens hat der König so viele Frauen und Konkubinen, daß auch seine Frauen in Kabeira jahrelang wie Jungfrauen leben mußten.
Lucullus war sehr freundlich zu den Frauen, die er aus der Festung befreit hatte, und achtete sorgfältig darauf, daß ihnen von seinen Männern keine Gewalt angetan wurde. Laut Nysa behandelte er sie ebenso gut, wie Alexander der Große einst die Mutter, die Frauen und die anderen Haremsdamen von Darius III. behandelt hatte. Ich glaube, Lucullus hat die pontischen Frauen zu seinem Verbündeten Machares, dem Sohn des Mithridates, nach Cimmeria geschickt.
Nysa ließ er frei, sobald er wußte, wer sie war. Aber nicht genug damit, Caesar. Er überhäufte sie mit Gold und Geschenken und schickte sie mit einer Eskorte zu mir zurück. Kannst Du Dir vorstellen, wie es diese gealterte und nie besonders schöne Frau genoß, frei wie ein Vogel durch das Land zu reisen?
Ach, und das Wiedersehen! Ich hatte keine Ahnung, daß sie frei war, bis sie strahlend wie ein junges Mädchen zur Tür meiner Villa in Reba hereinmarschierte. Sie war ja so glücklich, mich wiederzusehen! Mein letzter Wunsch hat sich erfüllt; ich habe meine Tochter wieder.
Sie kam gerade noch rechtzeitig. Sulla, mein geliebter alter Hund, war einen Monat vor ihrer Ankunft an Altersschwäche gestorben, und ich war furchtbar deprimiert. Die Diener wollten mich verzweifelt überreden, einen neuen Hund anzuschaffen, aber Du weißt ja, wie das ist. Man denkt an all die liebenswerten Eigenschaften und lächerlichen Marotten, die das geliebte Tier gehabt hat, an den Platz, den es im Familienleben eingenommen hat. Und dann kommt es einem wie Verrat vor, wenn man einfach ein neues Tier in den Korb setzt, kaum daß das alte begraben ist.
Jetzt habe ich keine Lust mehr zu sterben! Nysa hat natürlich geweint, weil ihr Vater nicht mehr da war, aber wir leben hier ungemein harmonisch und vergnügt zusammen — wir angeln Fische vom Hafendamm aus und machen Gesundheitsspaziergänge durch das Dorf. Lucullus lud uns ein, in dem Palast in Nikomedeia zu leben, aber wir bleiben lieber hier. Und wir haben ein süßes kleines Hündchen namens Lucullus.
Bitte, Caesar, nimm Dir die Zeit, mal wieder in den Osten zu reisen. Ich hätte so gern, daß Du Nysa kennenlernst, und ich vermisse Dich sehr.
Die Delegierten aller sizilischen Städte mit Ausnahme von Syrakus und Messana wandten sich zunächst an Marcus Lollius Palicanus, den Volkstribun des vergangenen Jahres, um ihn als Ankläger gegen Gaius Verres zu gewinnen. Palicanus verwies sie jedoch an Pompeius, und Pompeius meinte, für diese Aufgabe sei Marcus Tullius Cicero der ideale Mann.
Verres war als Statthalter nach Sizilien gegangen, nachdem er Stadtprätor gewesen war. Er hatte den Posten — vor allem dank Spartacus — drei Jahre lang behalten und war gerade erst nach Rom zurückgekehrt, als die sizilische Delegation im Januar Cicero aufsuchte. Sowohl Pompeius als auch Palicanus waren persönlich betroffen: Palicanus war einigen seiner Klienten zu Hilfe gekommen, als Verres sie verfolgt hatte, und Pompeius hatte in Sizilien eine beträchtliche Anzahl Klienten angesammelt, als er es einst im Auftrage von Sulla besetzt hatte.
Cicero war unter Sextus Peducaeus Quästor gewesen, bevor Verres diesen als Statthalter abgelöst hatte. Auch er hatte das Land sehr ins Herz geschlossen, und auch er hatte eine hübsche Anzahl Klienten erworben. Trotzdem verhielt er sich ablehnend, als ihn die Sizilianer aufsuchten.
»Ich arbeite nie als Ankläger«, sagte er. »Nur als Verteidiger.«
»Aber Gnaeus Pompeius Magnus hat dich empfohlen. Er sagte, nur du könnest den Prozeß gewinnen. Bitte, Cicero, wir flehen dich an, mach eine Ausnahme von deiner Regel und klage Gaius Verres an! Wenn wir nicht gewinnen, könnte es gut sein, daß sich Sizilien gegen Rom erhebt.«
»Dann hat er Sizilien aber ordentlich ausgesaugt«, konstatierte Cicero trocken.
»Das hat er. Und dann hat er es zerstückelt, Cicero. Uns ist nichts geblieben, alle unsere Kunstwerke sind verschwunden, in unseren Tempeln gibt es keine Statue und kein Bild mehr, und er hat sich auch sämtliche Kunstgegenstände angeeignet, die sich in Privatbesitz befanden. Was soll man von einem Mann halten, der die Frechheit besaß, eine freie Frau zu versklaven, die für ihre Wandteppiche berühmt war, und sie zwang, in einer Manufaktur für ihn zu arbeiten? Er unterschlug das Geld, das er vom römischen Schatzamt bekam, um Getreide zu kaufen, und dann nahm er den Bauern das Getreide ab, ohne dafür zu bezahlen! Er hat sich ganze Höfe, Güter und sogar Erbschaften unter den Nagel gerissen. Die Liste seiner Schandtaten ist endlos!«
Auch Cicero war entsetzt, doch er schüttelte noch immer ablehnend den Kopf. »Es tut mir leid, aber ich arbeite nicht als Ankläger.«
Der Sprecher der Delegation holte tief Atem. »Dann fahren wir nach Hause«, sagte er. »Wir hatten gedacht, daß ein Mann, der in der Geschichte Siziliens so beschlagen ist, daß er sogar das Grab des Archimedes gesucht und gefunden hat, unsere Lage verstehen und uns helfen würde. Aber deine Liebe zu Sizilien ist erkaltet, und offensichtlich schätzt du auch Gnaeus Pompeius nicht so sehr, wie er dich schätzt.«
An Pompeius und an seine berühmte Entdeckung — Cicero hatte in der Umgebung von Syrakus tatsächlich das verschollene Grab des Archimedes entdeckt — erinnert zu werden, das war einfach zuviel. Die Anklagevertretung war in Ciceros Augen eine Verschwendung seiner Talente, denn das — höchst illegale — Honorar fiel dabei immer viel niedriger aus als die Summen, die ein Ex-Statthalter oder ein publicanus zu zahlen bereit war, wenn er in Gefahr schwebte, alles zu verlieren. Außerdem war die Rolle des Anklägers alles andere als populär. Er wurde immer als ein widerlicher Bursche gesehen, der danach trachtete, einem unglücklichen Menschen das Leben zu ruinieren, während ein Verteidiger, der für seinen unglücklichen Mandanten einen Freispruch erwirkte, als Held gefeiert wurde. Dabei spielte es nicht die geringste Rolle, daß dieser unglückliche Mandant zumeist ausgesprochen schlau, geldgierig und schuldig war, denn jeder Versuch, einem Menschen vorzuschreiben, wie er sein Leben zu führen hatte, wurde schlicht als eine Beschneidung seiner persönlichen Rechte betrachtet.
Cicero stieß einen tiefen Seufzer aus. »Also gut«, sagte er, »ich übernehme den Fall. Aber denkt immer daran, daß die Verteidiger nach den Vertretern der Anklage sprechen, so daß die Geschworenen völlig vergessen haben, was die Anklage vorgebracht hat, wenn sie ihr Urteil verkünden müssen. Außerdem müßt ihr bedenken, daß Verres exzellente Verbindungen hat. Seine Frau ist eine Caecilia Metella, der Mann, der dieses Jahr eigentlich hätte Konsul sein sollen, ist sein Schwager, und ein anderer Schwager von ihm ist gegenwärtig Statthalter auf Sizilien. Von ihm könnt ihr keine Hilfe erwarten! Auch alle anderen Mitglieder der Familie Caecilius Metellus werden auf Verres’ Seite stehen. Wenn ich die Anklage vertrete, dann wird Quintus Hortensius die Verteidigung leiten, und andere Anwälte, die fast ebenso berühmt sind wie er, werden zu seiner Mannschaft gehören. Wenn ich sagte, daß ich den Fall übernehme, heißt das noch nicht, daß ich ihn auch gewinnen werde.«
Die Delegation hatte Ciceros Haus kaum verlassen, als er seine Entscheidung bereits bedauerte. Wie kam er dazu, jeden Caecilius Metellus in Rom gegen sich aufzubringen, wo doch seine Chancen auf das Konsulat ohnehin nur auf der schmalen Basis seiner persönlichen Fähigkeiten als Jurist beruhten? Er war genau wie Gaius Marius, sein ungeliebter Landsmann aus Arpinum, ein homo novus, aber als Soldat hatte er nicht das geringste Talent, und ein neuer Mann kam viel schwerer voran, wenn er keinen Ruhm auf dem Schlachtfeld ernten konnte.
Natürlich wußte er genau, warum er den Fall trotzdem übernommen hatte; es war dieses absurde Gefühl der Loyalität, das er gegenüber Pompeius hegte. Obwohl inzwischen viele Jahre vergangen waren und er sich große Lorbeeren als Jurist erworben hatte, würde er nie vergessen, mit welch beiläufiger Freundlichkeit der siebzehnjährige Kadett Pompeius einem anderen Kadetten begegnet war, für den sein Vater nur Verachtung übrig gehabt hatte. Cicero würde Pompeius sein Leben lang dankbar sein, daß er ihn in der schlimmen Zeit, als er Pompeius Strabos Kadett war, unter seine Fittiche genommen und ihn vor Strabos Grausamkeit und seinen schrecklichen Wutausbrüchen geschützt hatte. Niemand hatte einen Finger gerührt, um ihm zu helfen — außer Pompeius, der Sohn des Feldherrn. Dank Pompeius war es ihm warm gewesen in jenem Winter, dank Pompeius war er mit Schreibarbeiten beschäftigt worden, dank Pompeius hatte er nie in einer Schlacht das Schwert führen müssen. Dies alles würde er ihm nie vergessen.
Und so begab sich Cicero nach Carinae, um mit Pompeius zu sprechen.
»Ich wollte dir nur mitteilen«, sagte er mit unheilschwangerer Stimme, »daß ich beschlossen habe, Gaius Verres anzuklagen.«
»Wunderbar!« sagte Pompeius herzlich. »Viele von Verres’ Opfern sind meine Klienten — soweit er sie am Leben gelassen hat. Du kannst den Prozeß gewinnen, Cicero, da bin ich ganz sicher. Und nun sage frei heraus, was du dafür verlangst.«
»Ich verlange nichts von dir, Magnus. Ich bin es, der für immer in deiner Schuld stehen wird.«
Pompeius war ehrlich verblüfft. »Du in meiner Schuld, warum?«
»Du hast mir das Jahr in der Armee deines Vaters erträglich gemacht.«
»Ach, das meinst du!« Pompeius packte Cicero lachend am Arm und schüttelte ihn. »Ich hätte nicht gedacht, daß man dafür ein Leben lang dankbar sein könnte.«
»Ich bin es aber«, sagte Cicero mit Tränen in den Augen. »Wir haben eine Menge zusammen erlebt während des Bundesgenossenkriegs.«
Vielleicht kamen Pompeius eher schreckliche Erlebnisse in den Sinn, wie etwa die Suche nach dem Leichnam seines Vaters, den sie schließlich nackt und geschändet gefunden hatten. Jedenfalls schüttelte er den Kopf, wie um den Bundesgenossenkrieg aus seinen Gedanken zu verbannen, und kredenzte Cicero einen Becher hervorragenden Wein. »Also gut, mein Freund, laß mich einfach wissen, wenn ich dir irgendwie helfen kann.«
»Das werde ich«, sagte Cicero dankbar.
»Der ganze Zicklein-Zweig der Familie Caecilius Metellus wird natürlich empört sein über die Anklage«, sagte Pompeius nachdenklich. »Dasselbe gilt auch für Catulus, Hortensius und andere.«
»Damit hast du den wichtigsten Grund erwähnt, warum ich den Fall dieses Jahr nicht zu spät vor Gericht bringen darf. Ich will nicht das Risiko eingehen, daß er sich bis ins nächste Jahr hinzieht. Alle gehen davon aus, daß Metellus das Zicklein und Hortensius nächstes Jahr Konsuln werden.«
»Irgendwie schade«, sagte Pompeius. »Es ist gut möglich, daß nächstes Jahr wieder die Ritter in den Gerichten sitzen, und das wäre ein Nachteil für Verres.«
»Nicht, wenn die Konsuln hinter den Kulissen die Besetzung des Gerichts manipulieren, Magnus. Außerdem gibt es keine Garantie, daß unser Prätor Lucius Cotta sich dafür entscheiden wird, die Gerichte mit Rittern zu besetzen. Ich habe neulich mit ihm gesprochen. Er erwartet, daß er für seine Untersuchung über die Zusammensetzung der Gerichte Monate brauchen wird. Und er ist nicht überzeugt davon, daß Ritter als Geschworene besser wären als Senatoren. Ritter können nämlich nicht wegen Bestechlichkeit angeklagt werden.«
»Das läßt sich ändern«, sagte Pompeius. Er hatte keinen Respekt vor dem Gesetz und fand, daß man es ändern konnte, wann immer es dem eigenen Vorteil im Wege stand.
»Es könnte sich als schwierig erweisen.«
»Ich wüßte nicht, warum.«
»Weil man«, erklärte Cicero geduldig, »wenn man dieses Gesetz ändern will, von einer der beiden Tribuskomitien, die von den Rittern dominiert sind, ein neues Gesetz verabschieden lassen muß.«
»Sie haben ein Gesetz verabschiedet, das Crassus und mich vor Strafverfolgung schützt, was unsere Taten im letzten Jahr betrifft«, sagte Pompeius, der ein Gesetz nicht vom anderen unterscheiden konnte.
»Ja, weil ihr nett zu ihnen wart, Magnus. Und sie wollen, daß ihr auch weiterhin nett zu ihnen seid. Ein Gesetz, das sie wegen Bestechlichkeit vor den Richter bringen könnte, würden sie aber gar nicht nett finden.«
»Nun ja, vielleicht hast du recht, und Lucius Cotta wird sich doch nicht für Geschworene aus dem Ritterstand entscheiden. Es war nur so ein Gedanke.«
Cicero stand auf, um zu gehen. »Nochmals vielen Dank, Magnus.«
»Halte mich auf dem laufenden.«