4. Teil

Oktober 80 v. Chr. bis Mai 79 v. Chr.

Du mußt nach Spanien«, sagte Sulla zu Metellus Pius. »Sonst reißt Quintus Sertorius dort die ganze Macht an sich.«

Metellus Pius sah Sulla mißbilligend an. »Das kann er nicht! Er hat zwar F-F-Freunde unter den Lusitaniern und ist westlich des Guadalquivir sehr stark, a-a-aber du hast in beiden spanischen Provinzen gute Statthalter.«

»Meinst du?« Sulla machte ein mürrisches Gesicht. »Nein, nicht mehr! Gerade habe ich erfahren, daß Sertorius Lucius Fufidius vernichtend geschlagen hat, nachdem dieser Narr so dumm war, sich ihm zur Schlacht zu stellen. Vier Legionen! Und trotzdem konnte Fufidius gegen Sertorius mit seinen siebentausend Mann, von denen nur ein Drittel Römer waren, nichts ausrichten!«

»Die Römer hat er natürlich letztes Frühjahr aus Mauretanien mitgebracht. Und ein Drittel sind Lusitanier?«

»Barbaren, mein Teuerster! Sie sind nicht einen Nagel in der Sohle eines römischen Soldatenstiefels wert. Aber sie haben Fufidius geschlagen.«

»Ach... beim Pollux!«

Aus einem für Metellus unverständlichen Grund rief dieser recht zahme Wutausbruch bei Sulla einen Lachanfall hervor. Es dauerte eine Weile, bis der Diktator sich wieder soweit in der Gewalt hatte, daß er weiter über das lästige Thema Quintus Sertorius sprechen konnte.

»Sieh mal, Ferkel, ich kenne Quintus Sertorius noch von früher, genau wie du. Hätte Carbo ihn in Italien gehalten, hätte ich an der Porta Collina nicht gesiegt, weil ich wahrscheinlich schon lange vorher geschlagen worden wäre. Sertorius ist Gaius Marius zumindest ebenbürtig, und Spanien ist seine zweite Heimat. Als Luscus ihn letztes Jahr aus Spanien vertrieb, hatte ich gehofft, der verdammte Kerl werde als mauretanischer Söldner enden und uns keinen Ärger mehr machen. Ich hätte es besser wissen müssen. Zuerst raubte er König Ascalis die Stadt Tingis, dann tötete er Paccianus und beschlagnahmte dessen römische Truppen. Jetzt ist er wieder im jenseitigen Spanien und versucht, aus den Lusitaniern tüchtige römische Soldaten zu machen. Du mußt als Statthalter in die Provinz — aber nicht erst im Frühjahr, sondern gleich zu Beginn des neuen Jahres.« Sulla nahm ein Blatt Papier und wedelte damit ausgelassen vor Metellus Pius’ Gesicht herum. »Du kannst acht Legionen haben! Das wären dann acht weniger, für die ich Land finden muß. Und wenn du Ende Dezember aufbrichst, kannst du mit dem Schiff direkt nach Gades fahren.«

»Ein großes Kommando«, meinte der Pontifex Maximus zufrieden. Er war überhaupt nicht abgeneigt, Rom zu verlassen und einen langen Feldzug anzutreten — auch wenn das bedeutete, daß er gegen Sertorius kämpfen mußte. Keine religiösen Zeremonien mehr, keine schlaflosen Nächte, in denen ihn die Sorge quälte, er könnte sich versprechen. Er wußte genau, daß das Stottern verschwinden würde, sobald er Rom verlassen hatte — das war immer so. Da fiel ihm noch etwas ein. »Wer soll eigentlich das diesseitige Spanien verwalten?«

»Ich dachte an Marcus Domitius Calvinus.«

»Nicht Curio? Er ist doch ein g-g-guter General.«

»Für Curio habe ich die Provinz Africa vorgesehen. Calvinus ist dir bei einem großen Feldzug eine bessere Hilfe. Curio könnte sich in seinen Ansichten als zu selbständig erweisen.«

»Verstehe.«

»Calvinus kann weitere sechs Legionen bekommen. Das sind zusammen vierzehn. Sicher genug, um Sertorius zu zähmen.«

»Im Handumdrehen!« erwiderte Metellus eifrig. »K-K-Keine Sorge, Lucius Cornelius. Spanien ist g-g-gerettet!«

Sulla begann erneut zu lachen. »Warum kümmert mich das alles überhaupt? Ich weiß es nicht, Ferkel, und das ist die Wahrheit. Ich werde tot sein, ehe du zurück bist.«

Metellus Pius erschrak und streckte abwehrend die Hände aus. »Nein! Unsinn! Du bist doch noch verhältnismäßig jung!«

»Mir wurde vorausgesagt, ich würde auf dem Höhepunkt des Ruhms und der Macht sterben«, sagte Sulla ohne Angst oder Bedauern. »Im Juli trete ich zurück und gehe nach Misenum. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit, aber ich werde jeden Augenblick genießen.«

»Propheten sind keine Römer«, sagte Metellus Pius streng. »Wir wissen beide, daß sie sich meist irren.«

»Dieser Prophet nicht. Er war Chaldäer und Seher des Parther- königs.«

Metellus Pius hielt es für klüger, nicht weiter über das Thema zu sprechen; statt dessen erörterte er mit Sulla den bevorstehenden Spanienfeldzug.

Sullas Arbeitseifer wich allmählich der Trägheit. Das umfangreiche Gesetzeswerk war abgeschlossen, und es sah aus, als würde die neue Verfassung auch nach seinem Tod noch Bestand haben; selbst die Landverteilung an seine Veteranen war so weit gediehen, daß Sulla selbst nicht mehr gebraucht wurde. Volaterrae war endlich gefallen; lediglich Nola behauptete sich nach wie vor gegen Rom.

Sulla hatte getan, was in seiner Macht stand, und an fast alles gedacht. Der Senat war gefügig, die Volksversammlungen waren im Grunde machtlos, die Volkstribunen bloße Galionsfiguren, die Gerichte populär und wirksam und die künftigen Provinzstatthalter handlungsunfähig. Die Staatskasse war gefüllt, ihre Beamten waren auf genaue Buchführung verpflichtet. Für den Fall, daß dem Ritterstand der Verlust von sechzehnhundert Rittern, die Sullas Proskriptionen zum Opfer gefallen waren, als Lektion nicht genügte, nahm Sulla zusätzlich noch den Rittern, die Anspruch auf ein Staatspferd hatten, alle sozialen Privilegien weg und ordnete an, daß alle Männer, die von aus Rittern bestehenden Geschworenengerichten in die Verbannung geschickt worden waren, heimkehren sollten.

Natürlich hatte Sulla auch Marotten. Wieder einmal waren die Frauen die Leidtragenden, denn von nun an war es jeder Ehebrecherin untersagt, sich wieder zu verheiraten. Auch Wetten, die er verabscheute, waren verboten, außer bei Boxkämpfen und Wettläufen, die ohnehin keine großen Menschenmengen anzogen. Sudas größte Marotte aber waren die Staatsbeamten, die er für chaotisch, schludrig, faul und korrupt hielt. Deshalb regelte er die Arbeit der Sekretäre, Schreiber, Buchhalter, Herolde, Liktoren und Kuriere, der calatores genannten Diener der Priester, der nomenclatores, die andere an die Namen wieder anderer erinnern mußten, und der gewöhnlichen Beamten ohne spezielle Berufsbezeichnung, der apparitores, bis ins kleinste Detail. Künftig wußte keiner dieser Beamten, in wessen Dienst er trat, wenn die neuen Magistraten ihr Amt antraten, und kein Magistrat konnte namentlich bestimmte Beamte anfordern. Der Losentscheid galt für drei Jahre im voraus, und keine Gruppe diente ständig demselben Magistrat.

Nachdem Sulla bereits jede lautstarke Äußerung des Beifalls oder Unmuts verboten und die Reihenfolge, in der die Senatoren sprachen, geändert hatte, fand er neue Möglichkeiten, den Senat zu verärgern. Er erließ ein Gesetz, das sich auf das Einkommen armer Senatoren nachteilig auswirkte: Die Summe, die Delegationen aus den Provinzen ausgeben konnten, wenn sie in Rom Loblieder auf einen ehemaligen Statthalter anstimmten, wurde begrenzt, was bedeutete, daß die Delegationen bestimmten bedürftigen Senatoren kein Geld mehr geben konnten.

Sullas Gesetzeswerk umfaßte alle Bereiche des öffentlichen Lebens sowie einen Großteil des Privatlebens. Jeder kannte seine Pflichten und Möglichkeiten — er wußte, wieviel er ausgeben konnte, wieviel er einnehmen durfte, wieviel er an die Staatskasse zahlen mußte, wen er heiraten durfte und wo und weswegen er vor Gericht gestellt werden konnte. Ein gewaltiges, praktisch im Alleingang durchgeführtes Unternehmen. Die Ritter waren entmachtet, die Kriegshelden standen ganz oben. Die Versammlung der Plebs und die Volkstribunen waren geschwächt, der Senat war stark. Wer mit den Geächteten engen Kontakt gehabt hatte, war chancenlos, Männer wie Pompeius Magnus hatten die Zügel ergriffen. Gefragt waren nicht mehr Redner wie Quintus Hortensius, die sich in der Volksversammlung ausgezeichnet hatten, sondern Redner wie Cicero, die in der intimeren Atmosphäre der Gerichte glänzten.

»Kein Wunder, daß Rom wankt«, sagte der neue Konsul Appius Claudius Pulcher zu seinem Amtskollegen Publius Servilius Vatia. »Aber trotzdem begehrt keiner gegen Sulla auf.«

»Ein Grund dafür ist die Klugheit vieler seiner Gesetze«, erwiderte Vatia. »Sulla ist ein Genie!«

Appius Claudius nickte träge, aber Vatia verstand diese Teilnahmslosigkeit keineswegs falsch. Seit der Rückkehr von der unvermeidlichen Belagerung Nolas, die Claudius zehn Jahre lang mit Unterbrechungen geführt hatte, ging es ihm nicht gut. Zudem war er ein Witwer mit sechs Kindern, die bereits dafür bekannt waren, daß es ihnen an Disziplin mangelte und daß sie ihre heftigen Streitereien mit Vorliebe in der Öffentlichkeit austrugen.

Vatia hatte Mitleid mit seinem Kollegen und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. »Auf, Appius Claudius, sei doch etwas optimistischer! Du hast eine schwere Zeit hinter dir, aber jetzt hast du es endlich geschafft.«

»Ich habe es erst geschafft, wenn ich das Vermögen meiner Familie wieder habe«, sagte Appius Claudius verdrossen. »Dieser gemeine Schuft Philippus hat mir alles genommen und es Cinna und Carbo gegeben — und Sulla hat es mir nicht zurückgegeben.«

»Du hättest ihn daran erinnern sollen«, sagte Vatia vernünftig. »Wie du weißt, hatte er eine Menge zu tun. Warum hast du während der Proskriptionen nicht günstig gekauft?«

»Ich war damals in Nola, wenn du dich erinnerst«, erwiderte der Unglückliche.

»Nächstes Jahr wirst du Statthalter einer Provinz, dann kommt alles wieder in Ordnung.«

»Wenn ich gesund bleibe.«

»Ach Appius Claudius! Sei nicht so pessimistisch! Es renkt sich schon alles wieder ein.«

»Da bin ich nicht so sicher. Bei meinem Pech werde ich bestimmt nach Hispania Ulterior geschickt, um Pius abzulösen.«

»Das wirst du nicht, das verspreche ich dir«, beruhigte Vatia ihn. »Wenn du nicht mit Lucius Cornelius sprichst, tue ich es eben. Und ich werde ihn bitten, dir Mazedonien zu geben. Dort kann man allemal ein paar Säcke Gold verdienen und lukrative Verträge schließen. Ganz zu schweigen vom Verkauf der Bürgerrechte an reiche Griechen.«

»Seit wann gibt es dort reiche Menschen?«

»Die gibt es überall, auch in den ärmsten Gegenden. Es liegt in der Natur mancher Leute, daß sie einfach viel Geld verdienen müssen. Sogar den Griechen mit ihrem politischen Idealismus ist es nicht gelungen, die Reichen per Gesetz abzuschaffen. Es hätte sie mit Sicherheit auch in Platons Idealstaat gegeben.«

»Du meinst wohl Leute wie Crassus.«

»Ein hervorragendes Beispiel. Jeder andere wäre am Ende gewesen, wenn Sulla ihn wie Luft behandelt hätte, aber nicht unser Crassus!«

Die Eröffnungssitzung des Senats mit anschließendem Festmahl am Neujahrstag fand in der Curia Hostilia statt, weil der Tempel des Jupiter Optimus Maximus abgebrannt war. Die Tempel des Jupiter Stator oder des Castor waren, da sich die Zahl der Senatsmitglieder erhöht hatte, für diesen Zweck zu klein.

»Ruhe!« sagte Appius Claudius. »Sulla spricht.«

»Eingeschriebene Väter«, begann der Diktator freundlich, »im Grunde ist alles getan. Es war meine erklärte Absicht, Rom wieder auf die Beine zu helfen und neue Gesetze zu erlassen, die im Einklang mit unseren ehrwürdigen Traditionen stehen. Ich habe meine Aufgabe erfüllt. Wie ihr bereits wißt, werde ich bis zu den Wahlen der Magistraten für das kommende Jahr als Diktator im Amt bleiben. Aber einige von euch wollen offenbar nicht glauben, daß ein so mächtiger Mann wie ich so töricht ist, zurückzutreten. Deshalb wiederhole ich noch einmal, ich werde nach den Wahlen im Juli von meinem Amt als Diktator zurücktreten. Das bedeutet, daß die Magistraten des kommenden Jahres die letzten sein werden, die ich persönlich auswähle. In Zukunft wird es freie Wahlen geben, die allen Kandidaten offenstehen. Manche mißbilligen seit je, daß der Diktator seine Magistraten auswählt und nur so viele Kandidaten zur Wahl aufstellt, wie Ämter zur Verfügung stehen. Aber, wie ich stets betont habe, der Diktator muß mit Männern zusammenarbeiten, die bereit sind, ihn uneingeschränkt zu unterstützen. Er kann sich nicht darauf verlassen, daß die Wähler die Besten oder gar diejenigen wählen werden, die schon längst ein Amt hätten bekommen müssen und dieses Amt aufgrund ihres Ranges und ihrer Erfahrung auch verdienen. Als Diktator konnte ich sicherstellen, daß ich die Männer bekam, mit denen ich Zusammenarbeiten wollte und denen ein Amt gebührte. Wie etwa meinem teuren, leider abwesenden Pontifex Maximus, Quintus Caecilius Metellus Pius, der weiterhin in meiner Gunst steht. Denn er befindet sich gegenwärtig auf dem Weg ins jenseitige Spanien, um dort gegen den geächteten Schurken Quintus Sertorius zu kämpfen.«

»Er schweift vom Thema ab«, bemerkte Catulus trocken.

»Weil er nichts zu sagen hat«, fügte Hortensius hinzu.

»Außer daß er im Juli zurücktritt.«

»Langsam glaube ich es wirklich.«

Doch der Neujahrstag, der so vielversprechend begonnen hatte, sollte mit verspäteten schlechten Nachrichten aus Alexandria enden.

Zu Beginn des eben zu Ende gegangenen Jahres, des zweiten Jahres von Sullas Herrschaft, war aus Alexandria die Nachricht eingetroffen, auf die Ptolemaios Alexander der Jüngere so lange gewartet hatte: König Ptolemaios Soter Kichererbse war tot, und seine Tochter Königin Berenike regierte nun allein. Doch obwohl sie Thronerbin war, durfte sie nach ägyptischem Recht nicht ohne einen König herrschen. Deshalb hatte eine Delegation aus Alexandria in aller Bescheidenheit bei Lucius Cornelius Sulla angefragt, ob er willens sei, Ptolemaios Alexander den Jüngeren als neuen König nach Ägypten zu schicken.

»Was geschieht, wenn ich mich weigere?« fragte Sulla.

»Dann reißen König Mithridates und König Tigränes die Macht in Ägypten an sich«, sagte der Führer der Delegation. »Ein Angehöriger der ptolemäischen Dynastie muß den Thron besteigen. Wenn Ptolemaios Alexander nicht König und Pharao wird, müssen wir Mithridates und Tigränes bitten, uns den älteren der beiden Bastarde zu schicken, Ptolemaios Philadelphos, wegen seiner Piepsstimme auch Auletes genannt.«

»Aber kann ein Bastard denn vom Gesetz her Pharao werden?«

»Nicht, wenn er der Sohn einer einfachen Frau ist. Aber Auletes und sein jüngerer Bruder sind die Söhne von Ptolemaios Soter und Prinzessin Arsinoe, der königlichen Mätresse und ältesten ehelichen Tochter des Königs von Nabatäa. Es ist schon lange Sitte, daß die unbedeutenden Herrscher Arabiens und Palästinas dem Pharao von Ägypten ihre ältesten Töchter als Mätressen schicken, da dies ein erhabeneres und ehrbareres Schicksal ist als die Heirat mit einem anderen unbedeutenden Herrscher. Und für die Väter bedeutet es mehr Sicherheit, da sie beim Handel entlang des Roten Meeres und durch die verschiedenen Wüsten auf die Hilfe Ägyptens angewiesen sind.«

»Soll das heißen, Alexandria und Ägypten würden einen ptolemäischen Bastard zum König machen, nur weil seine Mutter von königlichem Geblüt war?«

»Wenn wir Ptolemaios Alexander nicht bekommen, ist das unvermeidlich so, Lucius Cornelius.«

»Eine Marionette von Mithridates und Tigranes«, meinte Sulla nachdenklich.

»Da die Frauen der beiden Bastarde Mithridates’ Töchter sind, ist auch das unvermeidlich. Tigranes steht schon zu nahe an der ägyptischen Grenze, deshalb können wir nicht auf einer Scheidung der Bastarde beharren. Er würde im Namen von Mithridates in unser Land einmarschieren und es erobern. Für einen Krieg dieser Größenordnung sind wir nicht gerüstet.«

Sulla wirkte plötzlich kühl und sachlich. »Überlaßt das mir, ich kümmere mich darum. Wir dürfen nicht zulassen, daß Armenia und Pontos die Kontrolle über Ägypten erlangen!«

Seine Entscheidung stand schon lange fest, deshalb begab er sich unverzüglich zu Ptolemaios Alexanders Villa auf dem Mons Pincius, um mit dem Ägypter zu sprechen.

»Dein Tag ist gekommen«, sagte der Diktator zu seiner Geisel.

»Ist Kichererbse tot?« fragte der mittlerweile fünfund- dreißigjährige Ptolemaios Alexander gespannt.

»Tot und begraben. Königin Berenike herrscht jetzt allein.«

»Dann muß ich sogleich nach Ägypten«, rief Ptolemaios Alexander aufgeregt. »Sofort! Ich darf keine Zeit verlieren!«

»Du gehst, wenn ich es sage, keinen Moment früher«, sagte Sulla schroff. »Setz dich und hör mir zu.«

Ptolemaios Alexander setzte sich, sein weites Gewand um sich ausgebreitet wie einen Ballon, aus dem die Luft entwichen war. Seine Augen waren mit Antimon schwarz umrahmt, der Lidstrich war bis zu den Schläfen hochgezogen, und unter den ebenfalls schwarz gefärbten Augenbrauen waren die Oberlider weiß bemalt. Dadurch wirkten seine Augen ausgesprochen unheimlich, was vermutlich beabsichtigt war.

»Du kannst einen König nicht wie einen Untergebenen behandeln«, sagte Ptolemaios Alexander steif.

»Es gibt auf der ganzen Welt keinen König, der nicht mein Untergebener ist«, erwiderte Sulla verächtlich. »Ich herrsche über Rom! Das macht mich zum mächtigsten Mann zwischen Ozean und Indus. Deshalb werdet Ihr mir zuhören, Majestät — und zwar, ohne mich zu unterbrechen! Ihr könnt nach Alexandria gehen und den Thron besteigen. Aber nur unter bestimmten Bedingungen. Ist das klar?«

»Was für Bedingungen?«

»Du mußt dein Testament machen und es hier in Rom bei den Vestalinnen hinterlegen. Es braucht nur ein einfaches Testament zu sein. Falls du ohne legitime Nachkommen stirbst, vermachst du das Königreich Ägypten Rom.«

Ptolemaios Alexander schnappte nach Luft. »Das kann ich nicht tun!«

»Du mußt tun, was ich dir sage, wenn du in Alexandria regieren willst. Das ist mein Preis. Wenn du ohne legitime Nachkommen stirbst, fällt Ägypten an Rom.«

Ptolemaios Alexanders schwarz umrandete Augen blickten verstört, und die Art, wie er sich auf die rot geschminkten, vollen Lippen biß, erinnerte Sulla an Philippus. »In Ordnung, ich akzeptiere deine Bedingung.« Er zuckte die Schultern. »Ich bin ohnehin kein Anhänger der alten ägyptischen Religion. Was kümmert es mich also, was nach meinem Tod ist?«

»Vortrefflich argumentiert«, meinte Sulla erfreut. »Ich habe meinen Sekretär mitgebracht, damit du das Dokument auf der Stelle aufsetzen kannst. Natürlich muß es mit dem königlichen Siegel und deiner persönlichen Kartusche versehen sein. Ich möchte nicht, daß es nach deinem Tod zu Streitereien kommt.« Sulla befahl einem ptolemäischen Diener, seinen Sekretär zu holen, und während er und Ptolemaios Alexander warteten, meinte er beiläufig: »Da wäre übrigens noch eine Bedingung.«

»Welche?« fragte Ptolemaios Alexander argwöhnisch.

»Soviel ich weiß, hat deine Großmutter Kleopatra III. auf einer Bank in Tyros zweitausend Talente in Gold hinterlegt. Mithridates hat nur das Geld bekommen, das sie auf Kos zurückließ. Und König Tigranes ist es bislang nicht gelungen, die Städte Phönikiens zu unterwerfen, weil er zu sehr mit den Juden beschäftigt ist. Du wirst also die zweitausend Talente in Gold Rom hinterlassen.«

Sullas Blick verriet, daß er keine Debatte wünschte. Ptolemaios Alexander zuckte erneut die Schultern und nickte.

Als Flosculus, der Sekretär, kam, ließ Ptolemaios Alexander sich von einem Sklaven Siegel und Kartusche bringen, und kurz darauf war das Testament geschrieben, unterzeichnet und beglaubigt.

»Ich werde es für dich hinterlegen«, sagte Sulla, »da du den Maueranger zum Vestatempel nicht überqueren darfst.«

Zwei Tage später verließ Ptolemaios Alexander der Jüngere mit der Delegation Rom und bestieg in Puteoli ein Schiff nach Africa; es war einfacher, das Mittelmeer an dieser Stelle zu überqueren und anschließend entlang der afrikanischen Küste von der römischen Provinz nach Kyrene und von dort nach Alexandria zu segeln. Außerdem wollte der neue König von Ägypten Mithridates und Tigranes aus dem Weg gehen und sich nicht auf sein Glück verlassen.

Im Frühjahr war aus Alexandria eine Eilmeldung eingetroffen. Ein als Kaufmann getarnter römischer Agent hatte berichtet, König Ptolemaios Alexander II. habe ein Desaster erlitten. Unmittelbar nach seiner sicheren Ankunft in Alexandria hatte er seine Halbschwester und leibliche Cousine, Königin Berenike, geheiratet. Er war genau neunzehn Tage König von Ägypten. In dieser Zeit entwickelte er offenbar eine so starke Abneigung gegen seine vierzigjährige Frau, Schwester, Cousine und Königin, daß er dieses in seinen Augen unbedeutende weibliche Wesen am Morgen des neunzehnten Tages schließlich ermordete. Sie hatte jedoch zuvor lange zusammen mit ihrem Vater regiert, und die Bürger Alexandrias verehrten sie. Noch am gleichen Tag stürmten die aufgebrachten Bürger den Palast, entführten König Ptolemaios Alexander II. und rissen ihn buchstäblich in Stücke — eine Vorführung, die auf dem Marktplatz für allgemeine Erheiterung sorgte. Ägypten hatte nun weder König noch Königin, und es herrschte Chaos im Land.

»Großartig!« rief Sulla, als er den Brief seines Agenten las. Unverzüglich schickte er eine Delegation römischer Senatoren unter Führung des ehemaligen Konsuls und Zensors Marcus Perperna mit König Ptolemaios Alexanders Testament nach Alexandria. Auf dem Rückweg sollten die Gesandten in Tyros das Gold abholen.

Bis zum Neujahrstag des dritten Jahres von Sullas Herrschaft hatte man nichts mehr gehört.

»Auf der ganzen Reise waren wir vom Pech verfolgt«, berichtete Marcus Perperna. »Vor Kreta erlitten wir Schiffbruch und wurden von Piraten gefangengenommen. Es dauerte zwei Monate, bis in den Städten auf dem Peloponnes genug Geld beisammen war, um uns freizukaufen. Anschließend segelten wir nach Kyrene und von dort entlang der libyschen Küste nach Alexandria.«

»Mit einem Piratenschiff?« fragte Sulla. Trotz der schlimmen Nachricht war ihm zum Lachen zumute. Perperna sah so alt und abgezehrt aus — und verängstigt!

»Gut geraten. Ja, mit einem Piratenschiff.«

»Und was geschah in Alexandria?«

»Nichts Gutes, Lucius Cornelius. Nichts Gutes!« Perperna stieß einen tiefen Seufzer aus. »Die Alexandriner hatten rasch und sicher gehandelt. Sie wußten genau, wen sie nach der Ermordung König Ptolemaios Alexanders rufen mußten.«

»Wen, Perperna?«

»Die beiden unehelichen Söhne des Ptolemaios Soter Kichererbse, Lucius Cornelius. Sie baten König Tigranes in Syrien, ihnen die beiden jungen Männer zu schicken. Der ältere sollte Ägypten regieren, der jüngere Zypern.«

»Sehr geschickt, aber nicht unerwartet«, meinte Sulla. »Erzähl weiter.«

»Als wir in Alexandria eintrafen, saß König Ptolemaios Auletes bereits auf dem Thron, und mit ihm seine Frau, Königin Kleopatra Tryphaena, die Tochter von König Mithridates. Sein jüngerer Bruder, den die Alexandriner Ptolemaios den Zyprer genannt hatten, wurde als Regent nach Zypern geschickt. Seine Frau — ebenfalls eine Tochter des Mithridates — ging mit ihm.«

»Und wie ist ihr Name?«

»Mithridatidis Nyssa.«

»Das Ganze ist gesetzwidrig«, meinte Sulla und runzelte die Stirn.

»Nicht für die Alexandriner!«

»Weiter, Perperna! Erzähl mir das Schlimmste.«

»Natürlich zeigten wir den Alexandrinern das Testament und erklärten, wir seien gekommen, um das Königreich Ägypten formell als Provinz an das römische Reich anzugliedern.«

»Und was sagten sie dazu, Perperna?«

»Sie lachten uns aus, Lucius Cornelius. Ihre Anwälte versuchten, die Ungültigkeit des Testaments zu beweisen. Schließlich wiesen sie auf den König und die Königin hin, um uns zu zeigen, daß sie rechtmäßige Thronerben gefunden hatten.«

»Aber sie sind keine rechtmäßigen Erben!«

»Nur nach römischem Recht. Nach ägyptischem Recht — das offenbar größtenteils aus Gesetzen besteht, die ganz spontan erlassen wurden — sind der König und die Königin legitim.«

»Was hast du also getan, Perperna?«

»Was sollte ich denn tun, Lucius Cornelius? In Alexandria wimmelte es von Soldaten. Wir konnten unseren römischen Göttern nur danken, daß wir lebend und unversehrt aus Ägypten herauskamen.«

»Schon gut«, sagte Sulla, der seine Wut gar nicht erst an unwürdige Personen verschwendete. »Trotzdem, Tatsache bleibt, daß das Testament gültig ist. Ägypten gehört jetzt Rom.« Er trommelte mit den Fingern auf das Schreibpult. »Leider kann Rom im Augenblick nicht viel tun. Ich mußte bereits vierzehn Legionen nach Spanien schicken, um mit Quintus Sertorius fertigzuwerden, und ich habe keine Lust, die Staatskasse durch einen Feldzug am anderen Ende der Welt noch mehr zu belasten. Nicht jetzt, wo Tigranes rücksichtslos und ungehindert über einen Großteil Syriens hinwegzieht und die parteiischen Erben in einen Bürgerkrieg verwickelt sind. Hast du das Testament noch?«

»O ja, Lucius Cornelius.«

»Dann werde ich morgen den Senat über die Vorfälle unterrichten und das Testament den Vestalinnen zurückgeben, bis Rom es sich leisten kann, Ägypten gewaltsam zu annektieren. Das ist vermutlich die einzige Möglichkeit, um an unsere Erbschaft zu kommen.«

»Ägypten ist sagenhaft reich.«

»Das ist mir nicht neu, Perperna. Die Ptolemäer sitzen auf dem größten Schatz der Welt und herrschen über eines der reichsten Länder.« Sullas Gesichtsausdruck deutete an, daß er fertig war, aber dann fügte er noch hinzu: »Die zweitausend Talente in Gold aus Tyros hast du wohl auch nicht bekommen, oder?«

»O doch, mühelos, Lucius Cornelius«, sagte Perperna verstört. »Als wir das Testament vorlegten, wurde uns das Geld sofort ausgehändigt. Auf dem Rückweg, wie du befohlen hast.«

Sulla brach in schallendes Gelächter aus. »Gut gemacht, Perperna! Da kann ich dir das Debakel in Alexandria ja beinahe verzeihen!« Erfreut rieb er sich die Hände. »Eine willkommene Aufbesserung der Staatskasse. Der Senat wird das sicher genauso sehen. Zumindest mußte das arme Rom nicht eine Delegation bezahlen, ohne dafür ausreichend finanziell entschädigt zu werden.«

Sämtliche Könige im Osten machten Schwierigkeiten — ein Nachteil, mit dem Rom sich abfinden mußte, weil Sulla aufgrund interner Streitigkeiten in der Stadt nicht lange genug im Osten bleiben konnte, um Mithridates und Tigranes für immer unschädlich zu machen. Kaum war Sulla nach Hause gesegelt, da versuchte Mithridates erneut, Kappadokien zu annektieren, und Lucius Licinius Murena, der damalige Statthalter der Provinzen Asia und Cilicia, begann sofort einen Krieg mit ihm — ohne Sullas Wissen oder Erlaubnis und entgegen dem Vertrag von Dardanos. Eine Zeitlang schlug Murena sich recht wacker, bis es aufgrund seines Übermuts in Pontos zu einer Reihe verheerender Zusammenstöße mit Mithridates kam. Sulla mußte den älteren Aulus Gabinius losschicken, um Murena in seine Provinzen zurückzubeordern. Aber noch ehe er Murena wegen seines leichtsinnigen Verhaltens bestrafen konnte, kam es zur Konfrontation mit Pompeius. Murena durfte im Triumphzug heimkehren, und Pompeius nahm seinen Platz ein.

In der Zwischenzeit hatte Tigranes die vergangenen sechs Jahre dazu benutzt, sein Königreich Armenien nach Süden und Westen auszudehnen und in Gebiete des Partherkönigs und in das rasch zerfallende Königreich Syrien vorzudringen. Er erkannte seine Chance, als er erfuhr, daß der alte Partherkönig Mithridates zu krank sei, um die geplante Invasion Syriens durchzuführen — und zu krank, um zu verhindern, daß die barbarischen Massageten seine Ländereien im Norden und Osten Parthiens einnahmen und sein Sohn Gotarzes Babylonia an sich riß.

Wie Tigranes selbst einst prophezeit hatte, hatte der Tod des Partherkönigs einen Erbfolgekrieg ausgelöst, der noch dadurch erschwert wurde, daß der Alte offiziell drei Gemahlinnen gehabt hatte — zwei waren seine Halbschwestern väterlicherseits, und die dritte war keine geringere als Automa, eine Tochter des Tigranes. Wahrend die Söhne der verschiedenen Mütter um das noch verbliebene Erbe stritten, spaltete sich eine weitere wichtige Satrapie ab — das sagenhaft reiche Elymais, durchzogen von den östlichen Nebenflüssen des Tigris, Choaspes und Pasitigris. Damit waren die schlickfreien Häfen im Osten des Euphrat-Tigris-Deltas ebenso verloren wie die Stadt Susa, ein Sitz der Partherkönige. Aber die Söhne des alten Königs Mithridates kümmerten sich nicht darum und setzten ihren Streit fort.

Auch Tigranes führte weiter Krieg. Im Todesjahr des Gaius Marius fiel er nacheinander in die Königreiche Sophene, Gordyene, Adiabene und Osrhoene ein. Nach deren Eroberung gehörten Tigranes jetzt sämtliche Gebiete am Ostufer des Euphrat, von Tomisa bis hinunter nach Europus; die großen Städte Amida, Edessa und Nisibis fielen ihm ebenso zu wie die Zollgebühren, die entlang des großen Flusses erhoben wurden. Aber anstatt das Einziehen der Zollgebühren den Armeniern zu überlassen, zog Tigranes die Skenitischen Araber auf seine Seite, welche die unfruchtbaren Gegenden zwischen Euphrat und Tigris südlich von Osrhoene kontrollierten und von jeder Karawane, die ihr Gebiet passierte, Wegzoll forderten. Obwohl die Skeniter Nomaden waren, siedelte Sulla sie in Edessa und Carrhae an und machte sie in Samosata und Zeugma am Euphrat zu Zolleintreibern. Ihr König - Abgar mit Namen — war jetzt Tigranes’ Klient, und die griechischsprechende Bevölkerung der vom armenischen König unterworfenen Städte mußte in jene Teile Armeniens emigrieren, wo die griechische Sprache bislang unbekannt war. Tigranes wollte unbedingt der kultivierte Herrscher eines hellenisierten Königreichs sein — und wie konnte er sein Reich besser hellenisieren als durch die Schaffung griechischer Siedlungen?

Als Kind war Tigranes vom König der Parther in Seleukeia am Tigris, weit weg von Armenia, als Geisel festgehalten worden. Als sein Vater starb, war er der einzige männliche Nachkomme gewesen, aber der Partherkönig hatte für die Freilassung des jungen Tigranes einen hohen Preis verlangt — siebzig Täler in Media Atropatene, dem reichsten Teil Armeniens. Jetzt marschierte Tigranes in Media Atropatene ein und eroberte die siebzig Täler zurück, wo es Gold, Lapislazuli, Türkise und saftige Weiden im Überfluß gab.

Tigranes mußte jedoch feststellen, daß er für die wachsende Zahl seiner Reiter, die von Kopf bis Fuß in einer gepanzerten Rüstung steckten, nicht genügend nisäische Pferde hatte. Die Pferde, die ebenfalls durch einen Schuppenpanzer geschützt waren, mußten kräftig sein, um die Last tragen zu können. Im darauffolgenden Jahr marschierte Tigranes deshalb in Media Magna, der Heimat der nisäischen Pferde, ein und gliederte es an Armenien an. Ekbatana, der Sommersitz der Partherkönige — und davor der Sommersitz der Könige von Media und Persien, darunter auch Alexanders des Großen — wurde niedergebrannt, und der prächtige Palast wurde geplündert.

Drei Jahre waren vergangen. Während Sulla langsam auf der italischen Halbinsel vorrückte, hatte Tigranes seine Aufmerksamkeit dem Westen zugewandt und war über den Euphrat in die Commagene einmarschiert. Ohne auf Widerstand zu stoßen, nahm er sämtliche Gebiete im Norden Syriens zwischen dem Amanus- und dem Libanon-Gebirge ein, darunter das mächtige Antiochia und die Ebene des Nähr el Assi. Sogar ein Teil Cilicia Pedias fiel ihm zu.

Syrien war hellenisiertes Territorium; die Bevölkerung sprach Griechisch und stand unter dem Einfluß griechischen Brauchtums. Kaum hatte Tigranes sich in Syrien Autorität verschafft, da schickte er ganze Bevölkerungsgruppen mit ihren Familien in seine neu erbaute Hauptstadt Tigranocerta. Handwerker wurden bevorzugt; kein einziger durfte in Syrien bleiben. Der König war sich bewußt, daß die Griechen vor der medischen Bevölkerung beschützt werden mußten. Deshalb wurden die Meder unter Androhung der Todesstrafe angewiesen, die neuen Mitbürger freundlich und zuvorkommend zu behandeln.

Während Sulla sich per Gesetz zum Diktator von Rom ernennen ließ, nahm Tigranes formell den langersehnten Titel König der Könige an. Königin Kleopatra Selene von Syrien, jüngste Schwester und einstige Gemahlin des Ptolemaios Soter Kichererbse, die an der Seite mehrerer seleukidischer Herrscher Syrien regiert hatte, wurde aus Aritiochia vertrieben und mußte in einem kleinen Dorf am Ufer des Euphrat in ärmlichen Verhältnissen leben; ihren Platz im Palast von Antiochia nahm der Satrap Magadates ein, der im Namen Tigranes’, des Königs der Könige, Syrien regieren sollte.

König der Könige, dachte Sulla zynisch; alle Herrscher im Osten hielten sich für den König der Könige. Wie es schien, sogar die beiden unehelichen Söhne des Ptolemaios Soter Kichererbse, die jetzt mit ihren Frauen, den Töchtern des Mithridates, in Ägypten und Zypern herrschten. Aber das Testament des toten Ptolemaios Alexander war echt; keiner wußte das besser als Sulla, der bei der Niederschrift des Dokuments zugegen gewesen war. Früher oder später würde Ägypten zu Rom gehören. Vorerst regierte Ptolemaios Auletes noch in Alexandria; aber diese Marionette des Mithridates und Tigranes sollte fortan keine ruhige Minute mehr haben! Der Senat von Rom würde regelmäßig Boten nach Alexandria schik- ken und Ptolemaios Auletes auffordern, zugunsten Roms, der wahren Besitzerin Ägyptens, zurückzutreten.

König Mithridates von Pontos, der in der eisigen Kälte des Kaukasus zweihunderttausend Mann verloren hatte, mußte erneut daran gehindert werden, Kappadokien zu annektieren. Während Mithridates sich schriftlich bei Sulla darüber beschwert hatte, daß Murena vierhundert Dörfer entlang des Kisil-Irmak geplündert und niedergebrannt hatte, hatte er selbst das kappadokische Ufer des Kisil-Irmak eingenommen. Um diese List legitim erscheinen zu lassen, hatte er König Ariobarzanes von Kappadokien eine seiner Töchter zur Braut gegeben. Als Sulla erfuhr, daß das Mädchen erst vier Jahre alt war, schickte er einen Boten zu König Mithridates und befahl ihm im Namen Roms, ganz auf Kappadokien zu verzichten, Braut hin oder her. Der Bote kehrte mit einem Brief des Königs von Pontos zurück, worin Mithridates versprach, sich dem Befehl zu beugen. Zudem ließ er Sulla wissen, daß er eine Delegation nach Rom entsenden werde, um den Vertrag von Dardanos zu ratifizieren.

»Er sollte lieber darauf achten, daß seine Gesandten nicht herumtrödeln«, murmelte Sulla vor sich hin, während er seine Frau suchte. Sie war ganz in der Nähe, und in ihrer Gegenwart schloß er seine Betrachtungen ab. »Wenn sie herumtrödeln, werde ich nicht mehr hier sein, um mit ihnen zu feilschen — und dann viel Glück beim Feilschen mit dem Senat!«

»Was hast du gesagt, Liebster?« fragte Valeria verwirrt.

»Nichts. Gib mir einen Kuß.«

Valeria Messalas Küsse waren so süß wie sie selbst. Insofern war diese vierte Ehe für Sulla ein angenehmes Erlebnis, wenn auch kein anregendes. Zum Teil lag das sicher an seinem Alter und an seinen Gebrechen, vor allem aber daran, daß es den adligen Römerinnen an Verführungskünsten und Sinnlichkeit mangelte. Sie konnten sich im Bett einfach nicht genügend entspannen und waren nicht so ausgelassen, wie der Diktator es sich wünschte. Nun, da seine Potenz nachließ, brauchte er mehr Stimulanz. Warum konnten Frauen einen Mann zwar wahnsinnig lieben, ihm aber dennoch seine sexuellen Wünsche nicht voll und ganz erfüllen?

»Ich denke, Frauen sind wie Gefäße, Lucius Cornelius«, sagte Varro, der das Pech hatte, auf diese Frage antworten zu müssen.

»Sie sind dazu bestimmt, Dinge aufzunehmen, vom Penis des Mannes bis hin zu einem Kind, und deshalb müssen sie passiv sein. Dasselbe gilt für Tiere. Das Männchen ist der aktive Teil und muß seinen übermäßigen Trieb befriedigen, indem es mehrere Weibchen deckt.«

Eigentlich war Varro gekommen, um Sulla davon zu unterrichten, daß Pompeius Rom einen kurzen Besuch abstatten wolle, und um sich zu erkundigen, ob Sulla den jungen Mann empfangen werde. Aber noch hatte er nicht den richtigen Moment erwischt, um seine Frage vorzubringen.

Sulla hob die Augenbrauen. »Meinst du, mein lieber Varro, daß ein anständig verheirateter Mann mit der Hälfte der Frauen Roms schlafen muß?«

»Nein, natürlich nicht!« stieß Varro hervor. »Da alle Frauen passiv sind, könnte er keine Befriedigung finden.«

»Heißt das, daß ein Mann sich seine Geschlechtspartner unter Männern suchen sollte, wenn er seine Fleischeslust befriedigen will?« fragte Sulla mit ernster Miene.

»Oh! Ah! Äh!« quiekte Varro und wand sich wie ein eingeklemmter Tausendfüßler. »Nein, Lucius Cornelius, natürlich nicht! Bestimmt nicht!«

»Was soll ein anständig verheirateter Mann dann tun?«

»Ich beschäftige mich zwar mit natürlichen Phänomenen, aber um solche Fragen zu beantworten, bin ich nicht qualifiziert oder erfahren genug«, stammelte Varro. Insgeheim wünschte er, er hätte diesen unbequemen, verblüffenden Mann nicht aufgesucht. Aber in den Monaten, in denen Varro Sullas runzliges Gesicht gesalbt hatte, hatte Sulla eine große Zuneigung zu ihm entwickelt, und er war beleidigt, wenn Varro ihm nicht seine Aufwartung machte.

»Beruhige dich, Varro, ich habe nur Spaß gemacht«, meinte Sulla lachend.

»Bei dir weiß man ja nie, Lucius Cornelius.« Varro überlegte, mit welchen Worten er Pompeius’ Besuch am besten ankündigte. Varro war kein Dummkopf. Er wußte, daß die Gefühle des Diktators gegenüber Pompeius zwiespältig waren.

Sulla ahnte nicht, wie Varro im Geiste mit Worten jonglierte, nur um einen einfachen Satz zu formulieren. »Wie ich hörte«, sagte er, »hat Varro Lucullus es endlich geschafft, seine Adoptivschwester, also deine Cousine, an den Mann zu bringen.«

»Du meinst Terentia?« Varros Gesicht hellte sich auf. »Oh! Ein wirklicher Glücksfall!«

»Es ist lange her, daß eine wohlhabende Frau wie Terentia so viel Mühe hatte, einen Mann zu finden«, meinte Sulla, der mittlerweile alle Arten von Klatsch liebte.

»Dieser Fall verhält sich etwas anders«, sagte Varro, um Zeit zu gewinnen. »Es findet sich immer ein Mann, der bereit ist, eine wohlhabende Frau zu heiraten. Das Problem bei Terentia war, daß sie sich keinen der Männer anschauen wollte, die ihre Familie für sie ausgesucht hatte. Sie ist wirklich die schlimmste Xanthippe Roms!«

Sullas Lächeln war einem breiten Grinsen gewichen. »Du meinst wohl, sie blieb lieber zu Hause und machte Varro Lucullus das Leben zur Hölle.«

»Vielleicht. Obwohl sie ihn sicher gern hat. Ihr Naturell ist schuld. Aber was kann sie dafür, schließlich wurde es ihr in die Wiege gelegt.«

»Was geschah also? Liebe auf den ersten Blick?«

»Ganz bestimmt nicht. Die Sache wurde von unserem Freund Titus Pomponius eingefädelt, der wegen seiner Vorliebe für Athen jetzt Atticus genannt wird. Anscheinend kennen sich er und Marcus Tullius Cicero schon seit vielen Jahren. Seit du alles kontrollierst Lucius Cornelius, kommt Atticus mindestens einmal im Jahr nach Rom.«

»Ich weiß«, sagte Sulla. Er verübelte Atticus seine Spekulationsgeschäfte nicht mehr als Crassus — durch die Art, wie Crassus die Proskriptionen zu seinem Vorteil manipuliert hatte, war er bei Sulla in Ungnade gefallen.

»Jedenfalls ist mit Ciceros Ruhm als Anwalt auch sein Ehrgeiz gewachsen. Aber seine Taschen sind leer. Deshalb mußte er eine reiche Erbin heiraten. Zunächst sah es so aus, als müßte er eines dieser entsetzlich durchschnittlichen Mädchen zur Frau nehmen, die unsere etwas zweifelhaften Plutokraten offenbar im Überfluß zeugen. Aber dann schlug Atticus Terentia vor.« Varro hielt inne und sah Sulla fragend an. »Kennst du Marcus Tullius Cicero überhaupt?«

»Als er noch ein Junge war, kannte ich ihn ganz gut. Mein verstorbener Sohn, der jetzt ungefähr im selben Alter wäre, war mit ihm befreundet. Damals hielt man Cicero für einen Wunderknaben. Nach dem Tod meines Sohnes und vor der Sache mit Sextus Roscius von Ameria sah ich ihn nur während des Bundesgenossenkrieges. Er war in der Campania mein Zeltkamerad. Seitdem hat er sich kaum verändert — nur, daß er jetzt sein eigentliches Betätigungsfeld gefunden hat. Er ist noch genauso pedantisch, redselig und selbstbewußt wie eh und je. Eigenschaften, die ihm als Anwalt zustatten kommen. Ich gebe offen zu, daß er sich hervorragend ausdrücken kann. Und er ist ein heller Kopf! Das Schlimme ist nur, daß er mit Gaius Marius verwandt ist. Sie stammen beide aus Arpinum.«

Varro nickte. »Atticus sprach mit Varro Lucullus, und dieser erklärte sich bereit, Terentia Ciceros Antrag zu übermitteln. Zu seiner Überraschung wollte sie Cicero unbedingt kennenlernen. Sie hatte von seinen überragenden Fähigkeiten bei Gericht gehört und erklärte gegenüber Varro Lucullus, sie wolle einen Mann heiraten, der imstande sei, Ruhm zu erlangen. Cicero sei vermutlich solch ein Mann.«

»Wie hoch ist ihre Mitgift?«

»Sehr hoch! Zweihundert Talente.«

»Dann müssen bei ihr die Bewerber ja Schlange stehen! Und sicher sind ein paar ganz hübsche Burschen darunter. Langsam fange ich an, Terentia zu bewundern, denn offenbar ist sie gegen Roms erfahrenste Mitgiftjäger gefeit.«

»Terentia ist häßlich, mürrisch, streitsüchtig und geizig«, sagte ihr Cousin bedächtig. »Sie ist jetzt einundzwanzig und immer noch allein. Normalerweise sollen Mädchen dem Familienoberhaupt gehorchen und den Mann heiraten, der für sie ausgewählt wurde, aber es gibt keinen Mann — tot oder lebendig —, der Terentia etwas befehlen kann, was sie nicht will.«

»Und der arme Varro Lucullus ist so ein netter Mann«, meinte Sulla amüsiert.

»Genau.«

»Dann hat Terentia Cicero also getroffen?«

»Ja. Und zum Erstaunen aller war sie sogar bereit, ihn zu heiraten.«

»Glücklicher Cicero! Auch ein Günstling Fortunas. Ihr Geld kommt ihm sicher sehr gelegen.«

»Das glaubst du«, sagte Varro grimmig. »Sie selbst setzte den Ehevertrag auf und behielt die vollständige Kontrolle über ihr Vermögen. Sie erklärte sich lediglich bereit, allfälligen Töchtern eine Mitgift zu zahlen und sich an der Finanzierung der Karriere ihrer Söhne zu beteiligen. Aber was Cicero angeht — er ist nicht der Mann, um Terentia unterzukriegen.«

»Wie ist er eigentlich so als Mensch, Varro?«

»Ganz nett. Ich glaube, er hat einen weichen Kern. Aber er ist hochmütig, unerträglich eingebildet und fest davon überzeugt, daß sich keiner vom Verstand her mit ihm messen kann. . . Ein erfolgssüchtiger Aufsteiger. Er haßt es, daran erinnert zu werden, daß er mit Gaius Marius entfernt verwandt ist. Wäre Terentia eine dieser entsetzlich durchschnittlichen Töchter unserer etwas zweifelhaften Plutokraten gewesen, hätte er sie wahrscheinlich gar nicht angesehen. Aber ihre Mutter war Patrizierin und früher einmal mit Quintus Fabius Maximus verheiratet. Das bedeutet, daß die Vestalin Fabia ihre Halbschwester ist. Deshalb war Terentia >gut genug<, wenn du weißt, was ich meine.« Varro schnitt eine Grimasse. »Cicero ist ein Ikarus, Lucius Cornelius. Er will sich emporschwingen ins Reich der Sonne — als Neuling ohne einen Sesterz ein gefährliches Unterfangen.«

»Arpinum scheint nur solche Burschen hervorzubringen«, meinte Sulla. »Wie gut für Rom, daß dieser neue Mann aus Arpinum keine militärischen Fähigkeiten besitzt!«

»Wie ich hörte, soll das Gegenteil der Fall sein.«

»Oh, ich weiß es besser. Als er mein Zeltkamerad war, war er auch mein Sekretär. Beim bloßen Anblick eines Schwertes wurde er kreidebleich. Aber ich hatte nie einen besseren Sekretär! Wann ist die Hochzeit?«

»Erst nach den ludi Romani im September.« Varro lachte. »Varro Lucullus und sein Bruder haben im Moment nichts anderes im Kopf, als die besten Spiele vorzubereiten, die Rom je erlebt hat.«

»Schade, daß ich nicht in Rom sein kann, um sie zu sehen«, sagte Sulla, ohne dabei ein trauriges Gesicht zu machen.

Einen Moment lang herrschte Schweigen. Varro nutzte die Gelegenheit, bevor Sulla ein anderes Thema anschnitt. »Weißt du eigentlich, Lucius Cornelius, daß Gnaeus Pompeius Magnus in Kürze nach Rom kommt?« fragte er zaghaft. »Er würde dich gern aufsuchen, aber er weiß ja, wie beschäftigt du bist.«

»Nicht zu beschäftigt, um Magnus zu sehen«, meinte Sulla vergnügt. Er sah Varro scharf an. »Läufst du immer noch mit Papier und Feder hinter ihm her, um jeden Furz aufzuschreiben, Varro?«

Varro wurde knallrot; bei Sulla wußte man nie, wie er selbst über die harmlosesten Dinge dachte. Glaubte er vielleicht, daß Varro seine Zeit besser damit verbringen sollte, alle Taten (oder jeden Furz) des Lucius Cornelius Sulla aufzuschreiben? »Hin und wieder tue ich das«, sagte Varro kleinlaut. »Es begann durch Zufall, weil wir gerade zusammen waren, als der Krieg ausbrach und ich gegen Pompeius’ Enthusiasmus nicht gefeit war. Er sagte, ich solle über Geschichte schreiben, nicht über Naturkunde. Und das tue ich. Aber ich bin nicht Pompeius’ Biograph.«

»Gut geantwortet!«

So kam es, daß Varro sich erst einmal den Schweiß vom Gesicht wischen mußte, als er das Haus des Diktators auf dem Palatin verließ. Sie hatten endlos über den Löwen und den Fuchs in der Person Sullas gesprochen, obwohl Varro insgeheim der Meinung war, daß nur eine gewöhnliche Katze in ihm steckte.

Aber Varro hatte seine Sache gut gemacht. Als Pompeius mit seiner Frau in Rom eintraf und sich im Haus seiner Familie in Carinae einquartierte, konnte Varro ihm mitteilen, daß Sulla ihn empfangen und ihm genügend Zeit für eine gemütliche Plauderei widmen wolle. So hatte Sulla sich ausgedrückt, aber natürlich war das ironisch gemeint. Eine gemütliche Plauderei mit Sulla konnte sich am Ende als Balanceakt erweisen.

Aber ach, das Selbstvertrauen und die Eitelkeit der Jugend! Pompeius, der in wenigen Monaten siebenundzwanzig wurde, trat Sulla ohne Bedenken gegenüber.

»Und wie bekommt dir die Ehe?« fragte der Diktator freundlich.

Pompeius strahlte. »Wunderbar! Was für eine Frau hast du da für mich ausgesucht, Lucius Cornelius! Sie ist schön, gebildet und reizend. Und sie ist schwanger. Ende dieses Jahres wird sie meinen ersten Sohn zur Welt bringen.«

»Ein Sohn, was? Bist du sicher, daß es ein Sohn wird, Magnus?«

»Absolut sicher.«

Sulla lachte still in sich hinein. »Nun, du bist ein Günstling Fortunas, Magnus, deshalb wird es vermutlich ein Sohn. Gnaeus junior... Der Schlächter, der kleine Schlächter und der jüngste Schlächter.«

»Das gefällt mir!« rief Pompeius aus. Er war überhaupt nicht beleidigt.

»Du begründest eine Tradition«, erklärte Sulla feierlich.

»Ja, drei Generationen!«

Pompeius lehnte sich zufrieden zurück. Dann bemerkte Sulla, wie die Freude aus Pompeius’ großen blauen Augen verschwand; er wirkte plötzlich vorsichtig und nachdenklich. Sulla wartete, bis Pompeius mit der Sprache herausrückte.

»Lucius Cornelius... «

»Ja?«

»Dieses Gesetz, das du verkündet hast — das, wonach der Senat sich außerhalb der eigenen Reihen umsehen soll, wenn unter den Senatoren kein Befehlshaber zu finden ist...«

»Du meinst die Sondervollmacht?«

»Ja.«

»Was ist damit?«

»Könnte sie mir zufallen?«

»Möglich.«

»Aber nur, wenn sich innerhalb des Senats niemand freiwillig meldet.«

»Das stimmt nicht ganz, Magnus. Es heißt, wenn sich im Senat kein geeigneter und erfahrener Befehlshaber meldet.«

»Und wer entscheidet darüber?«

»Der Senat.«

Nach einer Weile meinte Pompeius scheinbar beiläufig: »Es wäre gut, viele Klienten im Senat zu haben.«

»Das ist immer gut, Magnus.«

An dieser Stelle entschied Pompeius offensichtlich, das Thema zu wechseln. »Wer wird eigentlich im nächsten Jahr Konsul?« fragte er.

»Zunächst einmal Catulus. Obwohl ich noch nicht entschieden habe, ob er erster oder zweiter Konsul werden soll. Vor einem Jahr schien alles klar zu sein, aber jetzt bin ich nicht mehr so sicher.«

»Catulus ist ein Pedant — wie Metellus Pius.«

»Vielleicht. Aber leider weder so alt noch so weise.«

»Meinst du, Metellus Pius kann Sertorius schlagen?«

»Zuerst wahrscheinlich nicht«, sagte Sulla lächelnd. »Aber denke nicht zu geringschätzig von meinem Ferkel, Magnus. Es dauert zwar eine Weile, bis er in Schwung kommt, aber wenn es soweit ist, macht er seine Sache ausgezeichnet.«

»Pah! Er ist doch eine alte Frau!« meinte Pompeius verächtlich.

»Zu meiner Zeit habe ich einige sehr tapfere alte Frauen gekannt, Magnus.«

Pompeius kam wieder zum Thema. »Wer wird noch Konsul?«

»Lepidus.«

»Lepidus?« Pompeius starrte Sulla mit offenem Mund an.

»Hast du etwas dagegen?«

»Ich sagte nicht, daß ich etwas dagegen habe, Lucius Cornelius. Aber ehrlich gesagt, habe ich das. Ich hätte nicht gedacht, daß du ihm wohlwollend gegenüberstehst. Dafür war er nicht unterwürfig genug.«

»Glaubst du wirklich, daß ich die hohen Ämter nur Leuten übertrage, die mir in den Hintern kriechen?«

Das mußte man Pompeius lassen, ängstlich war er nicht. Und während Sulla sich insgeheim amüsierte, erwiderte er: »Eigentlich nicht. Aber sicher hast du die hohen Ämter nicht Männern übertragen, die aus ihrer Abneigung gegen dich keinen Hehl machen, so wie Lepidus.«

»Warum sollte ich?« fragte Sulla erstaunt. »Ich bin doch nicht so dumm und gebe denen die hohen Posten, die meine Autorität untergraben könnten!«

»Aber warum dann Lepidus?«

»Ich werde zurücktreten, bevor er sein Amt antritt. Lepidus will hoch hinaus. Ich hielt es für besser, ihn noch zu meinen Lebzeiten zum Konsul zu machen.«

»Er ist ein guter Mann.«

»Weil er mich öffentlich verhört hat? Oder trotzdem?«

Aber Pompeius wollte sich nicht weiter über dieses Thema auslassen. Obwohl Lepidus’ Ernennung zum Konsul seiner Ansicht nach für Sulla untypisch war, interessierte er sich kaum dafür. Sein Interesse galt Sullas Vorkehrungen hinsichtlich der Sondervollmacht. Als er davon erfahren hatte, hatte er sich gefragt, was er damit zu tun haben könnte, aber damals hatte er noch nicht vorgehabt, Sulla danach zu fragen. Jetzt, fast zwei Jahre nach Erlaß des Gesetzes, hielt er es für angebracht, vorsichtig nachzuhaken anstatt direkt zu fragen. Der Diktator hatte natürlich recht. Es war schon schwer genug, als Senatsmitglied seine Ziele zu erreichen; aber als Nichtmitglied etwas vom Senat zu erbitten, war überaus schwierig.

Nachdem Pompeius sich von Sulla verabschiedet hatte, machte er sich in Gedanken versunken auf den Heimweg. Zunächst würde er im Senat Anhänger finden müssen. Und danach würde er eine kleinere Gruppe von Männern um sich scharen, die bereit waren - gegen entsprechende Bezahlung versteht sich —, in seinem Auftrag tatkräftig zu intrigieren und sich sogar an geheimen Aktivitäten zu beteiligen. Aber wo anfangen?

Plötzlich blieb Pompeius stehen, drehte sich um und lief behend, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, wieder den Clivus Victoriae hinauf — in einer Toga eine beachtliche Leistung. Philippus! Er würde mit Philippus anfangen.

Es war lange her, seit Lucius Marcius Philippus Gaius Marius in dessen Villa am Meer besucht hatte, um diesem gefährlichen Mann mitzuteilen, daß er, Philippus, zum Volkstribun ernannt worden sei, und ihn zu fragen, was er für ihn tun könne — gegen entsprechende Bezahlung natürlich. Nur Philippus wußte, wie oft er schon im Geiste die Toga hingeworfen hatte. Aber er hatte stets überlebt und sogar sein Ansehen gestärkt. Als Pompeius ihn aufsuchte, war er Konsular und ehemaliger Zensor und zählte zu den Ältesten im Senat. Viele haßten ihn, und nur wenige mochten ihn wirklich, aber trotzdem war er eine Autorität; irgendwie hatte er die meisten davon überzeugt, daß er ein bedeutender und einflußreicher Mann war.

Philippus fand das Gespräch mit Pompeius amüsant und anregend. Bisher hatte er nicht viel mit Sullas Günstling zu tun gehabt, aber er wußte sehr gut, daß Rom mit Pompeius einen jungen Mann hervorgebracht hatte, der Beachtung verdiente. Außerdem war Philippus wieder einmal blank. Oh, nicht wie früher! Sullas Proskriptionen hatten sich als überaus fruchtbare Einnahmequelle erwiesen, und er hatte für ein paar Tausender Besitzungen im Wert von mehreren Millionen erstanden. Aber wie viele Männer seines Schlages war Philippus kein guter Verwalter. Das Geld zerrann ihm schneller unter den Händen, als er es einnehmen konnte. Er war weder imstande, seine ländlichen Betriebe zu überwachen, noch zuverlässige Leute auszuwählen.

»Kurzum, Gnaeus Pompeius, ich bin das genaue Gegenteil von Marcus Licinius Crassus. Er hat noch immer seinen ersten Sesterz und scheffelt jetzt Millionen. Seine Leute schlottern vor Angst, wenn sie ihn sehen. Meine lächeln verstohlen.«

»Du brauchst einen Chrysogonus«, sagte Pompeius.

Philippus, der schon immer zur Fettleibigkeit geneigt hatte, war mit den Jahren noch schwammiger geworden, und seine braunen Augen verschwanden fast zwischen den geschwollenen Oberlidern und den dicken Tränensäcken. Diese Augen blickten den jungen Ratgeber jetzt überrascht und mißtrauisch an: Philippus war es nicht gewohnt, gönnerhaft behandelt zu werden.

»Chrysogonus endete aufgespießt unter dem Tarpeischen Felsen!«

»Trotz seines Schicksals war Chrysogonus für Sulla von großem Nutzen«, sagte Pompeius. »Er mußte sterben, weil er sich an den Proskriptionen bereichert hatte — nicht, weil er seinen Gönner direkt bestohlen hatte. In den vielen Jahren, in denen er in Sullas Dienst stand, arbeitete er unermüdlich. Glaub mir, Lucius Marcius, du brauchst einen Chrysogonus.«

»Aber ich habe keine Ahnung, wie ich einen finden soll.«

»Wenn du willst, besorge ich dir einen.«

Vor Staunen traten die tiefliegenden Augen jetzt aus ihren Höhlen hervor. »Oh! Aber warum willst du das tun, Gnaeus Pompeius?«

»Nenn mich Magnus«, sagte Pompeius ungeduldig.

»Magnus.«

»Weil ich deine Hilfe brauche, Lucius Marcius.«

»Nenn mich Philippus.«

»Philippus.«

»Wie könnte ich dir helfen, Magnus? Du bist reicher, als die meisten ahnen — sogar reicher als Crassus, wenn ich das sagen darf. Du bist erst Mitte Zwanzig und schon ein berühmter Feldherr, und du stehst hoch in Sullas Gunst — was schwer zu erreichen ist. Ich habe es versucht, aber nie geschafft.«

»Aber Sulla tritt zurück«, sagte Pompeius bedächtig. »Und wenn es soweit ist, werde ich wieder in Vergessenheit geraten. Vor allem, wenn Männer wie Catulus und die Dolabella die Hände im Spiel haben. Ich bin nicht Mitglied des Senats und will es auch nicht werden.«

»Sonderbar«, meinte Philippus nachdenklich. »Du hattest die Möglichkeit. Sulla hat deinen Namen ganz oben auf seine Liste gesetzt. Aber du hast abgelehnt.«

»Ich habe meine Gründe.«

»Das denke ich mir.«

Pompeius erhob sich von seinem Stuhl und ging zu dem offenen Fenster des Arbeitszimmers hinüber, das wegen der besonderen Lage des Hauses nicht auf einen Garten mit Säulengang hinausging, sondern über das untere Forum Romanum hinweg einen Ausblick auf das Kapitol bot. Oberhalb der Säulenhalle der zwölf Götter konnte Pompeius die Fundamente eines mächtigen Bauwerks erkennen: Sullas Tabularium, ein gigantisches Archiv, in dem sämtliche Aufzeichnungen und Gesetzestafeln Roms aufbewahrt werden sollten. Andere, dachte Pompeius verächtlich, bauen eine Basilika, einen Tempel oder eine Säulenhalle, aber Sulla baut ein Monument für Roms Bürokratie! Seine Phantasie hat keine Flügel. Sein patrizischer Hang zum Praktischen ist sein schwacher Punkt.

Philippus brach das Schweigen. »Ich wäre dankbar, wenn du für mich einen Chrysogonus finden könntest, Magnus. Das Problem ist nur, daß ich kein Sulla bin. Deshalb bezweifle ich, daß es mir gelingen wird, solch einen Mann zu kontrollieren.«

»Du bist nicht so schwach, wie du aussiehst, Philippus«, sagte der Meister des Takts. »Wenn ich den richtigen Mann finde, wirst du ihn auch unter Kontrolle haben. Du kannst nur keine Leute auswählen, das ist alles.«

»Und warum willst du das für mich tun, Magnus?«

»Oh, das ist nicht alles, was ich für dich zu tun gedenke«, sagte Pompeius und wandte sich lächelnd vom Fenster ab.

»Wirklich?«

»Vermutlich ist dein Hauptproblem, den Geldfluß in Gang zu halten. Du verfügst über einen beträchtlichen Besitz, und dir gehören mehrere Gladiatorenschulen. Aber da alles schlecht verwaltet ist, hast du nicht die Einkünfte, die du haben solltest. Ein Chrysogonus wird das regeln. Aber da du für deine kostspielige Lebensweise bekannt bist, werden höhere Einkünfte aus deinen Besitzungen und Schulen wahrscheinlich nicht immer ausreichen, um deine Bedürfnisse zu befriedigen.«

»Vortrefflich erkannt!« sagte Philippus, dem die Unterhaltung mittlerweile ungeheuren Spaß machte.

»Ich bin bereit, deine Einkünfte durch eine Million Sesterzen jährlich aufzubessern«, erklärte Pompeius sachlich.

Philippus schnappte nach Luft. »Eine Million?«

»Vorausgesetzt, du verdienst sie.«

»Und was muß ich dafür tun?«

»Im Senat eine Gnaeus-Pompeius-Magnus-Faktion bilden, die genügend Einfluß besitzt, damit ich jederzeit bekomme, was ich will.« Pompeius, der keine Scheu, Schuldgefühle oder Selbstzweifel kannte, fiel es nicht schwer, Philippus dabei in die Augen zu sehen.

»Warum wirst du nicht Mitglied im Senat und machst es selbst? Das wäre billiger!«

»Ich will nicht dem Senat angehören. Außerdem ist es besser, wenn ich im Hintergrund bleibe. Ich will nicht im Senat sitzen und die Senatoren auf die Idee bringen, ich könnte mich noch für etwas anderes interessieren als für die Belange eines römischen Ritters.«

»Du bist schlau!« sagte Philippus anerkennend. »Ich frage mich, ob Sulla alle Seiten an dir kennt.«

»Nun, vermutlich hat er wegen mir die Sondervollmacht in sein Gesetz über die Kommandogewalt und Statthalterschaft aufgenommen.«

»Du meinst, er führte die Sondervollmacht ein, weil du es ablehntest, Mitglied des Senats zu werden?«

»Ja.«

»Und deshalb willst du mich reich belohnen, wenn ich für dich im Senat eine Faktion schaffe. Das ist alles schön und gut. Aber die Bildung einer Faktion wird dich viel mehr kosten als das, was du mir zahlst, Magnus. Ich habe nicht vor, andere aus der eigenen Tasche zu bezahlen, denn was du mir gibst, gehört mir.«

»Na schön«, sagte Pompeius gleichmütig.

»Viele Senatoren zweiten Ranges sind arm. Sie werden dich nicht viel kosten, da du lediglich ihre Stimme brauchst. Aber du wirst auch einige Wortgewandte aus den vorderen Reihen kaufen müssen, ganz zu schweigen von denen in der Mitte.« Philippus wirkte nachdenklich. »Gaius Scribonius Curio ist relativ arm. Ebenso der adoptierte Cornelius Lentulus — Gnaeus Cornelius Lentulus Clodianus. Beide wollen unbedingt Konsul werden, aber ihnen fehlt das nötige Geld. Es gibt mehrere Lentuli, aber Lentulus Clodianus ist der Älteste dieses Zweigs. Er kontrolliert die Stimmen der Hinterbänkler in der Lentulus-Klientel. Curio ist eine Autorität für sich — ein interessanter Mann. Aber es wird eine Menge kosten, sie zu kaufen. Vermutlich eine Million für jeden. Falls Curio sich überhaupt verkauft. Für genügend Geld tut er es vermutlich, aber nicht blindlings und nicht ganz. Lucius Gellius Poplicola dagegen würde für eine Million seine Frau, seine Eltern und seine Kinder verkaufen.«

»Ich würde ihnen lieber eine jährliche Summe zahlen, so wie dir«, meinte Pompeius. »Ich könnte ihnen jetzt eine Million zahlen, ja, aber ich glaube, sie wären zufriedener, wenn sie wüßten, daß sie jedes Jahr eine Viertelmillion bekommen. In vier Jahren wäre das dann eine Million. Aber ich brauche sie länger als vier Jahre.«

»Du bist großzügig, Magnus. Manche könnten dich deshalb für töricht halten.«

»Ich bin nicht töricht!« stieß Pompeius hervor. »Ich erwarte etwas für mein Geld!«

Sie sprachen über die Logistik der Zahlungen und über die Summe, die erforderlich war, um die hinteren Reihen mit willigen, nein eifrigen Wählern des Pompeius zu füllen. Plötzlich lehnte Philippus sich mit einem Stirnrunzeln zurück und schwieg.

»Was ist?« fragte Pompeius ein wenig besorgt.

»Es gibt einen, ohne den schaffst du es nicht. Aber er hat bereits so viel Geld, daß er nicht weiß, was er damit anfangen soll. Deshalb ist er nicht käuflich, und aus dieser Tatsache schlägt er Kapital.«

»Du meinst Cethegus.«

»Ja.«

»Wie kann ich ihn herumkriegen?«

»Ich habe nicht die leiseste Ahnung.«

»Dann werde ich ihn am besten aufsuchen«, meinte Pompeius forsch.

»Nein!« rief Philippus erschrocken. »Cethegus ist ein Patrizier aus dem Geschlecht der Cornelii. Er ist so aalglatt und süßlich, daß du ihn dir zum Feind machen würdest. Er mag es nicht, wenn man direkt auf ihn zugeht. Überlaß ihn mir. Ich werde ihn aushorchen und feststellen, was er will.«

Zwei Tage später erhielt Pompeius von Philippus eine Nachricht. Sie bestand nur aus einem Satz: »Gib ihm Praecia, und er ist auf deiner Seite.«

Pompeius hielt das Stück Papier in die Flamme einer Kerze, bis es Feuer fing. Er zitterte vor Wut. Ja, das war typisch für Cethegus! Sein Lohn war die Demütigung seines künftigen Gönners. Ppmpeius sollte sich für ihn als Kuppler betätigen.

Pompeius verhielt sich gegenüber Mucia Tertia ganz anders als gegenüber Aemilia Scaura oder Antistia. Seine dritte Frau war ihren beiden Vorgängerinnen haushoch überlegen. Erstens hatte sie Verstand. Zweitens war sie geheimnisvoll; er wußte nie, was sie dachte. Und drittens war sie wunderbar im Bett — was für eine Überraschung! Glücklicherweise hatte er sich anfangs nicht zum Narren gemacht und sie seinen kleinen Pudding oder sein reizendes Honigtöpfchen genannt; zwar hatten ihm solche Koseworte auf der Zunge gelegen, aber etwas in ihrem Gesicht hatte sie im Keim erstickt, noch ehe er sie aussprechen konnte. Obgleich er für den jungen Marius nicht viel übrig hatte, war sie doch dessen Frau gewesen, und das war viel wert. Zudem war sie Scaevolas Tochter und Crassus Orators Nichte. Deshalb sagte ihm sein Instinkt, daß er Mucia Tertia als ebenbürtig behandeln mußte, und nicht wie eine Sklavin.

Als Pompeius Mucia Tertia aufsuchte, tat er, was er immer tat: Er gab ihr einen langen, leidenschaftlichen Kuß und streichelte dabei ganz sanft ihre Brustwarze. Dann setzte er sich ihr gegenüber, betrachtete sie mit einem liebevollen, ergebenen Lächeln und kam ohne Umschweife zum Thema.

»Wußtest du, daß ich in Rom eine Geliebte hatte?« fragte er.

»Welche?« erwiderte sie ernst und sachlich; Mucia Tertia lächelte selten.

»Demnach kennst du sie alle«, sagte er beruhigt.

»Nur die beiden bekanntesten. Flora und Praecia.«

Pompeius hatte Flora ganz vergessen. Einen Moment lang war er vollkommen verblüfft, dann lachte er. »Flora? Oh, das war vor langer Zeit.«

»Praecia war auch die Geliebte meines ersten Mannes«, sagte Mucia Tertia gelassen.

»Ja, das wußte ich.«

»Bevor oder nachdem du zu ihr gegangen bist?«

»Vorher.«

»Und es hat dir nichts ausgemacht?«

»Wenn ich nichts gegen seine Witwe habe, warum hätte ich dann etwas gegen seine ehemalige Geliebte haben sollen?« antwortete er prompt.

»Stimmt.« Sie hielt mehrere Stränge feinster Wolle näher ans Licht und prüfte sie eingehend. Auf ihrem Schoß lag eine Stickereiarbeit. Schließlich wählte sie unter den verschiedenen Rottönen den blassesten aus und riß ein Stück Faden ab. Sie befeuchtete das eine Ende des Fadens mit den Lippen, rollte es zwischen den Fingern und führte es durch ein großes Nadelöhr. Erst nachdem sie diese Arbeit erledigt hatte, wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder Pompeius zu. »Was wolltest du wegen Praecia sagen?«

»Ich werde im Senat eine Faktion bilden.«

»Sehr vernünftig.« Immer wieder stach sie die Nadel in den groben Stoff, auf dem ein kompliziertes, buntes Muster entstand; wenn die Arbeit fertig war, würde man nicht erkennen, wo die Fäden zusammentrafen. »Mit wem hast du angefangen, Magnus? Mit Philippus?«

»Ganz genau! Du bist wirklich wunderbar, Mucia!«

»Nur erfahren. Schließlich bin ich mit Politik aufgewachsen.«

»Philippus wird die Faktion für mich zusammenstellen«, fuhr Pompeius fort, »aber es gibt einen, den er nicht kaufen kann.«

»Cethegus«, sagte Mucia und begann, das Innere eines Schnörkels auszufüllen, dessen Umrisse bereits mit einem dunkleren Rot markiert waren.

»Wieder richtig. Cethegus.«

»Er ist wichtig.«

»So hat mir Philippus versichert.«

»Und was ist Cethegus’ Preis?«

»Praecia.«

»Oh, ich verstehe.« Der Schnörkel war rasch fertig. »Dann hat Philippus es also dir überlassen, Praecia für den König der Hinterbänkler zu gewinnen?«

»Es sieht so aus.« Pompeius zuckte die Schultern. »Sie muß gut über mich sprechen, sonst hätte er sicher jemand anderen damit beauftragt.«

»Jedenfalls spricht sie besser über dich als über den jungen Gaius Marius.«

»Wirklich?« Pompeius’ Gesicht hellte sich auf. »Oh, das ist gut!«

Mucia legte Stickerei und Nadel beiseite; ihre tiefgrünen, unergründlichen Rehaugen ruhten auf ihrem Gatten. »Besuchst du sie noch, Magnus?«

»Nein, natürlich nicht!« sagte Pompeius empört. Aber seine Erregung legte sich rasch, und er blickte sie unsicher an. »Hätte es dir etwas ausgemacht, wenn ich ja gesagt hätte?« »Nein, natürlich nicht.« Sie nahm ihre Arbeit wieder zur Hand.

Pompeius wurde rot im Gesicht. »Du wärst nicht eifersüchtig?«

»Nein, natürlich nicht.«

»Dann liebst du mich nicht!« rief er, sprang auf und lief aufgeregt im Zimmer herum.

»Setz dich, Magnus.«

»Du liebst mich nicht!« rief er noch einmal.

Mucia seufzte und legte ihre Stickerei hin. »Setz dich, Gnaeus Pompeius! Natürlich liebe ich dich.«

»Wenn du es tätest, wärst du eifersüchtig«, sagte er und ließ sich in seinen Sessel fallen.

»Ich bin kein eifersüchtiger Mensch. Entweder man ist es, oder man ist es nicht. Und warum soll ich eifersüchtig sein?«

»Das wäre der Beweis, daß du mich liebst.«

»Nein, es wäre nur der Beweis, daß ich ein eifersüchtiger Mensch bin«, lautete ihre großartige Logik. »Denk daran, daß ich in einem unruhigen Haushalt aufgewachsen bin. Mein Vater hat meine Mutter wahnsinnig geliebt, und sie liebte ihn auch. Aber er war immer eifersüchtig, und sie ärgerte sich darüber. Schließlich trieben sie seine Launen in die Arme von Metellus Nepos. Er ist nicht eifersüchtig, und sie ist jetzt glücklich.«

»Willst du mich etwa davor warnen, auf dich eifersüchtig zu sein?«

»Ganz und gar nicht«, meinte sie gelassen. »Ich bin nicht meine Mutter.«

»Liebst du mich?«

»Ja, sehr.«

»Hast du den jungen Marius geliebt?«

»Nein, nie.« Der blaßrote Faden war aufgebraucht, und sie riß einen neuen ab. »Gaius Marius war kein treuergebener Ehemann so wie du. Treue Ergebenheit ist eine Eigenschaft, die der Liebe würdig ist.«

Ihre Worte beruhigten ihn, und er kehrte zum eigentlichen Thema zurück. »Die Sache ist die, Mucia, wie soll ich damit umgehen? Ich bin ein Vermittler — nein, warum darum herumreden? Ein Kuppler!«

Mucia kicherte — welch ein Wunder! »Ich begreife, wie schwierig deine Lage ist, Magnus.«

»Was soll ich tun?«

»Handle, wie es deinem Wesen entspricht. Nimm es in Angriff. Du verlierst nur dann die Kontrolle, wenn du darüber nachdenkst, was für eine Figur du dabei abgeben wirst. Also hör auf, dir Gedanken zu machen. Andernfalls wirst du alles verderben.«

»Ich soll also einfach zu ihr gehen und sie fragen?«

»Genau.« Sie fädelte erneut die Nadel ein und blickte dann zu ihm auf. »Mein Rat hat allerdings seinen Preis, mein lieber Magnus«, sagte sie mit dem Anflug eines Lächelns.

»So?«

»Ja. Du mußt mir ausführlich berichten, wie dein Gespräch mit Praecia verlaufen ist.«