Als Crassus seinen Marsch in den Süden begann, schritt er an der Spitze eines Expeditionsheeres, das nur ein Ziel kannte: die Vernichtung der Spartacani. Doch vorerst hatte er keine Eile. Er wußte genau, wo sich seine Beute aufhielt, und hatte erraten, daß ihr Ziel Sizilien hieß. Für Crassus machte das keinen Unterschied. Wenn er Spartacus’ Truppen auf Sizilien bekämpfen sollte, um so besser. Er hatte sich mit dem Statthalter — immer noch Gaius Verres — abgesprochen und von diesem die Versicherung erhalten, daß die Sklaven in Sizilien so kurz gehalten würden, daß sie auf keinen Fall einen dritten Aufstand gegen Rom versuchen konnten, selbst wenn Spartacus nach Sizilien käme. Verres hatte die Miliz in Alarmbereitschaft versetzt und sie um Pelorus stationiert, während er seine römischen Truppen für einen Feldzug beliebiger Größe in Reserve behielt. Außerdem konnte er sicher sein, daß Crassus den Rebellen auf den Fersen bleiben und die Hauptlast des Krieges übernehmen würde.
Doch nichts geschah. Die ganze Masse der Spartacani blieb in ihrem Lager vor Scyllaeum, denn, so hieß es, sie hatten keine Flotte zum Übersetzen nach Sizilien bekommen. Bei diesem Stand der Dinge schrieb Gaius Verres.
Ich habe eine merkwürdige Geschichte gehört, Marcus Crassus.
.Spartacus soll sich an die Piratenadmirale Pharnaces und Megadates mit der Bitte gewandt haben, zwanzigtausend seiner besten Soldaten von Scyllaeum nach Pelorus überzusetzen. Die Piraten zeigten sich damit einverstanden, vorausgesetzt, er zahle viertausend Talente .Silber — zweitausend im voraus als Sicherheit und den Rest nach Erledigung des Auftrags.
Spartacus zahlte ihnen zweitausend Talente, und sie verschwanden damit auf Nimmerwiedersehen. .Sie müssen sich ins Fäustchen gelacht haben. Für ein bloßes Versprechen haben sie eine fürstliche Summe eingesteckt. Manche werden zwar sagen, es sei Narrheit gewesen, die Vereinbarung nicht zu erfüllen und sich weitere zweitausend Talente entgehen zu lassen, aber Pharnaces und Megadates haben es vorgezogen, sich mit der halben Summe zu begnügen und dafür nichts zu tun. Sie hatten keine hohe Meinung von Spartacus und sahen ein unwägbares Risiko darin, auch die anderen zweitausend Talente verdienen zu wollen.
Nach meiner persönlichen Einschätzung ist .Spartacus ein Dilettant und Bauerntölpel. Pharnaces und Megadates führten ihn so leicht hinters Licht, wie ein römischer Schwindler einen Apulier hereinlegt. Wenn im vorigen Jahr ein halbwegs schlagkräftiges Heer in Italien gestanden hätte, dann, so glaube ich, hätte es ihn und seine Rebellen im Handumdrehen vernichtet. Sein einziger Vorteil ist die schiere Masse. Aber wenn er Dir, Marcus Crassus, gegenübersteht, wird er keine Chance haben. Das Kriegsglück hat Spartacus verlassen, wohingegen Du, Marcus Crassus, bewiesen hast, daß Du zu Fortunas Günstlingen gehörst.
Caesar, dem Crassus den Brief zum Lesen gegeben hatte, lachte schallend, als er zum Schluß des Briefes gekommen war.
»Was mag er wohl im Schilde führen?« fragte er Crassus. »Braucht er einen Kredit? Bei den Göttern, dieser Mann verschlingt Geld!«
»Verres würde ich kein Geld leihen«, sagte Crassus, »er wird sich nicht halten.«
»Ich hoffe, deine Vermutung trifft zu! Woher weiß er aber soviel über den Handel zwischen Spartacus und den beiden Piratenstrategen?«
Crassus lachte verschmitzt; sein breites, sanftes Gesicht war mit einemmal wie verwandelt, er sah plötzlich jünger und geradezu bübisch aus. »Wenn ich mich nicht furchtbar irre, dann haben sie ihm alles erzählt, als er sie um seinen Anteil an den zweitausend Talenten bat.«
»Glaubst du, sie haben ihm einen Anteil gewährt?«
»Ganz bestimmt. Er überläßt ihnen Sizilien als Stützpunkt.«
Sie saßen allein im Feldherrenzelt, neben ihnen verbreiteten zwei Kohlefeuer wohlige Wärme. Es war inzwischen Anfang Februar, der Winter war hereingebrochen. Sie befanden sich innerhalb eines befestigten Lagers, das gleich neben der Via Popillia vor den Toren Terinas etwa hundert Meilen von Scyllaeum stand.
Warum Marcus Crassus gerade den achtundzwanzigjährigen Caesar zu seinem Vertrauten auserkoren hatte, bot reichlich Gesprächsstoff für seine Legaten, die darüber eher verwirrt als neidisch waren. Ehe Crassus seine Mußestunden mit Caesar teilte, hatte er keine Freunde besessen, daher fühlte sich kein Legat übergangen oder verdrängt. Was die beiden verband, war ein Rätsel, denn zwischen ihnen klaffte ein Altersunterschied von sechzehn Jahren, ihre Einstellung zum Geld war konträr, und auch ihre literarischen oder musischen Interessen waren verschieden. Jedem, der sie gemeinsam auftreten sah, schienen sie nicht zusammenzupassen. Männer wie Lucius Quinctius kannten Crassus schon seit Jahren und waren ihm in Politik und in Geschäften eng verbunden, ohne indes so etwas wie Freundschaft beanspruchen zu können. Doch von dem Zeitpunkt an, da Crassus die diesjährigen Militärtribunen zwei Monate früher als üblich zu sich berufen hatte, war seine Gunst Caesar zugeflogen; er suchte seine Sympathie, und Caesar erwiderte sie.
Die Lösung des Rätsels war sehr einfach. Die beiden Männer hatten erkannt, daß jeder von ihnen einmal eine wichtige Rolle in der Zukunft spielen würde, sie hegten weitgehend die gleichen politischen Ambitionen. Ohne diese gegenseitige Erkenntnis wäre die Freundschaft nicht möglich gewesen. Doch als sie erst einmal Wurzeln geschlagen hatte, kamen andere Momente hinzu, die sie noch verstärkten. Die Härte, die Crassus so offen zeigte, lag nicht weniger in dem geschmeidigeren, charismatischen Caesar; keiner der beiden hatte noch Illusionen über die Nobilität, aus der sie stammten; beide besaßen ein gerütteltes Maß gesunden Menschenverstands und scherten sich wenig darum, ob sie sich die Hände schmutzig machten oder nicht.
Die Unterschiede waren oberflächlich, wenn sie auch den gewöhnlichen Beobachter blendeten: hier der elegante Caesar, der in dem Ruf eines gefährlichen Frauenhelden stand, dort der sofort Vertrauen erweckende, väterlich wirkende Crassus; hier der brillante Intellektuelle, dort der gewiefte Pragmatiker. Ein seltsames Gespann. So urteilten alle faszinierten Beobachter, die von nun an Caesar als einen Mann betrachteten, mit dem in Zukunft gerechnet werden mußte, denn warum hätte sich Marcus Crassus sonst mit ihm abgegeben?
»Heute nacht wird es noch schneien«, sagte Crassus. »Morgen früh marschieren wir. Ich will den Schnee zu meinem Vorteil nutzen und nicht durch ihn aufgehalten werden.«
»Es wäre um vieles sinnvoller«, bemerkte Caesar, »wenn unser Kalender mit den Jahreszeiten übereinstimmte. Ich kann Ungenauigkeit nicht ertragen!«
Crassus schaute verdutzt. »Wie kommst du darauf?«
»Nun, wir haben bereits Februar, und erst jetzt bricht der Winter herein.«
»Du redest wie ein Grieche. Wichtig ist nur, daß man das Datum kennt, im übrigen kann man die Hand nach draußen halten, um zu spüren, ob es warm oder kalt ist. Was stört dich der Rest?«
»Es stört mich, weil es unordentlich und unsauber ist!«
»Wenn alles in der Welt sauber wäre, fiele es schwer, Geld zu machen.«
»Es fiele schwer, Geld beiseite zu schaffen, meinst du wohl«, entgegnete Caesar verschmitzt.
Als sich Crassus’ Legionen Scyllaeum näherten, meldeten ihm Kundschafter, Spartacus lagere immer noch am Fuß des Vorgebirges in der Nähe des Hafens, wenn es auch Anzeichen für einen baldigen Abzug gebe. Seine Leute hätten die Vorräte der ganzen Gegend aufgebraucht.
Crassus und Caesar ritten mit den Baumeistern der Legion und einer Eskorte Berittener voran, da sie wußten, daß Spartacus keine Pferde besaß. Zwar hatte er früher einmal begonnen, einen Teil seiner Truppen zu Reitern auszubilden und zeitweilig sogar versucht, wildlebende Pferde in den Wäldern Lucaniens zu zähmen, doch weder mit seinen Männern noch mit den Wildpferden war ihm Erfolg beschieden gewesen.
Es schneite ununterbrochen an diesem windstillen Nachmittag, während die beiden römischen Kriegsherren mit ihrem Gefolge aus der Ferne das Lager des Feindes beobachteten. Wenn überhaupt Wachen aufgestellt waren, dann hatte man keine große Sorgfalt walten lassen, denn die Römer blieben unbehelligt. Allerdings half ihnen auch der Schnee, der die Geräusche dämpfte und Pferde und Reiter in Weiß hüllte.
»Besser, als ich gehofft habe«, sagte Crassus zufrieden, als die Kavalkade zum Lager zurückritt. »Wenn wir einen Graben mit aufgeschüttetem Wall zwischen den beiden Bergschluchten ziehen, können wir Spartacus in dem von ihm besetzten Gebiet einschließen.«
»Das wird sie nicht lange aufhalten«, sagte Caesar.
»Lange genug für meine Zwecke. Sie sollen Hunger leiden, frieren und an ihrer Lage verzweifeln. Wenn sie dann ausbrechen, werden sie nach Norden in Richtung Lucanien drängen.«
»Das muß dir gelingen. Sie versuchen es gewiß an unserem schwächsten Punkt, und der liegt nicht im Süden. Du ziehst wohl am besten die konsularischen Legionen für die Grab- und Schanzarbeiten heran.«
Crassus schaute überrascht. »Sie werden graben, aber gemeinsam mit allen anderen auch. Graben und Wall müssen in einer Woche fertig sein, und das bedeutet, daß auch altersgraue Veteranen den Spaten in die Hand nehmen werden. Im übrigen hält körperliche Bewegung warm.«
»Ich kann die Organisation für dich übernehmen«, anerbot sich Caesar.
Crassus lehnte wie erwartet ab. »Mich würde es freuen, aber das geht leider nicht. Lucius Quinctius ist mein Erster Legat, folglich fällt die Aufgabe an ihn.«
»Schade. Er scheint mir zu sehr in sein Amt und seine Rhetorik verliebt.«
Das mochte stimmen oder nicht, auf jeden Fall stürzte sich Lucius Quinctius mit großem Eifer auf die Aufgabe, die Spartacani mit Wall und Graben einzuschließen. Er besaß Einsicht genug, sich auf das Urteil seiner Baumeister zu verlassen, da er, wie Caesar richtig vermutet hatte, von Befestigungsanlagen nicht viel verstand.
Bald zog sich ein fünfzehn Fuß breiter und fünfzehn Fuß tiefer Graben zwischen den beiden Schluchten hin, die das Gebiet der Spartacani begrenzten; die ausgehobene Erde wurde zu einem mit Holz verstärkten Wall aufgeschüttet, auf dem eine Palisade und in regelmäßigen Abständen Wachtürme errichtet wurden. Trotz ständigen Schneefalls war der Graben in sieben Tagen fertiggestellt. Acht Lager — für jede Legion eines — waren in regelmäßigen Abständen hinter dem Wall errichtet worden. Der Feldherr Crassus besaß also genug Soldaten, um die acht Meilen lange Befestigungslinie zu verteidigen.
Spartacus merkte, daß mit Crassus Bewegung in den Krieg gekommen war, doch schien ihn das kaum zu interessieren. Vielmehr warf er die Energie seiner Männer plötzlich auf den Bau von Flößen, die von den Booten der Fischer aus Scyllaeum geschleppt werden sollten. Die Römer, die dieses Treiben beobachteten, bekamen den Eindruck, daß er seine ganze Hoffnung auf eine Flucht über die Meerenge setzte und seinen Plan für so sicher hielt, daß er sich sehenden Auges den letzten Ausweg auf dem Land abschneiden ließ. Schließlich kam der Tag, an dem der Exodus stattfinden sollte. Alle Römer, sofern sie der Dienst nicht anderswo festhielt, kletterten auf die Hänge des nahen Silagebirges, um von dort einen guten Ausblick auf den Hafen von Scyllaeum zu haben. Was sich dort abspielte, war ein Fiasko. Viele Flöße kenterten, ehe sie ihre Menschenfracht überhaupt aufnehmen konnten; die übrigen, die über Wasser blieben, kamen nicht einmal bis zur Hafeneinfahrt, geschweige denn aufs Meer hinaus. Die Fischerboote waren nicht dafür geeignet, so schwere, ungeschlachte Fahrzeuge zu schleppen.
»Immerhin scheinen nicht viele Männer ertrunken zu sein«, bemerkte Caesar gegenüber Crassus, als sie auf ihrem Beobachtungsposten standen.
»Das mag Spartacus vielleicht bedauern«, sagte Crassus ungerührt. »So hätte er ein paar hungrige Mäuler weniger.«
»Ich glaube eher, daß Spartacus sie liebt. Eben so, wie ein selbsternannter König sein Volk liebt.«
»Selbsternannt?«
»Geborene Könige kümmern sich wenig um ihr Volk«, sagte Caesar, der einen geborenen König kennengelernt hatte. Er zeigte auf den Strand der Bucht, wo das fieberhafte Treiben anhielt. »Ich sage dir, Marcus Crassus, dieser Mann liebt noch den letzten undankbaren Mitläufer in seiner großen Horde! Andernfalls hätte er sich schon vor einem Jahr von ihnen losgesagt. Ich frage mich, wer er eigentlich ist?«
»Ausgehend von dem, was mir Gaius Cassius mitgeteilt hat, habe ich Nachforschungen anstellen lassen«, sagte Crassus, der schon mit dem Abstieg begonnen hatte. »Komm, Caesar, wir haben genug gesehen. Wenn er sein Volk tatsächlich liebt, muß er ein Narr sein.«
»Oh, das ist er gewiß«, sagte Caesar. »Was hast du über ihn herausgefunden?«
»Fast alles, bis auf seinen wahren Namen. Wahrscheinlich werden wir ihn nie erfahren. Irgendein schlampiger Archivar, der wohl meinte, Sullas Tabularium könne Militärakten ebenso aufnehmen wie alles andere auch, achtete nicht darauf, sie vor Feuchtigkeit zu schützen. Nun sind sie nicht mehr zu entziffern, und Cosconius kann sich an keine Namen mehr erinnern. Zur Zeit lasse ich seine Militärtribunen ausfragen.«
»Viel Glück! Auch sie werden sich vermutlich nicht mehr an Namen erinnern können.«
Crassus gab einen grunzenden Laut von sich, der auch ein kurzes Lachen hätte sein können. »Kennst du die Legende, die in Rom über ihn erzählt wird — daß er ein Thraker sein soll?«
»Gewiß, jeder weiß, daß er ein Thraker ist. Thraker oder Gallier — etwas anderes gibt es doch nicht.« Caesars Lachen klang ehrlich. »Trotzdem halte ich diese Legende für ein Werk der Agenten des Senats.«
Crassus blieb plötzlich stehen und schaute Caesar mit dem Ausdruck größter Verwunderung an. »Ah, du bist ein ganz Schlauer!«
»Allerdings, schlau bin ich.«
»Gut, aber spricht etwas für deine Annahme?«
»Freilich. Wir hatten in letzter Zeit genug abtrünnige Römer.
Wir wären ja Narren, wenn wir dieser Liste, die solche militärische Leuchten wie Gaius Marius, Lucius Cornelius Sulla und Quintus Sertorius umfaßt, noch weitere hinzufügen würden. Da schickt es sich weit besser, ihn einen Thraker sein zu lassen.«
»Huh!« stöhnte Crassus.
»Ich würde ihn gern einmal mit eigenen Augen sehen!«
»Durchaus möglich, wenn wir ihn dazu bringen, sich zum Kampf zu stellen. Er reitet einen auffälligen Apfelschimmel mit rotem Sattelzeug und einem medaillonverzierten Sattel. Das Pferd hat früher Varinius gehört.«
Ein verbissener Kampf zwischen dem Thraker und dem Römer begann. Spartacus’ Männer versuchten einen Monat lang immer wieder Crassus’ Befestigungen zu durchbrechen, wurden aber jedesmal zurückgeschlagen. Jeder Römer wußte, daß die Vorräte im Lager der Spartacani zur Neige gehen mußten. Auf der anderen Seite suchte jeder von Spartacus’ Soldaten — Caesar hatte sie auf rund siebzigtausend geschätzt — nach dem schwachen Punkt in der römischen Verteidigung. Schließlich glaubten sie, sie hätten ihn in der Mitte der Befestigungslinie ausgemacht, denn dort schienen die Ränder des Grabens unter dem Druck von Schmelzwasser eingestürzt zu sein. Spartacus trieb seine Männer an dieser Stelle über Graben und Wall, mußte aber sehr bald erkennen, daß sie in eine Falle gelaufen waren. Zwölftausend seiner Männer fanden den Tod, die übrigen zogen sich zurück.
Daraufhin ließ der Thraker, der kein Thraker war, die letzten Gefangenen aus den konsularischen Legionen holen. Er stellte unter seinen Männern Trupps zusammen, versah sie mit glühend heißen Pfählen und Zangen und teilte ihnen die Gefangenen zu. Dann postierte er sie an den Punkten entlang des Walls, wo die größtmögliche Zahl Legionäre die nun folgenden grausamen Folterungen sehen und die Schmerzensschreie ihrer Kameraden hören konnte. Doch nach dem Schrecken der decimatio fürchteten Crassus’ Legionen ihren Feldherrn mehr, als daß sie Mitleid mit ihren armen, mit Feuer und Eisen gefolterten Kameraden empfunden hätten. Sie überstanden diese Szenen, indem sie den Blick abwandten und sich Wolle in die Ohren stopften. Als letztes Mittel führte Spartacus seinen wertvollsten Gefangenen vor — den ranghöchsten Zenturio aus Gellius’ alter zweiten Legion. Er ließ ihn durch Hände und Füße aufs Kreuz nageln und verwehrte ihm die Gnade der zerbrochenen Beine, die sein Sterben beschleunigt hätte. Crassus’ Antwort bestand darin, seine besten Bogenschützen auf dem Befestigungswall zu postieren; der Zenturio starb in einem Hagel wohlgezielter Pfeile.
Anfang März schickte Spartacus schließlich seine Frau Aluso in Crassus’ Lager. Sie sollte um Bedingungen für eine Kapitulation nachsuchen. Crassus empfing sie im Feldherrenzelt in Gegenwart seiner Legaten und Militärtribunen.
»Warum ist Spartacus nicht selbst gekommen?« fragte Crassus.
Auf diese Frage lächelte Aluso nur milde. »Weil die Armee ohne meinen Mann auseinanderfallen würde«, sagte sie, »und weil er dir, Marcus Crassus, auch unter einem Waffenstillstand nicht traut.«
»Dann ist er klüger geworden. Früher hat er sich von Piraten um zweitausend Talente Silber prellen lassen.«
Aluso war mit solchen Bemerkungen nicht aus der Fassung zu bringen. Sie antwortete nicht, auch nicht mit einem Blick. Sie hatte ihr Auftreten, das begriff Caesar sogleich, ganz darauf abgestellt, eine zivilisierte Empfangsdelegation zu verunsichern. Sie sah genau so aus, wie sich ein Römer eine barbarische Hexe vorstellen mochte. Das flachsblonde Haar floß ihr strähnig über Schultern und Rücken, sie trug eine schwarze Felltunika mit langen Ärmeln und darunter enganliegende Beinkleider. An Fuß- und Armgelenken blinkten goldene Ketten und Reife, an den Ohrläppchen hing noch mehr Goldgeschmeide, und ihre hennagefärbten Finger zierten zahlreiche Ringe. Um den Hals trug sie eine Kette aus kleinen Vogelschädeln, während an dem schweren Goldgürtel um ihre schmale Taille mehrere schaurige Trophäen prangten: eine eingeschrumpfte Hand, die noch Fingernägel und Hautfetzen aufwies, ein Kinderschädel sowie das Rückgrat einer Katze oder eines Hundes samt Schwanz. Ihre Tracht wurde von einem prächtigen Wolfspelz vervollständigt. Dessen Vorderläufe lagen ihr verschlungen auf der Brust, und der zähnebleckende Wolfsschädel, in dessen Augenhöhlen funkelnde Edelsteine steckten, prangte über ihrer Stirn.
Sie machte durchaus Eindruck auf die Männer, die sie schweigend betrachteten, wenn auch keiner von ihnen sie als schön bezeichnet hätte; dazu wirkte ihr Gesicht mit den hellen, irre funkelnden Augen zu verstörend.
Auf Crassus machte sie jedoch nicht den erhofften Eindruck. Für ihn gab es keine Reize außer dem des Geldes. Er schaute sie daher mit der gleichen Miene an, mit der er alle Menschen ansah, nämlich mit sanfter Gelassenheit.
»Du hast das Wort, Frau«, sagte er nur.
»Ich bin gekommen, um nach den Bedingungen für eine Kapitulation zu fragen, Marcus Crassus. Unsere Nahrungsvorräte sind erschöpft. Frauen und Kinder hungern, damit unsere Soldaten noch etwas zu essen haben. Mein Ehemann gehört nicht zu denen, die ungerührt zusehen können, wie hilflose Menschen leiden. Eher will er sich und seine Armee aufgeben. Nenne mir deine Bedingungen, dann teile ich sie ihm mit. Morgen bringe ich dir dann seine Antwort.«
Der Feldherr würdigte sie keines Blickes. Über die Schulter sagte er ihr in einem Griechisch, das besser als das ihre war: »Sag deinem Ehemann, daß es für ihn keine Bedingungen für eine Kapitulation gibt. Ich bin nicht bereit, seine Kapitulation anzunehmen. Er hat diese Rebellion angezettelt. Nun soll er sie bis zum bitteren Ende ausfechten.«
Aluso stockte der Atem. Auf alles war sie gefaßt gewesen, nur nicht darauf. »Das kann ich ihm unmöglich berichten! Du mußt seine Kapitulation annehmen!«
»Nein«, sagte Crassus, ihr immer noch den Rücken kehrend. Er schnippte mit den Fingern seiner rechten Hand. »Geleite sie hinaus, Marcus Mummius, und führe sie durch unsere Linien.«
Caesar mußte sich eine Weile gedulden, ehe er Crassus allein sprechen konnte. Er brannte darauf, ihm seine Meinung über die Begegnung mit Aluso mitzuteilen.
»Das hast du großartig gemacht«, sagte er gleich zu Beginn. »Sie war sich so sicher, daß sie Eindruck auf dich machen würde.«
»Törichtes Weib! Ich habe Erkundigungen über sie einziehen lassen. Danach ist sie eine Priesterin der Besser, obwohl ich sie eher eine Hexe nennen würde. Die meisten Römer sind abergläubisch — selbst an dir habe ich Züge von Aberglauben bemerkt, Caesar! —, aber ich nicht. Ich glaube nur an das, was ich sehe, und das war in diesem Fall eine Frau von mäßigem Verstand, die sich so kostümiert hat, wie ihrer Vorstellung nach eine Gorgo aussieht.« Er lachte auf. »Mir fällt eine Geschichte ein, die man sich über den jungen Sulla erzählt. Er soll einmal als Medusa verkleidet auf eine Gesellschaft gegangen sein. Auf dem Kopf trug er eine Perücke aus lebenden Schlangen, mit der er den Gästen einen gehörigen Schreck einjagte. Aber du und ich, wir beide wissen, daß es nicht der Anblick der Schlangen war, vor dem sich alle entsetzten. Nein, es war Sulla selbst. Hätte sie ebenfalls solch einen furchterregenden Zug in ihrem Wesen gehabt, hätte ich vielleicht auch vor ihr gezittert.«
»Zugegeben. Aber sie besitzt das zweite Gesicht.«
»Viele Leute besitzen das zweite Gesicht. Ich habe liebe alte Großmütter gekannt, deren Hände zitterten, aber die das zweite Gesicht besaßen. Auch stolz aussehende Advokaten, von denen du nie angenommen hättest, daß außer solidem juristischem Verstand noch etwas anderes in ihrem Kopf Platz haben könnte. Wie dem auch sei, weshalb glaubst du, daß sie das zweite Gesicht besitzt?«
»Weil sie mit größerer Furcht vor dir zu dieser Begegnung gekommen ist, als du je vor ihr gehabt hättest.«
Einen Monat lang hatte sich das schöne Wetter gehalten. Nachts fiel die Temperatur unter den Gefrierpunkt, tagsüber war es kaum wärmer, aber immer blauer Himmel und Schnee, unter dem der Boden gefroren blieb. Doch nach den Iden des März kam ein schrecklicher Sturm, der mit Graupelschauern begann und in anhaltende Schneefälle überging. Bald türmte sich überall Schnee auf. Spartacus sah seine Chance.
Dort, wo Wall und Graben in die Schlucht nahe bei Scyllaeum übergingen — Spartacus’ erfahrenste Truppen hatten an dieser Stelle ihr Lager —, erhob sich die hunderttausend Mann starke Rebellenarmee und stürmte mit dem Mut der Verzweiflung gegen die römischen Befestigungen an. Sie warfen Baumstämme, Steine, tote Kämpfer und Tierkadaver, ja sogar große Teile der mitgeführten Kriegsbeute in den Graben, bis er aufgefüllt war, dann kletterten sie über die Palisade. Gleich einer Armee von Schatten wogten die Rebellen in immer neuen Wellen über den zugeschütteten Graben und flohen geradewegs ins Herz des Sturmes. Keiner hinderte sie daran; Crassus hatte angeordnet, die dort liegende Legion solle sich ihnen nicht entgegenstellen, sondern ruhig im Lager bleiben.
Die planlose Flucht der Rebellen offenbarte, wie wenig Halt es unter den Spartacani noch gab und daß kaum Hoffnung bestand, sie wieder zusammenzuschweißen. Während Spartacus mit seiner kämpfenden Truppe, die noch über eine gewisse Disziplin verfügte, auf der Via Popillia nach Norden eilte, schlugen sich Castus und Gannicus mit ihren Truppen, gefolgt vom Gros der Frauen, Kinder und nicht waffenfähigen Männer in die Wälder des Silagebirges durch. Von Hunger und der Anstrengung erschöpft, legten sich viele der Spartacani im Dickicht auf felsigem Grund nieder und erfroren. Diejenigen, welche die Flucht überstanden und wärmeres Wetter erlebten, erreichten schließlich die ersten Siedlungen in Bruttium. Hier wurden sie sofort als Spartacani erkannt und erschlagen.
Nicht, daß für Crassus das Schicksal dieser Zivilisten irgendeine Bedeutung gehabt hätte. Als der Schneefall nachließ, brach er das Lager ab und folgte mit seinen acht Legionen der Rebellenarmee auf der Via Popillia nach. Mit der Unerschütterlichkeit eines Ochsen bewegte sich der Heereszug voran. Crassus hatte eine Taktik ausgeheckt. Es bestand kein Grund zur Eile. Von Kälte und Hunger gebeutelt und ohne rechtes Ziel vor Augen, würden die Rebellen immer langsamer und auch zahlenmäßig immer kleiner werden. Es war daher klüger, den Troß in die Mitte der Heereskolonne zu nehmen, wo er nicht Gefahr lief, überfallen zu werden. Früher oder später würde er die Rebellen einholen.
Seine Kundschafter waren dafür um so emsiger. Ende März meldeten sie Crassus, daß die Spartacani sich am Silarus in zwei Teile geteilt hätten. Der eine Teil unter Spartacus ziehe auf der Via Popillia weiter in die Campania, während der andere Teil unter Castus und Gannicus nach Osten das Tal des Silarus hinaufwandere.
»Gut!« sagte Crassus. »Kümmern wir uns für eine Weile nicht um Spartacus und konzentrieren wir unsere Kräfte auf die beiden Samniter.«
Die Kundschafter meldeten, daß die Rebellen unter Castus und Gannicus nicht sehr weit gekommen waren. Auf ihrer Wanderung waren sie auf die reiche kleine Stadt Volcei gestoßen und aßen sich dort zum erstenmal seit zwei Monaten richtig satt. Kein Grund also, ihnen eilig nachzusetzen!
Als Crassus’ vier Legionen, die dem Troß vorausgingen, in die Nähe von Volcei kamen, waren Castus und Gannicus immer noch am Schmausen und merkten nichts von der drohenden Gefahr. Die Spartacani hatten nur ein sehr notdürftiges Lager am Ufer eines kleinen Sees angelegt, der um diese Jahreszeit ausreichend klares Wasser enthielt. Im Herbst hätte der gleiche Platz wohl weniger einladend gewirkt. Hinter dem See erhob sich ein Berg. Crassus erkannte sofort, was zu tun war, und wartete nicht auf die vier Legionen, die dem Troß folgten.
»Pomptinus und Rufus, nehmt zwölf Kohorten und schleicht euch zur Rückseite des Berges. Wenn ihr eure Stellung erreicht habt, greift vom Berg herab an. Ihr könnt geradewegs in die Mitte ihres Lagers stürmen, wenn man es überhaupt so nennen will. Sobald ich euch losstürmen sehe, greife ich von vorn an. Wir werden sie wie einen Käfer zwischen zwei Fingern zerdrücken.«
Der Plan war perfekt. Er hätte gelingen müssen, wenn eine Laune des Schicksals, die kein Kundschafter vorausahnen konnte, nicht alles über den Haufen geworfen hätte. Castus und Gannicus hatten nämlich gemerkt, daß in Volcei auch genügend Nahrungsvorräte für Spartacus’ Truppen vorhanden waren und hatten daher einen Boten zu ihrem Anführer geschickt, er möge umkehren und mit seinen Männern an dem Schmaus teilnehmen. Tatsächlich machte sich Spartacus sofort auf den Weg und erschien gerade zu dem Zeitpunkt auf der anderen Seite des Sees, als Crassus zum Angriff blasen ließ. Castus’ und Gannicus’ Männer flüchteten in die Reihen ihrer gerade angekommenen Kameraden, und gemeinsam suchten alle Spartacani das Weite.
Andere Feldherren hätten jetzt händeringend zum Himmel geschaut, nicht aber Crassus. »Das war Pech, aber am Ende siegen wir doch«, sagte er gänzlich unerschüttert.
Mehrere Stürme fegten über das Land und setzten jedermann zu. Die Truppen beider Seiten hielten sich nun in der Gegend um den Silarus auf. Allerdings schien es, als wolle Spartacus die Via Popillia verlassen, während Castus und Gannicus auf dieser Straße in Richtung Campania marschierten. Wie eine Spinne, die auf ihre Beute wartet, hielt sich Crassus wieder im Hintergrund. Er hatte seine Truppen ebenfalls geteilt, nachdem er nun wieder über seine acht Legionen verfügte. Den Troß wußte er in Sicherheit. Er gab Lucius Quinctius und Tremellius Scrofa das Kommando über zwei Legionen Fußsoldaten und die gesamte Reiterei und wies sie an, dem Teil der Spartacani zu folgen, der die Via Popillia verlassen würde. Er selbst wollte dem anderen Teil auf der Straße nachfolgen.
Das römische Heer wälzte sich wie ein Mühlstein weiter. Da Caesars Legion zum Heeresteil des Oberbefehlshabers gehörte, konnte er aus der Nähe beobachten, mit welcher Beharrlichkeit dieser ungewöhnliche Feldherr vorging. Bei Eburum, nicht weit nördlich des Silarus, holte Crassus schließlich Castus und Gannicus ein und vernichtete ihre Armee: Dreißigtausend Rebellen fielen in der Schlacht. Die wenigen, denen die Flucht durch die römischen Linien gelang, flohen landeinwärts auf der Suche nach Spartacus.
Wie groß war aber die Freude bei allen Soldaten der siegreichen Legionen, als Crassus nach der Schlacht eine Entdeckung unter der aufgetürmten Kriegsbeute der Spartacani machte: fünf römische Feldzeichen, die von mehreren besiegten Truppenteilen stammten, dazu sechsundzwanzig Kohortenbanner und die fasces von fünf Prätoren.
»Schaut her!« rief er freudestrahlend. »Ist das nicht ein beglük- kender Anblick?«
Der Feldherr bewies nun, daß er seine Truppen auch sehr rasch bewegen konnte, wenn es darauf ankam. Von Lucius Quinctius kam die Meldung, er und Scrofa seien in einen Hinterhalt geraten, aus dem sie sich aber ohne große Verluste hätten befreien können.
Spartacus bleibe weiterhin in ihrer Reichweite. Crassus marschierte los.
Das große Unternehmen war fehlgeschlagen. Spartacus war nur der Teil der Armee geblieben, der mit ihm zu den Quellen des Tanagrus hinaufzog. Mit ihm wanderte Aluso und sein Sohn.
Spartacus mußte erkennen, daß die Niederlage, die er Quinctius und Scrofa beigebracht hatte, ohne Wert für ihn war. Ihre Reiterei hatte ihre Schnelligkeit ausgespielt, sich rasch wieder formiert und den Rückzug der römischen Fußtruppen gesichert. Danach versuchte Spartacus gar nicht mehr, erneut das Kampfgebiet zu wechseln. Seine Männer hatten sich in drei kleinen Städten vorerst ausreichend mit Nahrung versehen können. Was aber das nächste und übernächste Tal bereithielt, wußte er nicht. Der Frühling nahte; die Getreidespeicher waren fast leer, und Gemüse war nach dem strengen Winter noch nicht gewachsen. Ihre mitgeführten Hühner waren mager, und ihre Schweine — schlaue Tiere! — hatten Reißaus in die Wälder genommen. Ein abstoßender Mensch, ein Bürger aus dem nahen Potentia, hatte sich ein Vergnügen daraus gemacht, zu Spartacus zu gehen und ihm die Nachricht zu bringen, Varro Lucullus sei mit seinen Legionen aus Mazedonien unterwegs nach Brundisium, man erwarte jeden Tag seine Landung. Er habe vom Senat den Befehl erhalten, als Verstärkung zu Crassus’ Heer zu stoßen.
»Deine Tage sind gezählt, Gladiator!« sagte der Mann schadenfroh. »Rom ist unbesiegbar!«
»Ich sollte dir die Kehle durchschneiden«, entgegnete der Gladiator bedrückt.
»Tu es doch! Genau das erwarte ich von dir!«
»In diesem Fall gebe ich dir nicht die Genugtuung, einen ehrenhaften Tod zu sterben. Verschwinde!«
Aluso hatte zugehört. Nachdem der Mann weggegangen war, suchte sie Spartacus’ Nähe und legte ihre Hand auf seinen Arm.
»Das Ende naht«, flüsterte sie.
»Ich weiß, Aluso.«
»Ich sehe dich in der Schlacht fallen, aber ich sehe dich nicht tot.«
»Wenn ich in der Schlacht falle, ist das mein Ende.«
Er fühlte sich so müde, das Fiasko im Hafen von Scyllaeum lastete immer noch auf ihm. Wie konnte er seinen Männern ins Gesicht sehen, wo er doch wußte, daß seine mangelnde Voraussicht schuld daran war, daß Crassus sie eingeschlossen hatte? Die Frauen und Kinder waren fort, doch sie würden nicht wiederkommen. Sie waren alle irgendwo in den Lucaner Bergen verhungert.
Zwar hatte er keine Anhaltspunkte, ob das, was der Mann aus Potentia ihm über Varro Lucullus gesagt hatte, wahr oder falsch war, aber er wußte, daß ihm der Weg nach Brundisium dennoch versperrt war. Crassus beherrschte die Via Popillia; die Nachricht von Castus’ und Gannicus’ vernichtender Niederlage hatte ihn erreicht, noch ehe er den Hinterhalt für Quinctius und Scrofa legte. Ihm stand kein Weg mehr offen außer jenem zum letzten Gefecht. Bei diesem Gedanken überkam ihn bittere Freude... Weder seine Herkunft noch seine Talente hatten ihn für eine solch erdrückende Verantwortung prädestiniert, für das Leben und die Wohlfahrt eines ganzen Volkes einzustehen. Er war nur ein ganz gewöhnlicher römischer Bürger aus italischer Familie, der am Fuß des Vesuv zur Welt gekommen war und dort zusammen mit seinem Vater und seinem Bruder ein Leben in Bescheidenheit hätte verbringen sollen. Wer war er denn, daß er sich anmaßte, einem neuen Volk zur Geburt zu verhelfen? Dazu fehlte ihm der Adel, die Bildung und die Größe. Doch es war ehrenhaft, als freier Mann auf dem Schlachtfeld zu sterben. Nie wieder würde er sich gefangennehmen lassen.
Bald hieß es, Crassus sei im Anmarsch. Spartacus nahm Aluso und seinen Sohn und setzte sie in einen mit sechs Maultieren bespannten Wagen, den er weit genug entfernt von der Stätte seines letzten Kampfes bereitgestellt hatte. Dies tat er, damit Frau und Kind der Verfolgung durch die Römer entgingen. Er hätte es lieber gesehen, wenn sie sogleich abgefahren wären, doch Aluso weigerte sich: Sie müsse den Ausgang der Schlacht abwarten. Hinten im Wagen lagen Gold, Silber, kostbare Gegenstände und Münzen versteckt als Sicherheit für ein Leben in Wohlstand für Frau und Kind. Daß sie getötet werden könnten, war Spartacus bewußt, doch ihr Schicksal lag im Schoß der Götter, und die Götter hatten ihr Leben bisher verschont.
Vierzigtausend Spartacani versammelten sich zur Begrüßung ihres Anführers. Spartacus hielt keine Ansprache vor der Schlacht, aber sie jubelten ihm laut zu, als er auf dem prächtigen Apfelschimmel Batiatus vorbeiritt. Er nahm seinen Platz ein neben dem Feldzeichen seiner Armee, dem springenden Fisch aus Email, der den Helm eines Galliers zierte, erhob beide Hände mit geballter Faust und ließ sich dann aus dem Sattel gleiten. Mit der Rechten zog er seinen Säbel, den Krummsäbel eines thrakischen Gladiators, schloß die Augen, hob die Waffe und stieß sie in Batiatus’ Hals. Blut schoß in dickem Strahl hervor, doch das edle Roß wehrte sich nicht. Wie ein Opfertier ging es auf die Knie, kippte auf die Seite und starb.
Hier also sollte alles enden. Wozu noch Worte? Indem Spartacus vor aller Augen sein geliebtes Pferd tötete, machte er seinen treuen Soldaten deutlich, daß er das Schlachtfeld nicht lebend verlassen wollte. Er hatte sich seine letzte Möglichkeit zur Flucht genommen.
Wie erwartet wurde die Schlacht hart und unerbittlich, und das Blut floß in Strömen. Die meisten Rebellen folgten dem Beispiel ihres Anführers und kämpften, bis sie tödlich getroffen oder aus Erschöpfung niedersanken. Spartacus selbst erschlug zwei Zenturionen, ehe ihm ein Unbekannter im Getümmel die Sehnen eines Beines durchtrennte. Er sank auf die Knie, focht aber hartnäckig weiter, bis er unter einem Berg von Leichen begraben wurde.
Fünfzehntausend Spartacani kamen mit dem Leben davon und flohen; sechstausend wandten sich nach Apulia, die übrigen schlugen sich zu den Lucaner Bergen durch.
»Ein Feldzug, noch dazu im Winter, in knapp sechs Monaten beendet«, sagte Crassus zu Caesar. »Alles in allem habe ich wenig Soldaten verloren, und Spartacus ist tot. Rom hat seine Feldzeichen und fasces wieder, außerdem wird man für einen großen Teil der Kriegsbeute der Spartacani die Besitzer nicht mehr ausfindig machen können. Wir haben also gute Arbeit geleistet.«
»Da ist allerdings noch eine Kleinigkeit, Marcus Crassus«, bemerkte Caesar, der den Befehl erhalten hatte, das Schlachtfeld nach Überlebenden abzuschreiten.
»Nämlich?«
»Spartacus. Er ist nirgends zu finden.«
»Unfug!« sagte Crassus unwirsch. »Ich habe doch selbst gesehen, wie er gefallen ist!«
»Ich auch. Ich habe sogar die Stelle noch genau in Erinnerung. Ich könnte dich geradewegs dorthin führen. Komm mit, und ich zeige es dir. Aber er ist nicht da, Marcus Crassus.«
»Seltsam!« Der Feldherr zog eine ärgerliche Miene, schürzte die Lippen und überlegte einen Augenblick. Dann sagte er mit einem Schulterzucken: »Nun, was macht das schon? Seine Armee hat das Weite gesucht, das ist das Entscheidende. Ich darf sowieso keinen Triumph über einen Gegner feiern, der als Sklave gilt. Der Senat wird mir nur eine ovatio gewähren, aber das ist nicht das gleiche wie ein Triumph.« Er seufzte. »Und was ist mit seiner Frau, der thrakischen Hexe?«
»Auch sie haben wir nicht gefunden. Allerdings haben wir einige Zivilisten aus dem Troß aufgegriffen, die sich in die Büsche geschlagen hatten. Ich fragte sie über diese Frau aus und fand heraus, daß ihr Name Aluso sei. Sie schworen mir, sie sei in einen von furchterregenden Schlangen gezogenen, rotglühenden Wagen gestiegen und dann zischend himmelwärts davongefahren.«
»Schatten der Medea! Vermutlich wollen sie aus Spartacus einen Jason machen!« Crassus schritt mit Caesar zu dem Leichenberg, unter dem Spartacus begraben liegen sollte. »Mir scheint, daß sich alle beide davongestohlen haben. Meinst du nicht auch?«
»Ganz bestimmt«, sagte Caesar.
»Wir müssen sowieso das ganze Gebiet nach versprengten Spartacani durchkämmen. Irgendwo stöbern wir sie schon auf.«
Caesar erwiderte nichts. Seiner Meinnung nach würden sie nie wieder auftauchen. Dieser Gladiator war nicht dumm. Er würde kein zweitesmal eine Armee aufstellen, sondern lieber in der Namenlosigkeit verschwinden.
Den ganzen Mai hindurch machte die römische Armee Jagd auf Spartacani, die sich in den Bergen Lucaniens und Bruttiums versteckt hatten. Die Gegend bot ideale Schlupfwinkel für Räuber, daher war es unbedingt nötig, alle überlebenden Spartacani aufzuspüren. Caesar hatte den Teil der Rebellenarmee, der nach Süden entkommen war, auf neun- bis zehntausend Mann geschätzt, doch alle Flüchtigen, die seine Truppen aufgespürt und gestellt hatten, betrugen zusammengenommen gerade sechstausendsechshundert. Die übrigen würden wahrscheinlich Räuber werden und allen Reisenden, die ohne Begleitschutz auf der Via Popillia nach Rhegium unterwegs waren, das Leben schwermachen.
»Ich kann die Jagd allein weiterführen«, sagte Caesar an den Kalenden des Juni. »Allerdings werden wir mit steigendem Aufwand immer weniger fangen.«
»Nein«, entschied Crassus. »Ich will bis nächste Woche mit meinem Heer in Capua sein, die konsularischen Legionen eingeschlossen. Nächsten Monat finden die Wahlen zu den kurulischen Ämtern statt, und ich will für meine Konsulatskandidätur rechtzeitig in Rom sein.«
Daran war nichts Überraschendes. Caesar verlor kein Wort darüber. Statt dessen erkundigte er sich nach den sechstausend Spartacani, die nordöstlich nach Apulia geflohen waren.
»Sie sind bis an die Grenze des italischen Galliens gekommen«, wußte Crassus zu berichten. »Dort trafen sie auf Pompeius Magnus, der mit seinen Legionen aus Spanien zurückkam. Du kennst Magnus. Er hat sie alle erschlagen.«
»Dann bleiben uns also nur noch unsere Gefangenen hier. Was hast du mit ihnen vor?«
»Sie gehen mit uns bis Capua.« Crassus schaute seinen Militärtribun mit seiner üblichen phlegmatischen Miene an, doch in seinen Augen lag eisige Kälte. »Rom kann keine weiteren Sklavenkriege gebrauchen, Caesar. Sie verursachen dem Schatzamt nur unnötige Kosten. Hätten wir weniger Glück gehabt, wären fünf Feldzeichen und fünfundzwanzig fasces für immer verlorengegangen, ein Makel für Roms Ehre, den ich persönlich für unerträglich gehalten hätte. Roms Feinde könnten später Männern wie Spartacus zu einer falschen Größe verhelfen. Andere könnten darin einen Ansporn sehen, ihm nachzueifern, ohne je die triste Wahrheit zu kennen. Du und ich, wir wissen, daß Spartacus aus der römischen Legion hervorgegangen ist, insofern ähnelte er einem Quintus Sertorius sehr viel mehr als einem mißhandelten Sklaven. Hätte er in der Legion nicht das Kriegshandwerk gelernt, wäre er nie so erfolgreich gewesen. Er soll nicht zu einem Freiheitshelden werden. Deshalb will ich Spartacus dazu benutzen, dem ganzen Spuk der Sklavenaufstände ein für allemal ein Ende zu setzen.«
»Es war eher ein Samniter- als ein Sklavenaufstand.«
»Richtig. Aber die Samniter bleiben eine Plage, mit der Rom weiterhin leben muß. Die Sklaven hingegen müssen lernen, wo ihr Platz ist. Ich habe die Machtmittel, ihnen diese Lektion zu erteilen, und ich tue es auch. Wenn ich mit den Resten der Spartacani fertig bin, wird es keine Sklavenaufstände mehr in der römischen Welt geben.«
Caesar dachte gewöhnlich schnell und durchschaute die Menschen, mit denen er zu tun hatte, auf den ersten Blick, so daß er die Antwort vor den anderen wußte. Diesmal aber erriet er nicht, was Crassus vorhatte.
»Wie willst du das erreichen?« fragte er ihn.
»Die Tatsache, daß wir gerade sechstausendsechshundert Gefangene gemacht haben, hat mich auf eine Idee gebracht. Die Entfernung zwischen Capua und Rom beträgt einhundertzweiunddreißig Meilen, jede zu fünftausend Fuß. Das macht insgesamt sechshundertsechzigtausend Fuß. Ich habe vor, alle hundert Fuß zwischen Capua und Rom einen Rebellen ans Kreuz schlagen zu lassen. Und sie sollen dort solange hängen bleiben, bis von ihnen nur noch blanke Knochen übrig sind.«
Caesar holte Luft. »Ein schauderhafter Anblick.«
»Eine Frage habe ich an dich«, sagte Crassus und legte seine Stirn in Falten. »Soll ich alle Kreuze auf einer Seite der Straße errichten lassen, oder soll ich zwischen beiden Seiten wechseln?«
»Nur auf einer Seite der Straße«, antwortete Caesar ohne Zögern. »Unbedingt nur auf einer Seite. Vorausgesetzt, du meinst die Via Appia und nicht die Via Latina.«
»Ja, natürlich die Via Appia. Die zieht sich über Meilen schnurgerade hin und hat wenig Hügel.«
»Dann nur auf einer Seite. Das Auge kann das Ganze dann besser in den Blick nehmen.« Caesar lächelte. »Ich habe einige Erfahrung im Kreuzigen.«
»Ich habe davon gehört«, sagte Crassus ernst. »Dennoch kann ich dich nicht mit dieser Aufgabe betrauen. Sie schickt sich nicht für einen Militärtribun, der zu den gewählten Magistraten gehört. Das hier ist die Aufgabe des praefectus fabrum.«
Da der praefectus fabrum — der Offizier im Heer, der sich um alle Fragen der Technik und des Nachschubs kümmerte — einer von Crassus’ Freigelassenen war und als Meister seines Fachs galt, zweifelten weder Caesar noch Crassus, daß das Unternehmen reibungslos ablaufen werde.