Die Flotte, die von Gades aus in See stach, war gewaltig, und sie war hervorragend bewacht von allen Kriegsschiffen, die der Statthalter hatte auftreiben können. Die Frachtschiffe waren mit Weizen, Öl, gesalzenem Fisch, Trockenfleisch, Kichererbsen, Wein und sogar Salz beladen, damit Neu-Karthago nicht verhungern würde, obwohl es zu Lande von den Contestanern und zur See von Piraten blockiert wurde.
Nachdem er Neu-Karthago mit Lebensmitteln versorgt hatte, nahm Metellus Pius die Legion des Gaius Memmius an Bord der leeren Frachtschiffe und segelte in gemütlichem Tempo die Ostküste von Hispania Citerior hinauf. Es amüsierte ihn köstlich, wie die Piratenschiffe davonschossen, wenn sie seiner Flotte ansichtig wurden. Die Piraten hatten zwar in den gleichen Gewässern vor einigen Jahren die Flotte Gaius Cottas in einer regelrechten Seeschlacht geschlagen. Aber sie hatten offensichtlich nicht den geringsten Appetit auf ein gesalzenes Ferkel.
Für Metellus Pius, dieses Musterexemplar eines römischen Adligen, war es selbstverständlich, daß er Gaius Memmius und seine Legion bei Pompeius in Emporiae abliefern würde. Und wenn er dort sein Licht nicht gerade unter den Scheffel stellen und sich vielleicht ein bißchen zu mitleidig über den miserablen Sommer äußern würde, den Pompeius hinter sich hatte, dann schuldete ihm Pompeius dieses kleine Vergnügen. Denn schließlich hatte er versucht, ihm die Schau zu stehlen.
Als die Flotte die berühmte Piratenhochburg Dianium passiert hatte und für die Nacht in einer kleinen, versteckten Bucht vor Anker gegangen war, stahl sich ein kleines Boot aus dem Hafen von Dianium und hielt auf die Bucht zu. Dem Boot entstieg der jüngere Balbus, und er hatte viel zu berichten.
»Ach, wie schön ist es, wieder unter Freunden zu sein«, sagte er in seinem weichen, lispelnden Latein zu Metellus Pius, Metellus Scipio und Gaius Memmius — und zu seinem Onkel, den gesund und wohlbehalten wiederzusehen ihn sehr glücklich machte.
»Ich schätze, du hast es nicht geschafft, mit meinem Kollegen Gnaeus Pompeius in Kontakt zu treten«, sagte Metellus Pius.
»Nein, Quintus Caecilius. Ich bin nur bis Dianium gekommen. Die ganze Küste von der Mündung des Sucro bis zum Tader wimmelt nur so von Sertorianern, und man sieht mir zu sehr an, daß ich aus Gades stamme. Also hätten sie mich bestimmt gefangengenommen und gefoltert. In Dianium dagegen gibt es viele Leute, die punisch aussehen. Deshalb hielt ich es für klüger, dort zu bleiben und mich unauffällig umzuhören.«
»Und was hast du gehört, Balbus Minor?«
»Oh, ich habe nicht nur gehört! Ich habe auch gesehen«, sagte Balbus mit leuchtenden Augen. »Es ist noch keine zwei Markttage her, da hat eine große Flotte im Hafen angelegt. Sie hatte den weiten Weg von Pontos hierher zurückgelegt, und sie kam direkt von König Mithridates.«
Die Römer lehnten sich gespannt vor.
»Weiter«, sagte Metellus Pius sanft.
»An Bord des Flaggschiffs befanden sich zwei Gesandte des Königs; beide sind römische Deserteure. Ich glaube, sie sind früher Legaten gewesen und haben einen Teil von Fimbrias Truppen befehligt. Sie heißen Lucius Magius und Lucius Fannius.«
»Ich habe ihre Namen auf Sullas Proskriptionslisten gesehen«, sagte Metellus Pius.
»Sie haben Quintus Sertorius, der vier Tage nach ihrer Ankunft nach Dianium kam, um die Verhandlungen persönlich zu führen, dreitausend Talente in Gold und vierzig Kriegsschiffe angeboten.«
»Was war der Preis?« knurrte Gaius Memmius.
»Daß Sertorius, wenn er Diktator von Rom wird, dem Mithridates den Besitz aller Länder bestätigt, die er bereits beherrscht, und daß er ihm erlaubt, sein Königreich weiter zu vergrößern.«
»Wenn Sertorius Diktator von Rom wird?« platzte Metellus Scipio empört heraus. »Das wird nie passieren!«
»Sei still, mein Sohn!« sagte Metellus Pius, der seine eigene Empörung gut verbarg. »Und laß den guten Balbus Minor fortfahren.«
»Quintus Sertorius war mit den Bedingungen des Königs einverstanden. Mit einer Einschränkung: Asia und Cilicia bleiben römische Provinzen. Die Gesandten stimmten im Namen ihres Königs zu, sagten allerdings, sie müßten dem König zuerst persönlich Bericht erstatten, damit er das Abkommen formell bestätigen könne.«
»Ist die pontische Flotte noch in Dianium?«
»Nein, Quintus Caecilius. Sie ist nach neun Tagen wieder abgesegelt.«
»Hat irgendwelches Gold den Besitzer gewechselt, und hat Sertorius schon Schiffe bekommen?«
»Noch nicht. Erst im Frühjahr. Aber Quintus Sertorius hat dem König einen Vertrauensbeweis geschickt.«
»In welcher Form?«
»Er hat dem König eine ganze Zenturie seiner besten spanischen Guerillatruppen geschickt. Sie stehen unter dem Kommando von Marcus Marius, einem jungen Mann, auf den er große Stücke hält.«
Metellus Pius runzelte die Stirn. »Marcus Marius? Wer ist denn das?«
»Ein unehelicher Sohn des Gaius Marius. Er wurde von einer Frau aus dem Stamm der Baeturi geboren, als Marius vor achtundvierzig Jahren Proprätor in Hispania Ulterior war.«
»Dann ist dieser Marcus Marius gar nicht mehr so jung«, sagte Gaius Memmius.
»Das stimmt«, sagte Balbus zerknirscht. »Es tut mir leid, daß ich einen falschen Eindruck erweckt habe.«
»Ihr Götter!« rief Metellus Pius belustigt. »Das ist doch keine strafbare Handlung, Mann! Sprich weiter!«
»Marcus Marius hat Spanien nie verlassen. Obwohl er gut Latein spricht und eine ordentliche Erziehung genoß — Marius wußte von ihm und ließ ihn keineswegs mittellos zurück —, hat er sich für die Sache der spanischen Barbaren entschieden. Er war der erfolgreichste Guerillaführer des Quintus Sertorius — ein Spezialist für Angriffe aus dem Hinterhalt.«
»Und nun hat ihn Sertorius zu Mithridates geschickt, damit er ihm beibringt, wie man Überfälle macht und Leute ausplündert«, sagte Metellus Scipio. »Sehr verdienstvoll, Sertorius!«
»Das Geld und die Schiffe werden in Dianium abgeliefert?« fragte Metellus Pius.
»Ja. Im Frühjahr, wie ich gesagt habe.«
Diese sensationellen Neuigkeiten boten Metellus Pius auf dem ganzen Weg nach Emporiae genügend Stoff zum Nachdenken und Briefeschreiben. Er hatte nie in Betracht gezogen, daß Sertorius Pläne haben könnte, die darüber hinausgingen, als eine Art römischer König über ganz Spanien zu herrschen. Seine Sache war immer als absolut untrennbar von der Sache der spanischen Bevölkerung erschienen.
»Nun«, sagte Metellus Pius zu Pompeius, als er in Emporiae eingetroffen war, »ich glaube, es wird höchste Zeit, daß wir uns diesen Quintus Sertorius einmal genauer ansehen. Die Eroberung Spaniens ist nur sein erster Schritt. Wenn wir beide ihn nicht aufhalten, wird er eines Tages mit seinem hübschen weißen Diadem vor den Toren Roms stehen, und die Römer brauchen es ihm nur noch aufzusetzen. König von Rom! Und Verbündeter von Mithridates und Tigranes.«
Metellus Pius hatte sich sehr darauf gefreut, ein bißchen Salz in die offenen Wunden des Pompeius zu streuen, nun aber merkte er, daß er darauf verzichten mußte. Er brauchte nur einen Blick in das blasse Gesicht und die leeren Augen des kleinen Schlächters von einst zu werfen, und hatte verstanden, daß er diesen Pompeius nicht an seine Schwächen erinnern durfte, sondern ihn psychisch wieder aufbauen mußte. Numidicus, der Vater des Metellus Pius, hätte um seiner Ehre willen trotzdem Salz in die Wunden gestreut, aber sein Sohn hatte zu lange im Schatten seines Vaters gelebt, um einem derart übersteigerten Ehrbegriff zu huldigen.
Damit die Reparaturarbeiten nicht gefährdet wurden, die Metellus Pius an Pompeius’ erschüttertem Selbstbewußtsein zu verrichten gedachte, schickte er seinen taktlosen und hochnäsigen Sohn mit Aulus Gabinius nach Gallia Narbonensis, um Pferde und Reiter zu rekrutieren. Dann gewann er Gaius Memmius als Verbündeten für seine therapeutische Aufgabe und beauftragte Afranius und Petreius, die arg geschrumpfte Armee des Pompeius zu reorganisieren. Er vermied es mehrere Tage lang, das Gespräch auf den mißglückten Feldzug des vergangenen Sommers zu bringen. Dabei kam es ihm sehr gelegen, daß die Nachrichten aus Dianium genügend neuen und anregenden Gesprächsstoff boten.
Schließlich, als bereits der Dezember nahte und Metellus Pius dringend in seine Provinz zurückkehren mußte, kam er doch noch auf das heiße Thema zu sprechen.
»Ich finde es nicht notwendig, auf Ereignissen herumzureiten, die bereits der Vergangenheit angehören«, sagte er knapp. »Was wir bereden müssen, sind die Feldzüge des kommenden Jahres.«
Pompeius hatte Metellus Pius immer ganz gern gemocht. Doch jetzt wünschte er sich, daß Metellus ihn so richtig zur Schnecke gemacht hätte. Ein gesunder Haß auf das Ferkel hätte es ihm ermöglicht, seine Ansichten als wertlos abzutun. Nun aber machte ihm das Zartgefühl und die echte Freundlichkeit seines Kollegen die eigenen Unzulänglichkeiten erst recht bewußt. Offensichtlich maß ihm Metellus nicht genügend Bedeutung bei, um ihn zu verachten. Er war für ihn nur einer von vielen jungen Militärtribunen, die bei ihrer ersten selbständigen Mission auf die Nase gefallen waren. Solchen Leuten mußte man aufhelfen, ihnen den Staub von den Kleidern klopfen und sie wieder aufs Pferd setzen.
Doch diese Haltung machte es immerhin möglich, daß die beiden freundschaftlich zusammensitzen konnten. Vor seinen Niederlagen gegen Sertorius hätte Pompeius bei einem solchen Kriegsrat sofort das Gespräch bestimmt, nun aber saß er einfach da und wartete darauf, daß Metellus Pius einen Plan entwickelte.
»Diesmal«, sagte Metellus, »werden wir zusammen losmarschieren und Sertorius am Sucro stellen. Keiner von uns hat ein Heer, das groß genug wäre, diese Aufgabe allein zu bewältigen. Ich kann allerdings nicht über Laminium marschieren, weil dort Hirtuleius mit der spanischen Armee auf mich wartet. Also werde ich einen recht großen Umweg machen müssen, und zwar so heimlich wie möglich. Nicht, daß wir verhindern könnten, daß Sertorius und mit ihm Hirtuleius von meinem Anmarsch erfährt. Aber Hirtuleius wird Laminium verlassen müssen, um mich aufzuhalten, und er wird das erst tun, wenn Sertorius es befiehlt. Sertorius ist ein absoluter Autokrat, was militärische Angelegenheiten betrifft.«
»Auf welchem Weg willst du denn marschieren?« fragte Pompeius.
»Er wird mich weit nach Westen führen, durch Lusitanien. Ich werde schließlich in Segovia herauskommen.«
»Segovia! Aber das ist ja am Ende der Welt!«
»Stimmt. Aber ich werde Sertorius Sand in die Augen streuen, und ich werde Hirtuleius umgehen. Sertorius wird glauben, daß ich in das Gebiet am Oberlauf des Ebro einmarschieren und es ihm abnehmen will, während er mit dir beschäftigt ist. Er wird Hirtuleius losschicken, um mich aufzuhalten, weil Laminium über hundert Meilen näher bei Segovia liegt als der Ort, wo er selbst sich aufhält.«
»Was genau soll ich dabei tun?« fragte Pompeius demütig.
»Bleibe bis Mai in deinem Lager in Emporiae. Ich werde zwei Monate brauchen, um Segovia zu erreichen, also muß ich mich lange vor dir auf den Weg machen. Wenn du selbst losmarschierst, mußt du äußerste Vorsicht walten lassen. Der wichtigste Teil unseres Plans besteht darin, daß es so aussehen muß, als ob du dich mit einem bestimmten Ziel und völlig unabhängig von mir bewegst. Aber du darfst Valentia keinesfalls vor Ende Juni erreichen.«
»Wird Sertorius versuchen, mich bei Saguntum oder Lauro zu stellen?«
»Das glaube ich kaum. Er kämpft nicht zweimal auf dem gleichen Territorium. Und die Gegend um Saguntum und Lauro kennst du ja inzwischen gut.«
Pompeius wurde dunkelrot im Gesicht, aber er sagte nichts.
Metellus das Ferkel sprach weiter, als ob er den Wechsel von Pompeius’ Gesichtsfarbe nicht bemerkt hätte. »Nein, er wird dich diesmal bis Valentia durchkommen lassen. Das Gebiet ist neu für dich, verstehst du? Herennius und der Verräter Perperna halten Valentia noch immer besetzt, aber ich glaube nicht, daß sie dort warten werden, bis du sie belagerst — Sertorius stellt sich nicht gerne in Küstenstädten, er kämpft lieber in seinen Bergfesten — die sind uneinnehmbar.«
Metellus Pius machte eine Pause und blickte Pompeius forschend ins Gesicht, das wieder seine alte gramvolle Blässe angenommen hatte. Aber er registrierte ehrlich erfreut, daß ihn die Augen wach und interessiert anblickten. Gut! Er war also voll bei der Sache.
»Von Segovia aus werde ich an den Sucro marschieren. Denn ich glaube, daß dich Sertorius dort zur Schlacht zwingen wird.«
Pompeius ließ sich die Sache mit gerunzelter Stirn durch den Kopf gehen, der, wie Metellus sogleich merken würde, noch immer gut funktionierte. Pompeius hatte lediglich nicht mehr das Selbstvertrauen, eigene Pläne zu machen. Aber ein paar Siege würden genügen, um sein Selbstvertrauen wiederherzustellen. Pompeius’ Charakter war bereits gebildet. Er konnte nicht mehr völlig umgeformt werden. Nur erschüttert.
»Aber ein Marsch von Segovia an den Sucro wird dich mitten durch das trockenste Gebiet in ganz Spanien führen!« protestierte Pompeius. »Es ist eine absolute Wüste! Und bis du den Sucro erreichst, mußt du einen Gebirgszug nach dem andern überqueren, anstatt im Tal zu marschieren. Ein fürchterlicher Marsch!«
»Genau darum will ich ihn machen«, sagte Metellus Pius. »Niemand hat diese Route je freiwillig gewählt, und Sertorius wird gewiß nicht damit rechnen, daß sie ausgerechnet von mir genommen wird. Ich hoffe, daß ich den Sucro erreiche, bevor seine Kundschafter herausfinden, daß ich dort bin.« Seine braunen Augen ruhten wohlgefällig auf seinem Gegenüber. »Du hast deine Karten und Berichte genau studiert, Pompeius, daß du das Land so gut kennst.«
»Das habe ich, Quintus Caecilius«, sagte Pompeius, erfreut über das Lob. »Es kann eigene Erfahrungen nicht ersetzen, aber es ist das Beste, was man tun kann, bis man Erfahrungen gesammelt hat.«
»Du hast schon angefangen, Erfahrungen zu sammeln«, sagte Metellus Pius herzlich. »Keine Sorge.«
»Schlechte Erfahrungen«, murmelte Pompeius.
»Keine Erfahrung ist schlecht, Gnaeus Pompeius. Vorausgesetzt, sie führt schließlich zum Erfolg.«
Pompeius zuckte die Schultern. »Kann schon sein.« Er blickte verlegen auf seine Hände. »Wo soll ich sein, wenn du den Sucro erreichst? Und wann glaubst du, daß du dort bist?«
»Sertorius selbst wird den Sucro nicht verlassen, um nach Norden an die Turia zu marschieren«, sagte Metellus Pius fest. »Herennius und Perperna versuchen vielleicht, dich bei Valentia aufzuhalten, aber ich glaube, sie werden den Befehl haben, sich zu Sertorius an den Sucro zurückzuziehen. Ich will versuchen, bis Ende Quinctilis in der Nähe von Sertorius zu sein. Das bedeutet, wenn du die Turia bereits Ende Juni erreichst, mußt du eine gute Ausrede finden, warum du dich einen ganzen Monat dort aufhältst. Was immer geschieht, du darfst auf keinen Fall vor Ende Quinctilis weiter nach Süden marschieren, um Sertorius selbst zu treffen. Wenn du das tust, kann ich dir nicht zu Hilfe kommen. Sertorius hat das Ziel, dich und deine Legionen von der spanischen Landkarte zu putzen — dann wäre er mir an Truppen haushoch überlegen. Und ich würde untergehen.«
»Letztes Jahr habe ich dich aufsteigen sehen, Quintus Caecilius.«
»Das war vielleicht ein Zufall; jedenfalls hoffe ich, daß Sertorius das glaubt. Wenn ich Hirtuleius wieder treffen und erneut besiegen sollte, dann werde ich jedenfalls versuchen, diesen Erfolg vor Sertorius geheimzuhalten, bis ich mich mit dir vereinigt habe. Das kannst du mir glauben.«
»Wie ich gehört habe, soll das in Spanien schwierig sein.
Sertorius erfährt doch alles.«
»So wird behauptet. Aber ich bin jetzt auch ein paar Jahre in Spanien, und Sertorius’ Vorsprung schmilzt dahin. Sei unbesorgt, Gnaeus Pompeius! Wir werden gewinnen!«
Pompeius war vielleicht nicht gerade guter Stimmung, nachdem Metellus Pius aufgebrochen war, um seine Flotte zurück nach Gades zu bringen, aber sein Selbstvertrauen war deutlich gestärkt. Er verließ sein Quartier und half Afranius, Petreius und den nachgeordneten Legaten, seiner neustrukturierten Armee den letzten Schliff zu verpassen. Er hatte kein schlechtes Gewissen, daß er dem Ferkel eine seiner Legionen abgenommen hatte, denn ohne sie hätte er überhaupt nicht ins Feld ziehen können. Die genaue Zahl seiner Soldaten ließ ihm zwei Alternativen: Er konnte fünf unterbesetzte Legionen bilden oder vier von normaler Stärke. Da er militärisch durchaus kein Trottel war, entschied er sich für fünf Legionen; mit fünf konnte man besser manövrieren als mit vier. Es fiel ihm schwer, seinen überlebenden Soldaten in die Augen zu sehen, was er seit seiner Niederlage das erste Mal wirklich tat. Zu seiner freudigen Überraschung machten sie ihm jedoch aus dem Tod so vieler Kameraden keinen Vorwurf. Statt dessen waren sie fest entschlossen, Sertorius das Leben schwerzumachen, und sie waren wie früher bereit, alles zu tun, was ihr wunderbarer junger Feldherr befahl.
Da der Winter im Tiefland mild und ungewöhnlich trocken war, konnte Pompeius seine neuen Truppeneinheiten zusammenschweißen, indem er sie ein Stück den Ebro hinaufführte und mehrere sertorianische Städte eroberte — zumindest Biscargis und Celsa waren groß genug, daß ihr Velust Sertorius schmerzen mußte. Danach zog sich Pompeius wieder in sein Lager nach Emporiae zurück und bereitete seinen Marsch an die Küste vor.
Er erfuhr aus einem Brief von Metellus Pius’, daß Sertorius Herennius als Befehlshaber in Osca zurückgelassen hatte und nach Dianium gereist war, um die vierzig Kriegsschiffe und dreitausend Talente Gold persönlich in Empfang zu nehmen. Danach war er mit Perperna nach Lusitanien aufgebrochen und hatte Hirtuleius bei der Ausbildung neuer Männer geholfen, um die argen Lücken in den Reihen der spanischen Armee zu schließen.
Pompeius hatte seinen eigenen Geheimdienst beträchtlich verbessern können, weil ihm Metellus Pius Onkel und Neffe Balbus überlassen hatte und weil seine picentischen Kundschafter besser zurechtkamen, als er erwartet hatte.
Wie verabredet begann er seinen Marsch erst Anfang Mai und bewegte sich mit extremer Vorsicht. Er überschritt bei Dertosa den Ebro, und da er auf dem Land aufgewachsen war, registrierte er automatisch, daß das fruchtbare und intensiv bewirtschaftete Tal für die Jahreszeit sehr trocken wirkte. Der Weizen auf den Feldern stand weniger dicht als er hätte stehen sollen, und trug noch keine Ähren.
Wieder war keine Spur vom Feind zu sehen, aber auf seinem zweiten Marsch in den Süden hatte Pompeius daran keine Freude mehr. Er wurde noch vorsichtiger und hielt seine Marschkolonne in ständiger Verteidigungsbereitschaft. An Saguntum und Lauro eilte er mit abgewandtem Gesicht vorbei; Saguntum stand noch, aber Lauro war nur noch eine schwarze, leblose Ruine. Nachdem er eine Botschaft abgeschickt hatte, von der er hoffte, daß sie Metellus Pius in Segovia erreichen werde, betrat er Ende Juni das breite, fruchtbare Tal der Turia, an deren jenseitigem Ufer die große, gut befestigte Stadt Valentia stand.
Hier traf er auf Herennius und Perperna, die ihn auf der schmalen Ebene zwischen der Stadt und dem Fluß erwarteten. Wie ihn seine Kundschafter informierten, hatten sie ebenfalls fünf Legionen, verfügten jedoch über dreißigtausend Mann, während seine fünf Legionen nur aus zwanzigtausend Mann bestanden. Am größten war ihre Überlegenheit bei der Reiterei, die Pompeius’ Kundschafter auf etwa tausend gallische Reiter schätzten. Dagegen war die Reiterei des Pompeius nur vierhundert Mann stark, obwohl Metellus Scipio und Aulus Gabinius in Gallia Narbonensis emsig Reiter rekrutiert hatten.
Immerhin konnte er sich auf die Informationen seiner picentischen Kundschafter verlassen, und er glaubte ihnen auch, als sie ihm versicherten, daß sich das Kundschaften in Spanien von dem in Italien nicht wesentlich unterschied. Als er mit Sicherheit wußte, daß keine sertorianischen Horden in seinem Rücken auf der Lauer lagen, die nur darauf warteten, seine Nachhut anzugreifen oder ihm in die Flanken zu fallen, schickte er seine Armee über die Turia — und in die Schlacht.
Der Fluß hatte eine flache Uferböschung und stellte kein Hindernis dar; sein Bett war hart wie Stein, und das Wasser reichte nur bis zu den Knöcheln. Da das Gelände keiner Seite einen taktischen Vorteil bot, entwickelte sich eine ganz normale Schlacht, die von dem Heer mit der besseren Moral und der größeren Kampfkraft gewonnen würde. Die einzige Neuerung, die Pompeius einführte, war aus seinem Mangel an Reitern entstanden. Er hatte zu Recht angenommen, daß Perperna und Herennius versuchen würden, mit ihrer überlegenen Reiterei seine Flanken aufzurollen. Deshalb hatte er an den Außenseiten seiner Flügel Truppen mit den altmodischen Speeren der griechischen Phalanx aufgestellt und ihnen befohlen, mit den furchterregenden, fünfzehn Fuß langen Waffen auf die Pferde, und nicht auf die Reiter zu zielen.
Der Kampf war hart und zog sich lange hin. Herennius war als Feldherr längst nicht so begabt wie Sertorius oder Hirtuleius, und er merkte erst, als es zu spät war, daß ihm in dieser Schlacht das schlimmste Los beschieden war. Perperna, der westlich von ihm kämpfte, befolgte keinen einzigen seiner Befehle. Die beiden Männer hatten sich, bevor die Schlacht begann, nicht einigen können, wie sie zu führen war; und so kämpften sie schließlich als zwei getrennte Einheiten. Für Pompeius war dies allerdings nicht erkennbar. Er erfuhr erst später davon.
Die Schlacht endete mit einer schweren Niederlage für Herennius, aber nicht für Perperna. Herennius beschloß, lieber zu sterben, als den Krieg auf Geheiß des Sertorius zusammen mit einem so verräterischen und hassenswerten Mann wie Perperna fortzusetzen, und warf sein Leben auf dem Schlachtfeld weg. Als er fiel, verließ seine drei Legionen und die ihm direkt unterstellte Reiterei der Mut. Zwölftausend Männer starben, und Perperna zog sich mit den überlebenden achtzehntausend zu Sertorius an den Sucro zurück.
Pompeius hatte nicht vergessen, daß Metellus Pius ihn gewarnt hatte, vor Ende des Monats Quinctilis am Sucro einzutreffen. Also verfolgte er Perperna nicht. Dieser Sieg hatte seinem angekratzten Selbstvertrauen überaus gut getan. Wie herrlich war es doch, daß seine Veteranen ihm wieder zujubelten! Und daß er die Adler und Standarten mit dem wohlverdienten Lorbeer schmücken konnte!
Valentia war durch Perpernas Abzug praktisch wehrlos geworden. Nur seine Mauern trennten die Bewohner noch von der Rache der Römer. Pompeius unterzog die Mauern einer gründlichen Inspektion, bis er mehr Schwachpunkte erkannte, als für eine erfolgreiche Belagerung nötig waren. Er grub nur ein paar Tunnel, legte Feuer an einem hölzernen Abschnitt der Befestigungsanlagen, spürte die Wasserzufuhr auf und schnitt sie ab, und Valentia ergab sich. Darauf ließ Pompeius sämtliche Lebensmittel aus der Stadt bringen und in einem stillgelegten Steinbruch unter einer Schicht Torf verstecken. Sodann schickte er die gesamte Bürgerschaft von Valentia auf den Sklavenmarkt in Neu-Karthago — per Schiff, denn die römische Flotte von Hispania Ulterior kreuzte dank weiser Voraussicht eines gewissen römischen Ferkels gerade in jenen Gewässern, und von den vierzig Triremen, die Sertorius jetzt besaß, war keine Spur zu sehen. Sechs Tage vor Ende des Quinctilis machte sich Pompeius auf den Weg zum Sucro, wo er wie erwartet auf Sertorius und Perperna stieß. Sie hatten auf der Ebene, die sich zwischen Pompeius und dem Fluß erstreckte, zwei getrennte Lager aufgeschlagen.
Wie bei der Schlacht an der Turia bot auch hier das Gelände dem Feind keine taktischen Vorteile. Nicht einmal in der weiteren Umgebung gab es Hügel, größere Wälder, Gehölze oder Schluchten, wo Sertorius Reiter oder Guerillakämpfer hätte verstecken können. Die nächstgelegene Stadt war das kleine Saetabis, fünf Meilen südlich des Flusses. Und der Fluß war breiter als die Turia und für seinen Treibsand berüchtigt.
Pompeius stand vor einem schweren Dilemma. Er hatte nichts von Metellus Pius gehört und wußte deshalb nicht, ob er mit Verstärkung rechnen konnte. Wenn er nun die Schlacht hinausschob, bis sich Metellus Pius mit ihm verband — immer vorausgesetzt, daß er überhaupt kam —, würde sich Sertorius vielleicht in ein Gebiet zurückziehen, das für ihn günstigere Voraussetzungen bot. Oder er würde vielleicht den Braten riechen und darauf kommen, daß Pompeius die Schlacht verzögerte, weil er Verstärkung erwartete. Andererseits war Pompeius, wenn er sich mit seinen zwanzigtausend Mann sofort zum Kampf stellte, zahlenmäßig weit unterlegen, denn Sertorius verfügte über fast vierzigtausend Soldaten. Reiter dagegen waren dank der Verluste des Herennius inzwischen auf beiden Seiten knapp.
Am Ende war es die Furcht, daß Metellus Pius überhaupt nicht kommen könnte, die Pompeius zur Schlacht trieb — wenigstens redete er sich das ein, denn er wollte sich nicht eingestehen, daß sein altes ruhmsüchtiges Selbst wiedererwacht war und ihm einflüsterte, daß er seinen Triumph nicht mit Metellus Pius würde teilen müssen, wenn er sofort kämpfte. Der Kampf mit Herennius war nur ein Vorspiel dieser Schlacht mit Sertorius gewesen, und Pompeius brannte darauf, die Schmach zu tilgen, die ihm Sertorius angetan hatte. Ja, sein Selbstvertrauen war wiederhergestellt! Und so ließ Gnaeus Pompeius Magnus am vorletzten Tag des Quinctilis in der Morgendämmerung das gewaltige Lager hinter sich, das er hatte errichten lassen, und stellte sich mit seinen fünf Legionen und vierhundert Reitern in der Ebene zur Schlacht.
Quintus Caecilius Metellus Pius hatte sein komfortables Quartier vor den Mauern Italicas auf dem Westufer des Guadalquivir an den Kalenden des April verlassen und war auf die Guadiana zumarschiert. Er nahm seine gesamte Streitmacht mit — sechs Legionen mit einer Gesamtstärke von fünfunddreißigtausend Mann und tausend leichte numidische Reiter. Da die aristokratische Flüssigkeit, die in seinen Adern floß, nicht durch bäuerliches Blut verdünnt war, fiel ihm nicht auf, daß das bestellte Land, das er durchquerte, nicht so grün aussah wie in anderen Jahren und die Feldfrüchte weniger üppig sprossen. Er führte in seiner Verpflegungskolonne Getreide im Überfluß mit und hatte auch genügend andere Nahrungsmittel dabei, um die Mahlzeiten seiner Männer abwechslungsreich zu gestalten und Mangelkrankheiten vorzubeugen.
Als er die Guadiana etwa hundertfünfzig Meilen oberhalb ihrer Mündung überquerte, traten ihm keine Lusitanier entgegen. Das freute ihn, denn es bedeutete, daß die Lusitanier keine Ahnung hatten, wo er sich befand, und noch immer an der Küste auf ihn warteten. Obwohl so weit stromaufwärts keine größeren Siedlungen existierten, gab es doch ein paar Weiler, und der Boden des Tals war bestellt. Also würde die Nachricht von seiner Ankunft mit Sicherheit den Strom hinunter zu den versammelten Stammeskriegern wandern. Bis sie jedoch hier waren, hatte er die Guadiana schon weit hinter sich gelassen. Sie konnten ihn dann zwar verfolgen, aber sie würden ihn niemals einholen!
Der römische Heerzug marschierte zügig durch das sanfte Hügelland und bewegte sich auf Turmuli am Tagus zu. Gelegentlich kam es zu Gefechten mit lokalen Kriegern, aber sie wurden verjagt wie lästige Fliegen auf dem Rumpf eines Pferdes. Da Metellus nach Segovia wollte, überquerte er den Tagus und marschierte querfeldein in nordwestlicher Richtung weiter.
Die Straße, auf der er sich bewegte, war wenig mehr als eine primitive Wagenspur, aber wie bei solchen Pfaden üblich, überquerte sie das westliche Hochplateau auf dem Weg des geringsten Widerstands; die Höhenunterschiede betrugen nie mehr als tausend Fuß, und sie stieg nie höher als zweitausendfünfhundert Fuß. Metellus Pius war das Gebiet unbekannt, und so sah er sich interessiert um und befahl seinen Geographen, alles genau zu kartographieren und zu beschreiben. Menschen gab es wenig, und wenn die Römer doch welche trafen, wurden sie sofort getötet.
Und weiter marschierten sie, durch herrliche Mischwälder aus Eichen, Buchen, Ulmen und Birken vor der zunehmenden Sonnenhitze geschützt. Der Sieg über Hirtuleius hatte die Männer mit ungeheurer Zuversicht erfüllt. Und er hatte bei ihrem Feldherrn zu einer neuen Einstellung geführt, was ihr Wohlergehen betraf. Metellus Pius war fest entschlossen, sie nicht mehr leiden zu lassen als unbedingt nötig, und da er außerdem wußte, daß er gut in der Zeit war, achtete er darauf, das Marschtempo so zu halten, daß ein gutes Mahl und eine ordentliche Nachtruhe immer genügten, die Kräfte seiner Männer wiederherzustellen.
Die römischen Kolonnen schlängelten sich zwischen zwei Gebirgszügen hindurch, und schließlich lag das Tal des Duero vor ihnen, den die Römer von allen spanischen Strömen am wenigsten kannten. Wäre Metellus Pius in der gleichen Richtung weitermarschiert, hätte er die große und wohlhabende Stadt Salamantica erreicht. Er wandte sich jedoch nach Nordosten und marschierte hart an den Berghängen zu seiner Rechten vorbei. Denn er hatte keine Lust, den Stamm der Vetioner zu provozieren, deren Goldgruben hundertfünfundvierzig Jahre zuvor Hannibal veranlaßt hatten, Salamantica zu plündern. Und so hatte Metellus das Ferkel sein Heer pünktlich an den Kalenden des Juni nach Segovia gebracht.
Trotzdem hatte es Hirtuleius vor ihm geschafft, Segovia zu erreichen, was nicht weiter verwunderlich war. Laminium lag nur zweihundert Meilen von Segovia entfernt, während Metellus Pius sechshundert Meilen hatte zurücklegen müssen. Vermutlich hatte man aus Turmuli eine Meldung an Sertorius geschickt, daß eine römische Armee durchgekommen, aber nicht den Tagus hinaufmarschiert sei. Sertorius hatte, wie von Metellus geplant, angenommen, daß das römische Heer zum Oberlauf des Ebro unterwegs war, und zwar entweder, um ihn von der Ostküste und Pompeius wegzulocken oder um in seine Kernlande vorzustoßen.
Eines aber wußte Metellus Pius genau: Sertorius hatte nicht erraten, wohin er wirklich wollte. Um dies zu erraten, hätte er dem alten Weib wesentlich mehr Verstand — und Gerissenheit — zutrauen müssen.
Zunächst mußte Metellus Pius sein Heer in einem stark befestigten Lager unterbringen. Vorsichtig wie immer ließ er seine Soldaten in voller Rüstung graben und bauen — eine zusätzliche Belastung, die keinem Legionär willkommen war. Die Männer fanden sich jedoch damit ab, als ihre Zenturionen verkündeten, daß Hirtuleius in der Nähe sei. Sie arbeiteten wie die Ameisen und schütteten einen Wall nach dem anderen auf. Die Wagen, Ochsen, Maultiere und Pferde waren schon auf den Lagerplatz gebracht worden, als er noch vermessen und mit roten Fähnchen abgesteckt wurde. Sie blieben unter minimaler Bewachung stehen, denn auch Nicht-Kombattanten wurden zur Arbeit herangezogen. Fünfund- dreißigtausend Mann arbeiteten so diszipliniert und gut organisiert zusammen, daß das Lager nach einem Tag stand, und das, obwohl jede seiner Seiten eine Meile lang war, obwohl die holzverstärkten Wälle eine Höhe von fünfundzwanzig Fuß aufwiesen, obwohl sich alle zweihundert Schritt ein Turm erhob und obwohl der Graben vor den Wällen eine Tiefe von fünfundzwanzig Fuß hatte. Als sich die vier Tore aus massiven Baumstämmen schlossen und die Wachposten ihren Platz eingenommen hatten, stieß der Feldherr einen Seufzer der Erleichterung aus; sein Heer war nun vor einem Angriff sicher.
Der Tag war dennoch nicht ohne Zwischenfall vergangen. Lucius Hirtuleius hatte es gar nicht gefallen, daß das alte Weib aus Hispania Ulterior es sich hinter Gräben, Wällen und Palisaden gemütlich machen wollte, und er hatte mit seiner Reiterei einen Ausfall aus seinem Lager gemacht, um Metellus zum Abbruch der Bauarbeiten zu zwingen. Metellus Pius aber war nicht umsonst dreieinhalb Jahre in Spanien gewesen. Er lernte allmählich wie der Feind zu denken. Und so hatte er sich viele Meilen vor Segovia freiwillig von sechshundert seiner leichten numidischen Reiter getrennt. Er hatte ihnen befohlen, dem Hauptheer heimlich zu folgen und sich so aufzustellen, daß ein potentieller Angreifer sie nicht sehen konnte. Kaum hatte nun Hirtuleius seinen Ausfall begonnen, als die Reiter auch schon aus einem nahen Wäldchen hervorbrachen und ihn zurück in sein Lager jagten.
Während der folgenden Marktwoche geschah nichts. Die Soldaten ruhten sich aus und hatten allmählich das Gefühl, als trauten sich die feindlichen Truppen nicht, ihre Ruhe zu stören. Sie verschliefen die Nächte und vertrieben sich die vielen Stunden des Tages mit militärischen Übungen und sportlichen Aktivitäten. Das Feldherrenzelt des Metellus Pius befand sich an der Kreuzung der Lagerstraßen via praetoria und via principalis. Es stand auf einem kleinen Hügel in der Mitte des Lagers, so daß der Feldherr über die Zelte hinweg zu allen vier Wällen sehen konnte. Metellus Pius ging oft die beiden Lagerstraßen entlang, bog in Gassen ein, an denen Zelte aus geöltem Rindsleder standen, und sprach mit seinen Männern. Er erklärte ihnen sorgfältig, was er als nächstes vorhatte, und ließ sie spüren, daß er voller Zuversicht war.
Er war kein warmer Mensch und fühlte sich im Umgang mit Untergebenen nicht sonderlich wohl, aber er war nicht so kalt, daß er gegen offene Zuneigung immun gewesen wäre. Bei der Schlacht am Guadalquivir hatte er seine Soldaten so fürsorglich behandelt, daß sie ihn seither mit anderen Augen betrachteten. Sie hatten begonnen, ihm ihre Zuneigung zu zeigen, schüchtern zuerst, dann immer offener. Sie dankten ihm dafür, daß er ihnen durch seine Fürsorge und seine Weitsicht in jener Schlacht den Sieg ermöglicht hatte. Auch war es ihnen völlig gleichgültig, daß er ausgesprochen praktische Motive für seine Fürsorge gehabt hatte, die nicht etwa auf Liebe basierten, sondern auf seinem Wunsch, Hirtuleius zu schlagen. Sie wußten es besser. Er hatte sie gehegt und gepflegt wie eine alte Gluckhenne und so dem Spitznamen alle Ehre gemacht, den ihm Sertorius in seiner Verachtung verpaßt hatte. Und damit hatte er sein persönliches Interesse an ihrem Wohlergehen verraten.
Seither waren sie mit ihm von Gades nach Emporiae und wieder zurück gesegelt. Sie waren ihm sechshundert Meilen durch unbekanntes Land gefolgt, in dem es von Barbaren nur so wimmelte. Und immer waren sie bei ihm sicher gewesen. So kam es, daß Quintus Caecilius Metellus Pius, als er durch die Straßen und Gassen seines Lagers in Segovia schritt, in der warmen Zuneigung seiner Soldaten aufgetaut war und begriffen hatte, daß sein Verstand und seine typisch römische Liebe zum Detail ihm eine Armee beschert hatten, um die er weinen würde, wenn er sich von ihr trennen mußte. Sie gehörten ihm. Und — damit kam er nicht so gut zurecht — er gehörte ihnen. Sein Sohn kam mit letztgenannter Tatsache überhaupt nicht zurecht. Er begleitete seinen Vater nur ungern, wenn er durch das Lager spazierte. Metellus Scipio war mehr ein Snob als ein Pedant, und er war von Natur aus unfähig, die Zuneigung von Leuten anzunehmen, die nicht seines Ranges waren — ja vielleicht nicht einmal von Leuten, die nicht durch Adoption oder Abstammung mit ihm verwandt waren.
Als der Feldherr seine Soldaten endlich aus dem Lager ließ, damit sie Hirtuleius zur Schlacht herausfordern konnten, wußten diese genau, warum er sechs ganze Legionen und tausend Reiter in ein Lager gestopft hatte, das eigentlich viel zu klein war. Er wollte Hirtuleius glauben machen, daß seine fünf Legionen nicht die volle Mannschaftsstärke hatten und er sein Lager deshalb so stabil gebaut hatte, weil er ohne die notwendige Ausrüstung hatte marschieren müssen. Einige numidische Reiter hatten Bemerkungen in dieser Richtung ausgetauscht, als sie die Reiter des Hirtuleius in ihr Lager zurückgejagt hatten.
Metellus Pius wählte ein bestimmtes Blatt aus dem Buch des Scipio Africanus und entschied sich für ein Gelände, auf dem ein Feldherr zur Schlacht antreten sollte, der über schlecht gerüstete Truppen mit mieser Moral verfügte. Das Gelände war von kleinen Wasserläufen durchzogen, etwas uneben und mit Büschen und kleinen Bäumen bewachsen, welche die Bewegungsfreiheit einschränkten. Außerdem ließ er Hirtuleius deutlich sehen, daß er sein Zentrum hatte ausdünnen müssen, um der breiten Front der vierzigtausend exzellent bewaffneten und trainierten spanischen Soldaten entgegenzutreten. Seine Flügel waren zu weit vorgeschoben, und die numidischen Reiter an ihren Spitzen benahmen sich, als hätten ihre Befehlshaber die Kontrolle über sie verloren. Als Hirtuleius von seinen Kundschaftern erfahren hatte, daß die Armee des alten Weibes ihr Lager verließ, hatte er noch nicht gewußt, ob er an diesem Tag die Schlacht annehmen sollte. Nachdem er jedoch einen kritischen Blick auf die Aufstellung des Feindes und das Gelände geworfen hatte, entschied er sich mit einem verächtlichen Grunzen, die Schlacht zu wagen.
Metellus’ Flügel nahmen zuerst den Kampf auf, und das war Hirtuleius gerade recht. Er rückte sofort auf das schwache Zentrum des Feindes vor, in der Absicht, ein Loch hineinzustoßen, durch das er schnell drei Legionen ziehen wollte, die danach herumschwenken und dem Feind in den Rücken fallen sollten. In dem Moment jedoch, als die spanische Armee sich zwischen die scheinbar ungeordneten Flügel vorgeschoben hatte, ließ Metellus Pius seine Falle zuschnappen. Er hatte seine besten Männer in den Flügeln versteckt. Einige verstärkten nun plötzlich das Zentrum, während die anderen eine Schwenkung vollzogen und dem Feind in die Flanken fielen. Bevor er versuchen konnte, sich aus dieser Falle zu befreien, sah sich Hirtuleius von einer Masse verwirrter Männer umgeben und hatte die Schlacht verloren. Er und sein jüngerer Bruder fielen, und die Soldaten des Metellus Pius machten mit einem Triumphgesang auf den Lippen Hackfleisch aus Sertorius’ geliebter spanischer Armee. Nur wenige Spanier überlebten. Sie flohen nach Lusitanien und verkündeten die schreckliche Nachricht von der Niederlage. Keiner von ihnen kehrte je zurück, um für Sertorius zu kämpfen. Ihre Stammesgenossen waren den Römern zunächst gefolgt, nachdem sie an der Mündung der Guadiana vergeblich auf ihre Beute gewartet hatten, dann aber waren sie in Hispania Ulterior einmarschiert und hatten sogar den Guadalquivir überschritten. Als sie jedoch die Kunde von der Niederlage der spanischen Armee erreichte, stimmten sie ein schreckliches Klagelied an, weil sie ihre große Chance verpaßt hatten, und zerstreuten sich in den Wäldern.
Segovia war im Grunde kaum mehr als ein kleines Dorf, das auf einem Berggipfel thronte, und es konnte Metellus Pius nicht einen einzigen Tag standhalten. Seine Bewohner wurden dem Schwert übergeben, und seine Gebäude gingen in Flammen auf. Metellus Pius wollte niemanden am Leben lassen, der nach Osten fliehen und Sertorius hätte berichten können, daß seine spanische Armee nicht mehr existierte.
Sobald die Zenturionen verkündeten, ihre Männer seien wieder frisch und ausgeruht, begann Metellus Pius seinen Marsch an die Mündung des Sucro. Die Zeit drängte, und so beschloß er, das Bergmassiv hinter Segovia zu überqueren, anstatt einen Weg darum herum zu suchen. Die Überquerung der Iuga Carpetana, wie die Bergkette hieß, erwies sich als schwierig, aber nicht unmöglich. Der Pfad durch das Gebirge war selbst für die Ochsenwagen gangbar, und er war mit etwa fünfundzwanzig Meilen sehr kurz. Als Metellus Pius die Städte Miaccum und Sertobriga passierte, führte er sein Heer so weit in ihrem Süden vorbei, daß ihre Bürger glaubten, Hirtuleius und die spanische Armee auf dem Rückweg nach Laminium zu erblicken.
Danach schleppte sich das Heer durch eine Landschaft, die so trocken war, daß sogar die Schafe sie zu meiden schienen. In regelmäßigem Abstand stieß Metellus Pius jedoch auf ausgetrocknete Flüsse, in deren Bett er nach Wasser graben konnte, und außerdem war die Entfernung zum Oberlauf des Sucro, der noch Wasser führte, nicht so groß, daß die Armee von Hispania Ulterior ernsthaft in Gefahr geschwebt hätte. Die Hitze war gewaltig, und Schatten gab es keinen. Doch da der Mond genug Licht spendete, marschierte Metellus Pius nur bei Nacht, und tagsüber ließ er seine Männer im Schatten ihrer Zelte schlafen.
Welcher Instinkt ihn veranlaßt hatte, gleich auf das nördliche Ufer des Sucro zu wechseln, als er ihn erreichte, konnte Metellus später nicht mehr sagen. Jedenfalls war es eine gute Entscheidung gewesen, denn ein Stück flußabwärts war das Flußbett ein tückisches Gemisch aus Treibsand und Kies, und es wäre sehr zeitraubend gewesen, den Fluß dort zu überschreiten. So aber standen seine Truppen schon auf dem nördlichen Ufer, als sie sich vor Sonnenuntergang marschbereit machten und plötzlich in der Ferne das unverkennbare Geräusch einer Schlacht hörten. Man schrieb den zweitletzten Tag des Quinctilis.
Quintus Sertorius hatte vom Morgengrauen bis eine Stunde vor Sonnenuntergang die Legionen des Pompeius beobachtet, wie sie in Schlachtordnung warteten. Und während der Tag sich dahinschleppte, hatte er sich immer wieder gefragt, ob Pompeius bei seiner Entscheidung bleiben oder ob er wieder abmarschieren werde. Sertorius hätte letzteres bei weitem vorgezogen, denn wenn Pompeius ihm den Rücken zugewandt hätte, hätte er schnell herausgefunden, daß er einen schrecklichen Fehler gemacht hatte. Doch leider war das Kind entweder schlau genug, um zu wissen, was es tat, oder aber es hatte eine Glücksgottheit neben sich stehen, die es dazu überredete, Stunde um Stunde unter der brennenden Sonne zu warten.
Die Sache lief nicht gut für Sertorius, trotz seiner vielen Vorteile: Seine Truppen konnten die Hitze besser ertragen, sie hatten Wasser im Überfluß, und er kannte die Umgebung genau. Doch erstens hatte er von Lucius Hirtuleius nichts mehr gehört, seit dieser ihm eine kurze Meldung geschickt hatte: Er habe Segovia erreicht, aber Metellus Pius sei noch nicht da. Nun werde er dreißig Tage lang warten, um zu sehen, ob das alte Weib doch noch auftauche. Wenn nicht, werde er wie befohlen an den Sucro marschieren und sich mit Sertorius verbinden. Zweitens hatten seine Kundschafter, die er auf den höchsten Hügeln der Gegend postiert hatte, noch keine Staubwolke gemeldet, die angezeigt hätte, daß Hirtuleius das trockene Tal des Sucro heruntermarschierte. Und drittens — das war seine größte Sorge — war Diana verschwunden.
Das weiße Hirschkalb hatte ihn, seit er Osca verlassen hatte, ständig begleitet. Es hatte sich von dem Getümmel und Chaos einer Armee auf dem Marsch nicht stören lassen und auch nicht von der Sommersonne, die einen Albino eigentlich hätte verbrennen müssen, ihm aber überhaupt nicht schadete — ein weiteres Zeichen für seinen göttlichen Ursprung. Doch dann, als Sertorius hier am Sucro sein Lager aufgeschlagen und Herennius und Perperna bei Valentia in eine gute Position gebracht hatte, um Pompeius zu zermürben, war Diana plötzlich verschwunden. Eines Nachts hatte er sich schlafen gelegt, und das Tier hatte sich wie üblich auf dem Schaffell neben seinem Lager zusammengerollt, doch als er im Morgengrauen erwachte, war es verschwunden.
Zunächst hatte er sich über seine Abwesenheit keine Sorgen gemacht. Es war absolut stubenrein und beschmutzte niemals ein Gebäude mit seinen Exkrementen. Deshalb hatte er angenommen, es sei einfach nach draußen gegangen, um sein Geschäft zu verrichten. Wenn er jedoch frühstückte, dann pflegte es auch zu fressen, und im Sommer war es nach der Nachtruhe immer am hungrigsten. Diesmal aber war es nicht zum Fressen zurückgekehrt.
Das war jetzt dreiunddreißig Tage her. Sertorius hatte erfolglos immer größere Teile der Gegend abgesucht, bis er schließlich Leute fragen mußte, ob sie das Kalb gesehen hätten. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer, bis schließlich das ganze Lager fieberhaft nach Diana suchte. Sertorius sah sich gezwungen, den strengen Befehl zu erlassen, daß die Disziplin auch dann aufrechterhalten werden müsse, wenn er selbst einmal verschwinden sollte.
Das Tier bedeutete so viel, besonders den Spaniern. Als ein Tag dem anderen folgte, ohne daß man eine Spur von ihm entdeckt hatte, begann die Moral seiner Truppen zu sinken, eine Entwicklung, die durch die dumme Niederlage bei Valentia noch verstärkt wurde, an der Perperna die Schuld trug, weil er sich weigerte, mit Herennius zusammenzuarbeiten. Sertorius war sich völlig darüber im klaren, daß der Fehler bei Perperna lag, aber seine Leute waren der festen Überzeugung, daß der Fehler im Verschwinden von Diana lag. Das weiße Hirschkalb war das Glück des Sertorius gewesen, und nun hatte er sein Glück verloren.
Erst kurz vor Sonnenuntergang ließ er seine Truppen zur Schlacht antreten, überzeugt, daß sie in viel besserem Zustand waren als die des Pompeius, die unter der langen Wartezeit in der Sommersonne gelitten haben mußten. Pompeius kommandierte den rechten Flügel der Römer, Lucius Afranius den linken, und das Zentrum stand unter dem Befehl eines Legaten. Seit dem Treffen von Lauro im Vorjahr hatte Sertorius für die Feldherrenkunst des Pompeius nichts als Verachtung übrig, und so beschloß er, selbst gegen Pompeius zu kämpfen. Auch das Zentrum befehligte er selbst, während er Afranius Perperna überließ.
Die Lage sah von Anfang an gut für Sertorius aus, und sie wurde noch besser, als Pompeius unmittelbar nach Sonnenuntergang vom Schlachtfeld getragen wurde, nachdem ihm ein mit Widerhaken versehener Speer den Schenkel zerfetzt hatte. Das große weiße Staatspferd blieb auf dem Schlachtfeld; es war durch denselben Speer getötet worden. Der führungslos gewordene linke Flügel des Pompeius begann nun zurückzuweichen, obwohl Aulus Gabinius heldenhaft versuchte, ihn zum Stehen zu bringen.
Unglücklicherweise machte Perperna auf seinem Flügel eine viel schlechtere Figur. Afranius gelang es, Perpernas Linien zu durchbrechen und sein Lager zu erobern. Sertorius mußte ihm persönlich zu Hilfe eilen, und er konnte Afranius nur unter schweren Verlusten wieder aus dem Lager vertreiben. Inzwischen war die Nacht hereingebrochen, aber es herrschte Vollmond, und die Schlacht wurde im Mondlicht und bei Fackelschein fortgesetzt, obwohl der aufgewirbelte Staub die Sicht zusätzlich erschwerte. Sertorius war fest entschlossen, den Kampf nicht eher zu beenden, als bis er eine Position errungen hatte, die ihm am nächsten Morgen den sicheren Sieg bringen würde.
So kam es, daß Sertorius allen Grund hatte, sich auf den nächsten Morgen zu freuen, als er den Kampf schließlich einstellte.
»Ich werde die Leiche dieses Kindes an einen Baum hängen und sie den Vögeln überlassen«, sagte er mit einem bösartigen Lächeln. Und dann stellte er eifrig und doch mutlos die Frage: »Und Diana, ist sie zurückgekommen?«
Nein, Diana war nicht zurückgekommen.
Sobald es hell genug war, ging die Schlacht weiter. Pompeius führte immer noch das Kommando; er lag auf einer Bahre, die von einigen seiner größten Männer in Schulterhöhe gehalten wurde. Seine Armee hatte sich in der Nacht neu formiert. Sie war dicht zusammengerückt und hatte offensichtlich den Befehl, keine Risiken einzugehen, um die Verluste so gering wie möglich zu halten — eine Taktik, die Sertorius zutiefst verachtete.
Und dann, kurz nach Sonnenaufgang, erschien ein neues Gesicht mit einer frischen Armee auf dem Schlachtfeld: Quintus Caecilius Metellus Pius kam von Westen heran und marschierte durch die Schlachtreihen Perpernas, als ob sie nicht da wären. Gleich darauf hatte Perperna sein Lager zum zweiten Mal verloren, und schon rückte Metellus Pius gegen das Lager des Sertorius vor. Zeit zu verschwinden, dachte Sertorius.
»Wenn dieses verdammte alte Weib nicht aufgetaucht wäre«, fluchte er verzweifelt, während er mit Perperna hastig den Rückzug antrat, »dann hätte ich dem Kind einen Tritt verpaßt, daß es bis nach Rom geflogen wäre.«
Der Rückzug endete in dem Vorgebirge westlich von Saetabis. Sertorius brachte wieder Ordnung in sein geschlagenes Heer und zählte die Verluste. Insgesamt waren etwa viertausend Mann gefallen, die zumeist unter Perpernas Befehl gestanden hatten. Sertorius verteilte die Männer aus den stark dezimierten Kohorten auf andere, die ein paar Mann Verstärkung brauchten, wobei er Perperna geflissentlich ignorierte. Perperna wollte sofort protestieren, daß Sertorius mit dieser Entscheidung mutwillig seine Autorität untergrabe, aber nach einem Blick in das finstere Gesicht mit der verstümmelten Augenhöhle beschloß er nachzugeben — für den Augenblick jedenfalls.
Jetzt erst erhielt Sertorius die Nachricht, daß Lucius und Gaius Hirtuleius bei Segovia den Tod gefunden hatten, zusammen mit der gesamten spanischen Armee. Dies war ein fürchterlicher Schlag und einer, den Sertorius nie erwartet hatte. Jedenfalls nicht von dem alten Weib aus Hispania Ulterior. Wie schlau von Metellus, einen solchen Umweg zu machen, daß seine wahren Absichten nie erkennbar wurden, sich in so großer Entfernung an Miaccum und Sertobriga vorbeizuschleichen, daß man ihn für Hirtuleius hielt, und danach im Mondlicht zu marschieren, damit er keinen Staub aufwirbelte, der seine Ankunft am Júcar hätte verraten können! Meine Spanier haben recht, dachte Sertorius. Als Diana verschwunden ist, habe ich mein Glück verloren. Fortuna begünstigt mich nicht mehr.
Wie ihm gemeldet wurde, hatten das Kind und das alte Weib offensichtlich darauf verzichtet, weiter nach Süden zu marschieren. Sie hatten sich, nachdem sie das Schlachtfeld aufgeräumt und das unglückliche Saetabis all seiner Nahrungsmittel beraubt hatten, mit ihren Heeren nach Norden gewandt. Nun, das war gut gedacht. Es war schon Sextilis, und sie hatten noch einen weiten Weg vor sich, bevor das Kind es sich im Winterlager würde bequem machen können. Was aber hatte das alte Weib im Sinn? Würde Metellus Pius nach Hispania Ulterior zurückkehren, oder würde er das Kind auf dem ganzen Weg in den Norden begleiten? Quintus Sertorius hatte eine böse Müdigkeit an sich entdeckt, die nicht nachgeben wollte, und so kam er zu dem Schluß, daß er seine Wunden nun genug geleckt hatte. Er würde dem alten Weib und dem Kind auf ihrem Weg nach Norden folgen und dabei möglichst großen Schaden anrichten, ohne es auf eine weitere direkte Konfrontation ankommen zu lassen.
Sein Lager war schon abgebaut, und seine Armee rückte gerade ab, wobei die Guerillaeinheiten die Vorhut bildeten, da traten zwei kleine Kinder aus der Gegend schüchtern auf ihn zu. Ihre nackten Füße waren noch brauner als ihre nackten Körper, und sie trugen leuchtende Goldkügelchen in der Nase und in den Ohren. Zwischen ihnen ging mit einem kostbaren Familienstrick um den Hals ein dreckverkrustetes braunes Hirschkalb. Tränen traten Sertorius in das verbliebene Auge — wie nett, wie freundlich von den Kindern! Sie hatten gehört, daß sein wundervolles, gottgegebenes weißes Hirschkalb verschwunden war, und nun wollten sie ihm ihr eigenes Tier als Ersatz anbieten.
Er drehte den Kopf, um die Kinder mit der verstümmelten Hälfte seines Gesichts nicht zu erschrecken, und ging in die Hocke. Zu seiner Überraschung begann das Tier bei dieser Geste sofort wild zu zappeln. Wie seltsam, Tiere kannten doch sonst keine Furcht vor Quintus Sertorius!
»Habt ihr mir euer Kälbchen gebracht?« sagte er sanft. »Vielen Dank, aber ich kann es leider nicht annehmen. Ich breche gerade auf, um gegen die Römer zu kämpfen, und es wäre mir viel lieber, wenn ihr es behalten würdet. Bei euch ist es sicher!«
»Aber es ist doch deins!« rief das Mädchen.
»Meins? Aber nein! Mein Hirschkalb war weiß.«
»Es ist weiß«, sagte das Kind, spuckte sich in die Hand und rieb ein Stück Fell des Kälbchens sauber. »Siehst du?«
In diesem Moment hatte das Tier es geschafft, sich von dem Seil zu befreien und sprang auf Sertorius zu. Die Tränen liefen ihm in Strömen über die Wange, als er es in die Arme schloß und es streichelte und küßte und gar nicht mehr loslassen wollte. »Diana! Meine Diana!« murmelte er unablässig.
Als die Kinder mit ihrem Familienstrick davongeschickt wurden, lag dieser in einem Sack voller Gold, den ein Sklave bei ihren Eltern abliefern mußte. Quintus Sertorius aber badete sein Kälbchen in einer nahegelegenen Quelle, wobei er es einer genauen Inspektion unterzog. Warum es auch immer verschwunden sein mochte, der Aufenthalt in der Wildnis hatte ihm jedenfalls gar nicht gut getan: Eine große Raubkatze mußte es angefallen haben, denn seine beiden Flanken waren von tiefen, halbverheilten Narben gezeichnet, die von scharfen Krallen stammten. Die Raubkatze mußte es von hinten angesprungen und zu Boden geworfen haben. Wie es diesem Angriff entkommen war, wußte nur die Gottheit — aber vielleicht hatte sie das Wunder ja selbst bewerkstelligt.
»Nun, Diana«, sagte Sertorius, als er das Kalb in einer Kiste auf die Ladefläche eines Wagens stellte, »ich hoffe, du hast gelernt, daß die Wildnis nur für Wilde gut ist. Hast du einen männlichen Hirsch gerochen? War es das? Oder haben dich die Lagerhunde gepiesackt? In Zukunft wirst du auf diese Art reisen, mein Kleines. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, daß ich dich noch einmal verlieren könnte.«
Die Nachricht hatte sich in Windeseile verbreitet; Diana war wieder da! Und mit ihr das Glück des Sertorius.
Pompeius und Metellus Pius hatten Valentia hinter sich gelassen und marschierten auf Saguntum zu. Die Nahrungsmittel, die sie in Saetabis geraubt hatten, waren eine willkommene Ergänzung ihrer schwindenden Vorräte, und dasselbe galt für das Versteck, das Pompeius in dem verlassenen Steinbruch bei Valentia angelegt hatte. Sie hatten beschlossen, gemeinsam die Ostküste hinauf nach Emporiae zu marschieren. Metellus Pius würde den Winter in Gallia Narbonensis verbringen. Seine Männer hatten sich über den tausend Meilen langen Umweg zwar nicht beschwert, den Metellus ihnen zugemutet hatte, um Pompeius zu helfen, aber Metellus war trotzdem der Ansicht, daß ein Marsch von weiteren fünfhundert Meilen für dieses Jahr genügte. Außerdem wollte er sich im Frühling im Zentrum der Kampfhandlungen befinden, und er wußte, daß Hispania Ulterior vor plündernden Lusitaniern sicher war, seit er die spanische Armee vernichtet hatte.
Aus Saguntum war eine Gesandtschaft gekommen und hatte ihnen versichert, daß die Stadt nach wie vor treu zu Rom stehe und alles in ihrer Macht Stehende tun werde, um sie zu unterstützen. Dies war kein Wunder: Schließlich war es das enge Bündnis Saguntums mit Rom — und Massilia — gewesen, das vor anderthalb Jahrhunderten den zweiten Punischen Krieg ausgelöst hatte. Nahrungsmittel aber hatte die Stadt kaum zu bieten, und auch das war kein Wunder. Die Ernte war schlecht gewesen, weil der Winterregen ausgeblieben war und das Korn in dieser wichtigen Wachstumsphase kein Wasser bekommen hatte, und auch im Spätfrühling hatte es nicht geregnet, als das Getreide Wasser gebraucht hätte, um Ähren zu bilden.
Daher mußten die beiden Heere so schnell wie möglich zum Ebro marschieren, wo die Ernte später und reicher gewesen war. Wenn sie den Fluß bis Ende des Monats Sextilis erreichten, würde die Ernte ihnen gehören, und nicht Sertorius. Also bedankten sich die beiden Feldherren höflich bei den Gesandten, schickten sie nach Hause und zogen an der Stadt vorbei.
Die Wunde an Pompeius Schenkel heilte, aber sie heilte langsam; die Widerhaken des Speers hatten Sehnen und Muskeln zerfetzt, und es mußte viel Gewebe nach- und zusammenwachsen, bis Pompeius das Bein wieder würde belasten können. Allerdings hatte Metellus Pius den Eindruck, daß der Verlust des Staatspferds Pompeius mehr schmerzte als der Umstand, daß er sein Bein noch nicht gebrauchen konnte und es dauerhaft verunstaltet sein würde. Nun ja, ein Pferd war zweifellos schöner als das Bein eines Mannes. Und Pompeius hätte nicht einmal diesseits der Rosea Rura im Land der Sabiner ein Pferd finden können, das dem toten Schimmel gleichgekommen wäre, geschweige denn in Spanien, wo die Pferde klein und unansehnlich waren.
Pompeius war wieder gedrückter Stimmung, und das war nur natürlich. Metellus hatte nicht nur den besten General des Sertorius getötet und seine beste Armee vernichtet, auch der Sieg am Júcar war ganz auf sein Konto gegangen. Selbst Lucius Afranius, Marcus Petreius und der neue Legat Lucius Titurius Sabinus hatten sich besser geschlagen als Pompeius selbst. Natürlich hätte man zu seinen Gunsten anführen können, daß sich Sertorius ganz auf ihn konzentriert hatte, aber Pompeius war ihm nicht gewachsen gewesen, und darauf kam es an. Und nun hatte sich dieser marianische Renegat, wie Pompeius’ Kundschafter meldeten, schon wieder an ihre Fersen geheftet und wartete ohne Zweifel auf seine nächste Chance. Seine Guerillaeinheiten machten sich schon bemerkbar und fielen über alle Abteilungen her, die Metellus und Pompeius ausschickten, um Nahrungsmittel zu requirieren. Pompeius war jedoch in dieser Beziehung inzwischen genauso weise geworden wie Metellus das Ferkel, und so hatten beide Heere nur geringe Verluste, trieben aber auch kaum Nahrungsmittel auf.
Dann aber stießen sie, kaum daß sie Saguntum passiert hatten, anscheinend ganz zufällig im Tal der Turia auf die Armee des Sertorius. Und Sertorius beschloß, die Schlacht zu wagen, wobei er wiederum dafür sorgte, daß er mit seinen eigenen Legionen Pompeius gegenüberstand. Denn Pompeius war das schwache Glied in der Kette, nicht Metellus Pius.
Die Strategie des Sertorius erwies sich als Fehler. Er hätte viel besser daran getan, Metellus selbst in Schach zu halten und Pompeius Perperna zu überlassen. Der Kampf begann am frühen Nachmittag und endete mit Einbruch der Nacht. Pompeius ließ sich auf der Bahre ins Feld tragen, denn er wollte sich nicht nachsagen lassen, daß er wie Achill im Zelt herumhing, während seine Verbündeten sich in den Kampf warfen. Metellus Pius ging als Sieger aus der Schlacht hervor. Er erlitt eine leichte Verwundung am Arm, konnte aber seine Verluste gering halten, während Perperna fünftausend Mann verlor. Dagegen war der arme Pompeius weiterhin vom Pech verfolgt — seine Reiterei wurde bis auf den letzten Mann aufgerieben, und er hatte sechstausend Gefallene zu beklagen — anderthalb Legionen! Daß die Römer den Sieg für sich verbuchen konnten, verdankten sie den Verlusten Perpernas und dem Umstand, daß auch Sertorius dreitausend Mann verloren hatte.
»Er wird im Morgengrauen zurück sein«, sagte Metellus Pius vergnügt, als er kam, um nach Pompeius zu sehen.
»Nein«, sagte Pompeius. »Er zieht sich bestimmt zurück. Es ist nicht gut für ihn gelaufen, aber für Perperna war die Schlacht eine Katastrophe.«
»Er greift wieder an, Gnaeus Pompeius. Ich kenne ihn.«
Er kennt ihn! dachte Pompeius bitter. So eine Frechheit! Und mich läßt er spüren, daß ich keine Ahnung habe.
Doch das Ferkel hatte recht. Sobald der Morgen graute, war Sertorius wieder da, kampflustig und siegessicher wie eh und je. Diesmal korrigierte er seinen Fehler, ließ Pompeius links liegen und griff Metellus’ Lager an, sobald es hell genug war. Metellus war jedoch gut vorbereitet. Er hatte Sertorius hereingelegt und Pompeius und seine Truppen in seinem Lager untergebracht. Metellus Pius sah dieser Tage viel jünger und frischer aus als ehedem, besonders als er Sertorius nach Saguntum hineinjagte, während sich Pompeius auf der Bahre in sein Zelt zurücktragen ließ.
Doch für Pompeius hatte der Sieg einen schrecklich hohen Preis: Er hatte zum ersten Mal einen Legaten verloren. Sein Schwager, Freund und Quästor, Gaius Memmius war gefallen. Und so saß er zusammengekrümmt auf einem von Maultieren gezogenen Karren, während Metellus Pius den Marsch nach Norden befehligte.
Er ließ Perperna und Sertorius tun, was immer sie wollten. Vermutlich bestraften sie gerade Saguntum, aber Metellus Pius war überzeugt, daß sie dort nicht lange bleiben würden. Saguntum konnte sich kaum selbst ernähren, geschweige denn ein Heer.
Als die beiden römischen Armeen am Ende des Sextilis den Ebro erreichten, mußten sie feststellen, daß die Ernte dieses Jahres bereits sicher in den Kornspeichern der gewaltigen Bergfestungen des Sertorius lagerte und die Erde zu einer eintönigen schwarzen Wüste verbrannt war. Sertorius war wirklich nicht lange in Saguntum geblieben. Er hatte sie überholt und war zuerst an den Ebro gelangt, wo er das gesamte Gebiet verwüstet hatte.
Auch Emporiae und den Indiceten ging es nicht gut; nach zwei Wintern mit Pompeius waren zwar ihre Geldbeutel fett, aber die Ernte war mager gewesen. »Ich schicke meinen Quästor Gaius Urbinius nach Hispania Ulterior«, sagte Metellus Pius. »Er soll genügend Truppen rekrutieren, um meine Provinz zu sichern. Ich selbst aber muß im Frühjahr in der Nähe liegen, wenn wir Sertorius das Kreuz brechen wollen. Deshalb werde ich wie geplant in Gallia Narbonensis überwintern.«
»Die Ernte ist dort auch nicht gut gewesen.«
»Stimmt. Aber die Provinz hat seit vielen Jahren keine Armee versorgen müssen, also wird schon genug für mich da sein.« Metellus Pius runzelte die Stirn. »Ich mache mir eher Sorgen, was du tun wirst. Ich glaube nicht, daß es hier soviel Nahrung gibt, daß deine Männer etwas Speck ansetzen können. Und wenn du sie im Winter nicht fett kriegst, dann werden sie im Sommer sehr mager bleiben.«
»Ich gehe an den Oberlauf des Duero«, sagte Pompeius ruhig.
»Ihr Götter!«
»Nun, das Gebiet liegt ein gutes Stück westlich der Städte des Sertorius, und ich werde es leichter haben, die dortigen Festungen zu unterwerfen, als ich es mit Orten wie Calagurris oder Vareia hätte. Der Ebro gehört Sertorius, von der Quelle bis zur Mündung. Der Duero nicht. Die paar Spanier, denen ich traue, erzählen mir, daß das Land dort nicht so hoch liegt und der Winter nicht so streng ist wie in der Nähe der Pyrenäen.«
»Aber die Vakkäer wohnen in dem Gebiet, und sie sind kriegerisch.«
»Na und«, sagte Pompeius müde und brachte sein schmerzendes Bein in eine bequemere Stellung. »Kennst du einen spanischen Stamm, der das nicht wäre?«
»Eigentlich hast du recht, Pompeius«, sagte das Ferkel und nickte nachdenklich. »Der Plan gefällt mir immer besser. Geh du an den Duero. Du mußt nur frühzeitig aufbrechen, denn im Winter ist es zu schwierig, die Wasserscheide im Quellgebiet des Ebro zu überschreiten.«
»Keine Sorge«, sagte Pompeius. »Den Winter werde ich schlagen. Aber zuerst«, fügte er grimmig hinzu, »muß ich einen Brief schreiben.«
»An Rom und den Senat.«
»Genau, Pius. An den Senat und das Volk von Rom.« Die blauen Augen, die in letzter Zeit älter und vorsichtiger wirkten, blickten fragend in die braunen des Metellus. »Kann ich auch für dich schreiben und sprechen, Metellus Pius?«
»Auf jeden Fall!«
»Bist du sicher, daß du nicht lieber selbst schreiben würdest?«
»Nein, es ist besser, wenn du ihnen die Meinung sagst. Du bist derjenige, den diese selbsternannten Experten, die sich auf ihren Liegen die Ärsche breit liegen, mit einem außerordentlichen Imperium ausgestattet haben. Ich bin nur ein normaler alter Statthalter in den Klauen eines furchtbaren Krieges. Mich würden sie überhaupt nicht beachten, denn sie wissen ganz genau, daß ich zur alten Garde gehöre. Dich aber kennen sie nicht, Magnus. Und sie trauen dir nicht so ganz über den Weg. Du bist nämlich keiner von ihnen. Schreib an sie, und jage ihnen einen gehörigen Schrecken ein, Magnus!«
»Worauf du dich verlassen kannst«, sagte Pompeius grimmig.
Metellus Pius erhob sich. »Was mich betrifft, ich werde gleich morgen nach Narbo aufbrechen. Es kommt auf jeden Tag an, an dem ich nicht von deinen Nahrungsvorräten zehre.«
»Willst du nicht wenigstens meine Prosa ein bißchen aufpolieren? Varro hat das immer getan.«
»Nein, das will ich nicht«, sagte Metellus Pius lachend. »Sie kennen meinen Stil. Schreib ihnen einen Brief, wie sie ihn noch nie gesehen haben.«
Und Pompeius schrieb einen Brief, wie sie ihn noch nie gesehen hatten.
An den Senat und das Volk von Rom:
Geschrieben in Emporiae an den Nonen des Oktober im Jahr der Konsuln Lucius Octavius und Gaius Aurelius Cotta. An den Iden des Oktober beginne ich meinen Marsch den Ebro hinauf zum Duero, zu einem Ort, wo die Pisuerga in den Duero mündet. Dort befindet sich eine Stadt namens Septimanca, die mitten in einem fruchtbaren Hochland liegt. Ich hoffe, daß ich dort überwintern und genug Nahrungsmittel auftreiben kann, um meinen Männern die Bäuche zu füllen. Glücklicherweise habe ich nun wesentlich weniger Männer, als ich hatte, als ich vor zwei Jahren in Emporiae eintraf. Meine Truppen sind auf vier Legionen zusammengeschmolzen; keine davon zählt mehr als viertausend Mann, und ich habe überhaupt keine Reiterei mehr.
Warum ich meine Truppen etwa fünfhundert Meilen durch feindliches Territorium marschieren lasse, damit sie überwintern können? Weil es in Ostspanien nichts zu essen gibt. Darum! Warum ich dann keine Nahrungsmittel in Gallia Transalpina oder Cisalpina kaufe, wo doch die Winde günstig wären, um sie in meine Richtung über das Meer zu transportieren? Weil ich kein Geld habe. Darum! Weder für die Nahrungsmittel noch für die Schiffe. Mir bleibt nichts anderes übrig, als mir die Nahrungsmittel bei den spanischen Stammeskriegern zu holen, und ich kann nur hoffen, daß sie schwach genug sind, sich von vierzehntausend hungrigen Römern das Essen rauben zu lassen. Darum muß ich auch so weit marschieren, um Stammeskrieger zu finden, die hoffentlich schwach genug sind. Am Ebro sind keine Nahrungsmittel zu bekommen, es sei denn, man erobert eine von Sertorius’ Festungen, und dazu bin ich nicht in der Lage. Wie lang hat Rom gebraucht, um Numantia zu erobern? UndNumantia ist ein Hühnerstall im Vergleich zu Calagurris oder Clunia. Außerdem wurde es nicht von einem Römer befehligt.
Ihr wißt aus meinen früheren Schreiben, daß ich im Feld zwei schlechte Jahre hatte, auch wenn mein Kollege Quintus Caecilius Metellus Pius Pontifex Maximus mehr Erfolg hatte. Quintus Sertorius muß sich langsam daran gewöhnen. Dies ist sein Land. Er kennt es, und er kennt seine Bewohner. Ich kenne es nicht. Ich habe mein Bestes getan. Ich glaube nicht, daß irgendein anderer, den Ihr hättet schicken können, besser abgeschnitten hätte. Mein Kollege Metellus Pius hat drei Jahre gebraucht, bis er seinen ersten Sieg errang. Ich habe im zweiten Jahr immerhin an zwei Siegen mitgewirkt, als mein Kollege Metellus Pius und ich Sertorius mit vereinten Kräften am Júcar schlugen und dann noch einmal bei Saguntum.
Mein Kollege Pius und ich glauben, daß wir siegen werden. Ich sage das nicht einfach so. Wir können wirklich siegen. Aber um zu siegen, brauchen wir ein bißchen Hilfe aus der Heimat. Wir brauchen mehr Legionen. Wir brauchen Geld. Ich sage nicht mehr Geld, denn bis jetzt habe ich überhaupt kein Geld erhalten. Und soviel ich weiß, hat auch mein Kollege kein Geld bekommen, außer dem Gehalt für sein erstes Jahr als Statthalter. Oh, jetzt kann ich Euch förmlich hören. Ihr schreit: Erringe ein paar Siege und plündere ein paar .Städte, dann hast Du Dein Geld. Nun, in Spanien ist das ganz anders. Es gibt kein Geld in Spanien. Das Beste, was ich mir erhoffen kann, wenn ich eine Stadt erobere, ist ein bißchen Nahrung. Es ist kein Geld da. Falls ihr Schwierigkeiten habt, das zur Kenntnis zu nehmen, sage ich es noch einmal. ES GIBT HIER KEIN GELD. Als ihr mich hierher schicktet, habt ihr mir sechs Legionen und fünfzehnhundert Reiter mitgegeben und genug Geld, um meine Truppen ein halbes Jahr zu besolden und um für ein halbes Jahr Proviant zu kaufen. Das war vor zwei Jahren. Meine Kriegskasse war nach einem halben Jahr leer. Das war vor anderthalb Jahren. Aber es kam kein Geld mehr. Und es kamen auch keine Truppen mehr.
Ihr wißt — ich weiß, daß Ihr es wißt, weil mein Kollege Pius und ich uns die Mühe gemacht haben, es Euch zu melden —, daß Quintus Sertorius mit König Mithridates von Pontus einen Pakt geschlossen hat. .Sertorius hat sich bereit erklärt, alle Eroberungen von König Mithridates zu bestätigen und ihn weitere Eroberungen machen zu lassen, wenn er erst Diktator von Rom ist. Nun, das sollte Euch eigentlich zeigen, daß sich Quintus .Sertorius nicht damit begnügen wird, nur König von Spanien zu sein. Er will auch König von Rom werden, gleichgültig, welchen Titel er sich verleiht. Es gibt nur zwei Männer, die ihm Einhalt gebieten können. Meinen Kollegen Pius und mich. Ich sage das, weil wir hier vor Ort sind und weil wir wirklich die Möglichkeit haben, ihm Einhalt zu gebieten. Aber nicht mit den Mitteln, über die wir verfügen. Sertorius hat die römische Begabung, aus spanischen Barbaren gute römische Soldaten zu machen, und er kann sich dabei auf die gesamte spanische Bevölkerung stützen. Wenn diese zwei Dinge nicht wären, hätte ich ihm schon vor zwei Jahren den Garaus gemacht. Aber er ist noch immer da, und er rekrutiert und trainiert immer noch Soldaten. Mein Kollege Pius und ich können in Spanien nicht rekrutieren. Niemand, der bei Verstand ist, würde in unsere Heere eintreten. Wir können unsere Männer nicht bezahlen. Wir können ihnen nicht einmal den Bauch füllen. Und, die Götter sind meine Zeugen, es gibt keine Beute zu verteilen.
Ich kann Sertorius schlagen. Wenn ich es nicht auf andere Weise bewerkstelligen kann, dann werde ich der stete Tropfen sein, der den Stein so höhlt, daß ein Kind ihn mit einem Spielzeughammer zerschlagen kann. Mein Kollege Pius hat dieselbe Einstellung. Doch ich kann Sertorius nicht schlagen, wenn ihr mir nicht mehr Soldaten, mehr Reiter UND ETWAS GELD schickt. Ich habe meine Soldaten seit anderthalb Jahren nicht bezahlt, und ich habe nicht nur bei den Lebenden Schulden, sondern auch bei den Toten. Ich habe eine Menge eigenes Geld mitgebracht, aber ich habe alles aufgebraucht, um Nahrungsmittel und Ausrüstung zu kaufen.
Ich entschuldige mich nicht für meine Verluste. Sie waren das Resultat einer Fehleinschätzung, die ich mit den Informationen, die ich in Rom erhalten hatte, nicht korrigieren konnte. Besonders falsch war die Einschätzung, daß sechs Legionen und fünfzehnhundert Reiter genügen, um mit Sertorius fertigzuwerden. Ich hätte zehn Legionen und dreitausend Reiter gebraucht. Dann hätte ich ihn im ersten Jahr geschlagen, und Rom hätte jetzt mehr Soldaten und mehr Geld. Darüber solltet Ihr einmal nachdenken, erbarmungswürdiger Haufen, der Ihr seid.
Und hier habe ich noch etwas, worüber Ihr Euch die Köpfe zerbrechen solltet. Wenn ich nicht mehr in der Lage sein sollte, in Spanien zu bleiben, und mein Kollege Pius sich deshalb aus seiner kleinen Ecke Spaniens hervorwagen muß, was glaubt ihr, was dann passiert? Ich werde nach Italien zurückkehren. Und ich werde Quintus Sertorius hinter mir herziehen wie ein Komet seinen Schweif. Darüber solltet Ihr wirklich einmal lange und sorgfältig nachdenken. Und schickt mir ein paar Legionen und ein paar Reiter UND ETWAS GELD.
Übrigens schuldet mir Rom ein neues Staatspferd.
Der Brief erreichte Rom in den letzten Tagen des Monats November. Die Amtszeit der amtierenden Konsuln ging gerade zu Ende, und die Konsuln des nächsten Jahres bereiteten sich darauf vor, ihr Amt anzutreten. Weil sein Kollege Lucius Octavius an einer chronischen Krankheit litt, saß nur Gaius Aurelius Cotta, der andere Konsul, auf dem kurulischen Stuhl. Der Princeps Senatus Mamercus las Pompeius’ Brief den schweigenden Senatoren vor, eines der wenigen Privilegien, die Sulla dem Princeps Senatus nicht genommen hatte.
Lucius Licinius Lucullus, der erste der beiden neugewählten Konsuln, erhob sich, um auf den Brief zu antworten. Sein Kollege Marcus Aurelius Cotta, der mittlere Bruder des amtierenden Konsuls, wollte zu diesem plumpen, aber höchst beunruhigenden Schreiben nichts sagen, und sein Bruder auch nicht.
»Eingeschriebene Väter«, begann Lucullus, »ihr habt soeben den offenen Bericht eines Soldaten gehört, und nicht das verklausulierte Schreiben eines Politikers.«
»Den Bericht eines Soldaten? Ich würde sagen, der Autor ist als Schreiber genauso schlecht wie als Feldherr!« sagte Quintus Hortensius und hielt sich die Nase zu, als ströme der Brief einen üblen Geruch aus.
»Ach, halt doch die Luft an, Hortensius!« sagte Lucullus gereizt. »Was ich zu sagen habe, braucht nicht mit den schlauen Bemerkungen eines Pantoffelfeldherrn garniert zu werden. Wenn du von deinem wohlgedeckten Tisch aufspringen und deine Fische im Stich lassen willst, um Sertorius auszutricksen, dann trete ich dir nicht nur mein Rederecht ab, sondern streue dir auch noch Rosenblüten vor die fetten kleinen Plattfüße! Aber solange dein Schwert nicht so scharf ist wie deine Zunge, läßt du die Zunge lieber da, wo sie hingehört, nämlich in deinem allerliebsten Feinschmeckerschnäuzchen!«
Hortensius sank beleidigt in sich zusammen.
»Wir haben nicht das verklausulierte Schreiben eines Politikers gehört«, nahm Lucullus den Faden wieder auf. »Und der Brief schont uns Politiker nicht. Aber der Autor schont sich auch nicht. Das Schreiben wimmelt nicht von Ausreden, und die erwähnten Siege und Niederlagen stimmen völlig mit den Berichten überein, die uns Quintus Caecilius Metellus Pius regelmäßig geschickt hat.
Nun bin ich selbst nie in Spanien gewesen«, fuhr Lucullus fort. »Einige von euch kennen das Land, aber den meisten ergeht es wie mir, sie kennen es überhaupt nicht. In früheren Zeiten hat Hispania Ulterior immer in dem Ruf gestanden, ein gutes Geschäft für einen Statthalter zu sein — reich, wohlgeordnet, friedlich und doch wohlversehen mit Barbaren an zwei Grenzen, so daß die Kriege, die ein Statthalter sich zu führen bemüßigt fühlte, relativ leicht zu bewerkstelligen waren. Hispania Citerior hat nie diesen Ruf genossen — die Profite sind dort mager, und die einheimischen Völker befinden sich in ständiger Unruhe. Deshalb konnte der Statthalter von Hispania Citerior seinen Geldbeutel noch nie so richtig füllen und mußte sich ständig mit kriegerischen Bergstämmen herumschlagen. All das hat sich jedoch mit der Ankunft des Quintus Sertorius geändert. Er kannte Spanien bereits gut, weil er unter Gaius Marius und als Militärtribun unter Titus Didius dort gedient hat. Ihr erinnert euch vielleicht, daß er damals die Graskrone gewann, obwohl er noch sehr jung war. Nachdem dieser bemerkenswerte und überaus fähige Mann als marianischer Rebell nach Spanien geflohen war, um der Vergeltung zu entgehen, wurde Hispania Citerior im wahrsten Sinne des Wortes unregierbar; und Hispania Ulterior westlich des Guadalquivir wurde ebenfalls unregierbar. Wie Gnaeus Pompeius in seinem Brief schreibt, brauchte der hervorragende Statthalter von Hispania Ulterior fast drei Jahre, bis er eine Schlacht gegen Hirtuleius gewinnen konnte, also gegen einen der Anhänger des Sertorius, und nicht gegen Sertorius selbst. Pompeius wirft uns nicht einmal vor, daß wir es wegen der Kämpfe in Italien zwei Jahre lang versäumt haben, überhaupt einen Statthalter nach Hispania Citerior zu schicken. Aber durch dieses Versäumnis, eingeschriebene Väter, haben wir die Provinz Sertorius wie ein Geschenk serviert!«
Lucullus machte eine Pause und sah Philippus, der sich weit vorgelehnt hatte und breit lächelte, direkt in die Augen. Er haßte es, für ihn die Kastanien aus dem Feuer zu holen, aber es ging ihm um die Sache, und er hielt es für besser, wenn ein designierter Konsul das Notwendige sagte und nicht ein Mann, von dem inzwischen auch der dümmste Senator wußte, daß er eine Marionette des Pompeius war.
»Als ihr, eingeschriebene Väter, Gnaeus Pompeius Magnus sein außerordentliches Imperium verliehen habt, war ich Statthalter in der Provinz Africa, und ihr konntet keinen geeigneten Senator finden, um das Übel Sertorius mit der Wurzel auszureißen. Ihr habt Gnaeus Pompeius mit sechs Legionen und fünfzehnhundert Reitern losgeschickt. Ich will euch offen sagen, daß ich selbst nur mit zehn Legionen und einer Reiterei von dreitausend Mann losgezogen wäre. Das sind die Zahlen, die Gnaeus Pompeius in seinem Brief nennt, und sie sind einer solchen Aufgabe angemessen!
Wenn man die militärischen Leistungen von Gnaeus Pompeius betrachtet, ist man beeindruckt. Und Pompeius ist jung genug, um flexibel und anpassungsfähig zu sein, genau die Eigenschaften, die ein Mann zusammen mit seinem jugendlichen Enthusiasmus zu verlieren pflegt. Gegen jeden anderen Feind von Rom hätten sechs Legionen und fünfzehnhundert Reiter genügt. Aber Quintus Sertorius ist ein ganz spezieller Fall. Wir haben seit Marius nicht seinesgleichen gehabt, und ich persönlich halte ihn für einen besseren Feldherrn als Marius. Deshalb sind die anfänglichen Niederlagen des Pompeius überhaupt nicht verwunderlich. Er hatte einfach kein Glück mehr. Und er stieß auf einen der besten Soldaten, die Rom je hervorgebracht hat. Daran gibt’s nichts zu rütteln.
Auch der genialste Feldherr hat jedoch eine bestimmte Art zu denken. Der Statthalter von Hispania Ulterior, unser geschätzter Metellus Pius, ist inzwischen so lange in Spanien gewesen, daß er allmählich begreift, wie Sertorius denkt. Und ich beglückwünsche Pius dazu. Offen gesagt, hätte ich ihm eine solche Leistung nicht zugetraut! Aber er kann Sertorius nicht allein schlagen. Der Kriegsschauplatz ist zu groß — so groß wie der des Bundesgenossenkriegs, der in ganz Italien tobte. Ein Mann kann nicht im Norden und Süden gleichzeitig sein, zumal die beiden Regionen durch ein trockenes und bergiges Gebiet getrennt sind.
Ihr habt den zweiten Mann — einen einfachen Ritter, dem ihr eine Art unbenannter militärischer Krone aufgesetzt habt — ausgeschickt, um Hispania Citerior zu regieren. Wie hast du es damals doch formuliert Philippus, non proconsule, sed pro consulibus? Ihr machtet ihn glauben, daß er mit einer angemessenen Zahl Soldaten und mit angemessenen Finanzmitteln versehen war. Und, damit kein Mißverständnis aufkommt, natürlich war er scharf auf den Job! Wer von uns alten Sodaten wäre das nicht gewesen, mit neunundzwanzig? Er war scharf auf den Job! Und er wäre vielleicht sogar mit noch weniger Truppen losgezogen! Ja, ihr hättet ihn vielleicht sogar auf vier Legionen und fünfhundert Reiter herunterhandeln können!«
»Schade, daß wir es nicht getan haben«, versetzte Catulus. »Er hat mehr als vier Legionen verloren, seit er dort ist.«
»Hört, hört!« schrie Hortensius.
»Und das«, sagte Lucullus, der die beiden Schwager diesmal ignorierte, »bringt mich zum Kern der Sache. Wie kann Rom hoffen, einem Mann wie Quintus Sertorius Einhalt zu gebieten, wenn Rom nicht bereit ist, das Geld oder die Männer zu schicken, mit denen ihm Einhalt geboten werden kann? Nicht einmal ein Quintus Sertorius hätte sich in einem Zweifrontenkrieg behaupten können, in dem Pompeius und Pius je zehn Legionen und dreitausend Reiter befehligt hätten! Pompeius wirft in seinem Brief diesem Gremium vor, den Krieg zu verlieren — und ich teile diese Ansicht! Wie kann dieses Gremium Wunder erwarten, wenn es die Zauberkünstler nicht bezahlen will, die sie wirken sollen? Weder Geld noch Verstärkung — so darf es nicht weitergehen! Dieses Gremium muß das Geld auftreiben, um die erschreckend kleine Zahl von Legionen unter Pompeius und Pius zu bezahlen, und es muß das Geld auftreiben, um Pompeius mindestens zwei weitere Legionen zu schicken. Vier wären besser.«
Gaius Cotta ergriff vom kurulischen Stuhl aus das Wort. »Ich bin mit allem einverstanden, was du gesagt hast, Lucius Licinius. Aber wir haben nicht das Geld, Lucius Licinius. Wir haben schlicht und ergreifend nicht das Geld.«
»Dann müssen wir es auftreiben«, sagte Lucullus.
»Woher sollen wir es nehmen?« fragte Gaius Cotta. »Es ist schon drei Jahre her, daß wir nennenswerte Einkünfte aus Spanien bezogen haben, und seit sich die Contestaner erhoben haben, haben wir überhaupt nichts mehr bekommen. Hispania Ulterior hat keinen Zugang mehr zu den Minen in den Marianischen Bergen und den südlichen Orospeda, und Hispania Citerior kann die Minen um Neu-Karthago nicht ausbeuten. Die Zeiten, als die Schatzkasse einen Anteil von zwanzigtausend Talenten in Gold, Silber, Blei und Eisen aus Spanien erhielt, sind vorüber, und die Minen verloren. Außerdem sind unsere Einkünfte aus der Provinz Asia durch die Ereignisse der letzten fünfzehn Jahre auf ein Niveau gesunken, das noch nie so niedrig war, seit wir das Land vor über fünfundfünfzig Jahren geerbt haben. Wir führen in Illyrien, Mazedonien und Gallia Transalpina Krieg. Es gibt sogar Gerüchte, daß König Mithridates sich wieder erhebt. Und wenn Nikomedes von Bithynien sterben sollte, wird sich die Lage im Osten noch mehr zuspitzen.«
»Wenn wir unseren Statthaltern in Spanien kein Geld und keine Truppen schicken«, sagte Lucullus, »nur weil wir am anderen Ende des Mittelmeers Ereignisse voraussehen, die vielleicht gar nicht eintreffen, dann ist das absolut idiotisch, Gaius Cotta.«
»Nein, Lucius Lucullus!« schrie Cotta wütend. »Ich brauche überhaupt nichts vorauszusehen, um zu wissen, daß wir kein Geld haben, das wir nach Spanien schicken könnten, von Truppen ganz zu schweigen! Gnaeus Pompeius und Quintus Pius werden mit dem zurechtkommen müssen, was sie haben!«
Das längliche Gesicht des Lucullus wurde hart wie Stein. »Dann«, sagte er kalt, »wird ein neuer Komet am römischen Himmel erscheinen. Sein Kopf wird absolut loyal sein, nämlich ein bankrotter Gnaeus Pompeius, der mit einer zerlumpten Armee nach Hause eilt. Aber sein Schweif! Sein Schweif wird Quintus Sertorius sein, mit den spanischen Barbaren, die ihm absolut ergeben sind! Und unterwegs werden sich ihm die Volken, die Salluvier, die Vokontier, die Allobroger, die Helvier und zweifellos auch die Bojer und die Insubrer aus Gallia Cisalpina anschließen, ganz zu schweigen von den Ligurern!«
Nach diesen Worten herrschte im Senat absolutes Schweigen.
Da entschloß sich Philippus, Sullas Regel zu brechen, er sprang auf und marschierte geradewegs ins Zentrum der Curia Hostilia. Dort faßte er seine Gegner einen nach dem anderen scharf ins Auge, von Cethegus, der aschfahl geworden war, bis zu Catulus und Hortensius, die unter seinem Blick erschreckt zusammenzuckten. Schließlich wandte er sich dem kurulischen Podium zu und fixierte Gaius Cotta, der völlig aus der Fassung geraten war, was sich in seinem Gesicht deutlich spiegelte.
»Eingeschriebene Väter«, sagte Philippus, »ich schlage vor, daß wir die Verwalter der Staatskasse und die Steuerexperten zu uns bestellen und sehen, wo wir die beträchtliche Summe Geldes bekommen können, von der der ehrenwerte Konsul sagt, daß wir sie nicht haben. Außerdem schlage ich vor, daß wir zwei Legionen und eine oder zwei Reiterschwadronen auftreiben.«
Als Pompeius vor Septimanca im Land der Vakkäer eintraf, fand er das Hochland kleiner, als seine Kundschafter berichtet hatten, aber es machte einen wohlhabenden Eindruck. Die Stadt lag auf einer Klippe über der Pisuerga, aber sie war nicht unverwundbar, und das ganze Gebiet ergab sich kampflos, als Pompeius eintraf. Mit Hilfe seiner Dolmetscher versuchte er daraufhin, die Ängste seiner Bewohner zu zerstreuen. Er versicherte ihren Häuptlingen, daß er alles bezahlen werde, was er requirierte, und daß seine Männer sich anständig verhalten würden.
Einige Meilen nördlich des Quellgebiets des Duero lag Clunia, die westlichste Hochburg des Sertorius. Einige Siedlungen im Süden dieser Stadt hatten jedoch vom traurigen Schicksal Segovias gehört und schickten, kaum daß Pompeius in Septimanca eingetroffen war, Gesandte, die eifrig ihre Loyalität zu Rom betonten und ihm anboten, was immer er brauchte. In der Folge schickte Pompeius, nachdem er sich mit seinen Legaten, Dolmetschern und einheimischen Beratern besprochen hatte, Lucius Titurius Sabinus und fünfzehn Kohorten zum Überwintern nach Termes. Die Bewohner dieser Siedlung waren zwar Keltiberer, hatten aber jede Lust verloren, Sertorius zu dienen.
In der spanischen Bevölkerung, schrieb Pompeius in seinem Neujahrsgruß an Metellus Pius, zeichne sich ein Stimmungsumschwung ab. Und wenn es ihnen in den Feldzügen des nächsten Jahres gelänge, Sertorius solchen Schaden zuzufügen, daß er sichtbar ins Wanken geriete, dann werde die Zahl der Orte wachsen, die wie Septimanca und Termes ängstlich darauf bedacht seien, sich den Römern zu unterwerfen. Der Krieg werde sich in die Kernlande des Sertorius am Ebro verlagern, und es würden keine Expeditionen an die südliche Ostküste mehr notwendig sein.
Der Frühling kam früh am Oberlauf des Duero, und Pompeius verlor keine Zeit. Er ließ die Bürger von Septimanca und Termes ihre Felder unter den Pflug nehmen — sowie etwas extra Land, falls seine Truppen im nächsten Winter zurückkehren würden — und marschierte mit seinen vier zahlenmäßig sehr kleinen Legionen die Pisuerga hinauf nach Pallantia. Die Stadt hatte sich für Sertorius erklärt, und das offensichtlich nur, weil das rivalisierende Septimanca sich zu Rom bekannt hatte.
Auch Metellus Pius brach sein Winterlager in Gallia Narbonensis zeitig ab und marschierte den Ebro hinauf, in der Absicht, sich wieder mit Pompeius zu verbinden. Sein wichtigstes Ziel bestand jedoch darin, die Route zwischen dem Ebro und Zentralspanien wieder für die römischen Truppen zu öffnen. Deshalb verließ er zunächst den Ebro und marschierte den Jalon hinauf, einen großen Nebenfluß des Ebro, der in der Iuga Carpetana entsprang, und unterwarf alle sertorianischen Städte, die an dem Fluß lagen. Als er diesen erfolgreichen Feldzug beendet hatte, verfügte er über eine kurze Marschroute in seine eigene Provinz, und er hatte Sertorius den Zugang zu den Oberläufen des Tagus und der Guadiana blockiert, so daß er von den Stämmen Lusitaniens abgeschnitten war.
Pallantia dagegen erwies sich als eine harte Nuß, und Pompeius richtete sich darauf ein, die Stadt längere Zeit zu belagern, und zwar auf die gleiche Art, wie Scipio Aemilianus Numantia belagert hatte, wie die Herolde des Pompeius nicht müde wurden, der Stadt zu verkünden. Pallantia reagierte, indem es Sertorius in Osca um Hilfe bat, und Sertorius erschien mit seiner eigenen Armee vor der Stadt, um die Belagerer zu belagern. Er ignorierte die Aktivitäten des Metellus Pius am Jalon, als er in der Nähe vorbeimarschierte, denn er war noch immer fest davon überzeugt, daß Pompeius das schwächste Glied in der Kette war.
Vor Pallantia war keiner der Feldherren an einer direkten Konfrontation interessiert, denn Pompeius hatte es auf die Stadt abgesehen und Sertorius auf die Soldaten des Pompeius. Also griff sich Sertorius die Männer des Pompeius in kleinen Gruppen, während Pompeius eifrig Baumstämme und Zunder vor den stabilen Holzbefestigungen der Stadt aufhäufte. Anfang April zog sich Pompeius zurück, und Sertorius half der Stadt, die verbrannten Abschnitte ihrer Befestigungen zu reparieren, bevor er aufbrach, um Pompeius zu verfolgen.
Einen Monat später vereinigten sich Pompeius und Metellus Pius vor Calagurris am Oberlauf des Ebro, einer der stärksten sertorianischen Städte. Metellus Pius hatte Pompeius eine Truhe voll Geld, zwei frische Legionen und sechstausend zusätzliche Soldaten mitgebracht, die, in Kohorten aufgeteilt, die Legionen, die Pompeius noch hatte, wieder auf Sollstärke brachten. Zusammen mit all diesen großzügigen Gaben aus Rom war auch der neue Proquästor des Pompeius eingetroffen, kein anderer als Marcus Terentius Varro.
Pompeius schämte sich seiner Freudentränen nicht, so glücklich war er, Varros leuchtende Glatze mit dem dünnen Haarkranz über den Ohren wiederzusehen.
»Ich war schon abmarschiert, als Varro mit deiner Verstärkung in Narbo eintraf«, sagte Metellus Pius, als die drei bei einem willkommenen Becher verdünnten Weins zusammensaßen. »Aber ich habe ihn getroffen, als ich aus dem Tal des Jalon wieder an den Ebro hinunterkam. Und es freut mich zu sagen, Magnus, daß er auch mir eine Truhe voller Geld übergeben hat.«
Pompeius holte tief Luft und ließ einen gewaltigen Seufzer der Erleichterung hören. »Dann hat mein Brief also gewirkt«, sagte er zu Varro.
»Gewirkt?« Varro lachte. »Ich würde eher sagen, er hat den Senatoren ein Feuer unter dem Arsch gemacht, wie sie es nicht mehr erlebt haben, seit Saturninus sich zum König von Rom erklärte! Du hättest ihre Gesichter sehen sollen, als Lucullus die gallischen Stämme aufzählte, die sich Sertorius angeschlossen hätten, wenn er dir als Kometenschweif nach Rom gefolgt wäre.«
»Lucullus?« fragte Pompeius erstaunt.
»Ja! Er hat sich sehr für dich eingesetzt, Magnus.«
»Warum? Ich hätte nicht gedacht, daß er mich leiden kann.«
»Kann er wahrscheinlich auch nicht. Aber er hatte wohl Angst, man könnte ihn losschicken, um dich in Spanien abzulösen. Er ist ein guter Soldat, aber er will um keinen Preis nach Spanien geschickt werden. Wer will das schon, wenn er noch alle Tassen im Schrank hat?«
»Ja, wer wohl?« grinste Metellus Pius.
»Jetzt habe ich also sechs Legionen, und wir können beide etwas Sold bezahlen«, sagte Pompeius. »Wieviel haben wir bekommen, Varro?«
»Genug, um den Lebenden und den Toten den rückständigen Sold zu zahlen und um die Lebenden einen Teil dieses Jahres zufriedenzustellen. Aber leider nicht genug, damit wir sie auch später bezahlen können. Tut mir leid, Magnus. Mehr konnte Rom nicht aufbringen.«
»Ich wünschte, ich wüßte, wo Sertorius seinen Schatz aufbewahrt!« sagte Pompeius. »Ihr könnt sicher sein, daß mein nächster Angriff dieser Stadt gelten würde, und ich würde nicht eher ruhen, als bis seine Geldsäcke in meiner Schatztruhe wären.«
»Ich glaube, daß auch Sertorius kein Geld mehr hat, Magnus«, sagte Metellus Pius und schüttelte den Kopf.
»Quatsch! Er hat doch erst vor einem Jahr dreitausend Talente in Gold von König Mithridates bekommen!«
»Schon verbraucht, vermute ich. Vergiß nicht, er hat keine Provinzen, aus denen er regelmäßige Einnahmen bezieht, und er hat nicht die Sklaven, um die Minen auszubeuten. Außerdem haben auch die spanischen Stämme kein Geld.«
»Ja, vermutlich hast du recht.«
Die drei schwiegen einen Augenblick, um diese angenehme Nachricht zu verdauen. Dann holte Metellus Pius so tief Luft, als wolle er etwas sagen, das ihm schon lange auf der Seele brannte.
»Magnus, ich glaube, ich habe eine Idee.«
»Ich bin ganz Ohr.«
»Wir haben gerade gesehen, daß Spanien verarmt ist, und zwar sowohl die Spanier als auch die Römer. Selbst die punischen Gadetaner leiden. Reichtum ist für die meisten Menschen in Spanien ein unerreichbarer Traum. Nun habe ich aber einen kleinen Schatz, der Hispania Ulterior gehört und sich in einer Truhe in meiner Residenz in Castulo befindet, seit Scipio Africanus ihn dort hingetan hat. Ich habe keine Ahnung, warum ihn keiner der geldgierigeren Statthalter mitgenommen hat, jedenfalls hat es keiner getan. Es sind hundert Talente in Goldmünzen, die einst von Hannibals Schwager Hasdrubal geprägt wurden.«
»Ach, deshalb haben sie ihn nicht genommen«, sagte Varro grinsend. »Kein Römer könnte karthagische Goldmünzen in Umlauf bringen, ohne daß man ihm unangenehme Fragen stellt.«
»Da hast du recht.«
»Du hast also hundert Talente in karthagischen Goldmünzen«, sagte Pompeius. »Was hast du damit vor?«
»Tatsächlich besitze ich noch etwas mehr. Ich habe außerdem noch zwanzigtausend Morgen bestes Ackerland direkt am Guadalquivir, das ein Servilius Caepio lokalen Adligen zur Begleichung ihrer Steuerschulden abgenommen hat. Auch dieses Land befindet sich schon seit Jahrzehnten ungenutzt in römischem Besitz und wird ein schönes Sümmchen einbringen, wenn man es verpachtet.«
Pompeius erkannte, worauf Metellus Pius hinauswollte. »Du willst das Geld und das Land als Belohnung für die Auslieferung von Quintus Sertorius aussetzen.«
»Genau.«
»Das ist eine geniale Idee, Pius. Ob es uns gefällt oder nicht, wir werden Sertorius wohl nie auf dem Schlachtfeld vernichten können. Er ist einfach zu gerissen. Und außerdem gibt es in Spanien unzählige Männer, die er rekrutieren kann und die sich darum scheren, ob er sie bezahlen kann oder nicht. Ihnen kommt es nur darauf an, Rom zu Fall zu bringen. In jedem Militärlager und in jeder Stadt gibt es jedoch immer ein paar geldgierige Männer. Wenn man eine Belohnung aussetzt, trägt man den Krieg direkt in den Palast des Sertorius hinein. Und man macht ihn zu einem Nervenkrieg. Mach es, Pius! Mach es!«
Pius machte es. Die Proklamation wurde innerhalb einer Marktwoche in ganz Spanien verbreitet: Hundert Talente in Goldmünzen und bestes Land am Ufer des Guadalquivir für den Glücklichen, der Informationen liefert, die direkt zum Tod oder zur Gefangennahme von Quintus Sertorius führen.
Pompeius und Metellus Pius erfuhren schon bald, daß diese Maßnahme Sertorius schwer zu schaffen machte. Als er von der Belohnung hörte, entließ er sofort seine Leibwache aus römischen Truppen und ersetzte sie durch eine Abteilung seiner treuesten oscischen Spanier. Außerdem mied er fortan die Gesellschaft seiner römischen und italischen Anhänger — Maßnahmen, welche die Römer und Italiker zutiefst verletzten. Wie konnte er nur glauben, daß ihn ein Römer oder ein Italiker verraten würde! Der ranghöchste unter den beleidigten Römern und Italikern war Marcus Perperna Veiento.
Inmitten dieses Nervenkriegs nahm der normale Krieg seinen unerbittlichen Verlauf. Pompeius und Metellus Pius hatten sich vereinigt und eroberten eine Anzahl sertorianischer Städte. Calagurris war allerdings nicht gefallen, denn Sertorius und Perperna waren mit dreißigtausend Mann aufgetaucht und hatten das Hinterland besetzt, um sich die Belagerer in Gruppen zu greifen — nach der bewährten Methode, die Sertorius schon vor Pallantia angewandt hatte. Was Pompeius und Metellus Pius letztlich zwang, die Belagerung aufzugeben, waren jedoch nicht die Überfälle des Sertorius gewesen, sondern der Nachschubmangel. Sie hatten ihre zwölf Legionen einfach nicht länger ernähren können. Die Verpflegung der Truppen hatte sich infolge der schlechten Ernte des Vorjahrs zu einem Dauerproblem entwickelt. Und als das Frühjahr in den Sommer überging und in der Sommerhitze die nächste Ernte reifte, machte eine unwahrscheinliche Katastrophe den Abnutzungskrieg unmöglich, den Pompeius und Metellus Pius hatten führen wollen: Im gesamten westlichen Mittelmeerraum brach eine furchtbare Lebensmittelknappheit aus. Schon im Winter und Spätfrühling hatte es nur spärlich geregnet, und die Frucht stand nicht gerade üppig auf den ausgetrockneten Feldern. Da brach kurz vor der Erntezeit ein sintflutartiges Unwetter herein, das über dem gesamten Gebiet von Africa bis zu den Alpen und vom Atlantik bis Mazedonien und Griechenland tobte, und in Africa, auf Sizilien, auf Sardinien, in Italien, in Gallia Cisalpina und Transalpina sowie in Hispania Citerior die gesamte Ernte vernichtete. Nur in Hispania Ulterior hatten ein paar Feldfrüchte das Unwetter halbwegs überstanden.
»Wir haben nur einen Trost«, sagte Pompeius am Ende des Sextilis zu Metellus Pius. »Auch Sertorius werden die Nahrungsmittel knapp werden.«
»Er hat noch genug Getreide aus früheren Jahren in seinen Speichern«, sagte Metellus Pius bedrückt. »Er wird viel leichter durchkommen als wir.«
»Ich könnte wieder an den Oberlauf des Duero ziehen«, grübelte Pompeius. »Aber ich bezweifle, daß das Gebiet sechs ganze Legionen ernähren kann.«
»Dann kehre ich in meine Provinz zurück«, sagte Metellus Pius entschlossen. »Ich glaube nicht, daß du mich im Frühling brauchen wirst. Du kannst allein tun, was hier noch zu tun ist. In Hispania Citerior gibt es keine Nahrung für meine Truppen, aber wenn du es schaffst, eine der größeren sertorianischen Städte zu erobern, wirst du deine Männer verpflegen können. Ich kann zwei von deinen Legionen nach Hispania Ulterior mitnehmen und sie dort überwintern lassen. Wenn du sie im Frühling zurückhaben willst, schicke ich sie dir. Wenn du sie nicht verpflegen kannst, behalte ich sie. Es wird schwierig werden, aber Hispania Ulterior ist besser davongekommen als jeder andere Ort westlich der Cyrenaica. Du kannst dich darauf verlassen, wer immer mit mir geht, bekommt auch genug zu essen.«
Pompeius nahm das Angebot an, und Metellus Pius brach mit acht Legionen viel früher in seine Provinz auf, als er eigentlich geplant hatte. Pompeius schickte seine restlichen vier Legionen sofort nach Septimanca und Termes ins Winterlager, er selbst aber blieb mit Varro und der Reiterei am Unterlauf des Ebro. Dank des Unwetters gab es genügend Gras für die Pferde, und so konnten sie mit der Reiterei in Emporiae überwintern, wo sich Pompeius unverzüglich daranmachte, seinen zweiten Brief an den Senat von Rom zu schreiben. Diesmal aber verließ er sich ganz auf seine eigene Prosa, obwohl Varro wieder bei ihm war.
An den Senat und das Volk von Rom:
Ich weiß genau, daß Rom und Italien genauso schwer unter dem allgemeinen Getreidemangel zu leiden haben wie ich selbst.
Ich habe zwei meiner Legionen mit meinem Kollegen Pius nach Hispania Ulterior geschickt, das sich in besserem Zustand befindet als Hispania Citerior.
Dieser Brief hat nicht den Zweck, Nahrungsmittel zu erbitten. Ich werde meine Männer irgendwie am Leben erbalten, genauso sicher, wie ich .Sertorius letztlich besiegen werde. In diesem Brief geht es um Geld. Ich bin nämlich noch immer ein Jahr mit dem Sold im Rückstand, und ich habe es satt, meine Männer ständig vertrösten zu müssen.
Obwohl ich mich am westlichen Ende der Welt aufhalte, kommt mir doch zu Ohren, was anderswo vorgeht. Ich weiß, daß König Nikomedes tot ist und Mithridates im Frühsommer in Bithynien einmarschiert ist. Ich weiß, daß sich die Stämme in Mazedonien auf der ganzen Länge der Via Egnatia in Aufruhr befinden. Ich weiß, daß es wegen der Piraten für römische Flotten unmöglich ist, Getreide aus dem östlichen Mazedonien und der Provinz Asia nach Italien zu verschiffen, um die Ernährungskrise zu bekämpfen. Ich weiß, daß Lucius Lucullus und Marcus Cotta, die diesjährigen Konsuln, den Auftrag erhielten, gegen Mithridates zu kämpfen. Ich weiß, daß Rom unter Geldmangel leidet. Aber ich weiß auch, daß Ihr dem Konsul Lucullus zweiundsiebzig Millionen Sesterzen angeboten habt, um eine Flotte zu finanzieren und — daß er das Angebot abgelehnt hat. Ihr habt also mindestens zweiundsiebzig Millionen Sesterzen unter einer Bodenplatte der Schatzkammer versteckt. Und das macht mich sehr wütend. Es bedeutet nämlich, daß ihr Mithridates mehr fürchtet als .Sertorius. Ich habe da andere, ganz andere Maßstäbe. Der eine ist ein Potentat aus dem Osten, dessen einzige Stärke in der großen Zahl seiner Truppen liegt. Der andere ist ein Römer, und das ist seine Stärke! Ich weiß genau, gegen welchen Mann ich lieber kämpfen würde. Tatsächlich hätte ich es gern gesehen, wenn Ihr mich damit beauftragt hättet, Mithridates niederzuwerfen. Ich wäre wirklich scharf darauf gewesen, nach dieser undankbaren Aufgabe in Spanien, einem Land, nach dem kein Hahn zu krähen scheint.
Ich kann in Spanien nicht weitermachen ohne ein paar von den zweiundsiebzig Millionen Sesterzen. Deshalb schlage ich vor, daß Ihr Eure Bodenplatte hochhebt und ein paar .Säcke mit Geld aus dem Loch darunter holt. Die Alternative ist einfach: Ich werde meine Soldaten hier in Hispania Citerior entlassen — alle vier Legionen, die ich noch bei mir habe —, und dann sollen die Soldaten selber sehen, wie sie zurechtkommen. Der Weg nach Hause ist weit. Ohne einen ordentlichen Befehlshaber werden sich vermutlich nur wenige für den Rückmarsch entscheiden. Die Mehrheit wird tun, was ich in ihrer Lage auch tun würde. Sie werden sich von Quintus Sertorius anwerben lassen, weil er sie ernähren und regelmäßig bezahlen kann. Die Entscheidung liegt bei Euch. Entweder Ihr schickt mir Geld, oder ich entlasse auf der Stelle meine Truppen.
Übrigens bin ich noch immer nicht für mein Staatspferd entschädigt worden.
Pompeius bekam sein Geld; die Senatoren verstanden ein Ultimatum, wenn es ihnen in derart unverblümter Deutlichkeit gestellt wurde. Das ganze Land stöhnte, aber es wäre absolut nicht in der Lage gewesen, mit einer Invasion des Sertorius fertigzuwerden, besonders wenn dieser durch vier Legionen des Pompeius verstärkt gewesen wäre. Der Schock, den Pompeius’ Brief auslöste, war sogar heilsam genug, daß auch Metellus Pius Geld erhielt. Nun mußten die beiden römischen Feldherren nur noch Nahrungsmittel auftreiben.
Und siehe da, die beiden Legionen des Pompeius kehrten mit einer riesigen Wagenkolonne voller Lebensmittel zurück, und Gnaeus Pompeius Magnus konnte seinen Abnutzungskrieg wieder beginnen. Er nahm schließlich doch Pallantia ein und marschierte danach auf Cauca, wo er die Bewohner bat, seine Kranken und Verwundeten zu pflegen. Sie waren einverstanden, doch Pompeius hatte seine besten Soldaten als Kranke und Verwundete verkleidet und nahm die Stadt von innen heraus. Die Hochburgen des Sertorius fielen eine nach der anderen, und ihre Getreidevorräte kamen Pompeius zugute. Als der Winter hereinbrach, konnten sich nur noch Calagurris und Osca halten.
Pompeius erhielt einen Brief von Metellus Pius.
Pompeius, ich bin entzückt. Die Feldzüge, die Du dieses Jahr geführt hast — allein geführt hast —, haben Sertorius das Rückgrat gebrochen. Ich mag vielleicht die Siege auf dem Schlachtfeld errungen haben, aber die notwendige Zähigkeit hast allein Du bewiesen. Du hast nicht einen Augenblick aufgegeben und Sertorius nicht eine einzige Atempause gelassen. Und immer bist Du es gewesen, den Sertorius selbst angriff, während ich das Glück hatte, mich zuerst mit Hirtuleius schlagen zu dürfen. Hirtuleius war zweifellos kein schlechter Feldherr, aber Sertorius ist Klassen besser, und was diesen Perperna betrifft, er ist eine absolut mittelmäßige Figur.
Und jetzt muß ich den Soldaten unserer Legionen ein Kompliment machen. Dies war der bitterste und undankbarste aller römischen Kriege, unsere Männer haben ungeheure Strapazen erdulden müssen. Trotzdem kann sich keiner von uns über Unzufriedenheit oder gar Rebellion beklagen, und das, obwohl wir Jahre mit dem Sold im Rückstand waren und es keine Beute gab. Wir haben .Städte geplündert, nur um wie die Ratten nach dem letzten Körnchen Getreide zu suchen. Ja, wir haben zwei wunderbare Armeen, Gnaeus Pompeius, und ich wollte, ich hätte Vertrauen, daß Rom sie belohnt, wie sie es verdient haben. Aber ich habe kein Vertrauen. Rom ist unbesiegbar. Es mag Schlachten verlieren, aber Kriege verliert es keine. Vielleicht sind unsere tapferen Soldaten der Grund dafür, wenn man sich ihre Loyalität, ihre Disziplin und ihr enormes Durchhaltevermögen vor Augen hält. Wir Befehlshaber und Statthalter leisten auch unseren Beitrag, aber letztlich gebührt der Ruhm meiner Ansicht nach doch den römischen Soldaten.
Ich weiß nicht, wann Du nach Hause zurückkehren willst. Ich nehme an, da der Senat Dir Dein Spezialkommando verliehen hat, wird er es Dir auch wieder entziehen können. Was mich betrifft, ich bin der Statthalter des .Senats in Hispania Ulterior und habe es nicht eilig heimzukehren. Für den Senat ist es gegenwärtig einfacher, meine Statthalterschaft zu verlängern, wenn ich darum bitte, als einen neuen Statthalter für Hispania Ulterior zu finden. Also werde ich darum bitten, daß mein Imperium um mindestens zwei Jahre proragiert wird. Ich will die Provinz wieder in einen ordentlichen Zustand bringen und sie gegen die Lusitanier sichern, bevor ich gehe.
Ich freue mich nicht auf meine Rückkehr nach Rom, denn dort erwartet mich ein neuer Konflikt — ein Kampf mit dem Senat, der mir Land bewilligen muß, auf dem ich meine Veteranen ansiedeln kann. Ich könnte es nicht ertragen, wenn meine Männer nicht belohnt würden. Deshalb will ich sie in Gallia Cisalpina ansiedeln, aber nicht südlich, sondern nördlich des Po. Es gibt dort riesige Flächen gutes Acker- und Weideland, das sich gegenwärtig in der Hand von Galliern befindet. Da es eigentlich kein römisches Land ist, wird der Senat kein Interesse daran haben, und gegen einen Haufen Insubrer werde ich meine Veteranen allemal unterstützen. Ich habe die Sache bereits mit meinen Zenturionen besprochen, und sie waren hocherfreut. Meine Soldaten werden sich also nicht ziellos herumtreiben und vielleicht mehrere Jahre warten müssen, bis ein Komitee von Landverteilern und Bürokraten vermessen und geschwatzt, Listen erstellt und geschwatzt, zugeteilt und geschwatzt und am Ende doch nichts erreicht hat. Je mehr ich von diesen Komitees sehe, desto mehr bin ich überzeugt, daß das einzige, was so ein Komitee wirklich organisieren kann, eine Katastrophe ist.
Ich wünsche Dir alles Gute, lieber Magnus.
Pompeius überwinterte diesmal bei den Vascones, einem mächtigen Stamm, der in den westlichen Pyrenäen ansässig und von Sertorius inzwischen schwer enttäuscht war. Da die Vascones die Soldaten des Pompeius gut behandelten, hielt dieser seine Männer auf Trab, indem er sie für den Stamm eine Festung bauen ließ. Zuvor hatte er die Vascones einen Eid schwören lassen, daß Pompaelo, wie er den neuen Mittelpunkt einer Stadt taufte, dem Senat und dem Volk von Rom immer treu ergeben sein würde.