Sullas Begräbnis ließ seinen Triumphzug geradezu unbedeutend erscheinen. Zweihundertzehn Sänften, über und über beladen mit Myrrhe, Weihrauch, Zimt, Melisse, Narde und anderen aromatischen Gewürzen — ein Geschenk der Frauen Roms — wurden von schwarzgekleideten Männern getragen. Und weil Sullas Leichnam durch den hohen Blutverlust so zusammengeschrumpft und vertrocknet war, daß er nicht zur Schau gestellt werden konnte, hatte eine Gruppe von Bildhauern aus Zimt und Weihrauch eine Nachbildung Sullas geschaffen, die auf der Totenbahre saß, und davor ein Liktor aus denselben Gewürzen. Festwagen ließen Sullas Leben Revue passieren, abgesehen von den ersten dreiunddreißig anrüchigen Jahren und den letzten Monaten voller Ausschweifungen. Da stand er vor den Mauern Nolas und nahm aus den Händen eines Zenturio die Graskrone entgegen; dort wachte er streng darüber, wie ein zusammengekauerter König Mithridates den Vertrag von Dardanos unterzeichnete; dort gewann er Schlachten, erließ Gesetze, nahm Jugurtha gefangen und ließ die gefangenen Anhänger des Carbo hinter der Porta Collina hinrichten. Auf einem gesonderten Wagen wurden die über zweitausend Kränze aus purem Gold gezeigt, die ihm von Städten, Tribus, Königen und Ländern verliehen worden waren. Seine Ahnen fuhren schwarzgekleidet in schwarz-goldenen Triumphwagen, die von prächtigen schwarzen Pferden gezogen wurden, und seine fünfjährigen Zwillinge Faustus und Fausta gingen inmitten der Trauernden.
Die Luft war schwül und der Himmel bewölkt. Der größte Trauerzug, den Rom je erlebt hatte, setzte sich in Bewegung. Von dem Haus mit Blick auf den Circus Maximus ging es hinunter zum Velabrum und von dort weiter zum Forum Romanum, wo Lucul- lus — ein mitreißender und berühmter Redner — auf der Rostra die Trauerrede hielt. Er stand neben der Bahre, auf welcher der nachgebildete Sulla aufrecht hinter seinem ebenfalls aus Gewürzen geformten Liktor saß, während der entsetzlich verunstaltete Leichnam in einem speziellen Fach darunter lag. Zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren wurden in Rom Tränen vergossen weil Sullas Zwillinge eines Elternteils beraubt wurden. Aber als Lucullus bekanntgab, daß er der Vormund der Kinder sei und sie nie wieder Not leiden müßten, ertönte lauter Beifall, und es flossen Tränen der Rührung. Hätte das Mitgefühl nicht den Blick verstellt, wäre klar geworden, daß Faustus und Fausta mittlerweile alt genug waren, um zu erkennen, daß sie in Gestalt, Aussehen und Hautfarbe ihrem Großonkel mütterlicherseits, dem furchteinflößenden, aber nicht eben gutaussehenden Quintus Caecilius Metellus Numidicus nachschlugen, den ihr Vater Schweinebacke genannt und in einem Anfall von Wut ermordet hatte, nachdem Aurelia ihn abgewiesen hatte.
Wie durch einen Zauber gebannt, blieb der Regen aus, als der Trauerzug sich erneut in Bewegung setzte. Diesmal ging es den Clivus Argentarius hinauf, durch die Porta Fontinalis, hinter der die einstige Villa des Gaius Marius lag, hinunter zum Marsfeld. Dort wartete schon Sullas Grab in herrlicher Abgeschiedenheit an der Via Lata, in unmittelbarer Nähe des Ortes, wo die Zenturiatsversammlung tagte. In der neunten Stunde des Tages wurde die Bahre auf den riesigen Scheiterhaufen gestellt; die Hohlräume zwischen den Holzscheiten waren mit den Gewürzen aus den zweihundertzehn Sänften ausgefüllt. Nie sollte Sulla süßer duften als in dem Moment, da, gemäß seinem Wunsch, seine sterblichen Überreste verbrannt wurden.
Gerade als die Holzscheite am Fuß des Scheiterhaufens mit Fackeln in Brand gesteckt wurden, kam ein heftiger Wind auf. Der kleine Berg ging in Flammen auf, und das Feuer entwickelte eine so starke Hitze, daß die Trauernden, die sich um den Scheiterhaufen versammelt hatten, sich abwenden und die Hände schützend vors Gesicht halten müßten. Als die Flammen kleiner wurden, begann es schließlich zu regnen — ein heftiger Wolkenbruch, der das Feuer vollends löschte und die Kohlen so rasch abkühlte, daß Sullas Asche schon kurz nach dem lodernden Inferno eingesammelt werden konnte. Das, was von Sulla übrig war, kam in ein erlesenes Alabastergefäß, das mit Gold und Edelsteinen verziert war. Lucullus verzichtete auf die luftdichte Haube, um die Sulla zum Schutz seiner Asche vor einer möglichen Verunreinigung durch ein Staubkörnchen des Gaius Marius gebeten hatte, da es unablässig regnete und kein einziges Staubkörnchen in der Luft war.
Das Gefäß wurde sorgsam in die Grabstätte gelegt, die binnen vier Tagen aus buntem Marmor errichtet und mit Skulpturen geschmückt wurde. Sie war rund und wurde von kannelierten Säulen getragen, die mit der neuen Art von Kapitell gekrönt waren, das Sulla aus Korinth mitgebracht und so populär gemacht hatte — zarte Zweige mit Akanthusblättern. Sein Name, seine Titel und seine Taten waren auf einer Tafel eingemeißelt, und darunter stand eine schlichte Grabschrift, die er selbst verfaßt hatte:
»Ich bin froh, daß es vorbei ist«, sagte Lucullus zu seinem Bruder, als sie bis auf die Haut durchnäßt und vor Kälte zitternd in dem Unwetter nach Hause trotteten.
Lucullus war beunruhigt: Valeria Messala war nicht in Rom eingetroffen. Ihr Bruder Rufus, ihre Vettern Niger und Metellus Nepos sowie ihre Großtante, die ehemalige Vestalin, stellten aufgeregte Fragen; Lucullus hatte ihnen mitteilen müssen, daß er nach Misenum geschickt habe, um sie zu holen, worauf er von einem völlig erschöpften Boten erfahren habe, daß sie verschwunden sei.
Fast ein Monat verging, ehe Lucullus die hektische Suche abbrechen ließ, in deren Verlauf die Küste nördlich und südlich des Landguts auf einer Länge von mehreren Meilen abgesucht und jeder Wald und jeder Hain zwischen Neapolis und Sinuessa durchkämmt worden war. Sullas letzte Gemahlin war verschwunden, und mit ihr ihr Schmuck.
»Beraubt und ermordet«, sagte Varro Lucullus.
Sein Bruder — der selbst diesem geliebten Menschen einiges verschwieg — gab keine Antwort. Das Glück war ihm offenbar ebenso hold wie Sulla, denn er hatte schon vor dem Tag des Begräbnisses erkannt, wie gefährlich Valeria Messala für ihn sein konnte. Sie wußte zu viel von ihm, während er von ihr im Grunde nichts wußte. Er hätte sie umbringen müssen. Wie gut, daß ein anderer es für ihn getan hatte! Fortuna war ihm günstig gesinnt.
Metrobius’ Verschwinden interessierte ihn nicht — wenn doch, hätte er bestimmt darüber nachgedacht. In Rom gab es mehr als genug Schwule, um die Lücke auszufüllen; die Theater waren voll von ihnen. Für Lucullus war eher die Tatsache von Bedeutung, daß er nicht mehr unbegrenzt mit mutterlosen kleinen Mädchen versorgt wurde. Oh, wie würde er Misenum vermissen!