Pompeius hatte seit Sullas Hochzeit auf Neues zu der mysteriösen Braut gewartet, die der Diktator ihm versprochen hatte. Als er erfuhr, daß Sulla mit seiner Frischvermählten aus den Ferien zurückgekehrt war, wartete er auf einen Ruf des Diktators, der aber nicht kam. Schmachtend vor Ungeduld, ging er schließlich von sich aus zu Sulla und fragte nach dem Stand der Dinge.
»Welcher Stand der Dinge?« fragte Sulla unschuldig.
»Das weißt du sehr genau!« knurrte Pompeius wütend. »Du hast gesagt, du hättest eine Frau für mich im Auge!«
»Das habe ich auch! Allerdings!« Sulla kicherte. »Meine Güte, diese Ungeduld der Jugend!«
»Sagst du mir es jetzt, du gehässiger alter Folterknecht?«
»Beschimpfungen, Magnus! Keine Beschimpfungen des Diktators!«
»Wer ist es?«
Sulla gab nach. »Die Witwe des jungen Marius, Mucia Tertia«, sagte er. »Die Tochter von Scaevola Pontifex Maximus und Licinia der Schwester von Crassus Orator. In ihr ist sehr viel mehr Mucius Scaevola als echter Licinius Crassus, denn ihr Großvater mütterlicherseits war auch der prüder ihres Großvaters väterlicherseits.
Und natürlich ist sie auch eng verwandt mit den Mädchen von Scaevola dem Auguren, also Mucia Prima und Mucia Secunda, daher ihr Name Mucia Tertia, obwohl zwischen ihr und den anderen beiden fünfzig Lebensjahre liegen. Mucia Tertias Mutter lebt übrigens noch. Scaevola ließ sich von ihr scheiden, weil sie mit Metellus Nepos, den sie dann auch geheiratet hat, Ehebruch beging. Mucia Tertia hat also zwei Halbbrüder aus der Familie Caecilius Metellus — Nepos der Jüngere und Celer. Beste verwandtschaftliche Beziehungen, nicht, Magnus? Zu gut, um für den Rest ihres Lebens Witwe eines Proskribierten zu bleiben! Das Ferkel, ihr Cousin, an dem mir sehr viel liegt, ist deshalb vor einiger Zeit auf mich zugekommen.« Sulla lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Nun, Magnus, ist sie richtig?«
»Richtig?« keuchte Pompeius. »Und ob!«
»Na ausgezeichnet.« Der Berg von Arbeit auf seinem Schreibtisch schien zu rufen; Sulla neigte den Kopf und vertiefte sich in die Papiere. Nach einem Augenblick hob er ihn wieder und blickte Pompeius an, der einen verdutzten Eindruck machte. »Ich habe ihr geschrieben, daß sie wieder heiraten soll, Magnus. Es gibt also kein Hindernis«, sagte er. »Laß mich jetzt bitte allein. Und sorge dafür, daß ich eine Einladung zur Hochzeit erhalte.«
Pompeius eilte sofort nach Hause, um ein Bad zu nehmen und die Gewänder zu wechseln, während seine Diener durch die Stadt hetzten und herauszubekommen versuchten, wo Mucia Tertia im Augenblick wohnte. Dann war er mit einer blendend weißen Toga und einer Duftwolke aus Rosenöl geradewegs zu Julias Haus gehastet. Scaevolas Tochter! Crassus Orators Nichte! Verwandt mit den meisten wichtigen Leuten aus der Familie Caecilius Metellus! Alle Söhne, die sie ihm gebären würde, wären mit diesen Leuten blutsverwandt! Keinen Sesterz interessierte es da, daß sie die Witwe des jüngeren Marius war! Und wenn sie so häßlich wäre wie die Sibylle von Cumae!
Häßlich? Das war sie keineswegs! Sie war sehr geheimnisvoll und sehr schön. Sie hatte kupferrotes Haar, dunkelgrüne Augen und eine blasse makellose Haut. Und was für Augen! Augen ohnegleichen! Ach, süß war sie wie Honig! Der erste Blick, noch kein Wort war zwischen ihnen gefallen, und Pompeius war bis über beide Ohren verliebt.
Da wunderte es nicht, daß er von den anderen im Raum, die ihm bereits vorgestellt worden waren, kaum Notiz nahm. Er rückte einen Stuhl neben den von Mucia Tertia und nahm ihre kraftlose Hand an sich.
»Sulla sagt, daß du mich heiraten wirst.« Pompeius strahlte Mucia Tertia mit blendend weißen Zähnen und leuchtend blauen Augen an.
»Das höre ich zum ersten Mal«, sagte sie und spürte auf unerklärliche Weise ihre Abneigung schwinden. Er war so offensichtlich glücklich und wirklich sehr anziehend.
»Nun gut, so ist Sulla eben«, sagte er und seufzte vor purem Entzücken. »Aber du mußt doch zugeben, daß ihm für alle das Beste am Herzen liegt.«
»Dafür würdest du diese Heirat natürlich halten«, sagte Julia.
»Worüber beklagst du dich? Du bist doch gar nicht schlecht weggekommen, verglichen mit den anderen Witwen der Proskribierten«, sagte der Verliebte taktlos und starrte seine künftige Frau an.
Julia hätte fast geantwortet, Sulla sei für den Tod ihres einzigen Kindes verantwortlich, aber sie überlegte es sich anders. Dieser alberne Kerl war als Parteigänger Sullas zu bekannt, um hoffen zu können, daß er auch die andere Seite sehen würde.
Und Caesar, der in einer Ecke saß, machte sich im stillen ein erstes Bild von Gnaeus Pompeius Magnus. Kein richtiger Römer, soviel war sicher. Die Stupsnase, das breite Gesicht und das gewölbte Kinn verrieten nur zu sehr den verderblichen picentischen Einfluß Galliens. Kein richtiger Römer, wenn man ihn reden hörte, auch das war sicher. Sein völliger Mangel an Feingefühl war erstaunlich. Kleiner Schlächter. Der Name war treffend.
»Was hältst du von ihm?« fragte Aurelia Caesar, als sie in der Mittagshitze schwitzend in die Subura zurückschritten.
»Wichtiger wäre zu wissen, was Mucia von ihm hält.«
»Nun, sie mag ihn rasend gerne. Sehr viel mehr, als sie den jungen Marius je gemocht hat.«
»Dazu gehört nicht viel, Mater.«
»Nein.« »Für Tante Julia wird es einsam werden ohne sie.«
»Ja. Aber sie wird sich zu beschäftigen wissen.«
»Schade, daß sie keine Enkel hat.«
»Das ist die Schuld des jungen Marius!« sagte Aurelia scharf.
Caesar sagte erst wieder etwas, als sie schon fast den Vicus Patricius erreicht hatten. »Ich muß wieder nach Bithynien, Mutter.«
»Bithynien? Das ist unklug, mein Sohn!«
»Ich weiß. Aber ich habe dem König mein Wort gegeben.«
»Muß nach Sullas neuer Hausordnung nicht jeder Senator um Erlaubnis bitten, wenn er Italien verlassen will?«
»Doch.«
»Dann ist es gut«, sagte Aurelia erfreut. »Du mußt dem ganzen Haus gegenüber völlig offen sein, was deine Reise angeht. Und nimm außer Burgundus auch Eutychus mit.«
»Eutychus?« Caesar blieb stehen und blickte sie fragend an. »Er ist dein Haushofmeister! Ohne ihn kommst du schwer zurecht! Warum?«
»Ich komme ohne ihn zurecht. Er stammt aus Bithynien, mein Sohn. Du mußt dem Senat erzählen, dein Freigelassener, der noch immer dein Haushofmeister ist, müsse geschäftlich nach Bithynien. Es ist deine Pflicht als Patron, ihn zu begleiten.«
Caesar lachte laut los. »Sulla hat vollkommen recht. Du hättest ein Mann werden sollen. Wie römisch! Und raffiniert. Ihnen die Wahrheit ins Gesicht sagen, statt eine Reise nach Griechenland vorzutäuschen und dann in Bithynien ertappt zu werden. Ich glaube, Lügen werden immer entdeckt.« Nach einer Pause sagte er »A propos Raffinesse. Dieser Pompeius ist ein ziemlich plumper Kerl, nicht? Für die Taktlosigkeit bei Tante Julia hätte ich ihn am liebsten geprügelt. Und ein Prahlhans ist er, bei den Göttern!«
»Er prahlt ständig, vermute ich«, sagte Aurelia.
»Ich bin froh, daß ich ihn kennengelernt habe«, sagte Caesar nüchtern. »Er hat mir einen sehr guten Grund dafür gezeigt, daß der Makel an meinem Ruf auch etwas Positives hat.«
»Was meinst du damit?«
»Bisher ist noch nichts passiert, das ihn an seinen Platz verwiesen hat. Auch er hat Grenzen, er ist nicht so erhaben und unverletzlich, wie er glaubt. Durch die äußeren Umstände ist er zu einer unerträglich hohen Meinung von sich selbst gekommen. Alles, was er bisher wollte, hat er auch bekommen. Selbst eine Braut, die er keineswegs verdient. Und er ist immer mehr zur Überzeugung gelangt, daß dies immer so sein wird. Aber das wird es natürlich nicht. Eines Tages wird sich alles gegen ihn verschwören. Diese Lektion wird er nicht ertragen. Ich habe meine Lektion wenigstens schon bekommen.«
»Glaubst du wirklich, daß er Mucia nicht verdient?«
»Glaubst du, daß er sie verdient?« fragte Caesar überrascht.
»Ja, ich glaube schon. Seine Herkunft ist belanglos. Sie war mit dem jungen Marius verheiratet, und zwar deshalb, weil ihr Vater sie ganz bewußt dem Sohn eines Emporkömmlings gegeben hat. Sulla vergißt so etwas nicht. Und er vergibt es auch nicht. Er hat den naiven jungen Mann mit ihrer Herkunft geblendet. Und er hat es unterlassen, alle Gründe zu nennen, warum er sie einem Mann gibt, der unter ihrer Geburt ist.«
»Schlau!«
»Sulla ist ein Fuchs wie alle Rothaarigen seit Odysseus.«
»Dann ist es gut, daß ich aus Rom verschwinde.«
»Bis zu Sullas Rücktritt?«
»Ja, bis dahin. Er sagt, er werde sich zurückziehen, wenn er die Wahlen der Konsuln für übernächstes Jahr überwacht hat — vielleicht in elf Monaten, wenn er seine sogenannten Wahlen im Quintilis abhält. Im nächsten Jahr sind Servilius Vatia und Appius Claudius Konsuln. Wen er für übernächstes Jahr im Auge hat, weiß ich nicht. Vielleicht Catulus.«
»Ist Sulla ungefährlich, wenn er zurückgetreten ist?«
»Vollkommen«, sagte Caesar.