Ich möchte nicht ungesellig sein, auch keine Spielverderberin. Aber es gibt ein Produkt für Eltern, von dem ich einfach nicht glauben kann, dass es jemand tatsächlich kauft und dann auch noch benutzt. Dieses Ding ist die Mamicard. Erfunden haben es trendbewusste und geschäftstüchtige Unternehmer aus der an Ideen ja nie armen Werbebranche, die ernsthaft glauben, dass Eltern für jeden Unsinn zu haben sind und über ausreichend Bares verfügen, um eben diesen Unsinn auch noch zu erwerben.
Die Mamicard geht so: Kirsten und Michael bekommen ein Kind. Bald fängt die kleine Camilla an zu krabbeln, sie strebt nach draußen Richtung Spielplatz. Dort setzt sich Kirsten mit Camilla in den Buddelkasten, und schon bald gesellt sich ein kleiner Claudius samt seiner Mutter Anne dazu. Die Kinder wälzen sich fröhlich im Sand, und die Frauen kommen ins Gespräch. Es geht um Beikost und Windelservice, um Kitaplatz und Rückbildungsgymnastik – tatsächlich verstehen sich die Frauen gut, einem Wiedersehen steht also nichts im Wege. Sie müssten nur die Handynummern austauschen und sich recht bald zusammentelefonieren.
Aber was tut Kirsten? Sie nestelt aus ihrer Tasche eine Mamicard hervor und überreicht sie Anne. Auf der Karte steht: »Kirsten, Mama von Camilla«. Und weil die Karte zwei Seiten hat, hat sie hinten auch noch was draufdrucken lassen: nämlich ihre Handynummer sowie ein paar Basisinformationen über Camilla. Wann sie geboren ist, dass sie Panflötenmusik mag und eine Glutenallergie hat. Wenn Anne schlau ist, nimmt sie die Karte entgegen, zeigt sie abends grinsend ihrem Mann und ruft Kirsten niemals an. Eine Mutter mit einem derartigen Schuss möchte man ja nicht zur Freundin haben.
Es sind Dinge wie diese Mamicard, die den ohnehin leicht angekratzten Ruf der konsumfreudigen Macchiatomutter endgültig zu ruinieren drohen. Doch die Idee dahinter ist so perfide und diskriminierend, dass man die Bundesgleichstellungsbeauftragte darüber ins Bild setzen sollte. Da sitzt eine Frau mit Abitur und einem interessanten Beruf auf dem Buddelkastenrand, die nun zu ihrem großen Glück auch noch ein Baby bekommen hat. Und diese windigen Werber degradieren die Frau zu einem Muttertier ohne Nachnamen, das sich einzig und allein über die Fähigkeit zu gebären definieren soll? Das ist nicht nur lächerlich, sondern auch mittelalterlich. Die kluge, studierte Mutter würde sagen: voremanzipatorisch.
Es gibt jede Menge unnützen Kram, der Frauen angedient wird. Gedankliche Grundlage dieser Produkte ist die Annahme, dass Frauen bei der Geburt ihren Verstand verlieren, aber immer noch so beisammen sind, dass sie ihre Kreditkarte ziehen können. Ein Beispiel? Die Firma Bellybutton verkauft das Geburtsgeschenk »Hope«. Für 19 Euro gelangt man in den Besitz eines winzigen runden Holznäpfchens, das man, so der Werbetext, »mit guten Taten, Gedanken und glücklichen Erfahrungen« füllen kann. Es ist auch schon was drin – nämlich ein rotes Bändchen, das »von Mönchen in Tibet in einem dreitägigen Ritual gesegnet wurde«. Ja, ich sehe es direkt vor mir, wie die Mönche ein paar Extraschichten eingeschoben haben, um rote Bändchen zu besingen, die dann in Europas Kruschtelkästchen landen.
Auch schön ist ein Poster aus demselben Haus, das unter der Überschrift »Wir glauben an Kinder« »wunderschöne Statements« zu diesem Thema zusammenfasst, die in ihrer heterosexuellen Normativität und Vater-Mutter-Kind-Spießigkeit kaum zu übertreffen sind. Es fängt relativ harmlos an mit »Wir glauben an Kinderlachen«. Nun gut, dagegen ließe sich schwer etwas einwenden. Aber dann: »Wir glauben, ein Kinderwagen ist das schickste Fashion Accessoire. Wir glauben an Teilzeitkarrieren. Wir glauben, jeder sollte eine Familie haben. Wir glauben, Geld ist wichtig.« Ein strukturkonservatives Mantra, das man sich gerahmt an die Wand hängen kann. Offen gesagt glaube ich, dass die Mönche im tibetischen Hochland auf keinen Fall bereit gewesen wären, auch für diesen Gesinnungsquark eine Nachtschicht einzulegen.
Es gibt so viel unnützen Plunder, der aus Müttern Kundinnen zu machen versucht. Die Idee dahinter: Das Beste ist gerade gut genug. Und vom Besten dann aber bitte auch alles. Es gibt zum Beispiel die japanische Spieldeckentasche für 50 Euro, mit der laut Werbung Mütter von ihren Geschlechtsgenossinnen die begeisterte Frage ernten »Wow, wo hast du die denn her?«. Es gibt Schnullerketten zu 9 Euro, auf denen »Small people for peace« steht. Oder äußerst unhandliche Holzstifte aus dem Schwarzwald, die gut aussehen und nur 14 Euro kosten. Schwangere werden gedrängt, sich eine Satinschärpe über den gewölbten Bauch zu legen, auf der »MOM« steht, oder ein Ulmenholzbettchen für 500 Euro zu erwerben, das aussieht wie ein fahrbarer Sarg.
Und es gibt Fresco. Was klingt wie ein Hundefuttername, ist in Wirklichkeit ein Hochstuhl für Kinder. Er sieht aus wie ein sehr kleiner Friseurstuhl, hat aber Neigetechnik und jede Menge anderen Hightech-Schnickschnack, wächst mit und kostet 390 Euro. Hallo!? Dreihundertneunzig? Für einen Stuhl? Dafür gibt’s doch bei Ikea schon eine ganze Couch. Und am Ende hasst das Kleinkind seinen Designerthron und möchte nichts lieber, als auf Omas alter Fußbank sitzen. Man kennt das ja.
Als wir einst unsere Zelte im Prenzlauer Berg abbrachen, um in unser kleines Umlandhäuschen zu ziehen, standen auch wir vor einem riesigen Berg an Kinderplunder, den die Omas, die Zeitläufte und die Trends in unser Leben gespült hatten. Zahllose Mobiles aus Plastik, die nur noch ganz leise Mozarts Kleine Nachtmusik fiepten; abgeranzte Barbie-Pferde, deren güldene Mähnen von kundiger Kinderhand gestutzt worden waren; diverse aufblasbare Planschbecken und Bälle, die wir als Städter nie benutzt hatten; farbenfrohe Spielgeräte oder auch nur deren Einzelteile, über deren Gebrauchswert wir lange rätseln mussten. Wir hielten uns nicht lange auf und schmissen den ganzen Plunder weg. Hätten wir damals Mamicards besessen, hätten wir diese Zeugnisse der Mutterpeinlichkeit vermutlich in einem rituellen Feuerchen auf dem Gasherd verbrannt.
Alles, was wir brauchten und deshalb auch mit aufs Land nahmen, waren zwei wichtige Teddys, die Triptrapstühle, sämtliches Buddelzeug und natürlich Lego, Duplo und Playmobil. Die waren so verdammt teuer gewesen. Ungefähr so teuer wie heute die japanische Krabbeldecke oder das gesegnete Mönchsbändchen. Im neuen Haus angekommen, stellte sich schnell heraus, dass die Kinder keine Lust mehr hatten, damit weiträumig ihre Zimmer zuzubauen. Wir packten die teuren Bausteine in Eimern auf den Dachboden, und da warten sie nun – tja, worauf? Dass meine Kinder mal Kinder kriegen? Geb’s Gott, dass das noch lange dauern möge. Und wenn, dann kriegen sie von mir Omicards geschenkt. Die können meine Töchter dann verteilen, wenn sie mich im Rollstuhl durch den Park schieben. Da steht dann drauf: Hanna, Tochter von Anja. Und hinten lasse ich draufdrucken, dass ich alt bin, streitsüchtig und auf ein Spenderherz warte.