PROLOG
Fünf Spritzen liegen in Reih und Glied auf dem blitzblanken Tresen. Fünf Injektionen, fünf Tage. Keine Nahrung, kein Wasser, nur absolute Dunkelheit und das Wogen der Wellen. Fünf Tage lang. Dann wird er die Augenbinde entfernen. Die Muskellähmung wird eingesetzt haben. Sie wird sich nicht mehr bewegen können. Sie wird ihre Augen nicht mehr schließen können. Sie wird nur noch das sehen, was sich direkt vor ihren Augen befindet. Sonst nichts.
Was sie sehen wird, wird sie in Angst und Schrecken versetzen.
Er richtet das Boot her, putzt sämtliche Oberflächen in der Kabine, bis die langen, hölzernen Bänke, aus deren Kissen er den Staub geschüttelt hat, vor Sauberkeit glänzen. Die Kombüse blitzt, als sei nie ein Hauch feuchter Meeresluft eingedrungen. Im Laufe der Jahre hat er viele Boote besessen, aber dies ist ihm das liebste: Für den Fluss gebaut, ist es doch robust genug, um mit den launischen Gegenströmungen in den Mündungen, Buchten und Meerbusen fertig zu werden.
In der Kajüte ist es trotz der sommerlichen Hitze kühl und feucht. Ein leichter Modergeruch ist geblieben, obwohl er die Luke den gesamten Nachmittag offen gelassen hat. In den folgenden Tagen wird er schlimmer werden. Er wird ihre Qual verstärken. Dieser Geruch, die Dunkelheit und die feuchte Kälte, das Verrinnen ihres Lebens. All das gehört zu seinem Plan.
Er kontrolliert seine Gerätschaften: unter der einen Bank in der Kajüte der zusammengerollte Schlauch, unter der anderen ein Beil, scharf und geölt. Speiseöl auf der Schneide sorgt für einen glatten Schnitt. Ein wenig Recherche, mehr braucht man nicht, um diese Dinge in Erfahrung zu bringen – und natürlich auch Praxis. Ein Schlachtermesser. Ein Schälmesser. Eine normale Schere, eine Gartenschere. Lange Metallspieße. Flaschen mit destilliertem Wasser. Ein aufgerolltes Seil.
Die kleineren Utensilien befinden sich in der Schublade unter dem Tresen in der Kombüse. Ein Stück schwarzer Stoff, akkurat zusammengefaltet. Zusätzliche Spritzen. Einhundert Stecknadeln, in gleichem Abstand voneinander in den weichen Stoff eines Nadelkissens gesteckt, das wie eine aufgeblähte Erdbeere aussieht. Ein lächerliches Ding, dem er jedoch nicht hatte widerstehen können. Genauso wie damals, als er das Nadelkissen im Nähkästchen seiner Mutter entdeckt hatte. Er hatte die in aller Hast hineingesteckten Nadeln entfernt und es als Ball benutzt. Einige Stunden danach war er selbst das Nadelkissen gewesen.
Erst Jahre später hatte seine Brustbehaarung die Narben verdeckt.
Der kleine Kühlschrank unter dem Tresen ist sauber und kalt. Phiolen mit Pancuronium und Trifluoperazin stehen darin aufgereiht wie kleine Zinnsoldaten.
Er hatte sieben Jahre gewartet.