I.

 

Zu Lawrentis Ärger wirkte Jaroslaw so verzweifelt und verängstigt, als würde er zu seiner eigenen Beerdigung geschleppt. Dimitri hätte an seiner Stelle gelacht und Witze gerissen, wie sie zu einem vergnüglichen Spaziergang gehörten. Seinem Bruder aber konnte man das schlechte Gewissen auf einen halben Werst ansehen. Daher war der alte Schwertträger froh um die Kälte, welche die Menschen in ihren Häusern hielt, und um die dicken Wintermäntel und Pelzmützen, die Jaroslaw und er trugen. Die wenigen Passanten, denen sie auf den verschneiten Gassen begegneten, kümmerten sich nicht um sie, sondern beeilten sich, rasch wieder ins Warme zu gelangen. Dennoch befürchtete Lawrenti, Jaroslaw könnte die Zuträger des Fürsten durch seine Haltung misstrauisch machen.

»Nimm dich zusammen, Jaroslaw Michailowitsch, oder willst du Verdacht erregen?« Obwohl Lawrenti nur flüsterte, klangen seine Worte scharf.

Der Prinz zuckte zusammen, stotterte etwas Unzusammenhängendes und sah den alten Edelmann so entsetzt an, als hielte dieser sein Todesurteil in den Händen. »Wohin bringst du mich?« Lawrenti fluchte innerlich, weil der Junge kein Rückgrat zu haben schien. »Ich habe es dir doch vorhin im Kreml erklärt! Wir suchen den Honig- und Methändler Grischa Batorijewitsch auf, um ihm einen besonderen Tropfen für deinen Bruder abzuhandeln. Dimitri war über deine Gabe zum Geburtstag seines Sohnes so erfreut, dass es niemanden wundern dürfte, wenn du weiterhin versuchst, seine Gunst durch kleine Geschenke zu erringen.«

Jaroslaw nickte gehorsam, aber seine verkrampfte Miene löste sich nicht. Jetzt war Lawrenti wütend auf sich selbst, weil er ein paar Andeutungen fallen gelassen hatte, sie würden bei Grischa Batorijewitsch eben nicht nur ein Fässchen Met kaufen.

»Wir sind gleich da!« Lawrenti zeigte erleichtert auf das niedrige Blockhaus mit seinem langen, aus Brettern zusammengenagelten Anbau, in dem der Methändler im Winter seine Bienenvölker hielt. Grischa Batorijewitsch war reicher, als die meisten in Worosansk ahnten, auch wenn er bescheiden auftrat und nur ein kleines Haus bewohnte, das sich bis auf den Schuppen nicht von den anderen Häusern in der Gasse unterschied.

Als Lawrenti an die Tür pochte, öffnete ihm eine Magd. Sie war nicht mehr jung und so hager wie ein Strich. Beim Anblick der Besucher verzog sich ihr Gesicht, als stünden Räuber vor ihr.

Im Gegensatz zu seiner Bediensteten begrüßte Grischa Batorijewitsch den Bruder des Fürsten und Lawrenti mit überschäumender Freude. »Willkommen in meinem bescheidenen Heim, meine Freunde. Setzt euch! Lanka wird uns gleich einen guten Tropfen vorsetzen. Doch vorher soll sie uns Brot und Salz bringen und eine geweihte Ikone, damit wir den Freundesschwur leisten können.«

Die Magd schien auf diese Worte gewartet zu haben und erschien prompt mit einem Tablett, auf dem ein geschnittener Laib Brot, ein Schüsselchen Salz und das goldgeschmückte Bildnis der Heiligen Jungfrau lagen. Der Methändler wartete, bis seine Gäste Brot und Salz genommen hatten, tat es ihnen dann gleich und küsste anschließend inbrünstig die Ikone.

»Hiermit schwöre ich bei Gott, der Heiligen Jungfrau und bei allen Heiligen unserer geliebten russischen Kirche, dass ich euch keinen Schaden zufügen, sondern euren Nutzen mehren will.« Er küsste die Ikone noch einmal und reichte sie an Jaroslaw weiter, der sie verwirrt anstarrte und erst auf Lawrentis Aufforderung hin seine Lippen auf das Antlitz der Gebärerin Christi drückte. Als Letzter küsste Lawrenti die Ikone und gab sie der Magd zurück.

Der Methändler fasste Jaroslaw und Lawrenti an den Ärmeln ihrer Kaftane und zog sie mit sich. »Folgt mir, meine Freunde. Ihr werdet heute nicht meine einzigen Gäste sein.«

Grischa führte sie in eine kleine, fensterlose Kammer ganz am Ende des Hauses, die nach Lawrentis Einschätzung bereits in den Anbau hineinreichte. Für einen Besucher, der nur einen flüchtigen Blick hineinwarf, wirkte sie wie ein mit Fässern und Kisten voll gestopfter Lagerraum. Doch der Methändler räumte das Durcheinander mit wenigen Handgriffen um, so dass Fässer zu Sitzgelegenheiten wurden und die Kisten eine Schutzwand bildeten, die jedem, der in den Raum trat, zunächst den Blick auf die Versammelten verwehrte.

Lawrenti hätte nicht dagegen gewettet, dass es in der abgeteilten Ecke eine geheime Tür gab, durch die man den Raum verlassen konnte. Das Talglicht, das die Magd hereingebracht hatte, leuchtete die Wände jedoch nicht weit genug aus, um Spalten im Holz oder andere Anzeichen für einen Fluchtweg erkennen zu können. Grischa schenkte drei Becher mit Met voll und teilte sie aus.

»Auf dich, Jaroslaw Michailowitsch, und auch auf dich, Lawrenti Jurijewitsch! Mögen Gott und alle Heiligen euch mit ihrem Segen bedenken.«

»Gott möge auch dich segnen, Grischa Batorijewitsch!« Lawrenti stieß mit ihrem Gastgeber und seinem Begleiter an und trank einen Schluck des starken, süßen Mets. Dabei fragte er sich, ob der Methändler mit dem guten Getränk nur seine Gastfreundschaft bekunden oder sie betrunken machen wollte. Er beschloss, auf den Busch zu klopfen, um so rasch wie möglich Klarheit zu erlangen. »Wie du siehst, mein Freund, bin ich deinem Wunsch nachgekommen und habe Jaroslaw Michailowitsch mitgebracht.«

Grischa nickte lächelnd und schenkte dem Bruder des Fürsten noch einmal ein. Der Prinz trank viel zu hastig und mit zittrigen Händen. Ihm schien nun endgültig bewusst geworden zu sein, dass er auf Pfaden wandelte, die ihn den Kopf kosten konnten.

»Hast du nicht die Höflichkeit, unser Gespräch fortzuführen, Grischa Batorijewitsch?« Lawrentis Stimme klang schneidend.

Der Methändler hob beschwichtigend die Hände. »Das habe ich wohl, Väterchen. Ich will jedoch auf meine anderen Gäste warten, bevor wir uns über wichtige Dinge unterhalten. Jetzt würde ich gerne von dir wissen, wie dir dieser Met schmeckt. Großfürst Wassili, dem ich letztens ein Fässchen davon zukommen ließ, fand ihn ein wenig zu süß.«

»Der Großfürst trinkt deinen Met?« Jaroslaw starrte Grischa mit großen Augen an.

»Es ist nicht verboten, meinen Met nach Moskau zu verkaufen«, antwortete sein Gastgeber unvermindert freundlich.

Diese Bemerkung entlockte Lawrenti ein schallendes Gelächter, denn mit diesen Worten hatte der Methändler sich als Anhänger und Spion des Moskauer Großfürsten entlarvt. Sein Ausbruch verblüffte seinen Gastgeber ebenso wie seinen Begleiter.

»Habe ich etwa etwas Falsches gesagt?«, fragte der Methändler erstaunt.

Lawrenti schüttelte den Kopf. »Oh nein! Es beruhigt mich, dass mein Blick mit einem Mal so klar ist wie das Eis der Wolga, das du in deinen Kellern stapelst.«

Dem alten Mann war die Erleichterung anzusehen, Moskaus Macht hinter dem Methändler zu wissen. Da Dimitri eine ihm ergebene Gefolgschaft junger Männer um sich geschart hatte und über seine Tatarengarde verfügte, war jeder Versuch eines Aufstands gegen ihn ohne einen starken Verbündeten im Rücken gleichbedeutend mit dem eigenen Todesurteil. Großfürst Wassili aber würde nichts umsonst tun, und Lawrenti hoffte, an diesem Tag den Preis für seine Hilfe zu erfahren.

Er trank den Becher leer und schob ihn dann von sich. »Mir ist dein Met auch zu süß!«

»Soll ich dir einen anderen bringen, Väterchen, oder gar einen Branntwein, so wie ihn unser geliebter Fürst seit neuestem gerne trinkt?« Der Methändler wollte die Kammer verlassen, doch Lawrenti hielt ihn auf.

»Nein! Warte damit, bis die übrigen Gäste kommen. Ich hoffe, sie verspäten sich nicht. Der Fürst nähme es seinem Bruder übel, bliebe dieser zu lange aus.«

»Dimitri ist ein sehr gestrenger Herr, nicht wahr?« Grischa wandte sich mit einer Geste scheinbaren Mitgefühls an Jaroslaw und füllte dessen noch halb vollen Becher bis zum Rand.

Der Prinz nickte schüchtern. »Ein wenig streng ist er schon. Aber erst seit er Fürst ist. Früher war er anders.«

Der Methändler legte dem jungen Burschen die Hand auf die Schulter und lächelte sanft. »Nicht jeder Mann verträgt es, an der Spitze zu stehen. Dimitri Michailowitsch war ein angenehmer junger Mann und ein tapferer Krieger, solange sein Vater noch lebte. Nun ist er beides nicht mehr.«

»Tapfer ist mein Bruder immer noch!« Trotz der schlechten Behandlung durch Dimitri fühlte Jaroslaw sich bemüßigt, ihn zu verteidigen.

»Tapfer sein heißt nicht nur, kräftig dreinschlagen zu können und furchtlos zu sein, sondern auch seinen Verstand zu gebrauchen. Genau daran fehlt es Dimitri. Er hält nicht zu Moskau, weil er nicht im Schatten des Großfürsten stehen will, und Juri von Galic versucht nicht einmal mehr, ihn als Verbündeten zu gewinnen, da Dimitri ihn mit seiner Unzuverlässigkeit und Raffgier zutiefst verärgert hat.«

Grischa hatte sich in Rage geredet, und Lawrenti stellte verblüfft fest, dass es Jaroslaw trotz seiner Schüchternheit gelungen war, ihrem Gastgeber solche Aussagen zu entlocken. In dem Augenblick, in dem er überlegte, wie er das Gespräch am Laufen halten konnte, um noch mehr zu erfahren, erschien die dürre Magd und kündete weitere Gäste an.

Lawrenti wunderte sich nicht, seinen Freund Anatoli hier zu sehen, denn dieser hegte schon seit längerem einen tiefen Groll gegen den Fürsten. Mehr überraschte ihn die Anwesenheit zweier greiser Edelleute, die Dimitris Vater Michail lange Jahre als Berater gedient hatten und von dem jungen Fürsten aus ihrem Amt vertrieben worden waren. Sie grüßten ihn erfreut und nahmen dann die Plätze ein, die ihr Gastgeber ihnen zuwies. Als kurz darauf noch zwei angebliche Handelspartner des Methändlers erschienen, wurde es eng in der Kammer.

»Nun sind wir alle versammelt!« Grischa schenkte jedem ein großes Glas Met ein.

Lawrenti achtete nicht auf das Getränk, obwohl es ihm besser schmeckte als das, was sein Gastgeber ihm zuerst angeboten hatte, sondern richtete sein Augenmerk auf die Fremden. Ihre einfachen, aber aus gutem Stoff genähten Kaftane und Mützen wiesen sie als Kaufleute aus, doch ihre Haltung war nicht die von Männern, die um Kunden buhlen mussten. Dafür blickten ihre Augen zu kalt und ihre Mundwinkel waren zu einem überheblich wirkenden Lächeln verzogen.

»Da dachte ich, ich komme mit Jaroslaw auf einen Becher Met vorbei, und finde eine Versammlung vor, wie sie in der Halle des Fürsten kaum größer sein könnte«, sagte Lawrenti in der Hoffnung, die Fremden etwas aufzuheitern und redselig zu machen.

Einer der ehemaligen Berater von Fürst Michail legte ihm die Hand auf den Arm und flüsterte ihm zu, die Herren kämen aus Moskau und nähmen dort bedeutende Stellungen am Hofe des Großfürsten ein. Ihr Anführer Boris Romanowitsch sei ein entfernter Verwandter des Großfürsten. Da der Alte etliche Male im Auftrag des Fürsten Michail in Moskau gewesen war und die Männer dort kennen gelernt haben musste, hegte Lawrenti keinen Zweifel an seinen Worten. Er fragte sich, weshalb Wassili und dessen Berater so hochrangige Gefolgsleute nach Worosansk geschickt hatten.

Der Anführer der Moskauer schien Lawrentis Misstrauen erkannt zu haben, denn er wandte sich ihm mit einer ebenso hochmütigen wie angespannten Miene zu. »Du bist der Schwertträger deines Fürsten und müsstest wissen, was in eurem Land vorgeht.

Dimitri Michailowitsch hat den segensreichen Bund mit Moskau aufgekündigt, den sein Vater geschlossen hatte, um sich den Feinden Moskaus anzuschließen. In seiner Gier aber hat er auch diese verprellt. Nun steht er allein da und sein Fürstentum wird zum Spielball seiner Nachbarn. Schließlich ist Worosansk nicht ganz unbedeutend, denn es kann den Handelsweg nach Pskow und damit auch die Heerstraße nach Litauen blockieren. Juri von Galic plant, eure Stadt zu erobern und sie seinem Reich einzugliedern. Um dies zu verhindern, verlangt Großfürst Wassili II., dass Dimitri gestürzt und ein besserer Anführer auf seinen Thron gesetzt wird. Du, Lawrenti Jurijewitsch, und ihr anderen müsst euch entscheiden, ob ihr für oder gegen Moskau sein wollt.«

Als die Worte des Bojaren verhallt waren, blieb es einige Augenblicke lang still im Raum. Dann schüttelte Lawrenti seine Starre ab, kratzte sich am Bart und wiegte den Kopf, als könne er nicht recht begreifen, was er eben gehört hatte. »Wenn ich dich richtig verstehe, Brüderchen, willst du, dass wir uns Moskau unterwerfen und Wassili als Großfürsten anerkennen!«

Boris Romanowitsch hob beschwichtigend die Rechte. »Worosansk ist ein freies Fürstentum und soll es auch bleiben, solange es Moskaus Verbündeter ist.«

Diese Pirogge hat zwar eine angenehme Hülle, aber eine bittere Füllung, fuhr es Lawrenti durch den Kopf. Bislang war es den Fürsten von Worosansk stets gelungen, zwischen Moskau und den anderen Fürstentümern zu lavieren, ohne sich eindeutig auf die eine oder die andere Seite festzulegen. »Du verlangst also, dass wir Moskauer Vasallen werden. Ich kann nicht sagen, dass mir das gefällt.«

»Nicht Vasall! Verbündeter!«, rückte Romanowitsch die Umschreibung desselben Zustands ein wenig zurecht. »Worosansk behält seinen eigenen Fürsten und wird auch nicht verpflichtet sein, Moskau Tribut zu zahlen. Aber es muss den Großfürsten mit eigenen Truppen im Kampf gegen seine Feinde unterstützen.«

»Wo siehst du den Unterschied zwischen Vasall und Verbündetem?«, antwortete Lawrenti heftig, denn so hatte er sich Dimitris Ablösung und Jaroslaws Zukunft nicht vorgestellt.

Erneut suchte ihn einer der beiden alten Berater zu beschwichtigen. »Moskau ist ein großes Reich, und ihm dienen Fürsten von Ländern, die weitaus mächtiger sind als unser Worosansk, mit Freuden als Vasallen. Doch all diese hohen Herren müssten hinter Fürst Jaroslaw zurückstehen, wenn dieser als Freund und Verbündeter Wassilis auftritt.«

»Noch ist Jaroslaw nicht Fürst und euer Plan nicht mehr als ein Hirngespinst«, gab Lawrenti scharf zurück.

»Ich dachte nicht, dass du so an Dimitri hängst, der unser Land in den Untergang führt. Immerhin hast du ihn selbst heftig kritisiert.« Der Alte maß Dimitris Schwertträger mit einem verächtlichen Blick.

Der Anführer der Moskauer hielt es für geraten, die erhitzten Gemüter abzukühlen. »Bis jetzt reden wir nur über das, was Moskau will. Sieh dir an, Lawrenti Jurijewitsch, was Juri von Galic vorhat. Wenn es nach ihm geht, wird Worosansk erobert und als Teilfürstentum an Sachar Iwanowitsch übergeben. Willst du ihn hier als neuen Herrn sehen?«

Bei dem Gedanken an den verräterischen Bojaren schüttelte Lawrenti den Kopf. »Gewiss nicht! Wie es aussieht, haben wir nur die Wahl zwischen Sachar Iwanowitsch, vor dem uns die Heilige Jungfrau bewahren möge, und der Moskauer Knechtschaft.«

»Warum siehst du es als Knechtschaft an, wenn Großfürst Wassili Jaroslaw von Worosansk an sein Herz drückt und ihn seinen Bruder nennt? Aber ich kann dir die Alternative nennen, die euch im Fall einer Weigerung bleibt. Da Worosansk aus strategischen Gründen nicht in die Hand des Feindes fallen darf, wird Moskau es erobern müssen. Der neue Herr wird dann jedoch kein Fürst aus dem alten Worosansker Blut sein, sondern ein Moskauer Bojar. Zwischen diesen drei Möglichkeiten müsst ihr wählen, und ich glaube nicht, dass die Wahl schwer fallen wird.«

Das war auf alle Worosansker gemünzt, die sich im Raum befanden. Wie die anderen blickte Lawrenti als Erstes Jaroslaw an. Von dessen Entscheidung hing nun die Zukunft des Fürstentums ab. War er bereit, sich gegen seinen Bruder zu stellen, oder würde er den Rücken krümmen und versuchen, das Gewitter, das am Horizont aufzog, irgendwie zu überstehen?

Da Jaroslaw stumm blieb, breitete Lawrenti ratlos die Hände aus.

»So einfach, wie du es dir vorstellst, Brüderchen, ist die Sache nicht. Wir sind nur ein paar Männer und können keinen Heerhaufen um uns scharen, der groß genug ist, um sich gegen Dimitris Gefolgsleute und seine Tataren zu behaupten.«

Der Moskauer winkte ab. »Es bleibt euch keine Zeit, lange Intrigen zu spinnen, denn Juri von Galic und Sachar Iwanowitsch kommen bald über euch. Der Großfürst weiß, dass seine Getreuen in Worosansk zu schwach sind, um sich ihres Fürsten zu entledigen. Aus diesem Grund ist bereits ein Heer auf dem Marsch nach Worosansk. Werden ihm die Tore geöffnet, kommt es als Freund. Ansonsten werden wir Worosansk erobern und unter Moskaus direkte Herrschaft stellen.«

Lawrenti erbleichte, ein Angriff der Moskowiter würde ein Blutbad nach sich ziehen, die Krieger würden morden, plündern und schänden, bis die Stadt halb entvölkert war und in Trümmern lag. Dann würde der Anführer des Heerhaufens, möglicherweise dieser Romanowitsch, zum neuen Statthalter ernannt werden.

Ihm graute bei dieser Vorstellung, und er bot dem Bojaren die Stirn. »Wollt ihr jetzt, mitten im Winter, Krieg führen? Wenn die Tore unserer Stadt fest geschlossen bleiben, würde euch dies viele Männer kosten.«

Boris Romanowitsch maß ihn mit einem verächtlichen Blick.

»Seit wann fürchtet ein Russe den Winter? Oder wird hier in Worosansk erzählt, Alexander Newski habe die Deutschen Ritter bei Sommerhitze auf dem Peipussee besiegt, statt in Eis und Schnee?«

Während Lawrenti an diesen Argumenten zu kauen hatte, wandte sich der andere Ratgeber des früheren Fürsten händeringend an den Prinzen. »Du musst dich entscheiden, Jaroslaw Michailowitsch! Entweder erhebst du dich gegen deinen Bruder und rettest so deine Stadt, oder du beschwörst unser aller Ende herauf. Du solltest bedenken, dass Dimitri uns durch seine Unbesonnenheit in diese schlimme Situation gebracht hat.«

Jaroslaw saß wie erstarrt, umklammerte den Becher und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Da Lawrenti spürte, dass der Prinz zu keinem Entschluss kommen würde, stand er auf und legte ihm die Hand auf die Schulter.

»Erinnere dich an die Grausamkeit deines Bruders, Jaroslaw Michailowitsch. Hat er doch schon mehr als ein braves russisches Mädchen auf viehische Art durch seine Tataren umbringen lassen! Es kostet ihn nur ein Wort, sich deiner auf ähnlich barbarische Weise zu entledigen. Wenn du aber fest bleibst und handelst, wirst du nie mehr Angst vor ihm haben müssen.« Nur noch vor Moskau, setzte er den Satz in Gedanken fort, doch der Schatten der Metropole fiel auch jetzt schon über das Land.

»Wohl gesprochen!« Boris Romanowitsch kam auf Lawrenti zu und umarmte erst ihn und dann den jungen Prinzen. »Lang lebe Fürst Jaroslaw von Worosansk! Ehe ich es vergesse: der Großfürst beliebt in seiner Güte, das Gebiet, das Sachar Iwanowitsch derzeit noch verwaltet, dem Fürstentum Worosansk als Dank für dessen treue Unterstützung zu überlassen.« Diesen Trumpf hatte Wassilis Abgesandter sich bis zuletzt aufbewahrt, um den Gefühlen der Worosansker zu schmeicheln, denn sie sollten den Großfürsten von Moskau nicht nur aus Angst, sondern auch aus Dankbarkeit als ihren Oberherrn anerkennen.

Die Berater des verstorbenen Fürsten ließen Wassili II. hochleben und dann Jaroslaw, der nicht zu wissen schien, wie ihm geschah. Doch der Bojar war sicher, dass der Prinz von der Woge, die von Moskau ausging, einfach mitgerissen werden würde. Auch Lawrenti war nun bewusst geworden, dass der Junge nicht eher zur Ruhe kommen durfte, bis sein Bruder gestürzt und er Fürst war – oder tot.

Das Vermächtnis der Wanderhure
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