XI.

 

In der Badekammer unterhielten sich die Männer derweil immer noch über die körperlichen Vorzüge und Nachteile der einen oder anderen Frau und rätselten, ob die Amme unter ihren Kleidern ebenso glatt war wie im Gesicht. Auch Alika bot genügend Gesprächsstoff.

Lawrenti, der Waffenträger des Fürsten, schüttelte sich mit einem Mal und winkte einem Knecht, heißes Wasser nachzugießen. »Man hat das Gefühl, in der Eis tragenden Wolga zu baden«, sagte er lachend zu Jaroslaw.

Der Bruder des Fürsten hatte sich bis jetzt still verhalten, um bei den Gefolgsleuten seines Bruders keinen Anstoß zu erregen. Es waren genug Männer unter ihnen, die ihrem Herrn gerne den Gefallen getan hätten, ihn bei passender Gelegenheit zu töten, und was wäre unauffälliger gewesen, als ihn bei einer Rauferei in dem großen Badebottich lange genug unter Wasser festzuhalten? Mit sechzehn war er älter als der herrschende Großfürst in Moskau, der immer noch hart um seinen Thron kämpfen musste, doch Wassili II. befand sich nicht in einer so verzweifelten Lage wie er hier in Worosansk. Da ihm die Vorsicht zur zweiten Natur geworden war, beeilte er sich, Lawrenti zuzustimmen, und erklärte, das Wasser sei tatsächlich arg kalt geworden.

»Wladimir Dimitrijewitsch wird in wenigen Wochen seinen ersten Geburtstag feiern. Wäre es da nicht gut, wenn du zu diesem Anlass ein passendes Geschenk überreichen würdest?« Diese Aufforderung überraschte Jaroslaw noch mehr.

»Aber ich …«, begann er stotternd und schluckte mehrfach, damit die Worte besser aus seiner Kehle rutschten. »Ich habe doch kein Geld, Lawrenti Jurijewitsch, um meinem geliebten Neffen etwas kaufen zu können, das seiner würdig ist.«

Einige der jüngeren Gefolgsleute des Fürsten lachten spöttisch auf. Es war allgemein bekannt, dass Dimitri seinen Bruder kurz hielt, damit dieser nicht in der Lage war, anderen Leuten Geschenke zu machen oder gar ein paar Söldner als Getreue anzuwerben. Zunächst dachten sie, Lawrenti wolle sich auf Jaroslaws Kosten einen Spaß machen, doch seine nächsten Worte belehrten alle eines Besseren.

»Ich werde Dimitri Michailowitsch bitten, dir eine gewisse Summe zu schenken, damit du auch in seinem Namen Ehre einlegen kannst. Zu diesem Anlass solltest du auch deinen Bruder nicht vergessen. Ich habe mir letztens ein Fässchen Branntwein aus Nowgorod kommen lassen. Wenn du willst, überlasse ich es dir, damit du es ihm verehren kannst.«

Jaroslaw starrte Lawrenti verwirrt an und lächelte dann erleichtert, denn er wusste, dass sein Bruder ihn ohne ein Geschenk der Missachtung seines Sohnes beschuldigen würde. »Hab Dank, Lawrenti Jurijewitsch. Ich habe schon die ganze Zeit überlegt, was ich meinem Neffen schenken könnte, doch mir ist nichts eingefallen. Würdest du mir auch da einen Rat geben?«

»Gern! Begleite mich später zu deinem Bruder, damit wir ihn um Geld bitten können. Dann werden wir auch wissen, wie viel du ausgeben darfst.«

Lawrenti nickte Jaroslaw kurz zu und wandte sich an Andrej, der sich über das plötzliche Interesse seines Onkels am Bruder des Fürsten nicht weniger wunderte als die anderen Männer im Bad.

»Von einem Mann aus Twer habe ich gehört, dass es wieder Krieg geben soll. Ein paar der Moskauer Bojaren haben sich mit dem Fürsten von Galic verschworen, Wassili II. zu stürzen. Unser Freund Sachar Iwanowitsch soll auch zu ihnen gehören. Nachdem er letztens arg gerüffelt worden ist, scheint seine Treue zu Moskau zu schwinden.«

Andrej blickte auf den kräuselnden Dampf, der nun wieder von der Wasseroberfläche aufstieg, und überlegte. »Von einem Krieg weiß ich nichts. Bis jetzt scheint auch niemand an Dimitri herangetreten zu sein, um ihn als Verbündeten zu gewinnen.«

»Das ist nicht gut.« Lawrenti verzog sein Gesicht. »Wenn Moskau nicht einmal mehr den Versuch unternimmt, mit unserem Fürsten zu reden, sehen sie ihn als Feind an. Das wundert mich allerdings weniger als die Tatsache, dass auch Juri von Galic nicht an Dimitris Unterstützung gelegen ist. Es sieht fast so aus, als sei niemand mehr bereit, unserem Herrn zu vertrauen. Sein Vater, Fürst Michail, wusste sich geschickt zwischen den beiden Parteien zu bewegen, und ein nicht unbedeutender Teil des Worosansker Landes war ein Geschenk Wassilis I., mit dem er unseren Fürsten dazu bewegen wollte, sich nicht gegen seinen Sohn zu stellen. Wenn Dimitri dies nun doch tut und damit scheitert, wird es das Ende unseres Fürstentums sein.«

So offen hatte noch keiner der Gefolgsleute gewagt, Dimitri zu kritisieren. Während Andrej seinen Onkel mit verzweifelten Gesten zum Schweigen bringen wollte, stießen sich ein paar von Dimitris besonderen Günstlingen grinsend an. In ihren Augen wurde es Zeit, Lawrenti, der seinen Rang als Schwertträger und Berater des Fürsten noch unter Dimitris Vater Michail erhalten hatte, durch einen jüngeren Mann zu ersetzen. Da Andrej von allen Gefolgsleuten das meiste Anrecht auf diesen Posten hatte, aber selbst nichts zum Sturz seines Onkels beitragen würde, hoffte jeder der Höflinge, zum neuen Vertrauten des Fürsten aufsteigen zu können.

Anatoli und einige andere Männer, die von Dimitri in der Vergangenheit zu schwer oder zu Unrecht bestraft worden waren, nickten jedoch bei Lawrentis Worten und sahen einander vielsagend an.

Das Vermächtnis der Wanderhure
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