23
Als Marge und Decker das Dienstzimmer betraten, fiel ihnen sofort der braune Umschlag auf Marges Schreibtisch auf. Sie tauschten einen kurzen Blick. Decker schaute nach oben und sagte: »Lieber Gott, laß uns nicht wie Idioten dastehen.«
Marge lächelte nervös, während sie den versiegelten Umschlag aufriß und ein Blatt Papier herausnahm. Dann legte sie eine Hand auf ihre Brust. »Puh«
»Ist es Totes?«
Marge nickte und reichte ihm das Blatt. »Travers schreibt, er hat seine Tests mit Glanz und Gloria bestanden. Eine Sorge weniger.«
Mike Hollander kam mit einer Papiertüte in der Hand in das Dienstzimmer und steuerte sofort auf die Kaffeemaschine zu. »Wie ist die Vernehmung gelaufen?«
»Kein eindeutiges und klares Geständnis«, sagte Decker, während er den Laborbericht durchblätterte.
»Aber wir haben die Bestätigung von Buck Travers bekommen. Das ist mir allemal wichtiger als ein Geständnis.«
»Entweder haben wir es mit einem sehr verwirrten Stallburschen zu tun«, sagte Decker, »oder mit einem gewieften Schauspieler.«
»Das sind alles Schauspieler, Rabbi.« Hollander trug seinen Becher zum Schreibtisch und setzte sich hin. »Schäm dich, auf deine alten Tage so milde zu werden.«
Marge setzte sich ebenfalls. »Ich bin Petes Meinung. Ich halte Totes für ziemlich verwirrt … so einer von diesen echt Verrückten, die einen Blackout kriegen, wenn sie ein Verbrechen begehen.«
»Eine dissoziative Reaktion …«, sagte Decker.
Marge lachte. »Wir haben uns wohl schlau gemacht.«
»Ach nein.« Decker lächelte. »Erinnerst du dich noch an diesen verrückten Freund von mir? Abel Atwater? Sein Psychologe bezeichnete seine Blackouts immer als dissoziative Reaktionen.«
»Yeah, so reden die Psychologen, damit sie von Medical reichlich abkassieren können.« Hollander zog ein Doughnut aus der Tüte und biß hinein. Krümel rieselten ihm auf den Schoß. »Für eine Blackout-Diagnose würde der Staat nicht zahlen. Sonst würden sich die Psychofritzen ja an den Besoffenen dumm und dämlich verdienen.« Er biß noch einmal in sein Doughnut und redete mit vollem Mund weiter. »Deine Tochter hat angerufen, Rabbi. Ich hab dir die Nummer auf den Schreibtisch gelegt.«
»Danke, Mike.« Decker verschränkte die Arme über der Brust und lehnte sich gegen Marges Schreibtisch. Er war nicht glücklich damit, daß Totes der Übeltäter sein sollte. In früheren Fällen war er schon mit viel weniger Beweismaterial zum Bezirksstaatsanwalt gegangen und hatte ein gutes Gefühl dabei gehabt. Doch es war schließlich nicht seine Aufgabe, ein Urteil zu fällen. Er mußte Beweismaterial sammeln und vorlegen. »Die Vernehmung hat nur vierzig Minuten gedauert. Also kann uns keiner vorwerfen, wir hätten den Verdächtigen ermüdet, oder gar von polizeilicher Brutalität sprechen. Ich glaube, wir haben genug für die Grand Jury.«
»Ich ruf den Staatsanwalt an«, sagte Marge.
»Wo wir jetzt die Testergebnisse haben, müßte sich auch jemand darum kümmern, daß er eingebuchtet wird.«
»Das kann ich machen.« Hollander leckte sich die Finger ab. »Soll ich ihm einen Anwalt besorgen?«
»Das Gericht wird ihm automatisch einen zuteilen, sobald er offiziell angeklagt ist. Ich möchte erst Cindy anrufen. Dann ruf ich in Burbank an und frag, wie weit die mit dem Mord an Merritt sind. Wir haben Totes für die Vergewaltigung von Lilah, aber das erklärt noch nicht den Diebstahl oder den Mord an Merritt.«
»Ich werd einen Durchsuchungsbefehl für den Stall besorgen«, sagte Hollander. »Könnte ja sein, daß Totes dort was von dem Zeug versteckt hat.« Er hob seinen stattlichen Hintern vom Stuhl. »Ich helf ja gerne, solange mein Herz dabei nicht überstrapaziert wird.«
»Warum machst du nicht mal ’ne Diät?« fragte Marge.
»Ich bin auf Diät, Margie.«
»Auf Diät?« Marge runzelte die Stirn. »Mike, du hast gerade ein Doughnut in drei Bissen verputzt.«
»Ich weiß.« Er leckte sich erneut die Finger. »Aber das war eins ohne Marmelade drin.«
Decker telefonierte vom Umkleideraum aus, weil er dort ungestörter war als im Büro, wo alle zuhörten und so taten, als kriegten sie nichts mit. Cindy nahm beim dritten Klingeln ab.
»Hi, Prinzeßchen. Wie ist die Prüfung gelaufen?«
Sie brach in Tränen aus. Decker spürte, wie sich ihm der Magen zusammenschnürte, und gab ihr ein paar Sekunden, um sich zu beruhigen. »Mach dir keine Sorgen, Cindy, du hast ganz bestimmt besser abgeschnitten, als du glaubst.«
»War schon ganz okay.«
»Ich bin sicher, daß du’s sehr gut gemacht hast.«
»Ich hab nicht gesagt, daß ich’s sehr gut gemacht hab.«
Sie schniefte. »Ich hätt’s besser machen können, aber ich bin nicht durchgefallen oder so.«
»Das ist gut.«
»Wieso? Hast du geglaubt, ich wär durchgefallen?«
»Natürlich nicht.«
»Ich glaub, ich hab ’ne Eins und drei Zweien gekriegt.«
»Das ist doch wunderbar!«
»Da freust du dich aber.«
Decker atmete langsam aus. »Wann kommst du nach L.A., Cindy?«
»Daddy?«
»Was?«
»Bist du sauer auf mich, weil ich dir nichts davon gesagt habe?«
»Nein, Schatz, ich bin überhaupt nicht sauer!«
»Ist es denn okay?«
»Cindy, es ist mehr als okay. Ich freue mich darauf. Wir werden eine wunderbare Zeit zusammen haben, wenn ich deinen Hintern nur in den Sattel kriege.«
Sie sagte nichts, aber Decker konnte sich vorstellen, wie sie mit feuchten Augen lächelte. Ihre Stimme war kleinlaut, als sie wieder sprach. »Ist es Rina denn auch recht? Ich will euch nicht zur Last fallen …«
»Cynthia, du bist meine Tochter. Du fällst uns nie zur Last, es sei denn, du bist grantig, und selbst dann fällst du uns nicht zu Last, höchstens auf die Nerven. In letzter Zeit warst du ziemlich grantig. Woher kommt das? Weil Rina schwanger ist? Weil ich noch mal Vater werde? Bist du eifersüchtig?«
Es folgte ein längeres Schweigen.
»Nicht bewußt.«
Decker lächelte. Die typische Antwort einer College-Studentin. »Baby, ich hab dich sehr, sehr lieb. Du bist meine Tochter, und du wirst immer meine Tochter sein, selbst wenn du über Siebzig bist und ich über Neunzig, Cynthia. Du wirst mich nicht los.«
Er hörte ein Kichern durch die Leitung und mußte wieder lächeln. »Jetzt sag mir nur noch, wann und wo ich dich abholen soll. Deine Mutter hat bereits dein Auto vorbeigebracht. Scheint also alles für dich bereit zu sein.«
»Ich werd dir nicht im Weg sein …«
»Cindy, du warst mir noch nie im Weg.«
»Ich kann ja Rina helfen.«
Decker seufzte. »Um Gottes willen, Prinzeßchen, du bist ja schon wie dein alter Herr – viel zu ernst. Selbst ich war mit Neunzehn noch nicht so schlimm. Tust du mir einen Gefallen? Wirst du versuchen, dich in diesem Sommer zu amüsieren?«
Sie lachte. »Ich versuch’s.«
»Aber wirklich, Cindy.«
Sie lachte. »Ich ruf dich an, wenn ich meinen Flug gebucht hab, Daddy. Irgendwas stimmt übrigens nicht mit deinem Telefon …«
»Verdammt!« Decker schlug sich leicht mit der Faust gegen den Kopf. »Ich arbeite gerade an einem etwas seltsamen Fall, und wir haben unsere Telefonnummer ändern lassen. Ich hab vergessen, es dir zu sagen.«
»Vielen Dank.«
»Es tut mir leid, Cindy. Mea culpa. Zwanzig Hiebe mit einem nassen Lappen. Ich hüll mich in Sack und Asche.«
»Ach, Daddy!«
Er gab ihr die neue Nummer. »Ich hab dich lieb, Prinzeßchen.«
»Ich hab dich auch lieb … Ich weiß, daß ich biestig war. Und ich weiß auch, daß du dir große Mühe gegeben hast. Ist schon okay. Du bist schwer in Ordnung.«
»Danke für das Kompliment, meine Schöne. Ich weiß es zu schätzen.«
»Gern geschehen. Tschüs.« Sie beendete das Gespräch.
Decker hängte ebenfalls ein und fühlte sich ganz obenauf. Das also kann ein gutes Gespräch bewirken. Das war es, was sie gebraucht hatte – ein gutes Gespräch, ein paar unterstützende Worte von Daddy. Nichts muntert einen so auf wie väterliche Liebe.
Dann dachte er, vielleicht geht’s ihr ja auch besser, weil sie das erste Jahr im College hinter sich gebracht hat. Vielleicht hat das ja gar nichts mit ihrem Gespräch zu tun, sondern damit, daß die Prüfung vorbei ist und sie eine Eins und drei Zweien an der Columbia University gemacht hat.
Bei jungen Leuten konnte man das nie wissen.
Er zuckte die Achseln, dann lachte er leise vor sich hin. Natürlich war es ihr Gespräch, das Cindy die Last von der Seele genommen hatte. Seine verständnisvollen Worte, seine väterliche Liebe. Zum Teufel mit der Psychologisiererei. Wie hieß noch dieses berühmte Motto? Was die Kinder betrifft, halt dir nur das Positive zugute, und zieh dir nicht das Schlechte an. Das schien ihm ganz vernünftig.
Ness konnte sich so gerade noch beherrschen, sie nicht k.o. zu schlagen. Statt dessen versteckte er sich so lange, bis Davida die Tür von ihrem Bungalow aufgeschlossen hatte. In dem Moment preschte er vor, schob sie ins Haus, machte die Tür hinter ihnen zu und legte die Kette vor. Dann stieß er Davida gegen die Wand. Davidas Gesichtsausdruck wechselte zwischen Angst und Wut.
»Wo warst du?« flüsterte Ness.
Davida schaute auf ihre Pumps, dann hob sie den Blick langsam wieder, bis sie ihm ins Gesicht sah.
»Ich hab mir ein neues Auto gekauft, Michael. Ein schwarzes BMW Kabrio mit einer hypermodernen Stereoanlage, digitales Kassettendeck und CD-Player.« Ihre Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln. »Ich hab es gerade abgeholt. Hast du Lust, ein bißchen spazierenzufahren?«
Ness schloß die Augen, zählte bis zehn und öffnete sie wieder. »Weißt du überhaupt, wie tief du in der Scheiße steckst?«
»Ich?« Davida lachte. »Wieso, Michael, was hab ich denn getan …«
»Erinnerst du dich an den sogenannten kleinen Auftrag, den du mir gestern gegeben hast, Davie?« Er ließ die alte Frau los und sagte mit leiser Stimme: »Kingston ist tot.«
Davida legte eine Hand auf ihren Mund. »Oje!« Sie stieß Ness von sich und setzte sich auf ihren Diwan. »Oje, bist du dir sicher?«
»Ja, Davida, da bin ich mir ganz sicher.«
Langsam wurden ihre Augen feucht. »Ich dachte, daß es schlimm werden könnte, aber ich hatte keine … ich dachte, es wäre … Mein armes Baby«, stieß sie mit erstickter Stimme hervor.
Ness ging zur Bar und schenkte sich einen Scotch ein. Davida wischte sich die Wangen trocken, doch sofort strömten neue Tränen über ihr Gesicht. Ness setzte sich neben sie und kippte die Hälfte von dem Whisky in sich hinein. Dann hielt er ihr das Glas an die Lippen.
»Trink.«
Sie nahm das Glas und nippte. »Was ist passiert?«
»Ich dachte, das könntest du mir erzählen.«
»Ich hab dir doch gesagt, ich bin abgehauen.« Sie hob den Kopf und sah Ness an. »War es schlimm?«
Ness sah ihr kurz in die Augen, dann wandte er den Blick ab. »Ja, es war sehr schlimm.« Er nahm Davida den Drink aus der Hand. »Es werden sicher viele Fragen gestellt werden. Die Polizei war schon hier …«
»Dieser rothaarige Detective?«
»Nee, andere. Zwei Trottel von Burbank – einer von ihnen konnte den Blick nicht von den Ärschen der Frauen losreißen, der andere stellte ziemlich raffinierte Fragen. Sie wissen schon einiges, aber nicht genug, um Schaden anzurichten.«
»Bist du sie losgeworden?«
»Aber nur vorläufig, Davida. An mir hatten sie kein Interesse. Ich hab King ja noch nicht mal gekannt. Aber sie wollen unbedingt mit dir reden.«
Sie nahm ihm das Glas wieder aus der Hand und trank den Scotch aus. »Ich war gestern den ganzen Tag hier. Das weißt du. Du warst bei mir …«
»Davida …« Ness nahm ihre Hand. »Ich kann bestätigen, daß ich dich gestern gesehen hab. Aber ich hab außerdem Unterricht gegeben. Ich war beim Krafttraining, ich war am Pool, ich hab um zehn mit den Damen in der Snackbar Brühe getrunken. Ich war mit einer Menge Leute zusammen, und …« Er seufzte. »Und da warst du nicht dabei.«
Die alte Dame saß nur da. Tränen strömten ihr die Wangen hinunter. Ness tätschelte ihre knochigen, mit Leberflecken übersäten Hände. »Mach dir keine Sorgen. Uns fällt schon was ein.«
Davida biß sich auf die Nägel und blinzelte die Tränen aus den Augen. »Ich schwöre, ich weiß nicht, was passiert ist. Ich würde doch meinem eigenen Fleisch und Blut nichts antun. Du weißt doch, daß ich …« Sie fing wieder an zu weinen.
Ness begrub sein Gesicht in den Händen und fragte sich, wie das alte Miststück mit solcher Leichtigkeit lügen konnte. Dann fiel ihm ein, daß es genau darum bei der Schauspielerei ging.
Oder war sie etwa tatsächlich untröstlich? Ihr Sohn war tot. Aber was erwartete sie denn, wenn sie irgendeinen Laufburschen bei ihm vorbeischickte? Sie wußte doch, daß King ein aufbrausendes Temperament hatte! Aber Frauen wie Davida machten sich nie Gedanken über die Konsequenzen. Genau wie seine Mutter. Absolut egoistisch. Sie machten immer fröhlich weiter und beuteten ihre Kinder aus, als ob sie ihr Eigentum wären. Er merkte, daß Davida mit ihm redete.
»… die Polizei gesagt, wann sie wiederkommt?«
»Nein, das tun die nie. Die tauchen einfach auf, wenn man sie am wenigsten erwartet.«
Davida wischte sich die Augen. »Wie Steuerprüfungen.«
Ness lächelte. »Freddy hat sie raus nach Malibu geschickt – cleverer Schachzug von ihm. Da du nie ans Telefon gehst, werden die beiden ein paar Stunden mit der Hin- und Rückfahrt verplempern. Aber irgendwann wirst du mit ihnen reden müssen.«
»Und was erzähl ich denen?«
Ness zuckte die Achseln. »Du bist die Künstlerin.«
»Ich bin Schauspielerin, Michael, nicht Drehbuchautorin.«
»Dann mach’s auf die simple Tour. Spiel die trauernde Mutter und halt den Mund.«
Davida blinzelte mehrmals rasch hintereinander. »Das brauche ich nicht zu spielen, Michael.«
»Entschuldige, Davida. Aber du hättest es besser wissen müssen. Du hättest Kingston mir überlassen sollen.«
Davida nickte wie ein kleines Mädchen, das man gerade ausgeschimpft hatte. Gott, war das alles widerlich. Aber dieses Miststück hatte so eine Art, Mitleid zu erregen. Ness seufzte.
»Weiß Lilah es schon?« fragte Davida.
»Ja, Davida, sie weiß es. Die Bullen haben bereits mit ihr gesprochen …«
»Was hat sie gesagt?«
»Weiß ich nicht. Sie war nicht ansprechbar, trainiert wie eine Wahnsinnige …«
»Was?«
»Im Augenblick leitet sie gerade den Ein-Uhr-Kurs. Sie hat Natanya den Nachmittag freigegeben, weil sie die Kurse selber übernehmen wollte. Du weißt doch, wie Lilah ist. Wenn sie wirklich hysterisch wird, stürzt sie sich auf Aerobic. Sie ist schon den ganzen Tag zugange und hat noch keinen Bissen gegessen. Freddy macht sich echt Sorgen um sie. Er hat Angst, daß sie plötzlich tot umfällt.« Ness schenkte ihr ein vages Lächeln. »Aber vielleicht willst du ja genau das.«
In gleichen Moment spürte Ness einen heftigen Schmerz im Gesicht. Er brauchte mehrere Sekunden, bevor ihm klar wurde, daß sie ihn tatsächlich geschlagen hatte. Kopfschüttelnd berührte er seine brennende Wange. Das hätte er dem Miststück gar nicht zugetraut.
»Wag es ja nicht noch mal«, sagte Davida.
»Tut mir leid.« Ness nippte an seinem Drink, dann befühlte er sein Gesicht. »Für dein Alter hast du aber ’nen guten Schlag drauf.«
Sie packte ihn am Kinn, drehte seinen Kopf und betrachtete die gerötete Stelle. »Ja, Michael, das hab ich.« Sie küßte ihn auf die Wange. »Als du … dort warst, ist dir zufällig aufgefallen …«
»Davida, ich war nur ganz kurz da.« Er schob sich die Haare aus den Augen. »Es war alles so … so widerlich … so … blutig. Ich hab nur gemacht, daß ich da rauskam. Aber ich hab mich für dich noch um ein paar Kleinigkeiten gekümmert, Davie.«
»Um was?«
»Es ist besser, wenn du das nicht weißt.«
»Aber du hast doch nicht …«
»Keine Papiere. Dein Laufbursche hat nichts gefunden. Oder King hat ihn fertiggemacht, bevor er richtig nachsehen konnte.«
Davidas Augen tränten. »Er war mein Sohn, Michael, und ich habe ihn geliebt. Das solltest du wissen. Ich wollte auf keinen Fall, daß er stirbt.«
»Du hast schon eine Menge nicht gewollt, aber irgendwie schaffst du es immer, alles zu vermasseln.« Ness stand auf und küßte sie auf die Stirn. »Ich muß gehen. Das nachmittägliche Yoga mit den Damen. Wenn die Bullen kommen, tu ich mein Bestes. Aber das weißt du ja.«
»Ja, das weiß ich.« Davida nahm ein Taschentuch heraus. »Danke. Du warst ein Schatz.«
»So bin ich nun mal, ein echter Schatz.« Er trank einen letzten Schluck und stellte das Glas auf die Bar. Dann griff er in die Gesäßtasche und steckte sich ein Pfefferminzbonbon in den Mund. Schließlich sollten die darbenden Mädelchen ja nicht riechen, daß ihr gesundheitsbewußter Aerobic-Guru eine Scotch-Fahne hatte.
Plötzlich fing sein Herz an zu rasen. Er langte in die Gesäßtaschen, dann in die vorderen Taschen. Er betastete sein Hemd, dann griff er erneut in die Hosentaschen. Ihm wurde schwindlig.
Seine Brieftasche war weg.