17
Schon wieder dieses Klopfen. Mike Ness drehte sich auf den Rücken und schloß die Augen. »Es ist auf, Kell.«
Er hörte, wie die Tür geschlossen und ein Stuhl an sein Bett gezogen wurde. »Was ist denn nun?«
»Der Lady-Detective ist wieder da, Mike.«
»Ich weiß, Kell. Ich hab gerade mit ihr gesprochen.«
»Tatsächlich? Wann?«
»Vor ein paar Minuten.« Ness drehte sich auf die Seite. »Brauchst du ein Alibi von mir oder was?«
»Laß diese Spielchen, Michael!« brüllte Kelley. »Du weißt doch, wie wichtig dieser Job für mich ist. Schwöre, daß du nichts mit dieser Sache zu tun hattest …«
»Verdammt noch mal, jetzt hör doch endlich auf!« Ness sprang auf und hämmerte gegen die Wand. »Ich hab allmählich die Schnauze voll von deinem Gejammer, weißt du das?«
Im Zimmer herrschte Schweigen. Ness drehte sich um und stöhnte. Da saß die kleine Kell mit Tränen in den Augen, die Lippen zu einem Schmollmündchen verzogen. Wie in alten Zeiten. Dieses Schmollen machte ihn immer ganz fertig. So hilflos …
Er ging zu ihr, küßte sie auf die Stirn und ließ seine Lippen auf ihrer kühlen Haut ruhen. Er hatte sie immer um ihre Haut beneidet. Selbst während der Pubertät hatte sie nie einen einzigen Pickel oder Mitesser im Gesicht gehabt. Er spürte, wie Kelley ihm sanft über die Wange strich.
»Du solltest dich mal rasieren«, sagte sie.
»Davida gefalle ich so.« Er trat hinter sie und begann, ihr die Schultern zu massieren. »Sie meint, daß ich damit finster aussehe. Du bist angespannt, Schwesterchen.«
»Ich bin nervös.«
»Entspann dich.«
»Das tut gut«, schnurrte Kelley.
»Dein großer Bruder weiß immer, was das beste ist, stimmt’s?«
Sie antwortete nicht. Gott, sie war einfach unmöglich. »Wo ist denn das Problem, Kell?«
»Was wollte der Lady-Detective von dir?«
»Sie möchte ein paar Haare von mir!« Ness schüttelte lachend den Kopf, dann ließ er sich auf das Bett fallen und sah ihr ins Gesicht. »Stell dir das mal vor: Die wollen die Probe mit dem Sperma vergleichen, das auf Lilahs Bettlaken gefunden wurde. Ist das nicht unglaublich?«
Kelley kaute an ihrem Daumennagel. »Und was willst du tun?«
»Was glaubst du denn? Ich geb ihr die Haare!«
Kelley schwieg.
»Hör auf, an den Nägeln zu kauen.« Ness nahm ihre Hand und tätschelte sie. »Alles wird wunderbar, ich versprech’s dir.«
Kelley zog ihn an sich. Erst blieb er abweisend, dann merkte er, wie sich seine Hände um die schmale Taille seiner Schwester schlangen.
»Ich liebe dich«, sagte sie.
»Ich weiß«, antwortete Ness. »Ich liebe dich auch.«
Er machte sich von ihr los und legte sich wieder auf das Bett. Oh, du süßer Schlummer, selbst wenn es nur ein Nickerchen war. In einer halben Stunde mußte er den späten Nachmittagkurs leiten. Das war nur leichte Aerobic. Kein loggen, Springen oder Hüpfen, bitte. Nur ganz viel Herummarschiererei. Eins, zwei, drei, vier; eins, zwei, drei, vier; lauter kleine Soldaten in Habtachtstellung. Stramme Körper in pechschwarzen Trikots und Strumpfhosen – ja, Mama, ja!
»Geht’s dir gut, Mike?«
Ness griff nach Kelleys Hand. »Geht’s dir gut?«
»Mir geht’s gut, wenn’s dir gutgeht.«
»Mir geht’s gut … ganz großartig! Und mach dir keine Sorgen, Kell!« Er merkte, wie er grinste. »Ich garantiere dir, daß die Proben nicht übereinstimmen werden!«
Das Bridge Emporium lag über einem Supermarkt. Decker lief auf der Suche nach einer Treppe um das Gebäude und fand den Eingang schließlich auf der Rückseite neben dem Müll. Es war eine verzogene Tür, auf der in schwarzen Buchstaben EMPORIUM stand. Hinter der Tür lag eine Treppe, die nur von einer einzelnen nackten Glühbirne beleuchtet wurde.
Der Bridgeclub mußte ursprünglich ein Lagerhaus gewesen sein. Es war ein etwa dreihundert Quadratmeter großer Raum, dessen Fußboden mit abgenutzten, ausgeblichenen Fliesen ausgelegt war. Helles Neonlicht fiel auf Tische und Stühle, an denen Leute saßen, die die vor ihnen ausgebreiteten Karten betrachteten. Es war heiß. Ein paar Ventilatoren drehten sich phlegmatisch und wirbelten die nach schalem Zigarettenrauch riechende Luft ein wenig durcheinander.
Decker sah sich nach jemandem um, der gerade nicht Bridge spielte, und entdeckte rechts in der Ecke zwei Jugendliche, die irgendwas mit Würfeln spielten. Er konnte hören, wie die Würfel leise auf eine Filzunterlage fielen. Als er näher kam, sah er, daß sie Backgammon spielten. Der jüngere von beiden hatte starke Akne. Eigentlich sah er gar nicht schlecht aus, aber offenbar gab er sich überhaupt keine Mühe mit seinem Äußeren. Der ältere war schon Anfang bis Mitte Zwanzig, doch der unbeholfene Gesichtsausdruck, die Klamotten, die für seinen mageren Körper eine Nummer zu groß waren, die Brille mit dem schwarzen Gestell, das ihm immer wieder die Nase herunterrutschte, erinnerten eher an einen linkischen Jugendlichen. Er schob die Brille nach oben und betrachtete das Spielbrett.
»Kann ich Ihnen helfen?« fragte er schließlich.
»Ich suche Perry Goldin«, sagte Decker.
»Der spielt noch.« Der Mann mit der Brille warf zwei Sechsen – einer der besten Würfe, die in dem Spiel überhaupt möglich waren. Keiner der beiden Spieler zeigte eine Reaktion. Der Ältere setzte seine Steine in strategisch günstige Positionen. »Er ist an seinem üblichen Platz.«
»Was ist sein üblicher Platz?«
»Eins. Nord«, sagte der Jüngere.
»Tisch eins, Nordposition?«
»Yep.« Der Jüngere schüttelte seinen Würfelbecher und ließ die Würfel auf die Filzunterlage purzeln. Mit dem Wurf waren seine Steine schutzlos dem Gegner ausgeliefert. Er runzelte die Stirn und blickte auf. »Der nimmt erst nach dem Spiel neue Termine an. Sie müssen sich genauso anstellen wie alle anderen.«
Decker zog seine goldene Dienstmarke hervor. »Ich bin Detective.«
Das ließ sie aufhorchen, allerdings nur ein wenig. »Weswegen wird Goldin denn gesucht?« fragte der Ältere.
»Betrügerisches Kartenspielen«, antwortete Decker.
Der mit der Brille ließ die Würfel rollen und sagte: »Wer dumm fragt …«
Decker lächelte und sah auf seine Uhr. »Wie lange geht das Spielchen denn noch?«
Der Jüngere sah ebenfalls auf die Uhr. »Höchstens noch ein paar Minuten.«
»Setzen Sie sich doch«, bot der Ältere an. »Spielen Sie?«
»Genug, um zu wissen, daß ich, wenn ich wetten wollte, auf Sie setzen würde.«
Der Ältere würfelte lächelnd einen weiteren Pasch. Der Jüngere schob das Brett beiseite. »Wenn ich dich nicht kennen würd, Dave, würd ich schwören, daß du präparierte Würfel benutzt.«
»Das ist dein Brett, Steve«, sagte Dave gelassen.
»Stimmt.«
Steve sah Decker an. »Möchten Sie ’ne Runde spielen?«
Decker schüttelte den Kopf. »Ich hab gehört, Goldin ist ein richtiger Bridgefreak.«
Dave rückte seine Brille gerade. »Perry ein Freak? Der macht bestimmt hunderttausend im Jahr. Und seine Frau holt noch mal siebzig- bis achtzigtausend rein. Ich spar mir meine Tränen für die wirklich Bedürftigen.«
»Er macht hunderttausend im Jahr mit Bridge spielen?«
»Mit privaten Turnieren, Unterricht. Außerdem läßt er sich für bestimmte Spiele anheuern …« Steve zuckte die Achseln. »Damit macht Perry die meiste Knete. Ich glaub, sein derzeitiger Satz sind tausend pro Tag …«
»Was?«
»Es gibt jede Menge reiche Leute, die alles dafür geben, Life-Masters zu werden«, bemerkte Dave. »Dann meinen sie, sie wären was Besonderes.«
Decker nahm sein Notizbuch heraus. »Ist seine Frau auch professionelle Bridgespielerin?«
»Nee, die ist Anwältin«, sagte Steve. »Wendy spielt zwar auch, aber rein als Amateurin. Hat allerdings was drauf. Dafür hat Perry gesorgt.«
»Und ihr noch nicht mal was dafür berechnet«, sagte Dave mit ausdruckslosem Gesicht.
»Es gibt andere Profis, die genauso gut spielen«, sagte Steve. »Perrys Spezialität liegt beim Reizen. Er hat diese unheimliche Art, andere zu seinem Vorteil zu manipulieren. Die meiste Zeit kriegt er’s so hin, daß er ansagt. Auf die Weise kommt sein Partner nicht in die Verlegenheit, das Spiel zu vermasseln. Wenn man’s beim Bridge zu was bringen will, und zwar schnell, dann heuert man Goldin an.«
»Goldin ist Gold wert«, sagte Dave.
Decker bemerkte, daß einige Leute aufstanden und sich streckten. Andere gingen ganz von den Tischen weg. Man hörte lautes Stimmengemurmel.
»Ah, das Spiel ist zu Ende«, sagte Steve. »Und Ihre Arbeit beginnt. Doch zuerst werden die Punkte gezählt. Sind Sie gut mit Zahlen, Detective?«
»Nur wenn sie sich auf Verbrecherfotos beziehen.« Decker stand auf. »Macht’s gut, Jungs.«
»Bleiben Sie noch, Detective«, sagte Dave. »Ich garantiere ihnen, daß Tisch eins Erster wird.«
»Werden die Leute nicht sauer«, fragte Decker, »wenn Goldin ständig gewinnt?«
»Nee«, sagte Dave. »Das Emporium ist ganz happy, daß er hier spielt. Das ist so, als hätte man Nolan Ryan als Werfer im eigenen Softball-Team. Er zieht Leute an, die den Eintritt bezahlen, nur um ihn zu beobachten. Er ist wunderbar fürs Geschäft.«
»Wem gehört der Laden hier?« fragte Decker.
Dave setzte ein freundliches Grinsen auf. »Mir. Das ist tausendmal besser, als Jura zu studieren.«
Decker wartete geduldig, während drei teuer gekleidete Damen mit krallenartigen roten Fingernägeln ihre Termine mit Goldin abstimmten. So wie der Bridge-Profi in seinem Terminkalender herumblätterte, mußte er weit im voraus ausgebucht sein.
Goldin sah aus wie Mitte Vierzig, dann wäre er ein ganzes Stück älter als Lilah. Vielleicht war er aber auch jünger und hatte sich durch graue Strähnen in seinen schulterlangen Haaren und seinem Bart künstlich älter gemacht. Er war etwa einsachtzig groß und von hagerer Gestalt, hatte eine lange Nase, hohe Stirn und hohe Wangenknochen. Seine smaragdgrünen Augen wirkten so unnatürlich, daß Decker sich fragte, ob er farbige Kontaktlinsen trug. Er hatte ein schwarzes T-Shirt unter einem schwarzen Blazer an, dazu eine verwaschene Jeans und Nikes. Goldin sprach in knappem, professionellem Ton und hielt sich nicht mit Nettigkeiten auf. Als Decker an der Reihe war und sich vorstellen wollte, kam Goldin ihm zuvor.
»Sie sind nicht an Bridge interessiert.«
Decker zeigte ihm seine Dienstmarke.
Goldins Augen weiteten sich. »O Gott! Wendy!«
»Es geht nicht um Wendy«, sagte Decker.
»Es geht nicht um meine Frau?«
»Nein.«
Jedenfalls nicht um die derzeitige. Decker fand Goldins Reaktion merkwürdig. Wenn man einen Cop sieht, denkt man doch nicht sofort an seine Frau. Goldin schien seine Verwunderung zu spüren.
»Meine Frau …« Er legte eine Hand aufs Herz, dann senkte er sie langsam wieder. »Sie leitet in der Innenstadt eine juristische Beratungsstelle für arme Leute – leichte Beute, obwohl sie nur wenige Blocks von der Polizeistation entfernt ist.«
Die Bemerkung schien eine leichte Spitze zu enthalten.
»Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie oft der Laden schon überfallen oder ausgeraubt wurde. Und letzte Woche wurde eine Schreibkraft in den Arm geschossen …« Er mußte schlucken. »Ich hab keinen Schimmer, was Sie von mir wollen. Ist es eine kurze Frage, oder dauert’s ein bißchen länger?«
»Eher ein bißchen länger.«
»Kann ich meine Sache hier erst abschließen?«
»Wie lange wird das dauern?«
»Sagen wir etwa zehn Minuten?«
»Okay. Da hinten in der Ecke steht ein Kaffeeautomat. Da warte ich auf Sie.«
»Danke.« Goldin atmete langsam aus, dann wandte er sich dem nächsten Wartenden zu – einem Jungmanager mit Anzug und Krawatte.
Decker setzte sich an einen leeren Tisch neben dem Kaffeeautomaten. Er hatte gerade seinen Kaffee ausgetrunken, als er Goldin auf sich zukommen sah. Der Bridge-Profi setzte sich und stützte den Kopf in die Hände.
Decker stand auf und sagte: »Darf ich Ihnen einen Kaffee spendieren, Mr. Goldin? Sie sehen aus, als könnten Sie einen vertragen.«
»Da sag ich nicht nein.«
»Wie trinken Sie ihn? Milch? Zucker?«
»Schwarz.«
Decker drückte auf den entsprechenden Knopf und stellte den Becher auf den Tisch. »Sie sehen müde aus, Mr. Goldin. Vielleicht weckt Sie der auf.«
»Perry.« Er nippte an dem Kaffee und sah auf seine Uhr. »In einer halben Stunde hab ich einen Termin.«
»So lange dauert das hier sicher nicht.«
»Ich will Sie ja auch nicht hetzen, ich überlege bloß, ob ich anrufen und absagen soll. Es würd mir nichts ausmachen abzusagen. Es macht mir auch nichts aus, mit Ihnen zu reden. Nur reden Sie bitte nicht über Bridge.«
»Wenn wir über Bridge reden, kostet’s dann was?«
»Nein …« Goldin schüttelte den Kopf. »Nein, darum geht’s überhaupt nicht … ich meine, klar, laß ich mich gern bezahlen. Verdammt, das ist das einzige, was mir heutzutage noch an Bridge gefällt. Gott, wie satt ich das alles hab – die ganze Lästerei, all diese erbärmlichen kleinen Egos, die um blöde kleine Punkte kämpfen.«
»Der desillusionierte Profi.«
»Yeah, aber immer noch besser als der hemmungslose Profi.« Goldin lächelte. »Haben Sie die Frauen gesehen, mit denen ich gesprochen hab? Für die bin ich eine billige und respektable Methode, sich für einen Tag Aufmerksamkeit zu erkaufen – so eine Art intellektuelle Variante für den Tennislehrer bumsen.«
»Bumsen Sie sie?«
»Ich?« Goldin lachte schallend. »Drücken wir’s mal so aus, Detective. Da hätt ich lieber Heftzwecken im Hodensack.«
Decker lächelte. »So schlimm sehen die doch gar nicht aus. Gut erhalten, wenn Sie mich fragen.«
»Nähte macht man halt nicht nur in Kleider«, sagte Goldin. »Die sind alle zigmal abgesaugt, ausgestopft und wieder zusammengeflickt worden. Pat, die Blonde, hat sogar eine umwerfende Figur. Das weiß ich, weil sie mich einmal, als ich zur wöchentlichen Bridgestunde zu ihr nach Hause kam, splitternackt begrüßt hat. Ich kam mir vor wie Dustin Hoffman in Die Reifeprüfung, als Anne Bancroft reinkommt … ›nein, nein, nein, das hab ich doch gar nicht gewollt‹.« Er kicherte in sich hinein. »Nein, ich tue nichts, was meine Ehe in Gefahr bringen könnte. Wenn andere Männer ihr Leben vermasseln wollen, wünsch ich ihnen viel Spaß dabei und hoffe, daß sie reichlich Geld für Unterhaltszahlungen zurückgelegt haben. Hier in Kalifornien leben wir im Land der Gütergemeinschaft.«
»Hört sich an, als seien Sie ein gebranntes Kind.«
»Ganz und gar nicht. Beim ersten Mal bin ich völlig ungeschoren davongekommen. Ich bin überzeugt, die Familie meiner Exfrau hätte mich sogar großzügig für die Scheidung bezahlt. Sie hatten mir jedenfalls die Sterne vom Himmel versprochen, wenn ich sie nicht heiraten würde. Doch leider war ich damals hinter wahrer Liebe statt hinter Geld her. Ich hätte die Zeichen erkennen müssen – doch da war ich noch nicht so pfiffig.« Goldin trank einen Schluck Kaffee. »Oje, jetzt hab ich Sie ja ganz vollgelabert. Tut mir leid. Was kann ich für Sie tun?«
»Eigentlich sind wir schon beim richtigen Thema, Mr. Goldin.«
»Perry. Und wie heißt das Thema?«
»Lilah Brecht.«
Goldin verzog schmerzlich das Gesicht. »O Mann, die läßt mir aber auch keine Ruhe.« Er begrub den Kopf in den Händen. »Was hat sie diesmal angestellt?«
»Sie hat gar nichts angestellt«, sagte Decker. »Sie wurde vor ein paar Nächten vergewaltigt.«
Goldin fuhr ruckartig mit dem Kopf hoch und legte die Hände auf den Tisch. »Hat sie’s gut überstanden?«
»Ja. Sie ist schon wieder aus dem Krankenhaus, und die Blutergüsse werden allmählich blasser.«
»Sie wurde auch noch geschlagen?«
»Ja, ziemlich heftig.«
»Das ist ja furchtbar«, flüsterte Goldin. »Einfach schrecklich … es tut mir sehr leid, das zu hören.« Er starrte Decker an. »Hat sie nach mir gefragt, oder was?«
Decker schüttelte den Kopf.
»Dann … warum erzählen Sie mir das dann?«
Decker antwortete nicht.
Goldin zeigte auf seine Brust. »Haben Sie etwa mich im Verdacht? Sind Sie deshalb hier? Sie verdächtigen mich, meine Exfrau vergewaltigt und geschlagen zu haben, meine Exfrau, die ich – wie lange – nicht gesehen habe? Seit sechs Jahren?«
Decker schwieg.
»Du lieber Gott!« Goldin lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. »Geben Sie mir das genaue Datum und die Uhrzeit, und dann sag ich Ihnen, wo ich war.« Er hielt seinen Terminkalender hoch.
»Darf ich da mal reingucken, Perry?«
Goldin warf den Kalender auf den Tisch. Decker nahm ihn und blätterte ihn durch. Goldin war in der fraglichen Nacht bei einem Bridge-Turnier gewesen. Decker zeigte auf das Datum. »Wie lange hat das Turnier gedauert?«
»Bis halb elf oder zwölf. Anschließend hab ich das Ganze noch mal mit meinem Schüler durchgesprochen. Ich bin vermutlich gegen eins nach Hause gekommen. Sie können meine Frau anrufen. Sie war zu Hause, als ich durch die Tür gestolpert kam.«
Decker ging aufmerksam die Seiten durch, auf der Suche nach Namen: Brecht, Merritt, Reed, Eversong, Ness, Totes. Nichts. Er gab den Kalender zurück. »Danke.«
»Sonst noch was?« Goldin schob den Kalender in die Jackentasche.
»Woran ist die Ehe gescheitert?« fragte Decker.
»Oje, wühlen Sie ruhig in meinem Privatleben herum.«
»Mr. Goldin …«
»Perry.«
»Perry, ich hatte nur gehofft, Sie könnten mir helfen. Ich hab’ nämlich gerade Probleme mit meiner Exfrau.«
»Detective, da sind Sie bei mir an der falschen Adresse. Wir sind nicht gerade als die besten Freunde auseinandergegangen. Man kann mit Lilah nicht vernünftig reden, weil sie verrückt ist. Die ganze Familie ist verrückt.«
Decker nahm sein Notizbuch heraus. »Erzählen Sie mir mehr darüber.«
Goldin trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Dann muß ich doch telefonieren … mein Termin.«
Decker fischte ein 25-Cent-Stück aus der Tasche. Goldin sah auf die Münze und lachte.
»Das sollte kein Wink mit dem Zaunpfahl sein.«
»Nehmen Sie’s, Perry. Das geht aufs Department.«
Goldin nahm die Münze, warf sie in die Luft und fing sie wieder auf. »Bin gleich zurück.«