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Ich rekelte mich genüsslich und freute mich, dass ich so verschwenderisch gewesen war, Geld für eine Heizdecke aus dem Fenster zu werfen. Neunundvierzig, neunundneunzig bei Target hatte sie gekostet und war jeden einzelnen Penny wert. So blieb meine Seite des Bettes kuschelig warm und …
Ähm.
Ich besaß doch gar keine Heizdecke! Damals hielt ich fünfzig Scheine für eine etwas überhöhte Ausgabe, deshalb hatte ich mir das Ding letztlich doch nicht angeschafft. Warum also lag ich …?
Ich öffnete die Augen. Gleich neben mir lag Behrmans Hund. Der Köter, wie er ihn genannt hatte.
Oh, wie ekelhaft!
»Was machst du denn hier?«, fragte ich Köter entsetzt. Sie lebte schließlich noch, oder? Ich hatte demnach keinen Hund umgebracht und in mein Bett gesteckt, so wie es mit dem abgetrennten Pferdekopf in Der Pate geschehen war. Widerlich, übrigens. Und sehr, sehr, sehr krank.
Köter gähnte, drückte sich aber weiterhin an mich. Oh Gott, sie brauchte dringend ein Bad! Oder gleich mehrere.
»Aber was noch wichtiger ist«, überlegte ich laut. »Was tue ich hier?« Meine letzte Erinnerung war das Jaulen des Hundes hinten im Trailer. Ich war wütend und traurig gewesen, weil jemand auf seinem Hund herumtrampeln konnte und sich nicht einmal dafür schämte.
Ich grabbelte nach meinem Handy, das auf dem Nachttisch neben meinem Bett lag, im trauten Verein mit meinen Autoschlüsseln und zwei Chicken-McNugget-Schachteln, in denen sich nur noch Krümel befanden. (Ich hasse Chicken McNuggets.) Ich rief meine Nachrichten auf, und siehe da, es hatten sich ein paar neue angesammelt.
A. hat den Hund entführt. E. J. und ich haben Verhör mit Behrman beendet. Alibi muss noch überprüft werden. Darf man in deinem Haus überhaupt Hunde halten?
Nein.
Habe A. kennengelernt, eine ziemlich seltsame Erfahrung. Ich glaube, sie mag Hunde lieber als mich. B. und L. befinden sich im Krankenhaus und kurieren ihre Gehirnerschütterung aus. A. hat beide am Schlafittchen gepackt und ihre Köpfe gegen die Wand gestoßen. Aber mach dir bloß keine Sorgen: Sie fühlen sich dermaßen gedemütigt, weil ein Fed sie überwältigt hat, dass sie keine Anzeige erstatten werden. Darf man in deinem Haus überhaupt Hunde halten?
Nein!
Folgte eine SMS von Michaela in ihrem typischen knappen Stil:
So schnell wie möglich zur Dienststelle!
»Na toll!«, stöhnte ich. Köter fühlte sich davon nicht angesprochen, schmiegte sich nur noch enger an mich. »Ach, ist das nicht superklasse? Und was soll ich jetzt mit dir machen?« Sollte ich sie ins Tierheim bringen? Gab es in meiner Gegend überhaupt ein Tierheim? Und was, wenn die sie sofort einschläfern wollten? Würden sie es unverzüglich tun oder ihr noch drei Tage Gnadenfrist gewähren?
Warum wusste ich solche Dinge nicht? Ach, stimmte ja … ich war ja in einer Klinik unter lauter Verrückten aufgewachsen. Hunde waren dort nicht gern gesehen. Geistige Gesundheit gelegentlich auch nicht.
»Der Tag hat noch gar nicht richtig angefangen, aber schlimmer kann er wohl nicht mehr ...« Lautes Klopfen an der Tür. »Verflixt und zugenäht!« Was kam denn jetzt wieder auf mich zu?
Ich stand auf, und Köter sprang auch gleich vom Bett. Sie folgte mir zur Tür. Ich spähte durch den Spion und war … erleichtert. »Patrick!«
Da stand er in meiner Tür, in Kaki-Shorts (Idiot … eines Tages würde er sich doch Frostbeulen holen!) und einem langärmeligen marineblauen T-Shirt. Nackte Füße (der schiere Wahnsinn) in schweren, klobigen Sandalen.
»Es stimmt also.« Er grinste, während er an mir vorbeischaute. »Du bist jetzt Hundebesitzerin.«
»Bin ich nicht.« Er trat ein, und ich schloss die Tür. »Adrienne hat sie entführt.«
Patrick ging in die Hocke und streckte Köter seine Hand hin, aber sie jaulte nur und wich vor ihm zurück. »Ist ja gut«, beruhigte ich sie. »Ihr Herrchen hat sie ständig geschlagen, und seinem Freund war das anscheinend völlig egal. Ich glaube, sie mag erwachsene Männer nicht«, erklärte ich Patrick.
»Wer würde denn eine Süße wie dich schlagen?«, fragte er und kroch Zoll um Zoll auf Köter zu. Sie ließ ihn zitternd näherkommen, und schließlich durfte er sogar ihre seidigen schwarzen Ohren streicheln. »Ich hoffe, Adrienne hat ihn richtig fies vermöbelt.«
»Beide.«
»Ach ja?«
»Gehirnerschütterung.«
»Ausgezeichnet.«
»Ich kann sie einfach nicht ihrem Besitzer zurück...«
»Du bist jetzt ihr Besitzer.«
»Nein, bin ich nicht.«
»Darf man in deinem Haus überhaupt Hunde halten?«
»Nein! Darf man eben nicht!«
»Ich hocke direkt neben dir, Baby, du brauchst nicht so zu schreien. Solltest vielleicht umziehen.«
»Ja, toll. Klar, das tu ich. Ich übe Nachsicht mit Adriennes letztem Wutanfall und krempele mein gesamtes Leben um.«
»Wie heißt denn der Hund?«
»Köter.«
»Oh.«
Ich raufte mir die Haare und marschierte, George imitierend, wütend im Zimmer auf und ab. »Soll man das glauben? Ich kann’s jedenfalls nicht. Noch nie hat sie ein Tier entführt. Menschen, das ja, ab und zu missbrauchte Kinder, nachdem sie deren Schänder krankenhausreif geschlagen hatte. Aber ein Haustier? Und jetzt bleibt es wieder an mir hängen! Sie denkt überhaupt nie nach, sie ist so destruktiv und absolut egozentrisch. Warum bist du eigentlich gekommen?«
Patrick hatte während meiner Tirade mitfühlend genickt, deshalb kam meine abrupte Frage wohl etwas überraschend. »Äh … Adrienne hat mich angerufen. Sie hat gesagt, du bräuchtest einen Babysitter. Jedenfalls dachte ich, dass sie meinte, du bräuchtest einen Babysitter. Oder sie selbst. Aber vermutlich hat sie Köter gemeint.«
Ich starrte ihn bloß an. Was mir nichts weiter einbrachte als ein Zurückstarren. »Sie hat … dich angerufen?«
»Ja.«
»Damit du auf Köter aufpasst?«
»Ja.«
Ich seufzte. Patrick legte eine Hand auf meine Schulter, drehte mich sanft und begann, mir die Schultern zu massieren. Meine Muskeln waren so verspannt, dass er vor lauter Anstrengung, sie zu lösen, ächzte. Ein Chiropraktiker könnte ein Vermögen an mir verdienen.
Ich schloss die Augen und überließ mich seinen Händen. »Mir fällt gerade auf«, sagte ich, immer noch mit geschlossenen Augen, »dass ich, seit du gekommen bist, nur gezetert habe. Sorry.«
Patrick lachte nur, dann beugte er sich herab und küsste meinen Nacken, lachte wieder, als ich erschauerte. »Dazu hast du doch allen Grund, Hon. Wenn ich nur ein Zehntel dieser Scheiße zu ertragen hätte, mit der du dich täglich abgibst … ich kann es mir nicht mal vorstellen.«
»Ich habe wirklich, wirklich Glück, dass du da bist. Nicht nur hier in meiner Wohnung, wo wir wieder einmal hinter Adrienne aufräumen. Sondern in meinem Leben. Unserem Leben«, korrigierte ich.
»Wann begreifst du es endlich?« Patrick drehte mich zu sich herum, beugte sich herab und küsste mich sanft auf den Mund. »Ich bin der Glückliche.«
Ich reckte mich hoch und erwiderte seinen Kuss. Also erwiderte er meinen Kuss. Selbstverständlich musste ich mich erkenntlich zeigen. Bevor ich wusste, wie mir geschah, standen wir beide ohne T-Shirt da. »Oh, verdammt!«, stieß ich hervor und erwischte zwei Hände voll von seinen dichten Haaren. »Michaela …«
»Ooooh, jetzt kommt das Bettgeflüster.« Er war gerade damit beschäftigt, die linke Seite meines Halses zu küssen, darum klangen seine Worte etwas gedämpft. »Sag Big Jim zu mir.«
»Ich muss los.« Ich schaffte es, mich von ihm zu lösen. »Argh! Sorry. Meine Chefin hat gesimst, ich soll so schnell wie möglich ins Büro kommen.«
»Noch einen schnellen Kuss!«
Ich küsste ihn. Dann zog ich mein T-Shirt wieder an. »Ich hab kein Hundefutter da und auch keinen Schimmer, was du tun sollst, wenn sie mal muss.«
»Wir schlagen uns schon durch.« Und als Patrick sich wieder neben Köter kniete, hielt sie erstaunlich still. »Sie ist eine richtig Liebe, hm? Ich meine, die meisten Hunde, die aus ihrem Zuhause gerissen und von einer Durchgeknallten entführt werden – sorry, Honey, aber du weißt, dass ich recht habe – würden doch sehr viel mehr Angst haben.«
»Selbst mein keimfreies, hundeloses Apartment ist gegenüber ihren früheren Lebensumständen eine Verbesserung, das kannst du mir glauben.« Ich denke, das zeigt deutlich, was für ein schlechter Mensch ich bin: Ich war nicht wütend auf Adrienne, weil sie zwei Männern eine Gehirnerschütterung verpasst hatte. Ich machte mir bloß Sorgen, ob Köter mir lästig fallen würde.
Mit diesem selbstsüchtigen Gedanken machte ich mich zur Arbeit fertig und rauschte aus der Tür.