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... dümmlich fand. Aber Shiro konnte manchmal merkwürdig engstirnig sein.

Ich zwickte mich in den Nasenrücken und rieb mir die Augen. Der Monat hatte kaum angefangen (zumindest in meinem Kopf), und schon hatte ich ihn satt. Und ich hatte Georges Widerlichkeiten satt.

»... noch erbärmlicher als sonst. Geht’s dir gut? Für deine Verhältnisse, will ich damit sagen?«

Nein. Obwohl ich Georges Versuch, Empathie vorzutäuschen, durchaus zu schätzen wusste. Auch er erhielt regelmäßig Instruktionen von einem wahren Bataillon an Therapeuten. Doch zumindest gab es in meinem Fall Hoffnung. George hingegen würde sein Leben lang George bleiben. Für Soziopathen gibt es eben keine Kur.

Meine Schwestern und ich konnten zumindest in der Theorie wieder zusammengefügt werden, so wie ein mürrischer Humpty Dumpty. Doch es ist unmöglich, einem Menschen, der älter ist als fünf Jahre, ein funktionierendes soziales Gewissen zu verschaffen. Und wenn George zufällig mal nicht den gemeinen Scheißkerl spielte, empfand ich sogar Mitleid mit ihm.

»Hat eine von diesen Tussen etwa noch einen Treffer landen können, bevor Shiro es ihr besorgt hat?« Er wirbelte auf dem Absatz herum. »Hey! Keiner schlägt, beschimpft oder verletzt meinen Partner außer mir! Und vielleicht außer dem einen oder anderen bösen Buben! Welche von euch hirnlosen Kühen ...«

»Hör auf, bitte. Ich kriege noch Kopfschmerzen von deinem Geschimpfe. Sie haben mich nicht belästigt. Versuch einfach mal für fünf Minuten mit den Gemeinheiten aufzuhören, ja?«

»Nein.« Aus zusammengekniffenen grünen Augen musterte er mich. »Wenn es stimmt, dass sie dir nichts getan haben, was ist dann dein Problem?«

»Also «

»Oh Gott! Du willst es mir tatsächlich sagen. Mann, ich glaub’s kaum, jetzt kommt noch mehr Geflenne du musst es mir überhaupt nicht sagen. Ich ziehe die Frage offiziell zurück.«

Was mit mir nicht stimmte, war das, was ständig nicht mit mir stimmte. Ich war müde und verängstigt. Ich mochte es nicht, in einer Arrestzelle aufzuwachen. Ich mochte es nicht, von Soziopathen angezetert zu werden. Zwei Drittel eines mörderischen Trios waren auf freiem Fuß, irgendwo da draußen. Und außerdem würde ich jeden Augenblick meine Tage bekommen.

Ach ja, und die größeren Probleme (ja, noch größer als zwei Drittel eines Mördertrios, das irgendwo da draußen Pläne zu meiner Vernichtung schmiedete)? Mein Psychiater plante, meine Schwestern umzubringen. Mein Freund wollte sich mit meinen Schwestern verabreden und mit mir. Meine beste Freundin wollte, dass ihr Bruder, der zufällig mein Freund war, fortging, was, da er schon bald ein Haus in den Twin Cities sein Eigen nennen würde, ein problematischer Wunsch war. (Womit jetzt nicht zwei verschiedene Männer gemeint sind! Ich bin ein braves Mädchen, keine widerliche Schlampe mit gewaltigem Männerverschleiß.)

»Ein Tag ohne einen Vortrag über Moral von Cadence Jones ist ein wirklich wirklich! guter Tag«, schwadronierte George weiter. Sein Gequake bereitete mir Kopfschmerzen. Wie auch seine Krawatte: enthauptete Ziegen auf limonengrünem Hintergrund. George war überhaupt nicht feinfühlig. Selbst ein Fremder würde nach einem einzigen Blick konstatieren, dass er zwar gut aussah, intelligent, aber dennoch gestört war, und einen seltsamen Geschmack in Krawatten besaß. »Wirklich, wirklich, wirklich, wirklich, wirklich, wirklich gut.«

»Hör jetzt bitte auf! Gleich platzt mir der Kopf.«

»Na, dann solltest du vielleicht keine Pudel mehr scheren!« Bei Pudel brach seine Stimme. George konnte ziemlich laut kreischen, wenn er es darauf anlegte. Und mein Kopf, ach mein armer Kopf, in dem hämmerte es. Ich hätte ungefähr tausend Aspirin brauchen können. Oder eine Million. Eine Milliarde. So muss sich Zeus gefühlt haben, bevor Athene aus seinem Kopf kroch.

Letzteres nehme ich zurück: Das hätte sich auch nicht schlimmer anfühlen können. Mein Kopf tat wirklich