Kapitel 48
Herzlichen Glückwunsch zum 70., Mum!
Auch wenn man es dir kein bisschen ansieht – heute wirst du siebzig! Und bist so schön wie eh und je! Wir holen dich so bald wie möglich aus dem Krankenhaus, und ich schick dir schon mal ein paar Trauben, damit dir so richtig übel wird!
Ich liebe dich für immer und ewig, Mum!
Deine Rosie
*
Hi, Kev, hier Steph. Erreich dich nicht am
Festnetz.
Solltest nach Connemara kommen, höchste Zeit.
Hi, Liebes, melde dich bitte umgehend bei
deinem Dad. Er hat morgen für dich einen Flug gebucht. Ich weiß, es
ist plötzlich, aber Grandma fragt nach dir. Kev holt dich am Flugh.
ab. Bis morgen. In Liebe,
Mum
*
Connemara, County Galway, ehemals Dundrum, Dublin 10
Wir trauern um Alice Dunne,
die geliebte Frau von Dennis Dunne und liebevolle Mutter von Stephanie, Rosie und Kevin.
Auch wir werden sie schmerzlich vermissen:
Die Enkel Katie, Jean-Louis und Sophia
Schwiegersohn Pierre, Bruder Patrick und Schwägerin Fiona.
Die Trauerfeier findet heute um 16.45 in der Stafford-Leichenhalle bei der Oughterard Church, Connemara statt.
Möge sie in Frieden ruhen.
»Wir können die alten Zeiten nicht zurückholen, Wenn wir zusammen sind,
Aber unsere Erinnerungen leben ewig.«
»Ar dheis lamh De go raibh a anam uasal.«
*
Dies ist der letzte Wille von Alice Dunne
Hiermit erkläre ich alle früheren von Alice Dunne getroffenen notariellen Verfügungen für null und nichtig.
Sollte mein Mann mich um dreißig Tage überleben, bestimme ich ihn zu meinem Testamentsvollstrecker und zum alleinigen Verwalter sämtlicher Besitzwerte. Überlebt mein Ehemann mich nicht um dreißig Tage, verfüge ich das Folgende:
-
Ich ernenne Rosie Dunne (im Folgenden »Treuhänderin« genannt) zur Erbschaftsverwalterin und Treuhänderin nach den in den entsprechenden Gesetzen niedergelegten Bestimmungen.
-
Ich übereigne meiner Treuhänderin den gesamten Grundbesitz mit der ausdrücklichen Ermächtigung, einen eventuellen Verkauf nach eigenem Gutdünken zu tätigen. Im Falle eines teilweisen oder vollständigen Verkaufs soll der Erlös in folgenden Trustfonds angelegt werden ...
*
Sie haben eine Message von: STEPH
Steph: Wie geht es meiner kleinen Schwester?
Rosie: Oh, hallo, Steph. In meiner Welt herrscht zurzeit eine direkt unheimliche Stille. Ich erwische mich dabei, wie ich den Fernseher und das Radio einschalte, nur um irgendwelche Stimmen zu hören. Katie musste wieder zurück zu ihrer Arbeit, Beileidsanrufe und besuche sind abgeleistet. Alles beruhigt sich langsam, und jetzt bin ich allein mit dieser Stille.
An meinen freien Tagen weiß ich gar nicht, was ich mit mir anfangen soll. Ich bin so daran gewöhnt, so schnell wie möglich in den Bus zu springen und zu Mum rüberzufahren. Ein seltsames Leben ist das jetzt. Selbst als Mum schon so gebrechlich und schwach war, dass sie nur noch im Bett liegen konnte, hatte ich immer noch das Gefühl, ich bin bei ihr in Sicherheit. Mütter können einem das vermitteln, stimmt’s? Allein durch ihre pure Anwesenheit. Und selbst wenn ich sie in ihren letzten Tagen bemuttert habe, hat sie trotzdem irgendwie auch für mich gesorgt. Ich vermisse sie.
Steph: Das geht mir genauso, und manchmal merke ich es in ganz seltsamen Momenten am meisten. Erst im Alltag fällt es einem so richtig auf. Wenn das Telefon klingelt, muss ich mir immer erst mal ins Gedächtnis rufen, dass sie es nicht sein kann. Oder wenn ich im Lauf des Tages einen freien Augenblick habe, will ich sie ganz automatisch anrufen, und dann fällt mir ein, dass sie nicht mehr da ist. Ein ganz sonderbares Gefühl.
Rosie: Kevin ist immer noch sauer auf mich.
Steph: Vergiss Kevin, er ist sauer auf die ganze Welt. Rosie: Aber vielleicht hat er Recht, Steph. Dass Mum mir das Haus vererbt hat, bringt mich in eine blöde Lage. Vielleicht sollte ich es verkaufen und den Erlös in drei Teile teilen. Das wäre gerechter.
Steph: Rosie Dunne, du wirst das Haus nicht verkaufen, um Kevin und mich auszahlen zu können. Sie wollte, dass du es bekommst. Kev und ich sind finanziell abgesichert, wir haben beide ein eigenes Haus, wir brauchen das in Connemara nicht. Wenn wir beide nicht genug hätten, wäre es was anderes, aber Mum wusste, dass ich und Kev gut allein zurechtkommen. Deshalb hat sie es dir hinterlassen. Du arbeitest mehr als wir beide zusammen und kommst trotzdem nicht aus dieser schäbigen Wohnung raus. Anscheinend hab ich dir das damals nicht erzählt, aber Mum hat mit mir darüber geredet, dass sie es so machen möchte, und ich hab sie hundertprozentig darin unterstützt. So ist es am besten. Lass dir von Kev nichts einreden.
Rosie: Ich weiß nicht, Steph, ich fühle mich nicht ganz wohl dabei …
Steph: Rosie, vertrau mir, wenn ich dringend Geld brauchen würde, würde ich es dir sagen, und dann würden wir eine Lösung finden. Aber so ist es nicht. Und bei Kevin auch nicht. Außerdem sind wir nicht leer ausgegangen. Es geht uns beiden gut, ehrlich. Das Haus in Connemara gehört dir. Tu damit, was du willst.
Rosie: Danke, Steph.
Steph: Kein Problem. Aber was machst du denn jetzt so ganz allein, Rosie? Es gefällt mir nicht, dass du so viel alleine bist. Möchtest du eine Weile zu uns kommen?
Rosie: Nein danke, Steph, ich muss arbeiten. Ich werde mich in meinen Job stürzen und aus dem Grand Tower das beste Hotel der Welt machen.
*
The Grand Tower Hotel
Tower Road
Dublin 1
Sehr geehrter Mr.Cronin Ui Chellaigh,
nach unserem Besuch im Grand Tower Hotel übersendet die Baubehörde Ihnen aufgrund einer unmittelbaren und schwer wiegenden Gefährdung von Leben, Gesundheit und Sicherheit der Bewohner hiermit eine Notanordnung.
Bei der Inspektion in der letzten Woche hat die Baupolizei mehr als 100 Gesetzesverstöße aufgelistet, darunter unter anderem fehlende Rauchmelder, Wasserschäden und ungenügende Beleuchtung.
Die sanitären Einrichtungen wurden als unhygienisch eingestuft, und während unseres Aufenthalts entdeckten wir in der Küche eine beträchtliche Anzahl von Nagetieren.
Unseren Unterlagen zufolge haben Sie im Lauf der Jahre bereits des Öfteren Aufforderungen erhalten, die Missstände zu beheben und die nötigen Sanierungen durchzuführen, um das Gebäude weiterhin als Hotel nutzen zu können. Diese Aufforderungen wurden von Ihnen durchweg ignoriert, sodass wir nun keine andere Wahl mehr haben, als Ihre Einrichtung zu schließen.
Die Lokalität im Erdgeschoss kann bestehen bleiben. Bitte nehmen Sie, sobald Sie diesen Brief in Händen halten, umgehend Kontakt mit unserem Büro auf. Nähere Erläuterungen über die Bestimmungen zum Schutz der Gesundheit und zur Unfallverhütung am Arbeitsplatz finden Sie umseitig.
Mit freundlichen Grüßen.
Adam Delaney
Öffentliche Baubehörde
*
Von: Katie
An: Mum
Betreff: Dein Job
Es tut mir so Leid, dass du deinen Job verloren hast, ich weis, du hast ihn gehasst, aber es ist trotzdem nicht schön, wenn man entlassen wird. Ich hab dich telefonisch nicht erreicht, entweder hast du den ganzen Tag gesprochen, oder sie haben dir das Telefon abgeschaltet. Jedenfalls hab ich beschlossen, dir stattdessen eine Mail zu schicken. Ich hab nämlich total vergessen, dir zu sagen, dass Dingsbums nach der Beerdigung vorbeigekommen ist und dich sprechen wollte.
Ich wollte dich nicht rufen, weil du schon genug um die Ohren hattest, deshalb hab ich eine Nachricht von ihm entgegengenommen. Er hat ein paar Briefe für dich dagelassen, die bei ihm eingetrudelt sind, und er meinte, dass er hofft, dir vielleicht irgendwie helfen zu können, nachdem deine Eltern jetzt beide tot sind. Er hat gesagt, er kann gut verstehen, wie du dich fühlst, weil seine Mum letztes Jahr gestorben ist, und er möchte nicht der Grund dafür sein, dass du dich einsam fühlst.
Er kam mir ehrlich vor, andererseits kann man bei ihm ja nie ganz sicher sein. Es war seltsam, ihn nach so vielen Jahren wieder zu sehen. Er ist echt alt geworden. Jedenfalls hoffe ich, dass die Briefe nicht so wichtig sind, aber bitte lass mich trotzdem wissen, was drinsteht. Sie liegen in der obersten Schublade im Wohnzimmerschrank.
Dr.Reginald und Miranda Williams
laden Rosie Dunne herzlich ein, mit ihnen die Hochzeit ihrer geliebten Tochter
Bethany Williams mit Alex Stewart
zu feiern.
Die Trauung findet statt
am 28.Dezember
in der Memorial Church der Harvard University
mit anschließendem Empfang im Boston Harbour Hotel.
Um rasche Antwort bittet Miranda Williams (Adresse umseitig).
Liebe Rosie,
ich fahre morgen zurück nach Boston, aber vorher möchte ich dir diesen Brief schreiben. All die Gedanken und Gefühle, die in mir hochgekommen sind, suchen sich jetzt durch den Stift einen Weg nach draußen, und ich lasse den Brief für dich hier, damit du dich nicht von mir unter Druck gesetzt fühlst. Es ist mir klar, dass du Zeit brauchst, um über das nachzudenken, was ich dir jetzt sagen möchte.
Ich weis, was los ist, Rosie. Du bist meine beste Freundin, und ich sehe es in deinen Augen. Ich weis, dass Greg nicht wegen seiner Arbeit übers Wochenende weg ist. Du brauchst nicht so zu tun, als wäre alles perfekt, ich sehe ganz genau, was sich bei euch abspielt. Greg ist ein Egoist, der absolut nicht kapiert, wie viel Glück er hat. Und das macht mich krank.
Er ist der glücklichste Mann der Welt, weil er mit dir zusammen ist, Rosie, aber er hat dich gar nicht verdient, und du hast ohne Zweifel was Besseres verdient. Du verdienst einen Mann, der dich liebt, und zwar bei jedem einzelnen Herzschlag, einen, der ständig an dich denkt, der jede Minute in Gedanken bei dir ist und überlegt, was du machst, wo du bist und ob es dir gut geht. Du brauchst jemanden, der dir hilft, deine Träume zu verwirklichen, jemanden, der dich vor deinen Ängsten beschützt. Du brauchst jemanden, der dich mit Respekt behandelt und alles an dir liebt, vor allem deine Fehler. Du solltest mit einem Mann zusammen sein, der dich glücklich machen kann, richtig glücklich, so glücklich, dass du wie auf Wolken gehst. Jemanden, mit dem du eigentlich schon seit Jahren zusammen sein könntest, wenn du nicht im letzten Moment Schiss gekriegt hättest.
Ich hab keine Angst mehr, Rosie. Ich will das Risiko eingehen.
Ich weis jetzt, was für ein Gefühl das war bei deiner Hochzeit. Eifersucht. Es hat mir das Herz gebrochen zu sehen, wie die Frau, die ich liebe, sich von mir abgewandt hat und mit einem anderen Mann weggegangen ist, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen wollte. Es war, als hätte man mich ins Gefängnis geschickt. Jahrelang würde ich dir nicht sagen können, was ich fühle, jahrelang würde ich dich nicht so in den Armen halten können, wie ich es mir wünsche.
Zweimal haben wir schon nebeneinander vor dem Altar gestanden, Rosie. Zweimal. Zweimal auf der falschen Seite. Ich wusste, dass ich dich an meinem Hochzeitstag brauche, aber ich war zu blöd zu erkennen, dass du meine Braut hättest sein sollen. Wir haben das einfach nicht kapiert.
Ich hätte damals in Boston nicht zulassen dürfen, dass du deinen Kuss abbrichst. Ich hätte mich nicht zurückziehen, ich hätte nicht in Panik ausbrechen dürfen. Ich hätte nicht all die Jahre ohne dich verschwenden dürfen. Gib mir eine Chance, das alles wieder gutzumachen. Ich liebe dich, Rosie, ich möchte mit dir und Katie und Josh zusammen sein. Für immer.
Bitte denk darüber nach. Verplempere deine Zeit nicht mit Greg. Jetzt haben wir unsere Chance. Lass uns keine Angst mehr haben und sie nutzen. Ich verspreche dir, ich mache dich glücklich.
In Liebe,
Alex