Kapitel 25
Von: Stephanie
An: Rosie
Betreff: Beförderung!
Ich weiß, du bist bei der Arbeit, deshalb versuche ich lieber nicht, dich anzurufen. Hab gestern einen Brief von Mum gekriegt. Was hör ich da von einer Beförderung??! Schick mir eine Mail, und zwar schnell!!
Von: Rosie
An: Stephanie
Betreff: Beförderung
Dass Mum einfach nicht den Mund halten kann! JA!! Es stimmt, und ich kann es kaum erwarten, endlich anzufangen! Die Jobbezeichnung lautet »Hotel Host«, und ehe du dir wie unsere Eltern allzu sehr den Kopf darüber zerbrichst, was das bedeuten könnte – es ist nicht der Manager-Posten! Ich bin lediglich dafür da, die Gäste optimal zu informieren und dafür zu sorgen, dass sie rundum zufrieden sind! (Jedenfalls hat man mir das gesagt … )
Es war eine Riesenüberraschung! Ich musste mich echt in den Konferenzraum schleppen. Da drin hatte ich vor Jahren mein Vorstellungsgespräch, mit Herzklopfen und weichen Knien. Meine Körpersprache war garantiert völlig daneben, ich hatte feuchte Handflächen, meine Knie haben gezittert, und ich sah ständig vor mir, wie ich bis ins Rentenalter bei Randy Andy arbeite. Ich hatte mir erfolgreich eingeredet, dass man mich bitten würde, still und leise an meinen Schreibtisch zurückzugehen, meine Siebensachen zu packen und auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden.
Bill und Bob waren super. Sie haben mir meinen neuen Job erklärt und mir dabei jede Menge Honig um den Bart geschmiert, was mein Selbstbewusstsein echt aufpeppt. Sie haben gemeint, sie sind total begeistert von meiner Arbeit (ich hoffe nur, dass sie damit nicht auf den Abend angespielt haben, an dem ich mich auf den Flügel gefläzt und Barbra-Streisand-Songs zum Besten gegeben habe, nachdem die Gäste ins Bett gegangen waren). Während die beiden mir also von meinem Charme und meinem Selbstvertrauen vorschwärmten, hab ich immer nur darauf gewartet, dass sie plötzlich anfangen zu grinsen und mir dann sagen, dass das mit der Beförderung doch nur ein schlechter Scherz war. Ich hab sogar nach der versteckten Kamera Ausschau gehalten.
Aber anscheinend soll ich in einem neuen Hotel arbeiten, das sich noch im Bau befindet (daher die ganzen Geheimtreffen mit den Männern und Frauen mit dunklen Anzügen, Aktenmappe, gegeltem Haar und todernstem Gesicht, die durchs Foyer geschwebt sind, als würden sie sich um eine Rolle in der neusten Fortsetzung von »Matrix« bewerben). Aber wenn meine Chefs es tatsächlich ernst meinen, dann bin ich praktisch für die Leitung des neuen Hotels zuständig, wenn auch in ständiger Kooperation mit der Hauptgeschäftsleitung, der ich einmal wöchentlich Bericht erstatten soll. Ich musste noch nie mit der Geschäftsleitung kooperieren. Klingt irgendwie sexy und ein bisschen gefährlich. Aber mir ist jeder Job recht, bei dem ich mit den großen Jungs von der Geschäftsleitung spielen darf. Ich stelle mir vor, wie ich aufgemotzt mit den anderen Matrixleuten im Kreis rumstehe und mich in gedämpftem Ton über Schaubilder und Tortendiagramme und Bilanzen unterhalte. Wenn uns jemand fragt, was wir da eigentlich machen, dann kann ich superaffig abwinken und sagen: »Ach, wissen Sie, wir kooperieren nur … «
Anscheinend habe ich ein Händchen fürs Organisieren und gute Kommunikationsfähigkeiten. Jeder, der mich schon einmal dabei beobachtet hat, wie ich an Heiligabend kurz vor Ladenschluss meine Weihnachtseinkäufe erledige, weiß, dass die Realität anders aussieht. Und es fällt auch nicht unbedingt in die Kategorie Kommunikationstalent, wie ich dann fluche und die Ellbogen einsetze, um anderen panischen Weihnachtseinkäufern die letzten potenziellen Geschenke von den nahezu leeren Regalen vor der Nase wegzuschnappen. Aber jeder sieht die Dinge eben anders.
Von: Alex
An: Rosie
Betreff: Herzlichen Glückwunsch!
Ich bin rasend stolz auf dich! Wenn ich da wäre, würde ich dich durch die Luft wirbeln und dir einen dicken feuchten Schmatz auf die Wange geben! Siehst du, Rosie, du schaffst es, du musst nur noch viel mehr an dich glauben und nicht immer alles so negativ sehen!
Wo ist das neue Hotel denn? Erzähl mir alles.
Von: Rosie
An: Alex
Betreff: Beförderung
Ich weiß gar nicht genau, wo das neue Hotel gebaut wird, irgendwo an der Küste. Ist es nicht ein Hammer, dass ich endlich in einem Hotel am Meer arbeite? Sicher, der Anfahrtsweg wird länger sein, aber das ist es wert dafür, dass ich jeden Tag ein paar Stunden aus der Stadt rauskomme. In ein paar Monaten ist es so weit. Zu der neuen Anlage gehören auch ein Golfplatz mit achtzehn Löchern, ein Fitnessraum, ein Pool und noch weitere Freizeitangebote. Ganz anders als hier mitten in der Stadt, wo es nur die Zimmer, einen winzigen Fitnessraum und die Restaurants gibt. Bei den Einzelheiten bin ich unsicher, weil man mich noch nicht über alle Details informiert hat. Man hat mich nur gefragt, ob ich an dem neuen Job Interesse habe, und so ein Angebot konnte ich natürlich nicht ausschlagen!
Aber die Erfahrung der letzten paar Wochen hat mich einiges gelehrt. Ich weiß jetzt, dass ich bereit bin, meinen jetzigen Job hinter mir zu lassen. Ich bin bereit für eine neue Herausforderung. Obwohl ich eigentlich gar keinen genauen Plan habe, kommt es mir vor, als bewege ich mich immer näher auf meinen Traum zu. Wer hätte gedacht, dass mein Kindertraum, mal ein Hotel zu leiten, nicht bloß ein Luftschloss ist? Komisch, solange man klein ist, glaubt man, dass man sich jeden Wunsch erfüllen kann. Träume haben keine Grenzen. Ein Kind erwartet das Unerwartete, es glaubt an Wunder, an Märchen und unerschöpfliche Möglichkeiten. Wenn man dann älter wird, zerbricht diese Unschuld, und irgendwann kommt einem die Realität in die Quere, und man muss sich der Erkenntnis beugen, dass man doch nicht alles haben kann, was man möchte, sondern sich mit gewissen Einschränkungen abfinden muss. Oder eben mit einer Variante von dem, was man ursprünglich mal wollte. Warum hören wir irgendwann auf, an uns selbst zu glauben? Warum lassen wir unser Leben von Fakten und Zahlen bestimmen statt von Träumen?
Aber jetzt sehe ich es anders. Nichts ist unmöglich, Alex – es war die ganze Zeit über da, ich habe nur die Hände nicht weit genug ausgestreckt.
Danke, dass du an mich glaubst, Alex, ich würde dich jetzt gern umarmen und küssen! Aber andererseits sind manche Dinge vielleicht doch nicht möglich.
Von: Alex
An: Rosie
Betreff: Träume
Da gibst du mal wieder zu früh auf, Rosie. Ich bin hier. War ich schon immer, werd ich immer sein.
Merkzettel für mich selbst:
Träumen, träumen, träumen, Rosie Dunne!
Sie haben eine Message von: ROSIE
Ruby: Was in aller Welt sollte eigentlich Alex’ letzte Mail bedeuten?
Rosie: Verdammt, Ruby, jetzt lass endlich die Finger von meinen Mails!
Ruby: Tut mir Leid, ich kann’s mir einfach nicht verkneifen, aber ich verspreche dir, dass ich sie nur lese, bis du entweder dein Passwort änderst oder ich einen Job finde, der mich interessiert.
Rosie: Na, dann muss ich wohl mein Passwort ändern …
Ruby: Ha ha, komm schon, jetzt hab ich’s ja eh gesehen, was meint er denn damit? Was soll das heißen, du gibst mal wieder zu früh auf??
Rosie: Was meinst du denn, was es heißen könnte?
Ruby: Das frag ich dich.
Rosie: Und ich dich.
Ruby: Aber ich hab zuerst gefragt.
Rosie: Ach, Ruby, sei doch nicht kindisch. Es heißt einfach, dass er mein Freund ist und dass er immer für mich da ist, egal, was passiert. Und dass ich jederzeit Bescheid sagen kann, wenn ich ihn brauche. Ruby: Ach so. Okay.
Rosie: Ach, Ruby! Glaubst du, es handelt sich um einen Geheimcode, mit dem Alex mir durch die Blume seine Liebe erklärt, und dass ich nur mit den Fingern zu schnippen brauche und schon lässt er alles stehen und liegen – sein neues Leben in Boston, seine Familie, seinen tollen Job –, nur um hierher zu eilen und mich zu retten und in ein Strandhaus zu entführen? Vielleicht nach Hawaii, wo wir von nun an bis in alle Ewigkeit glücklich und zufrieden unser Leben fristen, weitab vom Stress und den Verwicklungen des Alltags? Du verdrehst immer alles in deinem kranken Hirn und versuchst es so hinzustellen, als würden Alex und ich …
Ruby: Nein, Rosie, ich hab das »Okay« ernst gemeint. Es ist in Ordnung, ich glaube dir.
Rosie: Oh.
Ruby: Es ist wirklich okay. Ich glaube, dass er dich einfach nur unterstützen will, wie gute Freunde das eben tun.
Rosie: Oh … okay.
Ruby: Genau. Dann ist ja alles in Butter. Super …
Rosie: Ja, alles paletti … alles paletti …
Ruby: Super.
Rosie: Und mein neuer Job macht alles noch besser!
Ruby: Super.
Rosie: Meine Ehe ist auch gerettet, und ich glaube, Greg liebt mich mehr denn je …
Ruby: Super.
Rosie: Und ich kriege auch viel mehr Geld als vorher, das ist gut. Okay, man sagt immer, dass Geld nicht glücklich macht, aber ich bin ein oberflächlicher Mensch, Ruby … ich kann mir den Mantel kaufen, den ich gestern im Ilac Shopping Centre gesehen habe … geil!!!
Ruby: Super.
Rosie: Ganz recht, super. Jedenfalls mache ich jetzt Schluss, ich muss noch ein bisschen was arbeiten …
Ruby: Das ist super, echt, Rosie …
Rosie hat sich ausgeloggt.
Von: Rosie
An: Stephanie
Betreff: Das Leben ist wunderbar!
Das Leben ist wunderbar, das Leben ist echt spitze! Ich hab einen tollen Job und bin grade auf einen noch tolleren befördert worden. Ich hab eine Tochter, die mit mir spricht, und einen Ehemann, der nicht mit mir spricht! Das sollte ein Witz sein. Ich meine, ich hab einen Ehemann, der mich liebt. Ich hab eine Familie, die mich unterstützt, Mum, Dad, Bruder und Schwester. Ich habe zwei supergute Freunde, die alles für mich tun würden und die ich von Herzen liebe. Weißt du noch, vor Jahren, kurz bevor ich meinen Job an der Rezeption gekriegt habe, da hab ich dir mal gesagt, dass Phase zwei meines Lebens beginnt … tja, jetzt hab ich’s anscheinend zu Phase drei geschafft! Es läuft alles wie geschmiert, und ich bin superglücklich! Heute bin ich allerdings total hibbelig, wahrscheinlich vom Rausch des Erfolgs!
*
Von: Ruby
An: Rosie
Betreff: Cork??
Was meinst du damit, sie bauen das bekloppte Hotel in Cork? Und das sagen sie dir erst jetzt? Ziehst du jetzt etwa nach Cork? Ich dachte, du hast gesagt, es ist an der Küste bei Dublin? Glauben die vielleicht, diese kleine Info ist für dich unerheblich oder was? Herr des Himmels, Rosie, willst du deine Familie quer durch ganz Irland schleifen?
Willst du denn überhaupt umziehen? O mein Gott, ich glaube, ich krieg einen Herzanfall. Mail mir zurück, und zwar bitte umgehend!
Von: Rosie
An: Ruby
Betreff: Re: Cork??
O Ruby, ich hab schon Kopfweh, weil ich überhaupt nicht weiß, was ich tun soll. Ich weiß, ich will diesen Job, aber ich muss doch auch noch an zwei andere Menschen denken. Ich muss unbedingt heute Abend mit Katie und Greg sprechen. Bitte lieber Gott, falls du mich hörst und nicht gerade damit beschäftigt bist, Goldstaub auf all die glücklichen Menschen der Welt rieseln zu lassen, dann tu mir doch bitte einen Gefallen und verpass meiner Familie eine Gehirnwäsche, damit sie ausnahmsweise auch mal an mich denkt. Ich danke dir für deine Zeit und deine Geduld. Jetzt kannst du meinetwegen mit dem Goldstaub weitermachen.
Von: Ruby
An: Rosie
Betreff: Gott
Hallo Rosie, hier spricht Gott. Tut mir Leid, dich enttäuschen zu müssen, aber so funktioniert das Leben nicht. Du musst ehrlich zu deiner Familie sein und sie selbst zu überzeugen versuchen. Erzähl ihnen von deinem Lebenstraum. Dass du den Job annehmen möchtest, den man dir angeboten hat. Wenn sie nicht nur an sich denken, dann werden sie deinen Wunsch verstehen und mit dir nach Cork ziehen. Jetzt ist mein Popcorn fertig, also mach ich lieber Schluss. Ich verpasse ungern den Anfang der Abendunterhaltung. Heute will ich mir nämlich mal das Leben deiner Freundin Ruby anschauen. Viel Glück mit der Familie.
Liebe Mum, lieber Greg,
mach dir um uns keine Sorgen, Mum, ich und Toby schaffen das schon. Wir sind weggelaufen, weil wir nicht getrennt sein wollten. Toby ist mein bester Freund. Ich will nicht nach Cork ziehen.
Liebe Grüße,
Katie und Toby
Von: Rosie
An: Ruby
Betreff: Gott
Es ist mir nicht entgangen, dass Gott sich gestern unter deinem Namen eingeloggt hat. Solltest du ihn sehen, dann sag ihm bitte, wenn er scharf ist auf ein bisschen Drama, soll er heute mal bei meiner Familie reinschauen.
Merkzettel für mich selbst:
Hör auf zu träumen, Rosie Dunne