Kapitel 11

Von: Alex

An: Rosie

Betreff: Geheimer Freund

Bin zurück aus den Flitterwochen! Da hast du raffiniertes kleines Luder mir doch einfach verschwiegen, dass du einen neuen Freund hast! Sally konnte es kaum abwarten, mir davon zu berichten. Süß, oder? Ich habe gar nicht mitgekriegt, dass Katie und Sally sich schreiben – du etwa?

Also, warum hast du den Typen bei der Hochzeit mit keinem Sterbenswörtchen erwähnt? Sonst hast du doch keine Geheimnisse vor mir. Also, raus damit! Wie ist er denn so? Wie heißt er? Wo hast du ihn kennen gelernt? Wie sieht er aus? Womit verdient er seine Brötchen? Ich hoffe, er macht eine Menge Geld und ist nett zu dir, sonst werde ich ihn persönlich erwürgen.

Ich will den Knaben unbedingt bald sehen, damit ich beurteilen kann, ob er es verdient hat, von mir, deinem besten Freund, akzeptiert zu werden. Ich möchte alle Einzelheiten wissen (na ja, vielleicht nicht alle).


Liebe Stephanie,

ich wollte mal wieder schreiben, um zu fragen, wie es dir geht. Und um dir ein paar gute Neuigkeiten zu erzählen. Bestimmt hat Rosie dir noch nichts davon gesagt, sie redet nämlich nicht viel darüber, aber sie hat jemanden kennen gelernt! Wir freuen uns alle sehr, und sie macht einen richtig glücklichen Eindruck. Ihre großen blauen Augen schauen längst nicht mehr so traurig in die Welt, und sie ist einfach wieder viel mehr unsere lebhafte kleine Rosie.

Gestern hat sie den jungen Mann endlich mal zum Abendessen mitgebracht, und ich muss sagen, er ist wirklich ganz reizend. Sein Name ist Greg Collins, und er ist Bankmanager bei der AIB in Fairview.

Er ist ein bisschen größer als Rosie, mit einem netten Gesicht, Anfang bis Mitte dreißig, schätze ich, und er kann prima mit Katie umgehen. Die beiden haben den ganzen Tag miteinander rumgealbert, das war sehr lustig. Du weißt ja, dass es für Rosie schwierig war, jemanden zu finden, den sie selbst mag und mit dem Katie auch zurechtkommt.

Wie geht es mit der Arbeit? Viel zu tun wie immer? Mach dir nur nicht zu viel Stress in diesem Restaurant, Liebes, du musst das Leben auch genießen. Dein Vater und ich haben uns überlegt, dass wir dich gern bald einmal besuchen würden, wäre das in Ordnung? Lass uns wissen, wann du Zeit hast, dann können wir unsere Pläne danach ausrichten.

Grüße Pierre von uns. Wir freuen uns darauf, dich bald einmal wieder zu sehen.

Alles Liebe,

Mum


Von: Rosie

An: Alex

Betreff: Re: Geheimer Freund

Uups, jetzt ist mein kleines Geheimnis dank Katies Plappermaul also doch aufgeflogen. Na ja, ich hab bei deiner Hochzeit nichts von Greg (so heißt er) erzählt, weil wir damals noch überhaupt nicht zusammen ausgegangen waren. Wir haben uns im Dancing-Cow-Club kennen gelernt (lange Geschichte), kurz bevor ich zu dir nach Boston gekommen bin. Er hat sich meine Telefonnummer geben lassen und wollte unbedingt mit mir ausgehen, aber ich hab abgelehnt! Nach deiner Hochzeit hab ich mich wohl etwas überschwänglich gefühlt, und kaum war ich zurück, hab ich ihn gleich angerufen. Oh, Alex, ich hab in meinem ganzen Leben noch nie so schick gelebt! Greg führt mich in Restaurants aus, von denen ich bisher nur in irgendwelchen Zeitschriften gelesen habe, und er ist schrecklich romantisch. Aber du hast ja gesagt, ich soll dir lieber nicht alle Einzelheiten haarklein erzählen, deshalb erwähne ich unser langes rosarot-romantisches Wochenende auf dem Land lieber nicht … Okay, aber du wolltest alles über ihn wissen, also, los geht’s: Er ist fünfunddreißig und arbeitet bei der Bank in Fairview. Er ist nicht sonderlich groß (ungefähr wie ich), was auch nicht sonderlich klein ist, aber … okay, wenn er neben dir stehen würde, hättest du eine hervorragende Aussicht auf seine Schädeldecke. Aber er hat hellbraune Haare und freche blaue Strahleaugen.

Er bringt immer kleine Geschenke für Katie mit, was bestimmt eigentlich nicht gut ist, aber ich mag es so, wenn jemand sie verwöhnt, weil ich das selbst ja in den letzten Jahren nie konnte. Es kommt mir immer noch wie ein Wunder vor, dass ich endlich einen Mann gefunden habe, dem es nichts ausmacht, dass ich eine Tochter habe. Sonst haben die Männer mich immer angesehen, als hätte ich irgendeine ansteckende Krankheit, und dann ist ihnen plötzlich eine total einleuchtende Ausrede eingefallen, warum sie unbedingt ganz schnell wegmussten. Und dass Katie und ich uns auf denselben Mann geeinigt haben! Bisher mochte sie immer nur die jungen Hübschen, wahrscheinlich, weil sie selbst scharf auf sie war! Nach Katies Vorstellungen spielt mein Idealpartner die ganze Zeit mit ihr Ball, schneidet Grimassen und kann seltsame Stimmen nachahmen.

Jedenfalls scheine ich ihn jetzt gefunden zu haben. Greg ist großzügig, fürsorglich und einfühlsam, und ich bin total froh, dass er mir über den Weg gelaufen ist. Vielleicht hält es nicht für immer, aber mir geht es gut mit ihm. In letzter Zeit war ich ein echter Trauerkloß, sagen wir mal, die letzten zehn Jahre oder so, aber jetzt ist mir klar geworden, dass Katie und ich ein Team sind, und wer uns nicht beide auf einmal liebt, der soll sich verziehen.

Aber ich glaube, jetzt habe ich einen Mann gefunden, mit dem es klappen könnte. Drück mir die Daumen.

P.S. Mir ist aufgefallen, dass du von Irland nicht mehr als Zuhause sprichst … dann ist dein Herz jetzt wohl in Boston.


Von: Alex

An: Rosie

Betreff: Oo-oh, Rosie ist verliebt!

Ooo-ooh! Klingt ja ganz danach, als wäre Rosie verliebt!

In einen Banker, der sich in einem Club namens Dancing Cow rumtreibt? Was für eine Art Banker (oder eigentlich: Was für eine Art Mensch) geht in eine Kneipe mit so einem Namen? Na ja, du und deine Freundin Ruby, ihr zwei scheint ja sowieso einen ziemlich seltsamen Geschmack zu haben, von euch überrascht mich das nicht. Aber ich weis nicht. Ich bin immer noch nicht so richtig überzeugt, dass dieser Mann der richtige für dich ist.

Und ich muss sagen, dass mich dein letzter Brief ein klein wenig beleidigt hat. Was meinst du mit der Bemerkung: »Es kommt mir wie ein Wunder vor, dass ich endlich einen Mann gefunden habe, dem es nichts ausmacht, dass ich eine Tochter habe.«? Ich bin ziemlich sicher, dass ich dich und Katie unterstützt habe, wo ich nur konnte – ganz sicher sogar! Ich besuche euch, so oft ich kann, ich lade euch in alle eure Lieblingsrestaurants ein, ich bringe meiner Patentochter immer ein Geschenk mit.

Na ja, ich glaube, ich sollte Schluss machen, ich hab nämlich gerade eine Doppelschicht im Krankenhaus hinter mir und bin todmüde.

Ciao,

Alex


Von: Rosie

An: Alex

Betreff: Vielen Dank für die Unterstützung

Herzlichen Dank, dass du dich so für mich freust. Falls du es noch nicht bemerkt hast, du und ich, wir haben keine Partnerbeziehung. Ja, du bist ein wunderbarer Freund (hilfsbereit und großzügig), aber du verbringst nicht den Alltag mit mir. Sicher wirst du es verstehen, dass es etwas anderes ist, ob man einen Freund oder einen Partner sucht. Du akzeptierst mich mit allen meinen Macken, was man nicht von allen Männern behaupten kann. Aber du bist nicht hier.

Okay, das war alles. Ich hoffe, das Eheleben verläuft nach Wunsch!


Sie haben eine Message von: RUBY

Ruby: Was hat Katie Sally erzählt?

Rosie: Irre, oder? Dabei war ich grade ein einziges Mal mit Greg ausgegangen, als Katie den Brief geschrieben hat!

Ruby: Tja, sie muss ihn wirklich mögen, wenn sie gleich von ihm erzählt. Vielleicht braucht Sally jetzt keine Angst mehr zu haben, dass du dich mit deinen kleinen Schmuddelfingern an ihrem Ehemann vergreifst.

Rosie: Ach, wer interessiert sich denn für den? Ich hab doch meinen Greg!

Ruby: Bah, du machst mich krank. Ihr habt euch in eins von den ekligen Pärchen verwandelt, die Rosie und ich hassen. Ihr benehmt euch wie zwei Teenager, die zum ersten Mal verknallt sind. Ich glaube, ich muss mir eine neue Freundin suchen, die nicht so an einem Mann klebt, sonst komme ich mir das nächste Mal, wenn wir ausgehen, wieder vor wie die totale Niete.

Rosie: Erzähl mir nichts, das ist doch eine glatte Lüge! Jedes Mal, wenn ich zu dir rübergeschaut habe, warst du dabei, mit einem von den anderen Männern zu flirten. Alle sind sie um dich rumgeschwänzelt!

Ruby: Ach, was hätte ich denn sonst tun sollen … so besonders oft hast du mich eh nicht gesehen, weil ihr euch ja ständig abknutschen musstet. Ach, übrigens hat mich gestern Abend dieser Typ angerufen, deshalb überleg ich jetzt …


Sie haben eine Message von: GREG

Greg: Hallo Hübsche, wie läuft’s denn so bei dir?

Rosie: Oh, hallo! Na ja, hier ist es der gleiche Trott wie immer … aber jetzt schon ein bisschen angenehmer!

Ruby: Hallo? Bist du noch da, oder hat Randy Andy dich von hinten überfallen?


Rosie: Entschuldige, Greg, ich chatte grade auch mit Ruby!

Greg: Arbeitet ihr beiden manchmal auch?!

Rosie: Grade genug, um nicht gefeuert zu werden.

Greg: Ich versuch’s später noch mal bei dir.

Rosie: Nein, sei nicht albern! Ich bin durchaus in der Lage, zwei Gespräche gleichzeitig auf die Reihe zu kriegen. Außerdem möchte ich gern mit dir plaudern. Wenn ich das Ruby erzähle, wird sie noch wütender auf mich, weil ich ihrer Ansicht nach mutiere und eigentlich schon eine von denen bin …

Greg: Eine von denen?

Rosie: Ja, Teil der Pärchenverschwörung …

Greg: Ach, natürlich! Wie konnte ich die vergessen …

Rosie: Entschuldige, Ruby, Greg mailt mir auch grade.

Ruby: Könnt ihr beide denn nicht mal ein paar Stunden ohne einander existieren?

Rosie: Nein!

Ruby: Ach, ich vermisse Rosie … wer bist du, und was hast du mit meiner männerfeindlichen Freundin gemacht?

Rosie: Keine Angst, sie ist noch da, sie macht nur eine wohlverdiente Pause. Aber du wolltest mir von dem Typen erzählen, den du neulich kennen gelernt hast.

Ruby: Ach ja. Sein Name ist Ted, und er ist auch ein richtiger Teddybär, er hat ein bisschen Übergewicht, aber das hab ich bekanntlich auch, also ist es egal, da stößt keiner an harte Ecken und Kanten. Er ist Lastwagenfahrer und hat mir ständig Drinks spendiert – was ihn auf meiner Rangliste für nette Männer ziemlich weit vorn platziert. Außerdem war er an diesem Abend der einzige Mensch im Pub, der mich nicht ignoriert hat.

Rosie: Oh, es tut mir wirklich Leid, aber weißt du, wenn man jemand Neues kennen lernt, dann will man eben alles über ihn erfahren …

Ruby: Nein, ich will von Ted eigentlich nicht alles wissen … das würde mir womöglich meine Illusionen rauben …

Rosie: Also, Greg, was hast du denn heute Abend vor?

Greg: Rosie, Liebes, ich stehe dir zur Verfügung! Wir könnten beispielsweise eine Flasche Wein kaufen, was zum Essen kommen lassen und es uns zu Hause so richtig gemütlich machen. Und für Katie holen wir ein Video oder so.

Rosie: Super Idee! Mein Magen fängt schon an zu knurren, wenn ich nur dran denke. Ich bin am Verhungern. Randy Andy genehmigt mir nur noch zwei Mittagspausen. Na egal, jedenfalls wird Katie sich total freuen, wenn du kommst.


Ruby: Meinst du, ich soll ihn anrufen?

Rosie: Wen?

Ruby: TED!

Rosie: Ach ja. Natürlich. Ruf den Teddy an! Frag ihn doch, ob er mit dir ausgeht, dann engagiere ich Kevin als Babysitter, und wir veranstalten ein Doppeldate, das wollte ich schon immer mal!

Ruby: Ach bitte! Die Unschuld der Jungen und Unerfahrenen … Ted und Greg haben garantiert absolut nichts gemeinsam, die sind doch so verschieden wie Tag und Nacht, Banker und potenzieller Bankräuber. Sie werden sich hassen, das wird uns die Stimmung verderben, alles wird total steif, weil keinem was zu sagen einfällt, und in der ohrenbetäubenden Stille wird lediglich unser leises Schmatzen zu hören sein, eine seltsame Abart der chinesischen Folter. Keiner wird einen Nachtisch wollen, keiner einen Kaffee, wir werden uns die Rechnung schnappen und so schnell wie möglich die Kurve kratzen, erleichtert und fest entschlossen, uns in unserem ganzen Leben niemals wieder zu treffen.

Rosie: Wie sieht’s nächsten Freitag bei dir aus?

Ruby: Freitag klingt gut.

Greg: Ich hoffe, Ruby war neulich abends nicht sauer auf uns. Wir haben wahrscheinlich nicht viel von unserer Umgebung mitgekriegt.

Rosie: Mach dir bloß wegen Ruby keinen Kopf, die stört das nicht. Sie hat einen Kerl namens Teddy kennen gelernt. Ach übrigens – hast du Lust, Freitagabend mit den beiden auszugehen? Ein Doppeldate? Vorausgesetzt, ich kriege für Katie einen Babysitter.

Greg: Ein Doppeldate mit Ruby und einem Mann namens Teddy. Das klingt interessant.


Rosie: Greg hat Zeit am Freitag.

Ruby: Freut mich, aber ich hab Ted noch nicht gefragt. Was hat Alex eigentlich zu der Geschichte mit Greg gesagt – dass ihr verliebt seid?

Rosie: Also, ich hab nie gesagt, dass ich verliebt bin, Ruby! Wir haben das Wort beide noch nie in den Mund genommen! Aber Alex hat mir eine ziemlich krasse Mail geschrieben. Dass er findet, meine Beschreibung von Greg hört sich an, als wäre er so eine Art Missgeburt. Und er ist beleidigt, weil ich seine Hilfsbereitschaft mir und Katie gegenüber nicht genügend gelobt habe. Ehrlich gesagt war es ein ziemlicher Schwachsinn, aber ich werde nicht weiter darauf eingehen, weil er die ganze Nacht davor im Krankenhaus gearbeitet hat und müde war … Ruby: Aha.

Rosie: Was »aha«?

Ruby: Es ist genauso, wie ich es mir gedacht habe.

Rosie: Und was hast du dir gedacht, Frau Kommissarin?

Ruby: Er ist eifersüchtig.

Rosie: Alex? Der ist doch nicht eifersüchtig!

Ruby: Alex ist eifersüchtig auf deine Beziehung mit Greg. Er fühlt sich bedroht.


Greg: Wann soll ich denn heute Abend rüberkommen? Zwischen sieben und acht?

Rosie: Nein, Alex ist garantiert nicht eifersüchtig auf meine Beziehung mit Greg. Warum auch? Schließlich hat er sich doch die perfekte kleine Sally geangelt und ist mit ihr verheiratet, glücklich verheiratet, möchte ich hinzufügen (zumindest behauptet das Sally), und als Beweis hab ich ein wunderprächtiges Foto von den beiden, wie sie am Strand liegen und total verliebt aussehen. Er hätte zu mir und Katie gehören können, ich hab ihm seine Chance gegeben, aber er wollte lieber nur mein Freund bleiben, und damit muss ich zurechtkommen. In Ordnung. Jetzt habe ich eine Beziehung mit Greg. Ich finde Greg toll, und was Alex denkt, geht mich nichts mehr an, Ende Gelände. Mehr hab ich dazu nicht zu sagen! Ich bin fertig mit Alex, er interessiert sich nicht für mich, und jetzt bin ich in Greg verliebt. Alles klar?

Greg: Hmm … ich freue mich wirklich, dass du mir das alles so ausführlich erklärt hast, Rosie, ich freue mich wahnsinnig, dass du nicht mehr in diesen Alex verliebt bist, »Ende Gelände«, wie du es so unmissverständlich formulierst …

Rosie: O mein Gott, Ruby! Jetzt hab ich Greg grade was geschickt, was eigentlich für dich gedacht war! Scheiße, Scheiße, VERFLUCHTE SCHEISSE! JETZT WEISS ER, DASS ICH IN IHN VERLIEBT BIN!

Greg: Hmm … Rosie? Da ist schon wieder was bei mir gelandet! Tut mir Leid …


Rosie: Oh …

Ruby: Was »oh«?

Fuer immer vielleicht
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