Kapitel 22
Ruby: Was für eine Diät machst du eigentlich? Die muss ich Gary unbedingt empfehlen.
Rosie: Ich mach keine Diät, Ruby.
Ruby: Aber du siehst schlecht und krank aus, und das wünsche ich mir für ihn auch. Unattraktiv, spindeldürr, total fertig …
Rosie: Danke.
Ruby: Ich möchte dir nur helfen, Rosie. Bitte sag mir, was los ist.
Rosie: Du kannst mir nicht helfen; Greg und ich müssen das alleine hinkriegen. Na ja, genau genommen ich, Greg und Ursula, unsere famose Eheberaterin. Wir sind so ein super Team geworden, mir kommen echt die Tränen …
Ruby: Wie schön für euch. Wie ist die super hilfreiche Ursula denn so?
Rosie: Super hilfreich. Gestern hat sie mir eröffnet, dass ich Probleme damit habe, über meine Gefühle zu sprechen.
Ruby: Und?
Rosie: Ich hab ihr gesagt, dass sie mir den Buckel runterrutschen soll.
Ruby: Gut formuliert. Was hat Greg dazu gemeint?
Rosie: Oh, warte nur, das ist der Knüller. Mein überaus einfühlsamer Ehemann ist der Überzeugung, dass es mir schwer fällt, »mit Ursula zu kommunizieren und sie zu verstehen«.
Ruby: Ach du liebe Güte.
Rosie: Genau, ach du liebe Güte. Deshalb habe ich vorgeschlagen, dass ich und Ursula eine Therapie machen, um unsere Kommunikationsfähigkeit bei meiner Partnertherapie zu entwickeln.
Ruby: Gute Idee. Was hat Greg zu deinem Vorschlag gesagt?
Rosie: Na ja, das hab ich nicht so recht verstanden, weil er volle Kanne die Autotür zugeknallt hat. Ich ziehe in Erwägung, ein größeres Bett zu kaufen, damit wir auch Platz für Ursula haben. Sie sollte ruhig alles über uns wissen. Zum Beispiel kann sie zählen, wie oft ich nachts furze oder so …
Ruby: Ist es wirklich so schlimm?
Rosie: Es ist mir schleierhaft, wie dieser Quatsch irgendwem helfen soll. Ursula zwingt uns, lang und breit über die ganzen Kleinigkeiten zu diskutieren, die uns aneinander stören, und dadurch streiten wir uns umso mehr. Letzte Woche haben wir eine geschlagene Stunde darüber diskutiert, wie sehr ich es hasse, wenn Greg sich absichtlich nicht den Mund abwischt, wenn er Milch getrunken hat, um mich mit seinem Milchbart zum Lachen zu bringen. Und wenn ich nicht lache, dann verfolgt er mich durchs ganze Haus und tippt mir auf die Schulter, bis ich endlich doch lache. Das ist nicht witzig, das ist einfach nur nervig!
Gestern haben wir uns gestritten, weil es mich ärgert, dass er so komisch den Mund verzieht, wenn ich irgendwas nicht richtig verstehe. Wenn ich sage, der Himmel ist gelb, dann kriegt er diese seltsamen Elvis-Zuckungen in der Oberlippe. Er muss es mir um jeden Preis mitteilen, wenn ich irgendeine lebenswichtige Information falsch gespeichert habe. Aber nein, das Gras ist grün, nicht pink! Ach du liebe Zeit, wie könnte ich leben ohne diese Erkenntnis!
Ich denke, nächste Woche werde ich mal die Tatsache zur Sprache bringen, dass er immer diese albernen Billigsocken anzieht, die seine liebe Mutter für ihn kauft. Er findet die Teile brüllend komisch. Manchmal ruft er seine Mutter extra an, um ihr mitzuteilen, dass er sie grade anhat. Gelbe Socken mit knallrosa Tupfen oder blaue mit roten Streifen. Der ach so coole Bankmanager mit den rosa Socken, ooh, bei dem müssen wir unbedingt unsere Hypothek beantragen!
Ruby: Wow … Und da behaupten manche Leute, du hättest Probleme, zu »kommunizieren« … Hat diese groteske Therapie denn irgendeinen positiven Effekt auf eure Ehe?
Rosie: Eigentlich nicht. Ich glaube, Greg und ich wären besser dran ohne sie.
Ruby: Meinst du, ihr könntet euch von Ursula trennen?
Rosie: Tja, das sollten wir, sonst kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen, dass Greg und ich an seinem vierzigsten Geburtstag noch zusammen sind …
*
Für meinen Mann
Alles Gute zum 40.!
Lieber Greg,
Happy Birthday, mein Schatz!
In Liebe,
Rosie
Herzlichen Glückwunsch zum 40.!
Jetzt bist du noch ein bisschen hässlicher und älter geworden.
Für Greg
Von Katie und Toby
*
Lieber Alex,
ich glaube, demnächst werde ich einen Suchtrupp organisieren. Bist du irgendwie abhanden gekommen? Lebst du noch?
Vor ein paar Tagen hab ich deine Mutter angerufen, sie hat in letzter Zeit auch kaum was von dir gehört. Ist irgendwas los? Du solltest mir dein Herz ausschütten, ich bin schließlich deine beste Freundin … für so was bin ich da, das ist ein Naturgesetz. Wenn alles okay ist, melde dich trotzdem, denn als deine Freundin brauche ich auch ein bisschen Tratsch. Das ist Paragraph zwei im gleichen Naturgesetz.
Hier herrscht der alltägliche Wahnsinn. Wie du weißt, ist Katie inzwischen elf geworden (danke für ihr Geschenk!). Sie ist so erwachsen, dass sie meint, sie muss mich nicht mehr darüber informieren, was sie den Tag über treibt oder wann sie nach Hause kommt. Solche nebensächlichen Infos gehen Mütter nichts an. Ich dachte ja, wir hätten noch ein paar Jährchen, bis sie zum Monster mutiert und mich nur noch als Störfaktor wahrnimmt, der nichts anderes im Sinn hat, als ihr Leben zu ruinieren (na ja, gelegentlich ist es auch so). Die junge Dame trägt jetzt Lippenstift, Alex. Knallrosa glänzenden glitzernden Lippenstift. Glitzer über den Augen, Glitzer auf den Wangen, Glitzer in den Haaren. Ich habe eine Discokugel als Tochter. Außerdem wurde mir die Anweisung zuteil, dreimal an ihre Zimmertür zu klopfen, wenn ich Einlass begehre, denn Katie legt Wert darauf, jeden Eindringling sofort zu identifizieren und dingfest zu machen. Ich bin ganz schön neidisch auf Toby, der muss nämlich nur einmal klopfen. Anderseits hat Greg die Auflage, dreizehnmal zu klopfen, der Arme. Manchmal verzählt er sich, und dann lässt ihn Katie aus Sicherheitsgründen nicht rein.
Ich bin nicht sicher, ob sie dir noch schreibt, aber falls sie dir gelegentlich interessante Infos über ihr turbulentes und geheimnisvolles Leben zukommen lässt, möchte ich dich bitten, mich daran teilhaben zu lassen. Ich bin ihre Mutter, da ist Information nun ganz bestimmt ein Naturgesetz.
Bei der Arbeit läuft alles gut. Ich bin immer noch im Hotel, inzwischen sogar am längsten von allen Angestellten. Komisch, nicht? Aber … bei mir gibt’s einfach immer ein Aber. Ich weiß, das Innenleben von Hotels interessiert mich brennend, aber jetzt hab ich manchmal so ein Gefühl wie: »War das alles? Mehr ist nicht drin?« Mein Job ist vollkommen in Ordnung, aber irgendwie reicht er mir nicht. Ich möchte mehr, ich möchte weiterkommen. Ich werde nicht ruhen, bis ich das Hilton manage.
Greg findet, ich bin verrückt. Er sagt, es ist Irrsinn, einen guten Job mit guter Bezahlung, einem netten Chef und einigermaßen angenehmen Arbeitszeiten einfach hinzuschmeißen. Er meint, ich soll zufrieden sein. Vermutlich hat er ja Recht. Eigentlich kann ich mir das Risiko sowieso nicht leisten, man weiß ja nie, was passiert. Am Ende muss ich wieder für Randy Andy arbeiten! Also, das wäre echt das Deprimierendste, was ich mir vorstellen kann.
Wie geht es Josh? Ich würde ihn so gern mal wieder sehen. Wir müssen uns unbedingt bald treffen. Ich fände es schrecklich, wenn er mich irgendwann nicht mehr kennt. Wir haben uns immer geschworen, dass unsere Kinder auch beste Freunde werden würden, weißt du noch? Ich möchte für ihn nicht zu den Halbfremden gehören, die alle Jubeljahre mal zu Besuch kommen und ihm einen Geldschein in die Hand drücken. Obwohl ich solche Leute immer sehr gemocht habe.
Okay, ich glaube, das waren jetzt alle meine brennend interessanten Neuigkeiten. Schreib mir, ruf an, schick eine Mail oder steig einfach in den Flieger. Oder alles. Hauptsache, du lässt mich irgendwie wissen, dass du noch auf der Erde rumläufst.
Ich vermisse dich.
Liebe Grüße,
Rosie
Liebe Rosie,
nur damit du Bescheid weißt: Ich lebe noch – mehr oder weniger. Zurzeit kommt es mir vor, als würde Sally mir meine gesamte Lebensenergie absaugen. Die Scheidung befindet sich in der Endphase … der absolute Albtraum.
Das also ist mit mir los. Muss Schluss machen, weil ich gleich wieder jemandem die Hände in den Brustkorb stecken darf.
Bitte grüß auch Katie ganz lieb von mir,
Alex
Von: Rosie
An: Stephanie
Betreff: Klatsch und Tratsch
Vielen Dank für deinen Brief, Steph. Mir geht’s bestens, danke der Nachfrage. Alles ist gesund und munter, wir können uns nicht beklagen. Ich hab das Gefühl, dass ich in der Sache mit Greg doch die richtige Entscheidung getroffen habe, vor allem, wenn ich höre, was Alex von seiner Scheidung berichtet. Dann bin ich ehrlich froh, dass Greg und ich diesen Weg nicht eingeschlagen haben. Wenigstens wohnt Sally in der Nähe, sodass Alex Josh regelmäßig sehen kann.
Katie zu verlieren wäre mein schlimmster Albtraum. Ich weiß nicht, was ich ohne sie tun würde. Selbst wenn sie den ganzen Tag MTV glotzt, selbst wenn den ganzen Tag unerträgliche Musik aus ihrem Zimmer dröhnt, selbst wenn sie mir das Leben zur Hölle macht, weil ich ihretwegen in die Schule muss, um mit Ms. Rüsselnase Mundgeruch Casey zu streiten, selbst wenn sie sämtliche Sofas und Teppiche mit Glitzerschminke einsaut und ich mich zu Tode sorge, weil sie eine Minute nach unserer Deadline um neun heimkommt – trotzdem ist sie das Wichtigste in meinem Leben, und sie wird auch immer meine Nummer eins bleiben. Ich bin richtig froh, dass Alex den Abschlussball verpasst hat und dass Brian das Brot so sterbenslangweilig war. Die Männer in meinem Leben haben mich im Stich gelassen, aber mein kleines Mädchen macht das jeden Tag mehr als wett.
Liebe Ms. Rosie Dunne,
es wäre schön, wenn Sie am Montag, dem 16., um 9 Uhr früh Zeit hätten, sich mit mir in der Schule zu treffen. Toby Flynns Eltern werden ebenfalls anwesend sein. Es geht um das Ergebnis der Mathematiktests. Wie es aussieht, haben Katie und Toby sämtliche Fragen identisch beantwortet. Auffallend ist daran vor allem, dass die meisten Antworten falsch sind. Ich habe mit Katie und Toby darüber gesprochen, aber sie beharren darauf, dass es sich um einen Zufall handelt.
Wie Sie ja wissen, ist Betrug auf der St. Patrick’s Primary School ein ernstes Vergehen. Bitte rufen Sie mich an, um mir Ihr Kommen zu bestätigen.
Mit freundlichen Grüßen,
Ms. Casey