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27

 

Nick war erfüllt von Triumph, als er nach Hatton zurückritt. Als das Anwesen in Sicht kam, stellte er fest, dass das Haus mit den grünen Weiden und dem ruhigen See noch nie zuvor schöner ausgesehen und ihm noch nie mehr bedeutet hatte, als in diesem Augenblick. Er hatte den drohenden Verlust abgewehrt und glaubte fest daran, dass das Risiko, das er eingegangen war, es nicht nur wert gewesen, sondern auch vollkommen gerechtfertigt war.

Nick konnte es kaum erwarten, seinem Zwillingsbruder die wundervolle Neuigkeit mitzuteilen und Kits Sorgen, dass sie Hatton Hall an John Eaton verlieren könnten, zu beschwichtigen. Er wusste, dass sie sich ernsthaft über die Investitionen unterhalten und einen vertrauenswürdigen Finanzberater finden mussten, der die Verschwendungssucht seines Bruders fest im Griff haben würde, doch das hatte noch Zeit. Heute wollte er mit Kit den Augenblick genießen und ihr Glück feiern.

»Kit, bist du zu Hause?«, rief er, als er die Tür geöffnet hatte.

»Er ist schon fast den ganzen Nachmittag draußen und malt«, meinte Mr. Burke. »Er kommt zurück, wenn es dämm-rig wird.«

»Ich habe ausgezeichnete Neuigkeiten, Mr. Burke. Wir können aufhören, uns um John Eaton Sorgen zu machen. Ich glaube kaum, dass er in nächster Zeit Hatton Hall seine Aufwartung machen wird.«

»Ich habe mir nie Sorgen gemacht, Sir. Ich wusste, dass Eaton kein Gegner sein konnte für einen Mann, der Napoleon besiegt hat.«

Nicholas legte den Kopf zurück und lachte laut auf. »Wellington hat mir dabei ein wenig geholfen, Mr. Burke.« Er lief nach oben und holte die Aktien und anderen Wertpapiere aus seiner Satteltasche. Als er die wertvollen Papiere betrachtete, bewunderte Nick die Klugheit seines Vaters, sein einziger Fehler war es gewesen, dass er seinem Cousin vertraut hatte. Die Investitionen und Kits Verletzlichkeit waren für einen gemeinen Schurken wie Eaton, der von Gier beherrscht wurde, zu verlockend gewesen.

Er schloss seinen Schreibtisch auf und legte die Papiere in die Schublade, zusammen mit den vierzigtausend Pfund. Ehe er den Schreibtisch abschloss, holte er die Besitzurkunde von Hatton Hall heraus und das von Christopher unterschriebene Schriftstück, in dem er Eaton die Vollmacht für all seine finanziellen Entscheidungen gab. Nicks Mund verzog sich zu einem Lächeln, als er daran dachte, wie überrascht sein Zwillingsbruder sein würde, wenn er ihm dieses Schriftstück gab. Er hängte sein blaues Jackett in den Schrank, zog seine gestärkte Krawatte aus und öffnete die Knöpfe seiner bestickten Weste. Als er seinen Bruder unten hörte, nahm er die beiden Schriftstücke und lief nach unten, um ihm die guten Neuigkeiten mitzuteilen.

»Lass uns einen Augenblick in die Bibliothek gehen, ich habe eine Überraschung für dich.«

Kit stellte seine Leinwand ab und folgte ihm vorsichtig. »Ich erinnere mich noch zu gut an die Überraschung, die du beim letzten Mal hattest, als wir hier in der Bibliothek waren!«

Nick lachte. »Es tut mir Leid, dass ich dich geschlagen habe, ich kann mich gar nicht erinnern, dass ich jemals so wütend auf dich gewesen bin.« Er betrachtete Kits Gesicht und war erleichtert, dass die Schwellung fast verschwunden war. »Christopher, wenn du einen einzigen Wunsch auf dieser Welt hättest, was wäre das für ein Wunsch?«

Ein sehnsüchtiger Ausdruck trat in Kits Augen. »Möchtest du, dass ich dir die Wahrheit sage?«

»Immer.« Etwas sagte Nick, dass er besser nicht gefragt hätte.

»Ich wünschte, ich könnte nach Italien reisen und dort Malerei studieren. Hast du gewusst, das einige der besten Kunstwerke in Florenz zu besichtigen sind?«

»Italien? Und was ist mit Hatton?«

»Hatton ist zu einem Mühlstein um meinen Hals geworden. Manchmal hasse ich diesen verdammten Ort sogar!«, erklärte Kit leidenschaftlich.

Nick war enttäuscht und wünschte sich, er hätte ihm gleich die gute Neuigkeit erzählt. »John Eaton ist nicht länger im Besitz der Urkunde von Hatton Hall, wir haben sie zurückbekommen!«

Kit starrte überrascht auf die Urkunde mit den roten Siegeln. »Wie um alles in der Welt hast du sie von diesem Dieb zurückbekommen?«

»Ich habe auf der Heide seine Kutsche überfallen.«

»Du warst der Straßenräuber?«, fragte Kit ungläubig.

Nick grinste. »Das ist nicht das einzige Dokument, das ich erwischt habe.« Er reichte seinem Zwillingsbruder die Vollmacht, die dieser unterschrieben hatte. »Ich dachte, du würdest dich freuen, wenn du dieses Papier verbrennen kannst.«

Kit stieß einen Freudenschrei aus. »Himmel, Nick, du bist wirklich erstaunlich! Wenn du nicht in die Armee eingetreten wärst, wäre ich niemals in ein solches Durcheinander geraten. Zusammen kann uns niemand schlagen!« Er zündete eine Kerze an, hielt das Papier an die Flamme, bis es brannte und warf es dann in den Kamin.

»Ich werde die Besitzurkunde von Hatton Hall mit nach London nehmen und sie dort in einen Banksafe einschließen, damit niemand mehr seine gierigen Hände danach ausstrecken kann.«

»Du bist ein arroganter Bastard, Nick. Hast du vergessen, dass ich Lord Hatton bin und dass diese Urkunde mir gehört?«

»Bist du bereit, mit mir darum zu kämpfen, Kit?« Nick schob das Papier in sein Hemd. »Ich versichere dir, mein Lord, das ist die einzige Möglichkeit, wie du sie je wieder in deine Hände bekommen kannst.«

Sie starrten einander an. »Ich habe doch nur Spaß gemacht. Verdammt, es ist eine solche Erleichterung, dass wir diese Dokumente zurückbekommen haben. Ich denke, ich werde an diesem Wochenende mit Rupert zu den Rennen nach Epsom fahren, um zu feiern!«

Nick wusste, dass dies nicht der beste Augenblick war, um seinem Zwillingsbruder von den Investitionen zu berichten, die er zurückgeholt hatte. Es wäre besser, alles aus seinem Schreibtisch herauszuholen und es sicher nach London zu schaffen. »Ich werde nicht mitkommen. Ich habe noch etwas in der Stadt zu erledigen.«

»Wenn das so ist, warum probierst du dann nicht einmal meinen Phaeton aus? Diese beiden Füchse, die ich gekauft habe, haben mich ein wenig enttäuscht. Ihre Schritte scheinen nicht zueinander zu passen. Vielleicht kannst du dieses Problem lösen.«

Das Problem ist, dass die beiden nicht zusammengehören. »Also gut, ich werde sie einmal ausprobieren und sie mir ansehen.« Nick zögerte, Alexandras Besuch an diesem Morgen hatte ihn mehr als neugierig gemacht. »Übrigens, hast du schon ein Datum für die Hochzeit festgelegt?«

»Ich habe Alex erklärt, dass die Hochzeit in den nächsten beiden Wochen sein sollte, weil ich dachte, ich würde das Geld brauchen, um Hatton zu retten. Aber ich verdanke es dir, dass ich ihr jetzt noch den einen Monat Zeit geben kann, um den sie gebeten hat.«

»Hast du ihr von deinen finanziellen Problemen erzählt?«

»Guter Gott, nein! Ich möchte nicht, dass sie denkt, ich würde sie nur wegen ihres Reichtums heiraten. Das wird sie schon noch bald genug herausfinden.«

Nick ballte die Hände zu Fäusten und schwor sich, das Geld zu ersetzen, was sein Zwillingsbruder verschleudert hatte. Er würde alles tun, was in seiner Macht stand, um sicherzugehen, dass Kit Alexandra nicht des Geldes wegen heiratete.

 

Am nächsten Morgen, während Kit noch schlief, packte Nicholas die Aktien und die anderen Wertpapiere wie auch die vier Bündel mit den Zwanzig-Pfund-Noten in einen Koffer. Seine schwarze Abendkleidung verstaute er in einer Tasche, die Mr. Burke sorgfältig gesäubert hatte, dann steckte er auch die schwarze Ledermaske und die beiden Armeepistolen dazu. Er spannte die beiden Füchse vor den Phaeton, band seine Stute hinten am Wagen an und war bereits auf dem Weg nach London, ehe sein Zwillingsbruder die Augen geöffnet hatte.

Während Nick über die Great West Road fuhr, beobachtete er den Schritt der Füchse und sah, dass das leichtere der beiden Pferde Schwierigkeiten hatte, mit dem Leitpferd Schritt zu halten. Wenn er dem Pferd Scheuklappen aufsetzte, so dass es das Leitpferd nicht sehen konnte, würde es sich auf den Rhythmus des anderen Pferdes verlassen müssen, und es würde ihm leichter fallen, Schritt zu halten. Er überlegte, dass es beinahe das Gleiche war, was er auch mit Kit machte, er ließ ihn über ihre finanzielle Lage im Dunkeln, um ihn unter Kontrolle zu halten. Dann gingen seine Gedanken zu dem, was vor ihm lag.

Alexandra erzählte Dottie nicht, dass sie zugestimmt hatte, Kit bereits in zwei Wochen zu heiraten. Dann erhielt sie Kits Nachricht, in der er ihr eine kurze Frist einräumte.

 

Meine liebste Alexandra,

bitte vergib mir mein Benehmen an dem Tag, als du mich besucht hast. Ich bin mehr als glücklich, deinem Wunsch zuzustimmen, dass unsere Hochzeit in der Kirche verlesen wird. Ein Monat scheint für einen ungeduldigen Bräutigam eine Ewigkeit zu sein, aber ich verstehe, dass eine Braut Zeit braucht, um sich auf eine Hochzeit vorzubereiten.

In Liebe, Christopher

 

P.S. Rupert und ich fahren am Samstag zu den Rennen nach Epsom.

 

Alex bemühte sich, alle Gedanken an Nicholas aus ihrem Kopf zu verbannen. Sie ging hinaus in den Garten, um Dottie und Margaret die Neuigkeit mitzuteilen. »Christopher und ich sind übereingekommen, in einem Monat zu heiraten. Unsere Hochzeit wird an den nächsten drei Sonntagen in der Kirche von Hatton angekündigt werden, und die Hochzeit soll an dem darauf folgenden Samstag sein.«

»Oh, Liebling, das ist ja wundervoll. Du musst ein neues Kleid haben.«

»Wir können uns eine solche Extravaganz nicht leisten«, protestierte Alex.

»Unsinn! Du wirst Lady Hatton werden, du kannst nicht in Lumpen zu deinem Ehemann kommen! Reite zu Rupert und sag ihm, dass er uns morgen nach London fahren muss.«

»Rupert und Christopher werden zusammen zu den Rennen nach Epsom fahren, fürchte ich. Ich werde in die Stadt reiten, genau wie am letzten Wochenende. Ich muss meinen

Artikel beim Political Register abliefern«, erfand sie schnell eine Ausflucht.

»Du kannst nicht allein in die Stadt reiten, das ist höchst unanständig! Ich kann mir gar nicht vorstellen, was ich mir in der letzten Woche dabei gedacht habe, dich so einfach gehen zu lassen.«

»Ich werde Ruperts Kleidung tragen und eine Perücke. Niemand wird wissen, dass ich eine Frau bin, und es wird auch das letzte Mal sein, das schwöre ich dir! Wir waren uns doch einig, Dottie. Du hast mir vollkommene Freiheit versprochen, wenn ich damit einverstanden bin, Lady Hatton zu werden. Ich habe meinen Teil des Handels eingehalten!«

»Mmm.« Dottie warf Margaret einen vorwurfsvollen Blick zu. »Ich weiß, was passiert, wenn man einer jungen Frau etwas verbietet. Da ich nicht möchte, dass du mit einem Halunken ohne Titel durchbrennst, nehme ich an, es wird wohl besser sein, wenn ich dir noch einen letzten Geschmack der vollkommenen Freiheit« gebe, wie du es nennst. Es wird mich sehr interessieren, deinen Artikel zu lesen.«

Alex schluckte. »Er ist noch nicht fertig, ich setze mich besser daran.«

Als sie Papier und Feder bereitgelegt hatte, fiel es ihr nicht schwer, einen beißenden Artikel über den Prinzregenten und seine entwürdigende Haltung gegenüber dem neuen Helden von England, Wellington, zu schreiben. Es war kein Geheimnis, dass der Eiserne General während des letzten Jahres die meisten Kriegskosten selbst getragen hatte, mit nur wenig Unterstützung von der Regierung oder dem hirnlosen George, der absichtlich knauserig gewesen war, sowohl mit Truppen als auch mit Geldmitteln. Als Wellington für England den Sieg errungen hatte, war Prinny so eifersüchtig auf ihn und fürchtete sich so sehr vor ihm, dass er ihm seine Macht und seine Armee nahm. Er schickte sie direkt nach Amerika und entzog sich so seiner Kontrolle. Jetzt bot der Regent Wellington den Posten eines Botschafters in Paris an, eine Beleidigung, und eine Möglichkeit, ihn von England fern zu halten.

Alex schrieb in ihrem Artikel, dass der Prinz von Wales zögere, Wellington mit einer anständigen Pension zu belohnen. Er und seine mit Brandy abgefüllten Freunde verschwendeten jede Woche Tausende von Pfund bei den Rennen und an den Spieltischen. Gerade erst hatte er ein Vermögen an einen Künstler für pornographische Skizzen gezahlt. Um alles zu verschlimmern, hatte der rundliche Regent die Regierung überredet, hunderttausende in eine Sammlung holländischer Kunst zu stecken. Alexandra beendete den Artikel damit, dass sie Reformen verlangte. Die Missstände in der Regierung waren wegen des Krieges übersehen worden, aber jetzt, wo der Krieg vorüber war, sollten sie nicht länger toleriert werden.

Alexandra war so zufrieden mit ihrem Artikel, dass sie beschloss, ihn gleich am Morgen zum Political Register zu bringen und dafür zu sorgen, dass er auch veröffentlicht wurde. Dann zeichnete sie eine Karikatur von Prinny und seinen Gesellen am Spieltisch, wie sie unter einem Berg von Geld lagen.

 

Am Samstagmorgen lenkte Rupert seinen Phaeton nach Hatton, holte seinen Freund Kit ab und fuhr nach Epsom. An diesem Wochenende fand das jährliche Oaks-Rennen statt, das an Bedeutung nur von dem Rennen in Derby übertroffen wurde, und die Nähe zu London garantierte die Anwesenheit vieler junger Adeliger. Die Rennen zogen auch Prostituierte, Taschendiebe und Händler an, die alles verkauften, von Früchten bis hin zu fleischlichen Genüssen. Da der Alkohol das größte Laster der vornehmen Gesellschaft war, waren Zelte aufgebaut worden, die gute Geschäfte mit dem Verkauf von Wein, Whiskey und blauem Ruin machten.

Christopher vermied es sorgfältig, gegenüber dem Bruder seiner zukünftigen Braut von seinen finanziellen Schwierigkeiten zu sprechen. Er fand nichts dabei, seinen Freund auszunehmen und dessen Großzügigkeit auszunutzen. Rupert bezahlte ihre Wetten im ersten Rennen, und als Kit gewann, steckte er das Geld ein, ohne auch nur darüber nachzudenken. Als sie dem Herzog von York mit seiner neuesten Geliebten begegneten, legte Kit grüßend die Hand an seinen Hut, und verbarg seine Eifersucht, bis seine königliche Hoheit außer Hörweite war. »Der fette Freddie ist süchtig nach der Pferderennbahn! Ständig gewinnt er. Kein Wunder, dass alle Frauen hinter ihm her sind. Lass uns unser Geld auf das Pferd setzen, das er im nächsten Rennen auswählt.«

Ihre Freude wuchs mit jedem Gewinn. Der Nachmittag war schon fortgeschritten, als Kit eine Begegnung machte, die ihn ernüchterte und ihm das Lächeln aus dem Gesicht nahm. Rupert war gerade gegangen, um ihre Einsätze im vorletzten Rennen zu machen, während Kit noch dabei war, seinen Whiskey auszutrinken. Er hörte eine Stimme, die ihm einen kalten Schauer über den Rücken jagte.

»Hallo, Harm, ich dachte mir schon, dass ich dir hier begegnen würde.«

»Verschwinde aus meiner Nähe, Jeremy Eaton. Du und dein verdammter Vater habt mich vollkommen ausgesaugt!«

»Das bezweifle ich, Cousin. Du bist sehr geschickt darin, einen Weg aus jeder schwierigen Situation zu finden. Wir beide haben sehr viele Gemeinsamkeiten, musst du wissen. Die Schwierigkeiten mit unseren Vätern scheinen in der Familie zu liegen. Meiner hat mich aus dem Haus meiner Vorfahren geworfen. Es ist ganz gut so, ich ziehe London Slough vor, es ist so viel näher zu Whites.«

»Kapierst du nicht, dass mein Geld weg ist? Selbst ein Blutsauger wie du kann kein Blut aus einem Stein saugen!«

»Harm, habe ich etwas von Geld gesagt? Woran ich denke, ist eine Unterkunft. Wenn ich mich recht erinnere, ist es doch von deinem Haus in der Curzon Street nur eine kurze Entfernung zu Whites, die man gut zu Fuß zurücklegen kann. Ein Jahr freie Unterkunft entspräche genau meinen Bedürfnissen.«

»Du solltest besser vorsichtig sein«, drohte Kit. »Wenn mein Zwillingsbruder erfährt, dass du mich erpresst, wird er so heftig auf dich losgehen, dass du nie wieder aufstehen wirst!«

Jeremy lachte ihm mitten ins Gesicht. »Du bist wirklich komisch. Dein Zwillingsbruder hat sich genauso schuldig gemacht, eine kriminelle Tat vor den Behörden zu vertuschen wie du. Ich bin sicher, der galante Hauptmann würde es dir nie verzeihen, wenn du zulassen würdest, dass diese Tat an die Öffentlichkeit gelangt. Denke darüber nach, Cousin, es ist nur ein kleiner Preis, den du für mein Schweigen zahlst. Ich werde am Dienstag bei Whites sein.«

Kit sah ihm nach, als er davonging, um sich das letzte Rennen anzusehen. Ich werde niemals frei sein von ihm! Dieser Hundesohn wird mich so lange erpressen, bis er stirbt! Als er sich auf die Suche nach Rupert machte, dachte er darüber nach, wie er sich ein für allemal von diesem Blutsauger befreien könnte. Jeder Gedanke endete damit, dass er Jeremy Eaton eine Kugel in den Kopf schoss, was jedoch viel zu riskant war. Es gab jedoch die Möglichkeit, seinen Cousin zu erschießen - und nicht dafür zur Verantwortung gezogen zu werden. Zweifellos war die perfekte Antwort auf sein Dilemma ein Duell!

»Verflixt, wo bist du gewesen? Du hast gerade das letzte Rennen gewonnen, und es noch nicht einmal gesehen«, erklärte ihm Rupert.

»Wie viel?«, fragte Kit abwesend.

»Eine Quote von zwanzig zu eins hat dir einen Gewinn von hundert Guineen verschafft!«, erklärte Rupert glücklich.

»Ich wette, mein Glück hat sich gewendet«, meinte Kit.

»Warum fahren wir nicht in der nächsten Woche ein paar Tage nach London und ziehen durch die Clubs?«

 

Alexandra trug ihre Männerkleidung und ging auf kürzestem Weg zum Büro der Zeitung. Der Herausgeber des Political Register war so erfreut über den Artikel und die Karikatur, dass er Alex zehn Schillinge dafür bezahlte. Es war mehr als sie jemals für ihre Artikel bekommen hatte, und es gab ihr ein gutes Gefühl. Das Land brauchte dringend Reformen, und wenn ihre Bemühungen dazu beigetragen hatten, wenn auch nur ein klein wenig, dann war es die Mühe wert gewesen. Vielleicht könnte sie Christopher nach ihrer Hochzeit davon überzeugen, sich für die Regierungsgeschäfte zu interessieren. Als Lord des Königreiches hatte er eine Stimme und sollte sie dazu benutzen, Gesetzesänderungen herbeizuführen und den Regenten zu Reformen zu bewegen.

Sie stellte Zephyr im Stall am Berkeley Square unter und ging nach oben, um ihre Männerkleidung abzulegen. Als Hopkins ihr ein leichtes Mittagessen servierte, erkundigte er sich nach Sara und Mistress Margaret, wie er ihre Mutter nannte.

»Ich glaube, Margaret genießt es, wieder im Herrenhaus von Longford zu sein. Es scheint ihr gut zu tun, dass sie jeden Tag im Garten sitzen kann. Auch Sara gefällt es auf dem Land, ich habe ihr das Reiten beigebracht.« Alex holte tief Luft. »Hopkins, ich möchte Ihnen für Ihre Treue während meiner Besuche in London danken. Sie haben mir nie auch nur die geringste Missbilligung gezeigt. Nach diesem Besuch werde ich wahrscheinlich eine Zeit lang nicht mehr kommen. Ich werde in Kürze heiraten.«

»Ich wünsche Ihnen viel Glück, Mistress Alexandra. Wenn der Auserwählte Christopher Lord Hatton ist, wird Ihre Großmutter ganz sicher einverstanden sein.«

»Danke, Hopkins. Ehe ich Longford verlassen habe, hat Dottie mir das Versprechen abgenommen, Madame Martines Laden in der Bond Street aufzusuchen und mir die neueste Kollektion anzusehen, aber das ist eine solche Extravaganz!«

»Jede Braut sollte zu ihrer Hochzeit ein neues Kleid haben, Mistress Alexandra, das ist Tradition und keine Extravaganz.«

»Sie haben mich überzeugt, Hopkins, ich gehe besser gleich, ehe ich meine Meinung ändere.«

Alex entschied sich aus praktischen Gründen gegen ein weißes Kleid. Wenn sie heiratete, wäre Christophers Trauerzeit offiziell vorüber, und da es viele gesellschaftliche Einladungen geben würde, wäre ein Ballkleid angemessen. Sie würde es auf Dotties Konto schreiben lassen und später bezahlen.

Alex erwähnte ihre bevorstehende Hochzeit Madam Martine gegenüber nicht, da sie nicht wollte, dass die Französin ihre Kleiderwahl für unpassend erklärte.

»Ich möchte mich sehr bedanken dafür, dass Sie meinen Laden den Schwestern des Herzogs von Devonshire empfohlen haben. Sowohl Lady Granville als auch Lady Carlisle sind zu mir gekommen, um Kleider und einen Kaschmirschal zu kaufen.«

»Das freut mich sehr. Ich bin heute gekommen, um mir Kleider anzusehen, und vielleicht werde ich auch einen Kaschmirschal für meine Großmutter mitnehmen, sie liebt hübsche Dinge.«

Als Madame Martine ihr ein Kleid aus blassem seegrünem Musselin zeigte, wusste Alex, dass sie dieses Kleid haben musste. Es hatte lange, durchscheinende Ärmel, die spitz zuliefen. Das tief ausgeschnittene Mieder war mit Rosenknospen und Blättern aus grünen, seidenen Liebesknoten verziert. Als Alex das Kleid anprobierte, passte es ihr wie angegossen. »Oh, es gibt mir das Gefühl, so sehr feminin zu sein, ich kann einfach nicht widerstehen!« Sie wählte einen cremefarbenen Kaschmirschal mit Fransen aus schwarzer Seide, wusste, dass Dottie ihn lieben würde.

Auf ihrem Weg zurück zum Berkeley Square genoss sie die Atmosphäre der Stadt und wollte nicht daran denken, was vor ihr lag.

Um sieben Uhr begann Alex sich auf ihren letzten Auftritt bei Champagner Charlie vorzubereiten. Zu ihrem Entsetzen fiel ihr fleischfarbenes Netzkleid, das sie schon so oft gewaschen hatte, auseinander. Zögernd gestand sie sich ein, dass sie wohl diesmal nackt auftreten musste. Sie war erleichtert, dass dies das letzte Mal war, und hoffte, dass Charlotte King nicht böse wäre, wenn sie erfuhr, dass Caprice nicht mehr zurückkommen würde. Sie musste zugeben, dass Mrs. King immer sehr großzügig mit ihr umgegangen war. Sie hatte ihr erlaubt, nach ihren Auftritten ihr privates Schlafzimmer zu benutzen, und hatte ihr die hundert Guineen immer nach oben gebracht, ehe Alex ging. Alex holte tief Luft, hob das Kinn und betrat Charlies Club. Nur noch drei Stunden, dann werde ich zurück sein am Berkeley Square, ohne dass jemand etwas von meinem Geheimnis ahnt!