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Prolog

 

Hatton Hall, 22. Juli I792

»Lord Hattons Erbe wird nicht mit dem Hintern zuerst auf die Welt kommen, wenn ich in dieser Angelegenheit etwas zu sagen hätte!« Die Hebamme mit dem roten Gesicht drückte fest gegen den Po des Babys, in dem Bemühen, es herumzudrehen, und strich sich das feuchte Haar aus dem Gesicht.

Von der Schönheit des jungen irischen Mädchens auf dem großen Bett war nur noch das blasse, ausgezehrte Aussehen einer Frau im Kindbett übrig geblieben. Lady Kathleen Flynn lag schon seit der Morgendämmerung in den Wehen, und jetzt war es beinahe Mitternacht.

Meg Riley, Lady Hattons Dienstmagd, die Kathieens Kinderfrau gewesen war, rang verzweifelt die Hände. »Sie hat schreckliche Schmerzen, Frau. Bringen Sie das Kind zur Welt, so schnell Sie können!«

Die Hebamme, die zwei Köpfe gefühlt hatte, presste störrisch die Lippen zusammen. Sie war beleidigt, dass man ihre Autorität vor den beiden jungen Dienstmägden, die ängstlich an der Tür verharrten, in Frage stellte. »Die Iren glauben immer, sie wüssten alles! Falls Sie keine Erfahrung darin haben, Zwillinge zur Welt zu bringen, würde ich vorschlagen, Sie behalten Ihre Meinung für sich. Eine Zwillingsgeburt ist immer gefährlich, nichts als Schaden und Risiko!« Trotz ihrer Autorität fühlte die Hebamme insgeheim Panik. Sie packte die winzigen Schultern, die sie jetzt fühlte, und zog voller Entschlossenheit daran.

Lord Hattons Erbe erblickte zwei Minuten vor Mitternacht das Licht der Welt, glücklicherweise hatte die Mutter zu diesem Zeitpunkt bereits das Bewusstsein verloren. Die Hebamme reichte das Kind Meg Riley. »Waschen Sie ihn und dann werde ich ihn sofort seinem Vater zeigen. Der arme Mann hat schon lange genug gewartet.«

Der »arme Mann« hat sich in die Bibliothek zurückgezogen, wo er die Schreie nicht hört und wo ihm der gute Brandy seine Wartezeit erleichtert, dachte Meg wütend. Während sie den kleinen Jungen badete, untersuchte Meg ihn sorgfältig. Er war das hübscheste Baby, das sie je gesehen hatte, mit einem Wust dunklen Haares, das sich auf seinem Kopf kräuselte und dunklen Wimpern, die seine grauen Augen beschatteten. Sie wickelte ihn in eine weiche Decke und trat an das Bett. Als die Hebamme nach dem kleinen Bündel griff, sagte sie: »Sie können Lady Hatton jetzt nicht allein lassen, Sie müssen noch das andere Kind auf die Welt bringen!«

»Die Wehen haben aufgehört, und es könnte noch Stunden dauern, ehe sie wieder beginnen.« Die Hebamme nahm den Erben, den sie so erfolgreich auf die Welt geholt hatte und ging mit ihm in die Bibliothek.

Mr. Burke, der Majordomus von Hatton Hall, öffnete der Hebamme die Tür und schien erleichtert, dass schließlich doch noch alles gut gegangen war.

»Ist es ein Junge?«, wollte Henry Hatton wissen, als er sich inmitten einer blauen Wolke von Zigarrenrauch von seinem ledernen Ohrensessel erhob.

»Ja, in der Tat, mein Lord. Meinen Glückwunsch zu einem wunderschönen Sohn.« Die Hebamme strahlte und wickelte die Decke auf, um ihm das Kind zu zeigen.

Lord Hattons Augen strahlten vor männlichem Stolz. »Er ist absolut perfekt, wenn ich das sagen darf. Das muss gefeiert werden! Burke, rufen Sie den Verwalter und die Diener, dann werden wir auf das Kind trinken.« Henry schien plötzlich nachdenklich. »Wie geht es Lady Hatton? Sie ist zweifellos sehr stolz auf sich selbst?«

»Ihre Arbeit ist noch nicht beendet, aber ich will die Dinge nicht übereilen.«

»Sehen Sie zu, dass es auf die Welt kommt. Ich möchte nicht, dass Kathleen Schmerzen leidet.«

»Eine Zwillingsgeburt kann risikoreich sein, mein Lord. Wir möchten doch nicht, dass dem Kind etwas zustößt.«

»Machen Sie sich keine unnützen Sorgen. Ich habe meinen Sohn, meinen Erben, das ist das Wichtigste. Sorgen Sie nur dafür, dass diesem hier kein Leid geschieht. Ich habe entschieden, ihn Christopher zu nennen... Christopher Flynn Hatton!«

 

In der folgenden Nacht geriet der ganze Haushalt in Panik. Das zweite Kind war, trotz intensiven Bemühens der Hebamme, die Geburt einzuleiten, noch immer nicht geboren. Selbst der Koch war aufgefordert worden, Haferschleim und Melasse zuzubereiten, und Mr. Burke war wohl ein Dutzend Mal mit heißen Ziegelsteinen die Treppe hinaufgelaufen, um die Füße der Lady zu wärmen.

Kathleen Hatton lag abgestumpft in ihrem Bett, den Blick glasig verklärt, während Meg Riley, über deren Wangen Tränen rannen, sie zärtlich wusch und verzweifelt Gebete ausstieß. Kurz vor Mitternacht stürmte Lord Hatton in das Zimmer, zum dritten Mal in wenigen Stunden.

»Es muss tot sein, mein Lord«, rief die Hebamme verzweifelt, als sie seinen Zorn sah.

»Diese Ausgeburt des Satans wäre besser tot!« Ungeduldig lief er im Zimmer auf und ab und stieß gegen jedermann Drohungen aus. Es verschaffte ihm eine perverse Zufriedenheit, als er sah, dass sich alle vor ihm fürchteten.

Als der letzte Schlag der Uhr Mitternacht ankündigte, erblickte das zweite Kind endlich das Licht der Welt. Meg Riley blickte verwundert auf das Kind, das ihr die Hebamme zum Baden reichte. Es war ebenfalls ein Junge, bis in alle Einzelheiten war er mit seinem Bruder identisch. Er hatte die gleichen perfekten Gliedmaßen, das gleiche dunkle Haar, die gleichen schwarzen Wimpern, die seine grauen Augen einrahmten, und auch das winzige Grübchen in seinem Kinn. »Es ist auch ein Junge, mein Lord.« Meg hielt ihm das wunderschöne Baby hin.

»Haltet ihn von mir fern!«, brüllte Lord Hatton. »Er ist ein Risiko für uns alle! Haltet ihn von meinem Sohn Christopher fern!« Beschützend nahm er seinen erstgeborenen Sohn auf den Arm und verließ das Zimmer.

Während die Hebamme hilflos ihre sterbende Patientin betrachtete, nahm Meg Riley das unerwünschte Kind auf den Arm, und die Köchin schüttelte bedenklich den Kopf. »Zwillinge, die mit einem Unterschied von mehr als vierundzwanzig Stunden geboren werden, dazu noch unter verschiedenen Sternzeichen... das ist unnatürlich!«

Die jungen Dienerinnen nickten zustimmend. Es war wirklich ein schlechtes Zeichen.

Als Lady Kathleen Hatton endlich ihre Arbeit beendet hatte, schlief sie mit einem Seufzer für immer ein.

»Eine Zwillingsgeburt ist nichts als Schaden und Risiko«, lamentierte die Hebamme.

»Mein wunderschöner Junge«, flüsterte Meg Riley, und die Tränen flössen ungehindert. »Da alle glauben, du seist die Ausgeburt des alten Nick, können wir dich genauso gut Nicholas nennen, und dein zweiter Name wird Flynn sein, nach deiner süßen, sanften Mutter, die jetzt bei den Engeln ist, Gott sei ihrer Seele gnädig.«

Obwohl Henry Hatton seinen zweitgeborenen Sohn für den Tod seiner Frau verantwortlich machte, so lernte er doch mit der Zeit, die Zähne zusammenzubeißen und ihn zu tolerieren, da es unmöglich war, die Zwillinge zu trennen. Von dem Augenblick an, da sie laufen lernten, verbrachten die Jungen jede Stunde des Tages gemeinsam. Von Anfang an war es Nicholas, der Zweitgeborene, der der natürliche Anführer war, und Christopher folgte ihm.

Nach Meinung der Diener war der Grund dafür der, dass Nicholas unter dem Sternzeichen des Löwen geboren war, während Christopher Krebs war. Im Aussehen waren die beiden Jungen identisch, es gab absolut keinen Unterschied zwischen ihnen. Ihre Persönlichkeiten waren jedoch sehr verschieden. Obwohl beide sehr gut aussahen und schelmische kleine Rangen waren, so war Nicholas vollkommen extrovertiert. Er tat alles mit einer solchen Leidenschaft, dass er seinen Bruder auf jede nur erdenkliche Weise überflügelte.

Das machte Lord Hatton wütend und verstärkte die Feindseligkeit, die er Nicholas gegenüber empfand. Henry Hatton erwartete, dass Christopher, sein Erbe, sich in allem hervortat, mit dem Ergebnis, dass der kleine Kit völlig verunsichert war. Sein willensstarker Zwillingsbruder Nick nahm ihm gegenüber eine äußerst beschützende Haltung ein, er erledigte sogar Kits Aufgaben in der Schule, damit der Lehrer ihrem Vater nichts Negatives berichten konnte. Nick nahm die Schuld auf sich für Kits kleine Vergehen und Unterlassungssünden, wenn er die Erwartungen seines Vaters oder seine Pflichten nicht erfüllte.

Als die beiden zehn Jahre alt waren, hatten die Hatton-Zwillinge gelernt, die Plätze zu tauschen, wenn es ihnen passte, und als sie fünfzehn Jahre alt waren, belustigte es Nick, wenn Kit alles Lob ihres Vaters bekam, während er die Strafen erdulden musste, die ihr Vater austeilte. Die Hatton Zwillinge hatten sich die Spitznamen verdient, die die Dienerschaft ihnen gegeben hatte: Schaden und Risiko, Harm und Hazard!