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Alexandra Sheffield hatte sich in eine Novelle von Georgiana, Herzogin von Devonshire, vertieft, die Dottie ihr gegeben hatte, als Alex sie mit Fragen über Hart Cavendishs berüchtigte Mutter bestürmt hatte.
»Lies das, wenn du deine Neugier über Georgiana befriedigen willst. Die Sylphe ist eine nur leicht abgewandelte Autobiographie, in der sie beschreibf, wie sie, ihr Ehemann und ihre Freunde zum Gegenstand von Spott und Intrigen wurden. Sie hat dieses Buch geschrieben, als sie erfuhr, dass ihr Mann eine Geliebte hat«, erzählte Dottie.
Das Buch bestand aus einer Serie von Briefen der jungen Heldin Julia, einer Unschuld vom Lande, die nach London gekommen war, um einen reichen Mann aus der Modewelt zu heiraten.
All meine Hoffnung ist, dass ich meine Sache gut mache, damit ich die Zustimmung meines Ehemannes gewinne. Ehemann! Was für ein Klang, wenn ein Mädchen von siebzehn Jahren dieses Wort ausspricht... und noch dazu ein Mädchen, dessen Wissen von der Welt rein theoretisch ist.
Für Alex war es offensichtlich, dass Georgiana/Julia sich nach der Bewunderung ihres Ehemannes sehnte, als sie beschrieb, wie sie an einem Ball teilgenommen hatte. Ich sah, dass die ganze Zeit über seine Blicke auf mir ruhten, aber ich kann mir nicht damit schmeicheln, indem ich behaupte, dass es Blicke der Liebe waren, es schienen eher forschende Blicke zu sein, Blicke eines Mannes, der auf der Hut ist und fürchtet, etwas Unangenehmes zu sehen. Alexandra wusste ganz genau, wie Georgiana sich gefühlt hatte. Nicholas Hatton sah sie genau so an!
Georgiana/Julia beschrieb die Spielsucht ihres Mannes, ein Laster, dem auch sie verfiel, als ihr Ehemann anfing, sich mit ihr zu langweilen. Während Alex die Seiten umblätterte, begriff sie, dass Georgiana sich hauptsächlich über den Mangel an Liebe beklagte.
Ich möchte noch immer von ihm liebkost werden... aber von den sanfteren Gefühlen der Seele... von dieser unsagbaren Zärtlichkeit, die sich nicht auf die Berührung der Haut beschränkt... davon hat er leider keine Ahnng. h ckr E ebe ist er ein Lüstling, doch besitzt er nicht das Zartgefühl, das die Freuden noch verfeinert. Er ist vollkommen leidenschaftlich, doch Gefühle zu zeigen, gehört nicht zu seinen Eigenschaften.
Wieder dachte Alex an Nicholas Hatton, und ein köstlicher Schauer rann durch ihren Körper. Sie konnte nicht begreifen, warum eine Frau sich beklagte, dass ihr Mann vollkommen leidenschaftlich war und in der Liebe ein Lüstling. Alex verstand nicht, warum sich Georgiana von ihrem Mann ab gewandt und dem Prinzen von Wales zugewandt hatte, für die sanfteren Gefühle der Seele. Prinny war eine merkwürdige Gestalt und sah aus wie eine Karikatur. Wie hatte Georgiana nur so dumm sein können? Sie las das Buch zu Ende und gab es Dottie zurück. »Du hattest Recht, es ist reiner Unsinn, ich hatte Mühe, es überhaupt zu Ende zu lesen.«
»Georgiana löst ihre Eheprobleme auf pragmatische Art: ihr Ehemann bringt sich um. Leider war in ihrem Fall der Herzog von Devonshire nicht ganz so entgegenkommend.«
Alexandra verzog belustigt den Mund. »Gib es zu, du hast mir Georgianas Buch gegeben, um mich zu entmutigen, eine eigene Novelle zu schreiben. Das werde ich trotzdem tun, aber mein Roman wird ein wesentlich höheres Niveau haben.«
»Jawohl, Liebling, und das Ergebnis wird sein, dass er wesentlich schwieriger zu veröffentlichen sein wird. Die meisten Leser lieben Schund. Ich rate dir, das Niveau eher zu senken.«
Ihre Unterhaltung wurde von Rupert unterbrochen. Sein Freund, Kit Hatton, hatte ihn besucht, und die beiden waren zusammen ausgeritten. Als der gut aussehende Hatton-Zwilling im Herrenhaus von Longford erschienen war, hatte Alexandras Herz wie wild geschlagen.
Ihr Bruder besaß ein offenes, freundliches Wesen und sprach seine Gedanken offen aus. Er warf seinen Biberhut und die Reitgerte auf den Tisch in der Eingangshalle und ging mit großen Schritten in das Wohnzimmer. Seinem Gesicht war deutlich anzusehen, dass er es kaum erwarten konnte, ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen.
»Der Anwalt der Hattons ist gestern gekommen, um das Testament zu verlesen«, platzte er heraus. »Christopher hat geerbt!«
»Das ist bei Erben so üblich«, erklärte Dottie spöttisch.
»Nein, nein, Christopher hat alles geerbt! Den Titel, Hatton Hall, den großen Park von Hatton, die Pferdezucht von Hatton Grange, das Geld, die Investitionen und sogar das Stadthaus in London. Der alte Mann hat Nicholas vollkommen aus dem Testament gestrichen!«
»Ich glaube dir nicht. Das ist unmöglich! Hast du etwa getrunken, Rupert?«, fragte Alex, die plötzlich misstrauisch wurde.
»Nein... doch, Kit und ich haben im Cock and Bull gesessen und auf sein Glück angestoßen. Ich habe mir das nicht einfach so ausgedacht, Christopher hat wirklich alles geerbt!«
Die Farbe wich aus Alexandras Gesicht. Dottie schürzte die Lippen. »Henry hat seinen zweiten Sohn gehasst, ehe er geboren war. Dies ist seine Rache.«
»Nicholas bekommt gar nichts?«, flüsterte Alex mit blutleeren Lippen.
»Nicht einmal eine Wurst!«, bestätigte Rupert, eifrig bemüht, ihr mitzuteilen, was er erfahren hatte. »Kit hat mich nach London eingeladen. Er hat bei der Bank dringende Geschäfte zu erledigen, danach werden wir die Stadt unsicher machen! Kits Glück ist Nicks Pech.«
Ruperts Bemühen um Heiterkeit entsetzte Alexandra.
»Wenn Männer etwas getrunken haben, Liebling, finden sie alles lustig.«
»Bitte, versuch nicht, ihn zu entschuldigen, er ist abscheulich!«, fuhr Alex auf.
»Männer haben einen unerschöpflichen Vorrat an Abscheulichkeiten, fürchte ich.«
Rupert warf seiner Großmutter einen nachdenklichen Blick zu. Ermutigt durch den Alkohol, entschied er sich, das Thema Taschengeld anzusprechen und fand es lustig, von sich in der dritten Person zu reden. »Ach, übrigens, wenn der Viscount Longford Lord Hatton nach London begleiten soll, wird er gut gefüllte Taschen brauchen. Der Viscount hat sich bereits gefragt, warum sein Taschengeld an seinem einundzwanzigsten Geburtstag nicht erhöht wurde.«
»Sag dem Viscount, dass ich gern mit ihm über dieses Thema sprechen werde, wenn er wieder nüchtern ist«, antwortete Dottie.
Rupert verbeugte sich ernst. »Sehr gut, Ma'am. Ich werde meinen Kammerdiener jetzt suchen und ihn beauftragen, meine Sachen für London zu packen.«
Das wird für dich eine ernüchternde Erfahrung werden, da du keinen Kammerdiener mehr hast. Dottie seufzte. Der Zeitpunkt war gekommen, an dem sie Rupert über die finanziellen Gegebenheiten aufklären musste.
»Mein Gott, wie konnte Lord Hatton das seinen Söhnen antun? Sie werden einander an die Kehle gehen!« Alexandra begann, unruhig auf und ab zu laufen. »Dieser hinterhältige, verachtenswerte, wertlose Mensch!«
»Nicht wertlos, Liebling. Er hat seinem Erben ein Vermögen hinterlassen.«
»Aber das ist so unfair! Nicholas muss am Boden zerstört sein. Was zum Teufel hat er nur getan, um solch eine grausame Behandlung zu verdienen?«
»Seinen Vater erschossen, vielleicht?«, rief ihr Dottie ins Gedächtnis.
»Es ist hässlich, so etwas zu sagen!«
»Männer sind verachtenswert, Frauen hässlich... das liegt in unserem Wesen.«
»Ich werde nach Hatton Hall gehen«, erklärte Alexandra entschlossen.
»Eine weise Entscheidung«, stimmte ihr Dottie zu. »Du solltest schon jetzt deinen Anspruch auf einen zukünftigen Ehemann anmelden, denn wenn der reiche Lord Hatton erst einmal in London angekommen ist, wird jede Dame der Gesellschaft, die eine bleichgesichtige Tochter hat, versuchen, ihm eine Ehefalle zu stellen.«
Alex rollte voller Verzweiflung mit den Augen. Ihre Großmutter stellte absichtlich ihre Geduld auf die Probe. Sie lief nach oben, um ihre Reitkleidung anzuziehen. Was sollte sie Nick bloß sagen, damit er sich besser fühlte? Ihr fiel nichts ein. Sie sattelte ihr Pferd und ritt nach Hatton Hall. Nachdem sie von Mr. Burke erfahren hatte, dass Nicholas nach Slough geritten war, um John Eaton zu besuchen, kam ihr ein genialer Plan. Sie lachte laut auf, als sie darüber nachdachte - es war die perfekte Lösung!
Nicholas Hatton ritt auf dem Pferd seines Bruders in den Hof von Eaton Place. Als Kit vorgeschlagen hatte, den Finanzberater der Hattons aufzusuchen und sich dort als sein Zwillingsbruder auszugeben, hatte ihn Nick nicht ernst genommen. Als Kit sich noch immer geweigert hatte, mit John Eaton zu verhandeln, hatte Nick beschlossen, zu ihm zu reiten und selbst mit dem Cousin seines Vaters zu sprechen.
Er hatte nicht die Absicht, sich als Christopher auszugeben, bis er seinem Cousin zweiten Grades im Stall begegnete. Als Jermey ihn sah, betrachtete er ihn voller Verachtung und sagte: »Hallo, Kit. Es hat aber nicht lange gedauert, bis du die Spur des Geldes erschnüffelt hast, wie ich sehe.«
Nicholas war wütend. Er hatte den jungen Mann noch nie leiden können. Er war ein Flegel, und die Tatsache, dass Kit einen Titel geerbt hatte, gefiel ihm ganz und gar nicht. Nick entschied sich, Salz in die Wunde zu streuen. »Mir wäre es lieber, du würdest mich als Lord Hatton anreden«, sagte er hochmütig. »Sei ein guter Junge, Jeremy, und sag deinem Vater, dass ich geschäftlich hier bin.«
Jeremys Augen zogen sich zusammen. »Der Name Harm passt weitaus besser zu dir als Lord Hatton.« Sein Blick fiel auf Renegade. »Hübsches Pferd... es ist wohl das gleiche Pferd, das du bei der tödlichen Jagd geritten hast.«
Nick wusste sofort, dass der junge Flegel etwas im Schilde führte, und beschloss, ihm den Wind aus den Segeln zu nehmen. »Beschuldigst du mich etwa deswegen?« Als er keine Antwort erhielt, wandte Nicholas seinem Cousin den Rücken zu und gab Renegade dem Stallburschen. Als er sich wieder umwandte, war Jeremy verschwunden.
Nick wurde an der Eingangstür von einem Haushofmeister in einer Livree begrüßt, die so ausgefallen war, dass er Mühe hatte, seine Belustigung zu verbergen. Als er sich in der Eingangshalle umsah, überwältigten ihn die vielen prunkvollen Möbel. Obwohl Eaton Place nur wenige Meilen weiter westlich lag, hatte er in den vergangenen Jahren keine Gelegenheit gehabt, einen Besuch dort zu machen, und war jetzt erstaunt über die Zurschaustellung von Reichtum. Die Finanzen anderer Leute zu erledigen, war zweifellos eine einträgliche Aufgabe, schloss Nick.
John Eaton begrüßte ihn herzlich. »Komm mit in die Bibliothek, mein Junge. Du siehst wesentlich besser aus als bei der Beerdigung, Christopher.«
»Danke, John. Ich habe gerade erst erfahren, dass Vater dich als einzigen Vollstrecker seines Testamentes ernannt hat. Sein... mein Anwalt, Tobias Jacobs, hat mir geraten, mich sofort mit dir in Verbindung zu setzen.«
»Ah, Eile ist nicht nötig, mein Junge. Ich werde mich auch um deine Geschäfte kümmern, genau wie ich es für Henry getan habe. Kein Grund, dir deswegen Sorgen zu machen.«
Nick bemerkte sofort, dass Eatons kalte Augen seine Worte Lügen straften. Sein väterlicher Ton klang in seinen Ohren falsch. »Ich bin sicher, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauche. Ich bin einfach nur hierher gekommen, um mich über mein Erbe zu informieren.«
John Eaton lächelte und drohte ihm mit dem Finger. »Ah, Christopher, ich höre einen Anflug von Vorwurf in deiner Stimme. Du fühlst dich übergangen, weil dein Vater nicht dich zum Vollstrecker des Testaments gemacht hat. Unter diesen Umständen ist es jedoch besser, dass er es nicht getan hat.«
Nick zog seine dunklen Augenbrauen hoch. »Unter diesen Umständen?«
»Du hast alles geerbt und dein Zwillingsbruder überhaupt nichts. Unter diesen Umständen war es besser, dass du nicht als Vollstrecker ernannt wurdest. Du kannst ganz sicher sein, dass mir deine Interessen am Herzen liegen. Dein Vater hat meinen Rat angenommen, dich als einzigen Erben einzusetzen.«
Nick hätte am liebsten mit der Faust auf Eatons lange Nase eingeschlagen. »Also habe ich dir das zu verdanken?«
»Und ob, mein Junge. Wie du weißt, bestand zwischen deinem Vater und Nicholas eine große Feindseligkeit, er hat ja auch kein Geheimnis daraus gemacht. Nur widerwillig war er bereit, die Pferdezucht von Hatton Grange und die Gewinne seinem Zweitgeborenen zu übergeben, deshalb habe ich ihm geraten, dich zum alleinigen Erben zu machen.«
»Eine Verschwörung.« Nicks Mund verzog sich zu einem schiefen Lächeln. Vaters Motiv war Hass, doch deines kann nur Gier gewesen sein. Ich wette, dass dein Rat teuer war.
»Wie ich schon gesagt habe, mir liegen deine Interessen sehr am Herzen. Verstehst du jetzt, Christopher, warum du mir dein vollkommenes Vertrauen schenken kannst, was deine Investitionen betrifft?«
»Ja, ich sehe die Dinge jetzt sehr deutlich.« Nicholas hätte diesem Hundesohn am liebsten seine wahre Identität preisgegeben, nur um den Ausdruck auf seinem Gesicht zu sehen. Er biss die Zähne zusammen, bis sie schmerzten, um diesem Bastard nicht seinen Namen ins Gesicht zu schleudern. Stattdessen sagte er nur: »Ich würde gern eine Auflistung der Investitionen mit Zinsangabe sowie eine vollständige Abrechnung haben.«
Er sah, dass Eaton für einen Augenblick konsterniert war. Wahrscheinlich hatte er nicht geglaubt, dass der Erbe seines Cousins besonders klug war. Er wusste jedoch, dass er, genau wie Jeremy, sehr verwöhnt und daran gewöhnt war, alles zu bekommen, was er haben wollte.
»Natürlich werde ich dir eine vollständige Abrechnung geben. Diese Dinge brauchen allerdings Zeit, das verstehst du doch, Christopher. Die Liste wird dir zugeschickt werden, sobald sie fertig ist.«
»Danke, John. Ich will deine Zeit nicht länger in Anspruch nehmen. Ich erwarte, in zwei Tagen von dir zu hören. Du kannst die Liste in das Haus in der Curzon Street schicken, das Teil meines Erbes ist und das ich zweifellos dir zu verdanken habe.«
Der Empfang, den Jeremy und sein Vater ihm bereitet hatten, gab Nicholas auf dem Rückweg zu denken.
Im Herrenhaus von Longford betrat Dottie das Zimmer ihres Enkels und betrachtete das Durcheinander. Hemden und Krawatten lagen auf dem Bett, während alle Arten von Stiefeln auf dem Teppich verstreut waren. Rupert zerrte am Klingelzug.
»Warum zum Teufel antwortet Wilson nicht, wenn ich nach ihm läute?«
»Ich denke, er kann dich nicht hören.«
»Warum denn nicht?«
»London ist zu weit weg.«
»Was zum Teufel tut er in London?«
»Er sucht sich dort eine neue Stelle, weil er nicht mehr für dich arbeitet.«
»Verdammt, Dottie, du hast den armen Kerl sicher beleidigt!«, warf er ihr vor.
»Ich wette, das hast du getan, als du ihn nicht bezahlt hast.«
Rupert besaß so viel Anstand, einen Augenblick lang schuldbewusst auszusehen. »Aber ich bin in letzter Zeit so knapp bei Kasse gewesen. Ich habe das einfach übersehen, ich hatte wirklich vor, ihn nach der Erhöhung meines Taschengelds zu bezahlen.«
»Setz dich, mein Junge. Ich bin gekommen, um mit dir über dieses Taschengeld zu reden.« Sie hob mit ihrem Stock aus Ebenholz eine Krawatte auf, legte sie beiseite und setzte sich dann auf das Bett. »Das Leben ist voller Höhen und Tiefen... alles auf der Welt hat seine Vor-und Nachteile... wir müssen das Gute und das Böse hinnehmen... oh, genug der Plattitüden. Ich werde sofort zum Punkt kommen. Du hast den Titel deines Großvaters geerbt, du bist jetzt Viscount Longford ...«
»Und ich habe versucht, dementsprechend zu leben«, versicherte Rupert ihr.
»Das hast du in der Tat getan, mein Junge. Russell wäre sehr stolz auf dich. Du hast es geschafft, in einer relativ kurzen Zeit einen großen Teil des Geldes auszugeben, darin bist du ihm sehr ähnlich.«
Rupert rollte mit den Augen. »Erkläre mir bloß nicht, dass ich nach einem Budget leben und sparen muss, gerade jetzt, wo ich eine Erhöhung meines Taschengeldes erwartet habe! Willst du mir damit vielleicht sagen, dass ich die Zinsen in noch kleinere Beträge aufteilen muss, damit es länger reicht?«
»Du hast deine Zinsen alle ausgegeben, Rupert.«
»Guter Gott! Sag bloß nicht, dass ich auch schon mein Kapital angegriffen habe.«
»Geplündert wäre ein weitaus besserer Ausdruck.«
»Wie viel ist noch übrig?«
»Gar nichts mehr.«
»Gar nichts mehr?« Er sprang auf, Panik klang aus seiner Stimme.«
»Gar nichts mehr«, wiederholte Dottie.
Mit großen Schritten lief er im Zimmer auf und ab, dachte einen Augenblick lang nach und sagte dann: »Nun, in diesem Fall ist es wohl offensichtlich, dass der Betrag, den mein Großvater für mich vorgesehen hat, nicht ausreicht. Ich bitte dich, eine Regelung zu treffen, die meinem Stand als Viscount Longford angemessen ist.«
»Als ich Russell Longford geheiratet habe, war er ein reicher Mann. Die Hälfte seines Vermögens hat er für Alkohol und Frauen verprasst, die andere Hälfte verlor er mit Spielen.«
Der hoffnungsvolle Blick verschwand aus Ruperts Gesicht.
»Gott sei Dank wurde ein großer Betrag, die Mitgift deiner Mutter, beiseite gelegt.«
Ruperts Gesicht hellte sich auf.
»Dein Vater, Johnny Sheffield, hat dieses Geld jedoch verschleudert.«
Nochmals wurden Ruperts Erwartungen zunichte gemacht. Er seufzte vor Enttäuschung tief auf. »Gott sei Dank bist du eine reiche Frau. Ich übergebe mich deiner Gnade, Großmutter. Mein Schicksal liegt in deinen Händen.«
»Nein, Rupert, dein Schicksal liegt in deinen eigenen Händen. Mein Geld ist nur eine Legende, ein Mythos, fürchte ich.«
»Das kann nicht wahr sein. All die Jahre war ich davon überzeugt, ein Vermögen zu erben und in der Lage zu sein, es mit vollen Händen auszugeben. Ich werde von allen ausgelacht werden! Ich kann meinen Freunden nicht mehr in die Augen sehen... lieber schieße ich mir eine Kugel in den Kopf!«
»Das würde ich an deiner Stelle nicht versuchen, Rupert.«
»Was soll ich denn tun?«, fragte er geradeheraus.
Dottie lachte laut auf. »Eine typisch männliche Reaktion! Nicht etwa Was wird meine Großmutter tun?, oder Was wird meine liebe Schwester Alex tun ? Die Lösung ist, genau wie du, ziemlich schlicht: Heirate eine Erbin. Hier gibt es viele heiratswillige Mädchen.«
Ein neuer Hoffnungsschimmer trat auf Ruperts Gesicht. »Das Opfer scheint nicht zu groß zu sein, da ich sowieso vorhatte, eine Erbin zu heiraten. Es wird eben nur ein wenig früher sein müssen«, erklärte er entschieden. »Unsere finanziellen Schwierigkeiten müssen ein Geheimnis bleiben, Dottie. Mein Freund Kit würde mich fallen lassen wie eine heiße Kastanie, wenn jemand Wind davon bekommen würde.«
»Du Trottel! Ich werde schweigen wie ein Grab. Ganz besonders, wenn es um den jungen Hatton geht. Alexandra hätte keine Möglichkeit, Lady Hatton zu werden, wenn sie arm wäre. Also, Rupert, ich vertraue darauf, dass du in Gegenwart deiner Schwester den Mund hältst. Unter keinen Umständen darf Alexandra wissen, dass wir nicht mehr reich sind. Wenn sie wie eine Erbin denkt und sich auch so benimmt, wird jeder glauben, dass sie eine Erbin ist.«
Besagte »Erbin« verließ Hatton Hall und machte sich auf in Richtung Bath Road, in der Hoffnung, Nicholas auf seinem Weg zurück von Slough dort zu treffen. Als sie am Flussufer vorüberritt, fragte sie sich, was der Grund seines Besuches bei John Eaton war. Vielleicht würde Eaton eine Lösung finden oder ihm Geld leihen. Was auch immer seine Absicht war, ihr Herz schmerzte, als sie an seine Notlage dachte.
Alexandras Gerechtigkeitsgefühl wurde auf eine harte Probe gestellt bei dem Gedanken, dass Nicholas die gewinnträchtige Pferdezucht genommen und an Christopher übertragen worden war. Sie zog die Zügel des Pferdes an, bis es nur noch langsam trabte. Als sie dann Stuten mit ihren Fohlen auf den Feldern der Grange sah, hielt sie entzückt an. Sie stieg vom Pferd, kletterte auf den Holzzaun, der die Weide umgab, und hielt einer gefleckten grauen Stute die Hand hin. Das Pferd kam zu ihr, und Alex lachte laut auf, als das Fohlen seiner Mutter folgte und versuchte zu trinken.
Als die Stute die Ohren spitzte, hob Alex den Kopf und beschattete die Augen mit der Hand. Sie erkannte den Reiter auf dem kräftigen schwarzen Vollblut und ihr Herz hob sich vor Freude. Es war Nicholas. Niemand ritt so gut wie er. Sie winkte ihm, und die Vorfreude, ihn zu treffen, ließ ihr den Atem stocken. Erregung stieg in ihr auf und brachte ihren Puls zum Rasen. Sie konnte es gar nicht erwarten, ihm ihren genialen Plan zu verraten, er würde all seine Schwierigkeiten beseitigen und ihr Leben für immer verändern.