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8

 

Nick dachte noch immer an Jeremy Eatons höhnische Bemerkung und bemerkte Alexandra erst, als sie wie wild zu winken begann. Seine dunklen Augenbrauen zogen sich zusammen, und er hoffte, dass nichts geschehen war, während er auf sie zu galoppierte. Er war erleichtert zu sehen, dass ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht lag. Er stieg ab und band sein Pferd an. Als er näher kam, ent3eckte er, dass ihr Lächeln verschwunden und Tränen in ihre Augen traten. »Was ist geschehen, Alex?«

Sie kletterte vom Zaun und wischte sich mit einer ungeduldigen Handbewegung die Tränen aus den Augen. »Nick, ich kann es einfach nicht ertragen, was dein Vater dir angetan hat!«

Er ging einige Schritte auf sie zu und blieb dann stehen. »Also konnte Rupert es nicht erwarten, dir alles zu erzählen.« Nicholas war wütend, dass Alexandra von seinem Pech erfahren hatte, wusste jedoch, dass dies unvermeidlich war. Die Neuigkeit würde sich schneller ausbreiten als ein Feuer. Doch dann lächelte Alex plötzlich unter Tränen.

»Es ist alles in Ordnung, Nick. Ich habe die Lösung all deiner finanziellen Probleme. Du brauchst sein verdammtes Geld nicht - du kannst meins haben!«

»Deins?« Der kühle Ton in seiner Stimme verwunderte sie.

»Ich bin eine Erbin. Wenn du mich heiratest, wirst du reich sein!«

Nicholas Hatton trat einen Schritt zurück, und die leichte Verärgerung, die er gespürt hatte, ging in rasenden Zorn über. Sie hatte wirklich Tränen des Mitleids für ihn. Diese tief gehende Beleidigung war wie ein Schlag in die Magengrube. Der Gedanke, dass eine Frau Mitleid mit ihm hatte, versetzte seinem Stolz einen harten Schlag. Dass jedoch diese Frau, die seinem

Herzen so nahe stand, Mitleid mit ihm hatte, war unerträglich. »Alex, ich werde so tun, als hätte ich das nicht gehört«, erklärte er steif.

»Unsinn! Es ist die Lösung deiner Probleme.«

Er biss die Zähne zusammen, so fest er konnte, und versuchte, seinen Zorn zu unterdrücken. »Wie um alles in der Welt kommst du auf den Gedanken, dass du für mich meine Probleme lösen musst?«

»Weil mir etwas an dir liegt, Nicholas!«, rief sie voller Leidenschaft.

Aus seinem Zorn wurde Verdruss. Er hatte nicht das Recht, auf Alexandra wütend zu sein. Sie war so rührend naiv und gleichzeitig von einer überwältigenden Großzügigkeit. Ohne es zu wissen, hatte sie seine Männlichkeit in Frage gestellt und ihn als bemitleidenswertes Opfer betrachtet, das ihre Hilfe brauchte. »Wie kannst du mich in die Rolle eines Mitgiftjägers drängen, der dich deines Geldes wegen heiraten würde, wo du dich doch schon dein Leben lang vor diesem Schicksal gefürchtet hast?« Seine Stimme klang wie ein Brummen.

Sie machte ein paar Schritte auf ihn zu, bis sie dicht vor ihm stand. »Nicholas, mir liegt mehr an dir als an dem Geld!« Sie griff nach seinem Arm, um ihre Worte zu unterstreichen, und sah ihn flehend an.

»Was für ein Mann wäre ich, wenn ich zuließe, dass du dich aus Mitleid für mich opferst?« Seine Augen waren so grau wie Sturmwolken.

Sie dachte an seinen Sinn für Ehre, seine unerschütterliche Integrität, die ihn dazu brachte, ihre Bitten zu missachten. Er sah so umwerfend gut aus, dass sie erschauderte. »Um Himmels willen, Nick, ich habe kein Mitleid mit dir, du musst doch wissen, dass das, was ich für dich empfinde, Lie...«

»Alexandra!« Er rief ihren Namen, um sie daran zu hindern, dieses Wort auszusprechen. Er wusste sehr wohl, dass Alexandra glaubte, ihn zu lieben, aber er wollte ihr diesen Gedanken sofort wieder austreiben. Sein Verstand arbeitete hektisch, er suchte nach einem Weg, ihr ein für allemal begreiflich zu machen, dass er ihre Gefühle niemals ausnutzen würde, ohne sich dafür zu verachten. Alex war für ihn tabu, weil sie die zukünftige Braut seines Bruders war. Nicholas wollte sie nicht verletzen, doch er begriff, dass er keine andere Wahl hatte.

Sanft griff er nach ihrer Hand und hielt ihrem Blick stand. »Ich danke dir von ganzem Herzen für deine Großzügigkeit, Alexandra, aber eine Ehe zwischen uns beiden kommt nicht in Frage. Du warst schon immer wie eine Schwester für mich und es wäre mir unmöglich, in dir etwas anderes zu sehen.«

Sie sah ihn voller Verzweiflung an. Seine Worte ließen ihn älter erscheinen als er in Wirklichkeit war, was den Altersunterschied zwischen ihnen noch verstärkte. Wie ein erwachsener Mann, der mit einem Kind redet, erklärte er ihr sanft, dass die Kluft zwischen ihnen niemals überbrückt werden könnte, und dass ihre Gefühle füreinander völlig unterschiedlich waren.

Er gab ihre Hand frei und tätschelte ihr den Kopf mit den blonden Locken. »Die Verliebtheit wird verschwinden wie eine Rauchwolke, wenn du erst einmal in London bist und in gesellschaftlichen Kreisen verkehrst.«

Alexandra wünschte sich, der Boden würde sich unter ihren Füßen auftun und sie verschlingen. Sie hatte sich noch nie so unwohl gefühlt. Ihre Wangen waren vor Erniedrigung gerötet, und ihr Herz schmerzte so, als hätten grausame, rücksichtslose Finger es gerade zerquetscht. Sie senkte den Blick, damit er den Schmerz in ihren Augen nicht sehen konnte, und strich sich eine Fluse vom Rock ihres Reitkleides. »Ich habe Dottie versprochen, ihr beim Essen zu helfen... Wir haben im Augenblick noch keinen neuen Koch«, erklärte sie verlegen.

Nick kämpfte gegen den Wunsch, sie in seine Arme zu ziehen und sie festzuhalten, bis ihr Schmerz vorüber war. Er wusste, er musste grausam sein, um ihr einen Gefallen zu tun. Er zwang sich, still stehen zu bleiben, bis sie die Zügel losgebunden hatte und aufgestiegen war. Ihr Rücken war kerzengerade, und sie hatte das Kinn hoch erhoben, als sie in Richtung auf das Herrenhaus von Longford davongaloppierte. Erst als er sie nicht mehr sehen konnte, stieg er auf sein Pferd und ritt nach Hause.

Kit Hatton gab Mr. Burke und seinem Kammerdiener, den er sich mit seinem Zwillingsbruder teilte, Anweisungen, während die beiden seine Sachen für London packten. Nick entschied, bis zum Essen zu warten, bevor er seinem Bruder von dem beunruhigenden Empfang erzählte, den er in Eaton Place erhalten hatte. Er ging in sein Zimmer und packte seine Sachen, weil er wusste, dass Kit die Dienerschaft für sich beanspruchen würde.

Kit betrat den Speisesaal, beschäftigt mit der Reise nach London. »Oh, ich habe ganz vergessen, dass du heute in Eaton warst. Hattest du Schwierigkeiten, sie davon zu überzeugen, dass du Lord Hatton bist?«

»Nein, sie nahmen an, dass du es warst.«

»Hast du etwas erfahren, oder war das Ganze nur eine Zeitverschwendung?«

»Ich habe erfahren, dass John Eaton im Überfluss lebt und Jeremy dich um deinen Titel beneidet.«

Kit griff nach seiner Gabel und lachte. »Wer würde das nicht tun? Hier sitze ich, Lord des Herrenhauses, mit meinen einundzwanzig Jahren, und verspeise meine eigene Forelle, aus meinem eigenen Fluss.«

Nick betrachtete seinen Bruder heimlich, um seine Reaktion zu testen. »Jeremy deutete an, dass er etwas über den Jagdunfall weiß.«

Kit legte die Gabel beiseite. Die Forelle schien ihm nicht mehr zu schmecken. »Was hat dieser Lümmel gesagt?«

»Er hat gesagt, der Name Harm würde viel besser zu dir passen als Lord Hatton.«

»Du ziehst ganz falsche Schlüsse«, verteidigte sich Kit.

»Ich habe ihn aufgefordert, mir zu sagen, ob er mir etwas vorzuwerfen habe.«

»Und was hat er darauf geantwortet?«, fragte Christopher und hielt den Atem an.

»Gar nichts.«

Kit lachte, »Also, da hast du es. Er ist ganz einfach nur grün vor Neid, dass ich einen Titel habe und er niemals einen bekommen wird!« Weil Mr. Burke anderweitig beschäftigt war, brachte eine junge Dienstmagd den zweiten Gang und räumte den Fisch ab. »Wie heißt du?«, fragte Kit die Dienstmagd.

Sie machte einen höflichen Knicks. »Ellen, mein Lord.«

Kit betrachtete sie von oben bis unten. »Sehr hübsch«, meinte er gedehnt. Als sich ihre Wangen röteten, lachte er. »Du hältst dich besser von Harm fern«, neckte er sie.

»John Eaton hat mir wiederholt versichert, dass er nur an deine Interessen denkt und sich um deine Investitionen kümmern wird.« Als Nicholas sprach, ergriff das Mädchen die Flucht.

»Dann gibt es also nichts, worum ich mir Sorgen machen müsste.«

»Ich habe ihm nicht geglaubt«, erklärte Nick geradeheraus.

»Vater hätte ihn nicht zum Finanzberater gemacht, wenn er kein Geld durch ihn verdient hätte, auch wenn er sein Cousin ist.«

»Das ist wahr. Vater hatte einen Riecher für Geld, und Eaton hätte es nicht gewagt, ihn zu betrügen. Ich habe versucht, den Eindruck zu erwecken, als hätte der gegenwärtige Lord Hatton auch einen Riecher für Geld, und ihn um eine komplette Aufstellung der Investitionen gebeten. Als er mich auf später vertrösten wollte, habe ich ihm erklärt, er hätte nur zwei Tage Zeit dafür.«

»Aber in zwei Tagen werden wir in London sein.«

Nick zwang sich zur Geduld. »Ich habe ihm gesagt, er solle die Aufstellung in die Curzon Street schicken.«

»Weißt du, du bist äußerst misstrauisch.«

»Nein, wenn ich misstrauisch wäre, würde ich dir unehrenhafte Absichten mit der jungen Ellen unterstellen.«

Kit erstickte fast vor Lachen und warf seine Serviette auf den Tisch. »Du bist schlau, Hazard Hatton. Ich möchte wetten, dass John Eaton es äußerst schwer haben würde, dich zu betrügen.«

Du irrst dich, Kit. Er hat mich bereits betrogen. »Du bist es, den Eaton nicht betrügen soll.«

»Jetzt, wo Vater nicht mehr da ist, brauchst du nicht zu glauben, dass du mein Vormund bist, Nick. Es ist sehr beleidigend, wenn du sagst, ich sei nicht so klug wie du. Ich denke, ich bin sehr gut in der Lage, meine Angelegenheiten zu regeln. Da jetzt alles mir gehört - einschließlich der Dienerschaft - wäre ich dir sehr dankbar, wenn du dich nicht einmischst. Vielleicht solltest du dich um deine eigenen Probleme kümmern. Ich an deiner Stelle würde eine Frau mit viel Geld heiraten.« Kit hob die Hand, als Nick den Mund öffnete, um ihm etwas zu entgegnen. »Entschuldige bitte, dass ich dir, der du so weise bist, einen Rat gebe. Ich möchte wetten, der Löwe hat bereits eine Beute im Auge.«

Nicks Stolz hatte heute bereits zu viele Tiefschläge erlitten. Er wusste, dass er verschwinden musste, weil er kurz davor stand, gewalttätig zu werden. »Ein Waffenstillstand? Ich werde mich nicht in deine Angelegenheiten einmischen, wenn du mich in Ruhe lässt.«

Als er später im Bett lag, begriff Nick, dass er seinen Bruder genauso behandelt hatte, wie Alexandra ihn. So zu tun, als wolle man die Probleme eines anderen lösen, deutete an, dass dieser nicht in der Lage war, es selbst zu tun. Er hatte nicht die Absicht gehabt, Kit zu beleidigen, dennoch war sein Zwillingsbruder gekränkt, und Nick fand, dass das ein gutes Zeichen war. Wenn er bereit war, die Verantwortung für das Hat-ton-Anwesen zu tragen, würde Nick die Freiheit haben, sein eigenes Leben zu führen.

Er schob die Gedanken an Jeremy und John Eaton beiseite. Er hatte Kit gewarnt, das war genug. Auch würde er sein Wort halten und sich nicht weifer einmischen. Obwohl er versuchte, auch die Gedanken an Alex zu vertreiben, gelang ihm dies nicht. Sie hatte sich ihm angeboten, und ihr Mitleid und ihre Großzügigkeit verwunderten ihn. Hier, in der Einsamkeit seines Zimmers gestand er sich ein, wie sehr sie ihn in Versuchung geführt hatte. Das hatte nichts mit ihrem Geld zu tun. Sie war abenteuerlustig und voller Hunger nach dem Leben. Sie besaß Geist, Intelligenz und eine strahlende Schönheit, die von innen kam. Nick dachte an ihre herrlichen rotgoldenen Locken und ihre langen, schlanken Beine. Sie war einzigartig, und Nick konnte nicht leugnen, dass ihm etwas an ihr lag.

Er schloss die Augen und stellte sich vor, dass ihr Duft nach Jasmin ihn in der Dunkelheit einhüllte. Als er langsam in den Schlaf fiel, träumte er von ihr.

Nicholas trat durch die Tür der Hatton-Kirche und begriff voller Freude, dass heute sein Hochzeitstag war. Es handelte sich jedoch um eine heidnische Zeremonie, und als er sich seiner Braut näherte, stellte er fest, dass die schlafende Alexandra nackt auf dem Altar lag, inmitten von brennenden Kerzen und Jasminblüten. Sein Verstand stritt ab, dass sie ein Opfer war, während sein besitzergreifender Blick über ihre alabasterfarbene Haut und die rotgoldenen Locken glitt, die ihre Scham verhüllten. Er senkte den Kopf mit dem dunklen Haar und legte seine Lippen auf ihr Herz. Dann streifte er seinen dunklen Umhang ab und legte ihn über ihren herrlichen Körper. Er hob sie hoch und trug sie mit unendlicher Zärtlichkeit in sein Bett. Er legte sie auf die leinenen Laken, die weißer waren als frisch gefallener Schnee, und verschlang sie mit seinen Blicken. In dem Augenblick, in dem er seine Finger in den seidigen Locken vergrub und seine Lippen auf ihre legte, öffnete sie die Augen, schlang die Arme um seinen Hals und hob ihm ihren Körper entgegen. Die Vereinigung, die jetzt folgte, war wild und heidnisch und aufs Äußerste erotisch. Schwer atmend lagen sie auf dem Bett und hielten einander in den Armen, als es an der Tür klopfte. Deutlich hörte er die Stimme seines Zwillingsbruders. »Ich bin gekommen, um meine Braut für mich in Anspruch zu nehmen.« Mit wildem Blick sah Nick auf die Frau in seinen Armen, er sah die frischen roten Blutflecken auf dem blütenweißen Laken. »Judas! Was habe ich nur getan?«

Mit einem Ruck wachte Nick auf. Er war schweißgebadet. Er schwang die Beine aus dem Bett und lief wie ein Löwe im Zimmer auf und ab. Erleichtert dachte er daran, dass er morgen nach London reisen würde. Je eher er einen sicheren Abstand zwischen sich und Alexandra brachte, desto besser würde das für alle sein. Und nie wieder durfte er sich vorstellen, sie zu lieben, nicht einmal in seinen Träumen!

 

Als Alex nach Hause kam, wollte sie sich in ihr Zimmer zurückziehen. Doch drei Hindernisse - das Abendessen, Dottie und Rupert - stellten sich ihr in den Weg. Voller Besorgnis warf sie einen Blick in die Speisekammer, dessen Inhalt sich in alarmierendem Maße verringerte. Sie holte einen kalten Schinken und etwas Gemüse aus dem Garten, und ging entschlossen in die Küche, um das Abendessen vorzubereiten.

»Ich werde dir helfen, Liebling«, sagte Dottie fröhlich.

»Kochen ist nicht deine Stärke«, antwortete Alex entschlössen und nahm Dottie das Messer aus der Hand, ehe sie sich damit noch verletzte.

Rupert betrat die Küche, er sah verzweifelt aus. »Alex, ich bin mit meiner Weisheit am Ende. Du musst mir helfen, für London zu packen. Mein Kammerdiener hat mich sitzen lassen, und ich bin vollkommen durcheinander!«

»Das wird bis nach dem Abendessen warten müssen.«

»Warum?«, wollte er wissen.

»Weil ich zum Chefkoch und Spülmädchen ernannt worden bin. Es sei denn, du möchtest das übernehmen?«

Entsetzt hob er beide Hände. »Dies ist ein Tollhaus, ich bin froh, wenn ich endlich hier weg bin.«

»Wenn du nicht mehr da bist, wird es ruhiger sein«, erklärte ihm Dottie. Und wir werden eine Person weniger durchzufüttern haben.

Alex bewältigte die Herausforderung, die das Abendessen bot, doch später, als sie auf der Schwelle zu Ruperts Zimmer stand, verließ sie beinahe der Mut. Der Inhalt des Schrankes lag auf dem Bett und dem Boden verstreut.

Rupert suchte ungefähr ein Dutzend sauberer Krawatten zusammen und hielt sie ihr hin. »Die müssen gestärkt werden.«

Alex unterdrückte einen Fluch. »Es wäre wesentlich praktischer, wenn du sie stärken würdest, nachdem du sie ausgepackt hast.« Sie warf einen Blick auf den Koffer, der offen dastand und schickte Rupert auf den Dachboden. »Du wirst noch einen weiteren großen Schrankkoffer brauchen, vielleicht sogar zwei. Immerhin brauchst du Kleidung für morgens und abends sowie Reitkleidung, ebenso Mäntel, Stiefel, Hüte und Perücken, ganz zu schweigen von Hemden und Westen.«

»Ich brauche einen Kammerdiener«, beklagte er sich.

»Du brauchst einen Tritt in den Hintern!«

»Es ist nicht nötig, aggressiv zu werden, Alex.«

»Dann hör auf, mich anzugreifen.«

»Vielleicht hat Dottie ja Recht, ich brauche eine Frau. Nach ihrer Meinung würde eine Ehe all meine Probleme lösen.«

Alexandra erkannte, wie schnell er diesen Vorschlag akzeptiert hatte, und plötzlich wurde ihr der Unterschied zwischen ihm und Nicholas Hatton bewusst. Rupert war ein unmündiger Junge, während Nicholas ein Mann war, der eine große Anziehungskraft auf sie ausübte.

 

Es war schon spät, als sie sich endlich zurückzog. Sie kämpfte gegen den Wunsch an, sich einfach auf das Bett zu werfen und sich in den Schlaf zu weinen. Obwohl ihre Gefühle tief verletzt waren, wusste sie, dass sie sich früher oder später der Wirklichkeit stellen musste. Nick Hatton erwiderte ihre Zuneigung nicht. Das lag vermutlich an ihr. Von Kindheit an hatte Dottie ihr eingetrichtert, ihrem Kopf zu folgen und nicht ihrem Herzen. Unter keinen Umständen durfte sie sich je verlieben, denn die Liebe war eine Katastrophe. Sie würde darüber hinwegkommen, doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass das eine Lüge war.

Der Schmerz in ihrem Herzen schmolz langsam dahin und machte einem Gefühl der Erregung Platz. Sie fühlte, wie der Wind ihr langes Haar zerzauste. Sie hörte sich lachen, während sie sich noch tiefer über Zephyrs schwarzen Kopf beugte und das Pferd dazu drängte, noch schneller zu laufen. Sie machte ein Rennen mit Christopher und Nicholas Hatton, und sie war der Preis! Sie wandte den Kopf, um Kit auf Renegade zu beobachten und wusste, dass er schneller galoppieren konnte als ihre Stute. Er sah so gut aus auf dem schwarzen Hengst, dass sie sich danach sehnte, ihn zu zeichnen und diesen Augenblick für immer festzuhalten. Sie lächelte, als er an ihr vorübergaloppierte. Sie wandte den Kopf zur anderen Seite, um Nick auf Slate zu beobachten und jubilierte. Sie hatte ihr ganzes Vermögen auf den Grauen gesetzt, aber das hatte nur wenig mit dem Pferd zu tun. Es war der Reiter, auf den sie ihr Geld gesetzt hatte. Ihr Lächeln wurde breiter, als er an ihr vorüberritt. Die beiden Pferde vor ihr hatten jetzt ihre Höchstgeschwindigkeit erreicht. Kopf an Kopf galoppierten sie dahin, und es schien, als würde das Rennen unentschieden enden, doch Alexandra wusste es besser. Sie hob den Blick zu dem Mann auf dem Grauen und sah, wie seine Zähne aufblitzten in einem Lächeln, das ihr verriet, wie sehr Hazard Hatton das Rennen genoss. Ein Schauer rann durch ihren Körper, als sie sah, wie seine männliche Kraft das Tier unter sich beherrschte. Dann stürmte das Pferd vor dem schwarzen Vollblut über die Ziellinie.

Alexandras Blut pulsierte in den Adern. Ihn nur zu betrachten erregte sie. Sein Leinenhemd klebte an seiner Brust, und Nackenmuskeln traten hervor. Als sie sich in seine Arme schmiegte, wusste sie, dass er nicht um jeden Preis gewinnen wollte, er konnte es nur einfach nicht ertragen zu verlieren. Für Alexandra gab es auf der ganzen Welt nur ihn.

Hand in Hand liefen sie lachend in den Stall. Als er sie mit sich in das Heu zog, ließ sie es willig geschehen. Seine Hand schlüpfte besitzergreifend unter ihr Wams, und als sich seine warmen Finger um ihre Brust legten, fühlte sie, wie sich die rosigen Spitzen vor Verlangen aufrichteten. Mit der anderen Hand glitt er über die Innenseite ihrer Schenkel. Und als sich sein Kopf mit dem dunklen Haar zu ihr hinabsenkte und sich seine Lippen auf ihre legen wollten, flüsterte sie atemlos: »Nicholas, wirst du mich jetzt wirklich lieben ?«

Ganz plötzlich riss Alexandra die Augen auf. Ihre Hand ging zu ihrem Haar, das jetzt kurz geschnitten war, und sie fühlte einen Anflug von Bedauern, weil sie es abgeschnitten hatte. Als sie begriff, dass alles nur ein Traum gewesen war, konnte sie ihre Tränen nicht länger zurückhalten. Sie setzte sich auf und zog die Knie an die Brust. Wenn sie jemals ihre Sehnsucht nach Nick Hatton überwinden wollte, musste sie dafür sorgen, dass zwischen ihnen ein gewisser Abstand blieb. Am Morgen würde sie Dottie dazu überreden, zusammen mit Rupert nach London zu reisen.