Sechsundfünfzig
Normalerweise hätte Sanchez den Tisch von El Santino sehr genau im Blick behalten. Angesichts der Tatsache, dass einige der gewalttätigsten Leute in der Stadt (und sehr wahrscheinlich auch der Mörder seines Bruders Thomas) an diesem Tisch saßen, hätte er wie gebannt die Vorgänge beobachten müssen. Doch wie das so war, hatte er den Blick auf etwas anderes gerichtet. Der Grund war, dass er einen Mann entdeckt hatte, der draußen vor der Bar herumhing. Die Doppeltüren der Tapioca Bar waren weit geöffnet, und der Bursche lümmelte sich auf dem Bürgersteig vor dem Lokal. Was Sanchez an ihm auffiel, war sein Kostüm. Er steckte in einem roten Anzug mit gelben Streifen entlang den Seitennähten der Hose und den Jackenärmeln. Er hatte außerdem einen dichten schwarzen Haarschopf im Stil der 50er-Jahre des 20. Jahrhunderts und mächtige Koteletten. Und als Krönung trug er eine große goldumrandete Sonnenbrille.
Für eine Sekunde hätte Sanchez schwören können, sein alter Freund Elvis wäre von den Toten auferstanden. Doch das war sicherlich ein lächerlicher Gedanke. Er begriff nicht, warum er ihn überhaupt in Erwägung gezogen hatte, und nachdem er den Fremden für eine halbe Minute beobachtet hatte, verwarf er ihn gänzlich. An diesem Tag waren wahrscheinlich hundert Elvis-Doppelgänger in der Stadt unterwegs, und es wäre reine Zeitverschwendung, alle in Augenschein zu nehmen, weil sie jemandem ähnelten, der vor ein paar Tagen gestorben war. Abgesehen davon kam in diesem Moment eine verdammt scharfe Braut in einem schwarzen PVC-Kostüm und einer Maske in die Bar, die aussah wie … Catwoman?
Noch während die Frau in die Bar kam, wurde Sanchez’ Aufmerksamkeit wieder von El Santinos Tisch angezogen. Einer der beiden Mönche forderte in diesem Augenblick den blauen Stein zurück, doch die beiden Cobra Kais sahen sich zwei Lone Rangers, Carlito und Miguel, einem El Santino in Kiss-Outfit sowie Jefe in seinem Freddy-Krueger-Kostüm gegenüber. Jeder von diesen vier unangenehmen Zeitgenossen zielte mit einer Kanone auf die beiden Mönche. Das war ein schlechtes Zeichen. Jeder der vier war imstande abzudrücken.
Sanchez hatte die Mönche kämpfen und Gegner besiegen sehen, die viel größer und stärker und besser bewaffnet gewesen waren als sie selbst, doch er hatte auch mehr als einmal dabei zugesehen, wie El Santino und seine Handlanger töteten. Er wusste, dass man sich nicht mit ihnen anlegte, nicht einmal dann, wenn man ein Mönch von Hubal war.
Er kannte auch Jefes Ruf als Killer. Die einzige Person am Tisch, von der er überhaupt nichts wusste, war der junge Kerl in seinem Terminator-Kostüm. Und er war zugleich derjenige, dem Sanchez nun die größte Aufmerksamkeit widmete. Als nämlich die beiden Mönche sich in das Verhör einmischten, schien der Terminator seine Gelegenheit zur Flucht gekommen zu sehen. Während niemand von den anderen auf ihn achtete, unternahm er einen verstohlenen Versuch, sich von seinem Stuhl zu erheben, den er gleichzeitig rückwärts vom Tisch wegschob. Er bewegte sich mit größter Diskretion, und für einen Moment sah sein Vorhaben in der Tat vielversprechend aus, doch dann gab es ein lautes Quietschen von einem der Stuhlbeine.
Die beiden maskierten Lone Rangers Carlito und Miguel reagierten sofort. Sie wirbelten ihre Waffen herum und zielten auf den Kopf des Terminators.
»Setzen!«, schnarrte Miguel.
Dante tat wie geheißen und setzte sich wieder, auch wenn Sanchez bemerkte, dass er seinen Stuhl nicht an den Tisch zog wie zuvor. Ihm dämmerte offensichtlich, dass er nicht lebend aus der Bar kommen würde, und das machte ihn wütend. Eines hatte er sich nämlich immer versprochen, und das war, nicht wie eine Pussy abzutreten. Wenn sein Leben schon auf dem Spiel stand, dann wollte er nicht wimmernd, sondern mit einem lauten Knall gehen – und da er keine Pistole hatte, blieb ihm nichts anderes übrig, als sein Mundwerk zu benutzen und ein paar Leuten so richtig die Meinung zu geigen, bevor er ins Gras biss. Normalerweise war Kacy immer in der Nähe, um seine aggressive, konfrontierende Art zu bremsen, doch diesmal war sie nirgendwo zu sehen. Sie wartete sicher ängstlich im Motel auf seine Rückkehr. Er würde es nicht so weit kommen lassen, dass irgendjemand ihr erzählte, er wäre wie ein Feigling gestorben, nein, mein Herr. Wenn sie durch irgendeinen Zufall erfuhr, wie er gestorben war, sollte sie hören, dass er wie ein Mann gestorben war. Wie der Mann, den sie geliebt hatte. Und dieser Mann war ein furchtloser Trottel. Zeit, es ein letztes Mal zu beweisen.
»Wisst ihr was?«, sagte er an alle um den Tisch gewandt. »Ihr seid Pussys, ohne Ausnahme! Ihr steht hier rum und fuchtelt mit euren Kanonen wie bei einem Weitpinkelwettbewerb, aber keiner von euch, nicht einer, hat den verdammten Nerv abzudrücken. Jetzt, wo die Mönche hier sind, scheißt ihr euch in die Hosen, weil ihr wisst, dass die Hölle losbricht, wenn auch nur einer von euch schießt. Ihr blufft nur, alle ohne Ausnahme. Also, weil niemand schießt, stehe ich jetzt einfach auf und verschwinde von hier. Ich gehe mir eine Kanone holen, und dann komme ich wieder und schieße euch dämliche Pisser über den Haufen, einen nach dem anderen.«
El Santino hatte genug. Er richtete seine Waffe auf Dantes Kopf. Obwohl sein Gesicht zugekleistert war mit Schminke, ließ sich die darunter brodelnde rasende Wut kaum übersehen, die Wut darüber, dass ein dahergelaufener Punk die Stirn besaß, ihn und seine Leute Pussys zu nennen.
»Hör zu, Jüngelchen«, schnaubte er. »Mir ist immer noch nicht ganz klar, warum du hier bist. Ich überlege stark, ob ich dir nicht an Ort und Stelle den Schädel wegblasen soll. Wenn du noch ein wenig länger leben willst, tust du gut daran, mich davon zu überzeugen, dass deine Anwesenheit bei dieser Unterhaltung einen Sinn hat. Im Augenblick siehst du nämlich aus wie ein Ersatzteil. Ich zähle bis drei, und wenn du mich dann immer noch nicht überzeugt hast, dass du es wert bist, am Leben zu bleiben, schieße ich dir eine Kugel ins Gesicht, bevor ich dich zu Hackfleisch verarbeite, klar?« Er machte einen Schritt vor und stieß den Lauf seiner Waffe in Dantes Richtung, wobei er sich über den Tisch beugte. »Eins … zwei …«
Dante fing an zu lachen und hob die linke Hand, um El Santino anzudeuten, dass er aufhören sollte zu zählen. Ringsum im Lokal beobachteten alle nervös die Szene. Jeder fürchtete den Knall des ersten Schusses.
»Ich hab dich durchschaut, weißt du?«, sagte Dante, indem er grinsend auf El Santino deutete. »Weißt du, eigentlich bist du derjenige, der hier nicht hingehört. Siehst du die Mönche mit ihren Karate-Klamotten? Das passt hier rein. Sie sehen cool aus, und sie wissen, wie man jemandem in den Arsch tritt. Deine beiden Freunde in den Cowboykostümen genauso. Sie passen ebenfalls hierher. Sie sehen aus wie zwei Banditen, wahrscheinlich Schwuchtel-Banditen, aber wenigstens Banditen. Dein anderer Freund hier mit seiner Freddy-Krueger-Verkleidung sieht ebenfalls zum Fürchten aus, und wahrscheinlich ist er das sogar. Deswegen trägt er die Maske, weil sie verbirgt, wie sehr er zum Fürchten ist. Aber du … deine Maskerade gehört hier überhaupt nicht rein. Du willst bis drei zählen, aber du bist angezogen wie ein dämlicher Rockstar. Hör zu, ich sag dir was. Das ist überhaupt nicht cool. Das ist nicht Rock ’n’ Roll. Wer so aussieht wie du und bis drei zählt, der gehört in die Sesamstraße, klar? Der einzige Unterschied zwischen dir und Graf Zahl ist der, dass er weiter als bis drei zählen kann und dass Kinder Angst vor ihm haben. In kurzen Worten, was ich dir sage, Mr. Großmaul, dass du … nun ja, nichts weiter bist als ein dämlicher Muppet.«
»Was?« El Santino war außer sich. Seit Jahren hatte es niemand mehr gewagt, in diesem Ton mit ihm zu reden. Tatsächlich hatte wahrscheinlich noch niemals jemand in diesem Ton mit ihm geredet. Dante ins Gesicht zu schießen reichte nicht mehr als Rache. Er musste zuerst diese unglaubliche Beleidigung angemessen erwidern. Er stand ein paar Sekunden da, während er angestrengt nachdachte, um dann mit rauer, bösartiger, vor Sarkasmus triefender Stimme zu antworten: »Weißt du was, Sohn? Dein Kostüm passt perfekt zu dir. Wenn ich mich nicht irre, hat sich der Terminator immer für unzerstörbar gehalten. Und weißt du was? Jeder Terminator-Film, den ich gesehen habe, hat damit geendet, dass er zerstört wurde. Hier, ich zeige dir, was ich meine. Hasta la vista, Baby.«
Wenn Dante je eine Chance zur Flucht gehabt hatte, war sie nun vorbei.
Sanchez, der immer noch hinter der Theke stand und beobachtete, bereitete sich darauf vor, auf Tauchstation zu gehen, um umherspritzendem Blut und Gehirn auszuweichen, ganz zu schweigen von Querschlägern, die durch den ganzen Laden sirrten, als er aus dem Augenwinkel etwas erblickte.
Aus den Schatten hinter dem Tisch war eine weitere Gestalt getreten, um bei dem ganzen Spaß mitzumischen. Sie war in einen einteiligen weißen Spielanzug gekleidet mit großen schwarzen Knöpfen entlang der Vorderseite. Das Gesicht war weiß geschminkt, die Augen mit dickem schwarzem Stift umrahmt. Eine große Träne war unter das linke Auge gemalt. Das Kostüm wurde ergänzt durch ein paar spitze schwarze Schnabelschuhe und einen konischen Hut, der zur Hälfte schwarz, zur anderen Hälfte weiß war. Es war das Kostüm eines Clowns. Nicht eines Zirkusclowns, sondern eines der vielen traurigen Pantomimen, die man überall in Europa an den Straßenecken der großen Städte bewundern konnte. Diese überraschende Erscheinung ließ plötzlich zwei abgesägte Schrotflinten aus den Ärmeln fallen, fing je eine in jeder Hand auf und richtete beide auf El Santinos Kopf.
»Hör auf, mit deiner verdammten Kanone auf meinen Freund zu zielen, oder ich schieße dir den beschissenen Kopf von den Schultern!«, befahl der Clown mit hoher Mädchenstimme. Die gute alte Kacy! Sanchez mochte keine Ahnung haben, wer unter dem Kostüm steckte, doch Dante erkannte ihre Stimme sofort.
An El Santinos Tisch hatte sich ein Patt entwickelt, und Sanchez war alles andere als glücklich darüber. Ganz und gar nicht. Er hatte derartige Situationen schon mehr als einmal erlebt, und sie hatten jedes Mal in einem Blutbad geendet. Es wäre nicht klug, den Blick auch nur einen Sekundenbruchteil abzuwenden, für den Fall, dass jemand versehentlich mit einer Waffe in seine Richtung fuchtelte.
»Ich hätte gerne eine Bloody Mary, Barmann!«, bestellte eine weitere Frauenstimme ganz aus der Nähe. Sanchez war wie in Trance. Er fand ein schmales hohes Glas unter dem Tresen und mixte der Frau den verlangten Drink aus drei verschiedenen Flaschen, gab Eiswürfel hinzu und eine Limettenscheibe, ohne auch nur einmal auf das zu sehen, was seine Hände machten. Er wandte den Blick nicht ein einziges Mal von El Santino und seinem Tisch ab.
»Ich mag dein Kostüm, Sanchez«, sagte die Frau in der Hoffnung, ein klein wenig von seiner Aufmerksamkeit zu erhaschen. Er sah weiter über den Tresen hinweg zu dem Tisch.
»Danke.« Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er die Stimme kannte. Für einen Moment war er abgelenkt. Vor ihm stand Jessica. Sie war Catwoman, und sie sah bei Gott unglaublich scharf aus!
»Jessica, du siehst unglaublich aus, aber … äh … dein Freund Jefe, der Typ in der Freddy-Krueger-Verkleidung da drüben … Er steckt in ziemlichen Schwierigkeiten.«
Jessica sah zu El Santinos Tisch. In der ganzen Bar war inzwischen Totenstille eingekehrt. Es waren vielleicht vierzig andere Gäste in der Tapioca Bar, und alle saßen wie erstarrt an ihren Plätzen und beobachteten die weitere Entwicklung der Ereignisse. Niemand wagte eine plötzliche Bewegung, und doch waren alle bereit, sich beim ersten Schuss auf den Boden in Deckung zu werfen oder zu den Ausgängen zu rennen.
»O Scheiße!«, sagte Jessica laut.
Jefe erkannte ihre Stimme und warf einen Blick zum Tresen. Noch im gleichen Moment wurde ihm bewusst, dass er einen Fehler gemacht hatte. Er war Profi und hätte wissen müssen, dass er sich nicht von den Vorgängen am Tisch ablenken lassen durfte. Die Person, die Jefes Moment der Unachtsamkeit ausnutzte, war niemand anderes als Kyle der Mönch. Lebenslanges Training in den Kampfkünsten hatte seine Reflexe unglaublich schnell werden lassen, und er sah dies als seine Chance. Im Bruchteil einer Sekunde schlug er mit der linken Hand zu und fegte Jefe die Waffe aus der Faust. Sie entglitt dem Kopfgeldjäger, als wäre sie ein nasses Stück Seife, so präzise war der Schlag. Gleichzeitig fing er die Waffe auf und richtete sie auf Jefe. Jetzt waren auch die beiden Mönche bewaffnet.
»Gebt uns das Auge des Mondes, und wir verschwinden von hier«, befahl Kyle.
Sanchez auf seinem einigermaßen sicheren Aussichtspunkt hinter dem Tresen vermochte nicht zu sagen, wer gerade die Oberhand hatte. Carlito und Miguel zielten mit ihren Pistolen auf den deprimierten Clown. Der Clown zielte mit seinen abgesägten Schrotflinten auf El Santino, der seinerseits mit einer Waffe auf Dante zielte, und Kyle zielte mit einer Waffe auf Jefe. Sanchez hatte schon eine Menge ziemlich übler Geschichten gesehen, doch diese hier schlug alles um Längen. Und es wurde immer schlimmer. Jessica in ihrem Catwoman-Kostüm schlich auf leisen Sohlen näher heran, ganz ohne Zweifel, um ihren Freddy Krueger alias Jefe zu retten.
Die nervöse Anspannung, die beinahe ins Unerträgliche gestiegen war nach Jefes Entwaffnung durch den Mönch, wurde endlich von El Santino durchbrochen. Sein Zeigefinger begann zu jucken, und seine Geduld näherte sich dem Ende.
»Jefe, gib mir den Stein«, befahl er. »Die Sonnenfinsternis hat angefangen. Wirf mir den Stein zu, und ich schwöre, ich gebe dir noch heute Nachmittag hundert Riesen dafür.«
»Von wegen«, sagte Kyle gelassen. »Eine einzige Bewegung, und du bist tot.« Er richtete den Lauf der Pistole auf Jefes Stirn. »Gib mir diesen Stein, und ich lasse dich am Leben. Gib ihn diesem Kerl, und du bist tot. Ich mache keine Witze. Gib ihm den Stein, und du bist tot.«
»Unsinn. Du lässt die Waffe fallen, oder du bist vorher tot«, sagte eine Stimme hinter Kyle. Es war Jessica, und sie zielte mit einer Pistole auf ihn. Direkt auf seinen Hinterkopf, genauer gesagt. Die Mündung war kaum mehr als zehn Zentimeter von seinem Schädel entfernt.
Sanchez wusste, dass die Dinge viel zu weit gegangen waren, um sich noch ohne Gewalt lösen zu lassen. Jeden Moment würde eine der Parteien das Feuer eröffnen. Er machte sich daran, leere Gläser vom Tresen aufzusammeln und sie im Regal unter der Theke zu deponieren, ohne die Augen ein einziges Mal von dem Tisch in der Mitte des Lokals abzuwenden. Je weniger Glas herumstand, wenn die Kugeln durch die Luft flogen, desto besser.
Wer würde als Erster feuern? El Santino aller Wahrscheinlichkeit nach. Er war derjenige, der den blauen Stein so verzweifelt für sich wollte, und er war der Furchtloseste von allen. Er fürchtete sich vor überhaupt nichts. Kugeln prallten von diesem Kerl einfach ab. Es gab Gerüchte, wonach El Santino in der Vergangenheit das Ziel zahlloser Attentatsversuche gewesen und zu mehr als einer Gelegenheit beschossen worden war, doch dieser Kerl, dieser Riese von einem Mann, war einfach nicht gestorben. Er hatte mindestens so viele Leben wie eine Katze.
Natürlich konnte man von Jefe das Gleiche sagen. Er war in mehr Schießereien verwickelt gewesen als John Wayne, wenn die umlaufenden Gerüchte stimmten. Und was sollte Miguel oder Carlito davon abhalten, im Namen ihres Bosses den ersten Schuss abzufeuern? Die Wahrheit war, jeder am Tisch war imstande, den ersten Schuss abzugeben – mit Ausnahme von Jefe, dem Terminator-Typen und Peto, weil diese drei als Einzige nicht bewaffnet waren. Peto schien unbeeindruckt von alledem, doch der Terminator sah aus, als würde er im nächsten Moment in Deckung springen.
Dann brüllte eine Stimme von draußen auf der Straße etwas, das den Ausbruch des Gemetzels eher früher als später wahrscheinlich machte.
»Hey, aufgepasst alle zusammen! Die Sonnenfinsternis! Sie fängt an!«
Wer immer gerufen hatte, es stimmte. Sanchez hatte nicht ein einziges elektrisches Licht in der Bar angemacht, um die Erfahrung der Sonnenfinsternis ungetrübt zu genießen, und inzwischen wurde es merklich dunkler. Wenn der Stein noch vor dem vollständigen Eintreten der Dunkelheit den Besitzer wechseln sollte, musste jemand sehr schnell handeln. Und trotzdem bewegte sich noch immer niemand am Tisch. Tatsächlich stand selbst Sanchez wie angewurzelt an seinem Platz, als sich die Dunkelheit über Santa Mondega auszubreiten begann.
Aus dem Augenwinkel bemerkte Sanchez, wie Mukka jemandem einen Drink hinschob. Dann, während die Sonnenfinsternis immer vollkommener und Santa Mondega in Dunkelheit getaucht wurde, hörte Sanchez, wie Mukkas Gast die unsterblichen Worte äußerte: »Mach das Glas voll.«
Es war ein Glas Bourbon. Das war Sanchez zuerst nicht bewusst geworden. Er hatte zu viele andere Dinge im Kopf gehabt. Doch sobald er diese Stimme hörte, die diese Worte aussprach, hatte er das Gefühl, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggezogen.
Er kannte die Stimme, keine Frage. Er war so vertieft gewesen in die Vorgänge an El Santinos Tisch, dass er der Gestalt mit der Kapuze keine Aufmerksamkeit geschenkt hatte, die von Mukka bedient worden war. Mit einem Glas Bourbon. Wenn es vorher schon sehr schlimm ausgesehen hatte, sah es jetzt noch viel schlimmer aus.
Bourbon Kid war in der Tapioca Bar.
Und er hatte einen Bourbon getrunken.