Eins
Sanchez hasste es, wenn Fremde in seine Bar kamen. Genau genommen hasste er auch seine Stammgäste, doch er schwieg, weil er Angst vor ihnen hatte. Einen Stammgast abzuweisen wäre gewesen, als hätte er sein eigenes Todesurteil unterzeichnet. Die Kriminellen und Verbrecher, die im Tapioca verkehrten, waren stets auf der Suche nach einer Gelegenheit, sich innerhalb der vier Wände des Lokals zu beweisen, weil auf diese Weise jeder, der irgendetwas darstellte in der Welt der Kriminellen, davon erfahren würde.
Das Tapioca war eine Bar mit echtem Charakter. Die Wände waren gelb, doch es war ganz und gar kein hübscher Gelbton, sondern eher eine von Tabakrauch hervorgerufene Abwesenheit jeder anderen Farbnuance. Keine große Überraschung, weil eines der zahlreichen ungeschriebenen Gesetze der Tapioca Bar lautete, dass jeder, der dort verkehrte, rauchen musste: Zigarren, Pfeifen, Zigaretten, Joints, Wasserpfeifen, Zigarillos, Bongs, alles war akzeptabel außer Nichtrauchen. Nichtrauchen war vollkommen inakzeptabel. Keinen Alkohol zu trinken wurde ebenfalls als Sünde angesehen, doch die größte Sünde von allen war es, als Fremder dieses Lokal zu betreten. Niemand dort mochte Fremde. Fremde waren schlechte Neuigkeiten. Fremden konnte man nicht trauen.
Als eines Tages ein Mann in einem langen schwarzen Umhang mit über den Kopf gezogener Kapuze die Bar betrat und sich am Ende der Theke auf einen Holzhocker niederließ, rechnete Sanchez nicht damit, dass der Fremde es heil und an einem Stück wieder nach draußen schaffen würde.
Die vielleicht zwanzig Stammgäste an den Tischen unterbrachen ihre Unterhaltungen und nahmen sich einen Moment Zeit, um den die Theke besetzenden Kapuzenmann abzuschätzen. Sanchez bemerkte, dass sie nicht nur aufgehört hatten zu reden, sondern auch zu trinken. Gar kein gutes Zeichen. Falls Musik zuvor im Hintergrund gespielt hatte, so hatte sie zweifelsohne in dem Augenblick aufgehört, als der Fremde eingetreten war. Nun jedoch war nichts mehr zu hören außer dem stetigen Surren des großen Ventilators an der Decke.
Sanchez ignorierte seinen neuesten Gast demonstrativ, indem er tat, als hätte er ihn nicht gesehen. Was natürlich nur so lange funktionierte, wie der Fremde den Mund nicht öffnete.
»Barmann. Bringen Sie mir einen Bourbon.«
Der Mann sprach ohne aufzublicken. Er hatte seinen Drink bestellt, ohne Sanchez zur Kenntnis zu nehmen, und da die Kapuze nach wie vor das Gesicht überschattete, war es nicht möglich zu erkennen, ob er genauso bösartig aussah, wie er klang. Seine Stimme besaß genügend Rauheit, um damit Holz zu bearbeiten (in dieser Gegend des Landes wurde die Gefährlichkeit eines Fremden danach beurteilt, wie rau seine Stimme klang). Unter Berücksichtigung dieser Regel nahm Sanchez ein halbwegs sauberes Whiskyglas und ging zu der Stelle, wo der Fremde saß. Er stellte das Glas direkt vor dem Fremden auf den klebrigen Tresen aus zerschrammtem Holz und erlaubte sich einen flüchtigen Blick in die Finsternis unter der schwarzen Kapuze. Doch die Schatten waren zu dunkel, um irgendetwas zu erkennen, und er wollte nicht riskieren, beim Gaffen erwischt zu werden.
»Auf Eis«, murmelte der Mann so leise, dass es kaum zu verstehen war. Mehr ein raues Flüstern eigentlich.
Sanchez griff mit einer Hand unter den Tresen und brachte eine halbvolle Flasche mit der Aufschrift »Bourbon« zum Vorschein, bevor er mit der anderen zwei Eiswürfel einsammelte. Er ließ die Eiswürfel ins Glas fallen und den Whisky darüberlaufen. Er füllte das Glas knapp über die Hälfte, dann stellte er die Flasche wieder unter den Tresen zurück.
»Das macht drei Dollar.«
»Drei Dollar?«
»Jepp.«
»Machen Sie das Glas voll.«
Die Unterhaltungen in der Bar waren gedämpft gewesen, seit der Fremde das Lokal betreten hatte, doch nun kehrte buchstäblich Grabesstille ein. Mit Ausnahme des Deckenventilators, der im Gegenteil plötzlich lauter zu werden schien. Sanchez, der zu diesem Zeitpunkt bereits den Augenkontakt mit jedem seiner Stammgäste vermied, nahm die Flasche erneut hervor und füllte das Glas bis zum Rand. Der Fremde gab ihm eine Fünf-Dollar-Note.
»Behalten Sie den Rest.«
Der Barmann drehte sich um und tippte den Whisky in seine Registrierkasse. Dann wurden die leisen Geräusche der Transaktion plötzlich von Worten durchbrochen. Hinter sich vernahm er die Stimme von Ringo, einem seiner unangenehmsten Stammgäste. Auch er zeichnete sich durch eine raue Stimme aus, wie nicht anders zu erwarten, und wollte wissen: »Was machst du in unserer Bar, Fremder? Was hast du hier zu suchen?«
Ringo saß mit zwei anderen Männern an einem Tisch nur wenige Meter hinter dem Fremden. Er war ein großer, schwerer, unrasierter Widerling, genau wie die meisten anderen zwielichtigen Typen in der Bar. Und genau wie jene hatte auch er eine Pistole in einem Halfter an der Hüfte, und er brannte auf einen Vorwand, sie zu ziehen.
Sanchez, noch immer an der Registrierkasse hinter dem Tresen, atmete tief durch und bereitete sich auf den Tumult vor, der unausweichlich kommen würde.
Ringo war ein berüchtigter Gesetzloser, der sich so gut wie jedes vorstellbaren Verbrechens schuldig gemacht hatte: Vergewaltigung, Mord, Brandstiftung, Diebstahl, Polizistenmord, was auch immer – Ringo hatte sie alle begangen. Nicht ein Tag verstrich, an dem er nicht irgendetwas Illegales machte, das ihn ins Gefängnis bringen konnte. Dieser Tag bildete keine Ausnahme. Er hatte bereits drei Männer mit vorgehaltener Kanone ausgeraubt, und nun, nachdem er den größten Teil seines auf diese Weise erworbenen Geldes in Bier investiert hatte, war er auf einen richtigen Streit aus.
Als Sanchez sich von der Kasse zum Schankraum umwandte, sah er, dass sich der Fremde weder bewegt noch seinen Drink angerührt hatte. Für ein paar grauenvolle Sekunden antwortete er nicht auf Ringos Frage. Sanchez hatte einmal zugesehen, wie Ringo einem Mann ins Knie geschossen hatte, weil er nicht schnell genug mit seiner Antwort gewesen war. Deswegen atmete er erleichtert auf, als sich der Fremde zu einer Antwort herabließ – unmittelbar bevor Ringo seine Frage wiederholen musste.
»Ich suche keinen Streit.«
Ringo grinste bösartig und grollte (mit rauer Stimme): »Nun, ich bin Streit, und wie es aussieht, hast du mich trotzdem gefunden.«
Der Mann mit der Kapuze reagierte nicht. Er saß nur auf seinem Hocker und starrte seinen Drink an. Ringo erhob sich von seinem Stuhl und trat zu dem Fremden. Er lehnte sich neben ihm gegen den Tresen, streckte die Hand aus und riss dem Mann unsanft die Kapuze vom Kopf, sodass das gemeißelte, wenngleich unrasierte Gesicht eines Blondschopfs Anfang dreißig zum Vorschein kam. Der Blondschopf hatte blutunterlaufene Augen, was einen Kater vom Vorabend vermuten ließ, oder vielleicht war er zu früh aus einem trunkenen Schlaf gerissen worden.
»Ich will wissen, was du hier zu suchen hast, Kerl«, wollte Ringo wissen. »Uns sind Geschichten über einen Fremden zu Ohren gekommen, der heute Morgen in dieser Stadt eingetroffen ist. Dieser Fremde scheint zu glauben, er wäre ein harter Bursche. Glaubst du auch, du bist ein harter Bursche?«
»Ich bin kein harter Bursche.«
»Dann nimm deinen Mantel und mach, dass du verdammt noch mal von hier verschwindest!« Wie es mit Befehlen manchmal so ist – auch dieser hier hatte seine Grenzen. Der Fremde hatte seinen Umhang gar nicht abgelegt.
Er dachte für eine kurze Weile über Ringos Vorschlag nach, dann schüttelte er den Kopf.
»Ich kenne den Fremden, von dem Sie sprechen«, sagte er mit seiner rauen Stimme. »Und ich weiß, warum er hier ist. Ich erzähle Ihnen alles, wenn Sie mich danach in Ruhe lassen.«
Unter einem dunklen, dreckigen Schnurrbart breitete sich ein breites Grinsen über Ringos Gesicht aus. Er drehte sich zu seinem Publikum um. Die vielleicht zwanzig anderen Stammgäste saßen alle an Tischen und beobachteten gespannt, wie sich die Ereignisse entfalteten. Der Anblick des grinsenden Ringo lockerte die Spannung ein wenig, obwohl jeder im Lokal wusste, dass sich die Stimmung schon bald wieder verdüstern würde. Das hier war schließlich das Tapioca.
»Was meint ihr, Jungs? Soll uns dieser hübsche Bursche hier eine Geschichte erzählen?«
Ein lautstark zustimmender Chor antwortete, gefolgt von anstoßenden Gläsern. Ringo legte den Arm um den blonden Fremden und drehte ihn auf seinem Hocker um, sodass er die anderen ansah.
»Komm schon, Blondschopf – erzähl uns von diesem bösen Fremden. Was will er in meiner Stadt?«
In Ringos Stimme war ein spöttischer Unterton, der den blonden Mann jedoch nicht im Mindesten zu beeindrucken schien. Er begann zu sprechen.
»Vorhin war ich in einer Bar ein paar Meilen die Straße runter, und da kam dieser große, wild aussehende Kerl rein, setzte sich an die Theke und bestellte einen Drink.«
»Wie sah er aus?«
»Na ja, zuerst konnte man sein Gesicht nicht erkennen, weil er so eine große Kapuze trug. Aber dann ging irgend so ein Punkarsch zu ihm und zerrte ihm die Kapuze runter.«
Ringo grinste nicht mehr. Er vermutete, dass sich der Blonde über ihn lustig machte, also beugte er sich vor und straffte seinen Griff um die Schulter des anderen.
»Erzähl mir, Freund, was ist als Nächstes passiert?«, erkundigte er sich drohend.
»Also der Fremde, der im Übrigen ein gut aussehender Bursche ist, kippt seinen Drink in einem Zug, zieht eine Kanone und tötet jedes einzelne Arschloch in der Kneipe … mit Ausnahme von mir und dem Barmann.«
»Soso«, sagte Ringo und nahm einen tiefen Atemzug durch schmutzige Nasenlöcher. »Ich kann ja verstehen, dass er den Barmann am Leben gelassen hat, aber ich sehe keinen vernünftigen Grund, warum er dich nicht ebenfalls umgebracht hat.«
»Sie wollen wissen, warum er mich nicht umgebracht hat?«
Ringo zog seine Kanone aus dem Halfter, das an dem breiten schwarzen Ledergürtel baumelte, und zielte auf das Gesicht des Fremden. Er drückte ihm den Lauf fast in die Wange.
»Ja. Ich will wissen, warum dieser Hundesohn dich nicht erledigt hat.«
Der Fremde starrte Ringo hart in die Augen, ohne den Revolver an seiner Backe zu beachten. »Nun ja«, sagte er. »Er hat mich nicht erledigt, weil er wollte, dass ich in dieses Drecksloch gehe und ein fettes Arschloch finde, das auf den Namen Ringo hört.«
Die Betonung, die der Fremde auf die beiden Worte »fett« und »Arschloch« legte, entging Ringos Aufmerksamkeit keineswegs. Und doch blieb er in der betäubten Stille, die auf diese Bemerkung folgte, bemerkenswert ruhig. Wenigstens nach seinen eigenen Maßstäben.
»Ich bin Ringo. Wer zur Hölle bist du, Blonder?«
»Das ist nicht wichtig.«
Die beiden schmierigen Halunken, die zusammen mit Ringo am Tisch gesessen hatten, erhoben sich. Beide machten einen Schritt in Richtung Theke, bereit, den gemeinsamen Freund zu unterstützen.
»Es ist wichtig«, sagte Ringo übellaunig. »Weil es heißt, dass dieser Kerl, dieser Fremde, von dem wir gehört haben, sich selbst ›The Bourbon Kid‹ nennt. Und du trinkst da gerade Bourbon, oder?«
Der blonde Mann warf einen Blick auf die beiden compadres von Ringo, dann sah er über den Lauf von Ringos Waffe.
»Wissen Sie, warum man ihn ›The Bourbon Kid‹ nennt?«, fragte er.
»Klar weiß ich!«, rief einer von Ringos Freunden hinter ihm. »Es heißt, wenn der Kerl einen Bourbon trinkt, verwandelt er sich in ein beschissenes Monster, in einen Psychopathen, und er dreht völlig durch und tötet jeden in Sicht. Es heißt, er wäre unbesiegbar und kann nur vom Teufel persönlich erledigt werden.«
»Das ist richtig«, sagte der blonde Mann. »The Bourbon Kid tötet jeden. Es braucht weiter nichts als einen einzigen Drink, und er dreht völlig durch. Es heißt, der Bourbon verleiht ihm besondere Kräfte. Sobald er auch nur einen Schluck davon getrunken hat, erledigt er jeden verdammten Hurensohn im Laden. Ich muss es wissen. Ich hab es selbst gesehen.«
Ringo drückte dem Fremden den Lauf seiner Waffe hart gegen die Schläfe. »Los, trink deinen Bourbon.«
Der Fremde drehte sich langsam auf seinem Barhocker zum Tresen um und griff nach seinem Drink. Ringo folgte seinen Bewegungen und hielt ihm die Waffe unablässig gegen die Schläfe.
Hinter dem Tresen trat Sanchez beiseite in der Hoffnung, kein Blut und kein Gehirn abzukriegen, das möglicherweise in seine Richtung spritzte. Oder den einen oder anderen Querschläger, was das angeht. Er beobachtete, wie der Blonde sein Glas in die Hand nahm. Jeder normale Mann hätte so sehr gezittert, dass er die Hälfte seines Drinks verschüttet hätte – nicht so dieser Bursche. Der Fremde war so kalt wie das Eis in seinem Glas, das musste man ihm lassen.
Inzwischen war jeder Mann in der Tapioca Bar auf den Beinen, um zu sehen, was dort vorn geschah, und jeder einzelne hatte eine Hand an seiner Waffe. Sie alle beobachteten, wie der Fremde das Glas vor sein Gesicht hielt und den Inhalt inspizierte. Eine Schweißperle glitt außen am Glas nach unten. Richtiger Schweiß. Höchstwahrscheinlich von Sanchez’ Hand oder vielleicht sogar von der letzten Person, die aus diesem Glas getrunken hatte. Der Fremde schien die Schweißperle zu beobachten und zu warten, bis sie weit genug am Glas nach unten geglitten war, bis er den Geschmack nicht mehr auf der Zunge würde ertragen müssen. Schließlich, als der Schweißtropfen die nötige Entfernung zurückgelegt hatte, um nicht mehr mit dem Mund des Fremden in Kontakt zu kommen, atmete der Fremde tief ein und kippte den Drink in einem großen Schluck hinunter.
Innerhalb einer Sekunde war das Glas leer. Jeder in der Bar hielt den Atem an. Einschließlich des Deckenventilators. Nichts geschah.
Also hielt jeder noch etwas mehr den Atem an.
Und immer noch geschah nichts.
Also fing jeder wieder an zu atmen. Einschließlich des Deckenventilators.
Immer noch nichts.
Ringo nahm seine Waffe aus dem Gesicht des blonden Mannes und stellte die Frage, die jedem in der Bar auf der Zunge brannte. »Nun denn, Blonder, bist du der Bourbon Kid oder nicht?«
»Diese Pisse zu trinken beweist nur eines«, antwortete der blonde Mann, indem er sich mit dem Handrücken über den Mund wischte.
»Ach ja? Und das wäre?«
»Dass ich Pisse trinken kann, ohne zu kotzen.«
Ringo blickte Sanchez an. Der Barmann hatte sich so weit nach hinten verzogen, wie er konnte, und drückte sich mit dem Rücken an die Wand hinter der Theke. Er sah ein wenig zittrig aus.
»Hast du ihm den Drink aus der Pissflasche ausgeschenkt?«, verlangte Ringo zu erfahren.
Sanchez nickte nervös. »Seine Nase hat mir nicht gefallen«, sagte er.
Ringo steckte seine Kanone ins Halfter und trat zurück. Dann warf er den Kopf in den Nacken und begann schallend zu lachen, während er dem Blonden gleichzeitig auf den Rücken schlug.
»Du hast Pisse gesoffen, Mann! Hahaha! Ein ganzes Glas voll Pisse! Er hat Pisse getrunken!«
Alle in der Bar brachen in johlendes Gelächter aus. Restlos alle, bis auf den blonden Fremden. Er richtete den Blick auf den Barmann.
»Gib mir einen verdammten Bourbon.« Seine Stimme klang verdammt rau.
Der Barmann wandte sich um, nahm eine andere Flasche Bourbon aus dem Regal hinter der Theke und schenkte dem Fremden daraus in das Glas. Diesmal füllte er es gleich bis zum Rand, ohne auf eine Aufforderung zu warten.
»Drei Dollar.«
Es war offensichtlich, dass der blonde Mann nicht erbaut war darüber, dass Sanchez erneut Geld haben wollte, und er machte sein Missvergnügen unverzüglich erkennbar. Schneller als das Auge zu folgen vermochte, griff er in seinen Mantel und brachte eine Pistole zum Vorschein. Die Waffe war dunkelgrau und lag schwer in seiner Hand, was vermuten ließ, dass sie voll geladen war. Sie war wahrscheinlich früher einmal von glänzend silberner Farbe gewesen, doch wie jedermann in der Tapioca Bar nur zu gut wusste, hatte jemand, der eine glänzende Waffe bei sich trug, wohl noch niemals damit geschossen. Die Farbe der Pistole dieses Fremden hingegen deutete an, dass die Waffe häufiger als nur gelegentlich in Benutzung gewesen war.
Die plötzliche Bewegung des Fremden endete damit, dass der Lauf seiner Pistole genau auf Sanchez’ Stirn zeigte. Diesem aggressiven Verhalten folgte unmittelbar eine ganze Serie von lauten Klicks, mehr als zwanzig insgesamt, als jeder in der Tapioca Bar seine eigene Waffe aus dem Halfter riss, den Hahn spannte und auf den blonden Fremden zielte.
»Hey, ruhig Blut, Fremder!«, sagte Ringo und drückte dem Fremden einmal mehr den Lauf der eigenen Waffe gegen die Schläfe. Sanchez lächelte ein nervöses, entschuldigendes Lächeln in Richtung des Fremden, der immer noch mit seiner dunkelgrau angelaufenen Pistole auf seinen Kopf zielte.
»Der … geht aufs Haus?«, sagte Sanchez fragend.
»Siehst du mich vielleicht nach meiner verdammten Geldrolle greifen?«, lautete die knappe Antwort.
In der sich anschließenden Stille legte der blonde Mann seine Pistole auf die Theke gleich neben dem Glas mit Bourbon, dann stieß er einen leisen Seufzer aus. Er sah jetzt gründlich verstimmt aus und schien einen Drink bitter nötig zu haben. Einen richtigen Drink. Es war Zeit, den widerlichen Uringeschmack im Mund loszuwerden.
Er nahm das Glas und setzte es an die Lippen. Die ganze Bar sah zu. Die Spannung stieg ins Unerträgliche, während alle darauf warteten, dass er seinen Drink nahm. Wie um sie noch mehr zu quälen, kippte er den Inhalt diesmal nicht geradewegs hinunter. Er stockte, zögerte für eine Sekunde, als wollte er vorher noch etwas sagen. Alles hing an seinen Lippen, hielt den Atem an. Was würde er verkünden? Oder würde er doch den Bourbon trinken?
Die Antwort kam allzu bald. Wie ein Mann, der seit einer Woche nichts mehr zu trinken gehabt hatte, kippte er den gesamten Inhalt des Glases in einem einzigen mächtigen Schluck herunter, bevor er es zurück auf den Tresen knallte.
Es war definitiv ein echter Bourbon.