2. Kapitel
Dominic saß am Frühstückstisch und hörte seiner kleinen Schwester zu, die immer noch von dem Winterball der Schule schwärmte.
»Die Anderen haben mich alle um mein tolles Kleid beneidet. Und die Jungs standen sogar Schlange, um mit mir zu tanzen. Kannst du dir das vorstellen?« Nein. Er wollte sich das auf keinen Fall vorstellen. Seine Schwester war noch ein Baby und er würde keinen Mann in ihrem Leben tolerieren. Zumindest nicht, bis sie dreißig war und einen Collageabschluss in der Tasche hatte.
Er wusste, dass er wie ein übervorsorglicher Vater reagierte, und das störte ihn in keinster Weise. Er hatte auch seiner Mutter immer wieder gesagt, dass sie ihm sofort Bescheid sagen sollte, wenn die Noten nachließen oder sie mit einem Jungen anbändeln würde. Caroline hatte nur gelacht und gemeint, dass er sich nicht ewig in das Leben seiner Schwester einmischen konnte. Sie würde ihren eigenen Weg wählen. Pah! Als ob dieses kleine Mädchen etwas von der Welt wüsste.
Wäre Dominic damals nicht zufällig in diese Firma gekommen, hätte er sich niemals bis ganz nach oben arbeiten können. Er mochte es, wenn jemand für seinen Erfolg arbeitete. Genau aus diesem Grund hatte er die Besitzerin der kleinen Boutique nicht vergessen können.
Die bisherigen Frauen, mit denen er zusammen gewesen war, waren alle samt oberflächlich und ziemlich hohl im Kopf. Weiter als über den nächsten Tag, ging ihr Horizont nicht und auch deren Moral war alles andere als gut. Sie wollten alle nur Geld und Macht. Und er verkörperte Geld und Macht.
Doch bis auf einen kleinen Flirt hatte diese Frau nichts bei ihm versucht. Kein kokettes Wimpernklimpern, keine sexuellen Anspielungen. Sogar ihr Kleidungsstil war eher geschlossen, wenn auch sehr figurbetont. Sie hatte noch nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als sie die schwarze American Express gesehen hatte. Ganz im Gegenteil. Sie war einfach nach hinten verschwunden und hatte sich um seine Schwester gekümmert.
Und das Kleid, welches sie da entworfen hatte, war wirklich atemberaubend gewesen. Er hatte in der Boutique auch Männerkleidung gesehen. Nicht viel. Nur ein paar Sakkos und Krawatten. Aber er spielte ernsthaft mit dem Gedanken, sich etwas Neues zu gönnen. Und der hübschen Frau die Telefonnummer und vielleicht auch ein Date abzuschwatzen. Seinem Charme konnten die wenigsten Frauen entrinnen.
Er betrat noch immer telefonierend die Boutique und hielt nach der jungen Frau Ausschau. Leider konnte er sie nicht entdecken.
»Ja, ich weiß. Bereite mir alle Unterlagen vor. Ich komm heute nochmal ins Büro und hol mir alles ab.« Er hasste es, wenn etwas nicht glatt lief und er noch mehr Arbeit hatte, als normal. Er beendete das Gespräch mit seiner Sekretärin und steckte sein Handy wieder in die Innentasche seiner Anzugjacke.
»Ich bin sofort bei ihnen«, ertönte es aus dem hinteren Bereich und er sah sich in der Zwischenzeit bei den Herrensachen um. Die Krawatten waren aus hochwertigen Stoff und sehr gut verarbeitet. Auch die Hemden und Sakkos waren von hoher Qualität. Hinter sich hörte er das Klackern von Absatzschuhen und drehte sich lächelnd um. Sie trug heute eine weiße Bluse und dazu eine elegante, dunkelblaue Hose, die an den Beinen etwas weiter ausgestellt war. Und weiße High Heels. Sehr sexy. Als sie ihn erkannte, lächelte sie erst, dann wurde ihr Gesichtsausdruck ernst.
»Stimmt etwas mit dem Kleid nicht?« Machte sie sich Sorgen, dass er es zurückbringen würde? Selbst wenn, seine Schwester hätte dieses Kleid nie im Leben wieder heraus gerückt.
»Kein Angst. Das Kleid ist super und wurde voller Begeisterung auf dem Winterball herumgezeigt.« Als er nun ihren fragenden Blick sah, fuhr er fort: »Heute bin ich aus eigennützigen Gründen hier. Ich brauche eine neue Krawatte.« Sofort hellte sich ihr Gesicht auf und sie stellte sich neben ihn.
»Wir haben hier eine kleine Auswahl, aber wir können natürlich auch andere Stoffe und Muster verwenden. Ich kann ihnen gern das Stoffmusterbuch holen.« Als sie zum Tresen gehen wollte, hielt er sie am Unterarm fest.
»Wollen wir uns nicht duzen? Das Ständige Sie nervt mich etwas.«
»Gerne. Ich bin Katharina.« Er ließ ihren Unterarm los und reichte ihr stattdessen seine Hand.
»Ich bin Dominic.« Ihre Hand war angenehm warm und weich. Er hasste es, wenn jemand kalte oder schwitzige Hände hatte. Er hielt sie einen Moment zu lange fest und sie deutete auf ihrer beider Hände.
»Bekomme ich meine Hand wieder? Ich muss das Buch holen.« Er grinste.
»Natürlich. Tut mir leid.« Sie kramte unter dem Tisch ein ziemlich dickes Buch hervor und deutete auf eine Ecke, in der ein Sofa, ein Sessel und ein Tisch standen.
»Wollen sie einen Kaffee?« Er nickte und nahm Platz, während sie nach hinten ging. Nach wenigen Minuten kam sie mit zwei Tassen zurück und stellte sie auf den Tisch.
»Ist deine Freundin heute gar nicht da?« Katharina lächelte.
»Nein. Dass sie das letzte Mal hier war, war mehr oder weniger ein Zufall. Normalerweise arbeitet sie in unserer Wohnung. Da wird sie nicht immer von mir von der Arbeit abgelenkt.« In unserer Wohnung?
»Was sagt dein Freund dazu, dass deine Freundin bei euch wohnt?« War das zu auffällig? Doch sie lächelte nur und deutete dann auf das Buch.
»Johanna und ich haben zurzeit keine Beziehung. Das ist auch gut so. Im Moment können wir uns keine Ablenkung leisten. Dafür haben wir einfach zu viele Aufträge.« Interessant. Sie schlug das Buch mit den Stoffmustern auf und drehte es so, dass er es gut sehen konnte.
»Dieses dunkle Blau würde dir gutstehen. Am besten sind bei dunklen Typen Krawatten ohne Muster, und wenn du doch ein Muster willst, dann lieber eins, das nicht so auffällig ist.« Sie schien zu wissen, wovon sie sprach. Er hatte noch nie Krawatten mit Mustern getragen, weil es ihm einfach zu kindisch und zu verspielt vorkam.
»Von dem Dunklen blau haben wir noch etwas Stoff da, aber du kannst dir auch gern die anderen Stoffmuster ansehen.« Er lächelte.
»Ich vertraue da deinem Fachwissen. Ich hätte gern zwei davon. Wann kann ich die Krawatten abholen?« Sie stand auf und sah in den Terminkalender auf dem Tresen.
»Wie wäre es mit übermorgen? Oder brauchst du sie sehr dringend?«
»Nein, nein. Übermorgen passt. Ich bräuchte auch noch ein paar neue Hemden.«
»Gerne. Komm, ich zeig dir unsere Modelle.« Er ging mit ihr wieder zu den Regalen mit der Herrenmode und sie hielt ihm zwei verschiedene Hemden hin.
»Das hier ist vom Schnitt etwas Besonderes. Ich hab es so entworfen, dass es bequem sitzt und trotzdem geschäftsmäßig aussieht. Das Andere hier ist normal geschnitten.« Er sah sich die beiden Hemden kritisch an.
»Ich nehme von beiden Modellen je zwei.« Katharina nickte.
»Ich müsste nur noch Maß nehmen. Allerdings dauern die Hemden etwas länger. Vielleicht eine oder zwei Wochen. Da muss ich mit Johanna reden.« Er nickte nur und folgte ihr in den hinteren Bereich.
»Zieh bitte alles bis auf dein Unterhemd aus.« Woher wusste sie, dass er ein Unterhemd trug? War das so weit verbreitet? Ohne weiter darüber nachzudenken, zog er seine Anzugjacke und sein Hemd aus, so dass er nur noch im Unterhemd und mit seinen Hosen vor ihr stand.
Mit dem Maßband und einen Zettel kam sie zurück und musterte ihn von oben bis unten. Er wusste, dass er gut aussah, dafür war er auch fast jeden Tag im Fitnesscenter.
»Strecke bitte deine Arme zur Seite aus.« Sie trat direkt vor ihn und begann, seine Maße zu nehmen. Immer wieder stieg ihm ihr Duft in die Nase. Eine Mischung aus Lavendel und Seife. Obwohl ihm angenehm warm war, überzog das prickelnde Gefühl der Gänsehaut seinen ganzen Körper. Zum Glück verbarg seine Hose die Erektion, die sich eben erhoben hatte. Es wäre sehr peinlich, wenn sie mitbekommen würde, wie scharf ihr kurviger Körper ihn gerade machte.
Immer wieder spürte er ihre zarten Berührungen und seine Hunger wuchs mehr und mehr. Am liebsten hätte er sie hier und jetzt über den Tisch gebeugt genommen. Würde sie das zulassen? Würde sie ihn von ihrer Haut und ihren Lippen kosten lassen? Er stellte sich vor, wie er ihr diese Bluse langsam vom Körper schälen würde, um an den BH zu kommen, der sich darunter verbarg. Seine Lippen würden sich sanft und feucht um ihre steifen Nippel schließen und daran saugen, bis sie ihn anflehte, sie zu ficken. Dann würde er sie langsam umdrehen, gegen den Tisch drücken und ihre Hose nach unten schieben. Sie würde sich unter ihm räkeln und ihn mit ihrem Po reizen, aber er konnte sich zurückhalten. Er würde zuerst ihre Beine und ihren Po mit Küssen überdecken, mit den Fingern ihren Kitzler reizen, bis sie kurz vor dem Höhepunkt war und dann würde er in sie eindringen. In ihr feuchtes, williges Fleisch. Er würde sie ficken, wie noch kein Anderer sie gefickt hätte. Oh ja. Er konnte ihre Enge förmlich um seinen Schwanz spüren.
»Ich bin fertig. Du kannst dich wieder anziehen.« Diese Worte rissen ihn aus seiner Fantasie und er sah ihr zu, wie sie alles auf dem Zettel notierte und auf der Rückseite die Bestellmenge eintrug. Während er sich wieder anzog, beobachtete er sie und war von ihrer professionellen Art beeindruckt. Nicht viele Frauen waren in seiner Gegenwart so ruhig und gefasst.
»Es ist schon komisch, das aus dem Mund einer Frau zu hören.« Als sie ruckartig den Kopf hob und ihn mit großen Augen ansah, wurde ihm bewusst, dass er diesen Gedanken laut ausgesprochen hatte. Als sie aber kurz darauf grinste und erwiderte: »normalerweise bin ich auch nicht diejenige, die das zu Männern sagt, sondern anders herum«, war er froh, dass sie ihm das nicht übel nahm, konnte sich aber keinen Mann vorstellen, der sie so schnell wieder aus seinem Bett ließ.
»Kann ich mir gar nicht vorstellen.« Sie lachte vergnügt auf und ging wieder in den vorderen Teil der Boutique.
»Schleimer. Ich hätte dir auch so etwas Rabatt eingeräumt. Immerhin zählst du jetzt schon fast zur Stammkundschaft.« So frech war schon lange keiner mehr mit ihm gewesen. Schleimer? Ob sie ahnte, dass er gerne mehr von ihr wollte als ein paar Krawatten und Hemden?
»Und würdest du mit diesem Stammkunden hier essen gehen?« Sie drehte sich grinsend zu ihm um und streckte den Zeigefinger aus.
»Soll das ein Geschäftsessen werden?« »Ich dachte eigentlich an ein Date.« »Meinst du das Ernst?« Dachte sie, er würde sie verarschen? Mir was für Männern war sie denn bisher ausgegangen?
»Sonst hätte ich doch nicht gefragt.« Ohne weiter darauf einzugehen, stellte sie sich hinter den Tresen und tippte die bestellten Sachen in die Kasse. War er zu forsch vorgegangen? Hatte er sie mit seiner Frage erschreckt? Ohne die Summe abzuwarten, gab er ihr seine Kreditkarte und lehnte sich lässig auf den Tresen. Wieso reagierte sie nicht auf seine Einladung?
»Ist keine Antwort mit einem Nein gleichzusetzen?« Verwirrt blickte sie auf und lächelte dann.
»Ich hab nur eben überlegt, wann ich Zeit hätte. Das ist bei mir immer so eine Sache, da ich viel zu tun habe.« Und das verstand er voll und ganz. Bei ihm war es das Gleiche. Außerdem gefiel es ihm, dass sie nicht gleich zugesagt hatte. Das würde bedeuten, dass diese Sache hier nicht mit einem schnellen Fick beendet wäre, sondern sich auch zu etwas entwickeln könnte. Etwas mehr in seinem tristen Leben, zwischen Arbeit und der Sorge um seine Mutter und seine Schwester.
»Nächsten Dienstag, wenn dir das recht ist.« Er ging im Kopf seine Termine durch.
»Das müsste klappen.« Er wühlte in seiner Jackentasche nach einer Visitenkarte und nahm ihr den Kugelschreiber aus der Hand.
»Das ist meine Handynummer. Darunter bin ich eigentlich immer zu erreichen.« Sie nickte und nahm den Kugelschreiber und die Karte entgegen.
»Danke.« Wollte sie ihm nicht auch ihre Nummer geben? Plötzlich läutete das Telefon der Boutique und sie nahm das Gespräch entgegen.
»He Gina. Mit deinem Anruf hab ich schon gerechnet.« Sie wandte sich etwas von Dominic ab und suchte unter dem Tresen einen blauen Hefter heraus.
»Genau. Ich brauche eine ganze Seite für die Werbung. Ich komme heute Abend vorbei und bespreche mit dir das Layout.« Sie kümmerte sich wirklich um alles.
»Super. Dann bis später.« Als sie das Telefonat beendet hatte, richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Dominic. Als sie ihn fragend ansah, wusste er, dass sie nicht erwartet hätte, ihn noch in der Boutique zu sehen.
»Hab ich noch irgendetwas vergessen?« Lächelnd schüttelte er den Kopf. Er mochte diese Frau wirklich.
»Hauptsache ich bekomme nicht in ein paar Stunden eine Nachricht, dass du das Date absagen musst und dann nicht mehr erreichbar bist.« Sah sie plötzlich ertappt aus?
»Äh. Wie kommst du denn auf so was?« Hätte sie ihm wirklich abgesagt? Er erinnerte sich an ihre Aussage von vorhin, dass sie keine Zeit für einen Mann hätte.
»Ich warne dich. Wenn du dieses Date absagst, stehe ich jeden Tag hier in der Boutique, bis du endlich mit mir ausgehst.« Plötzlich lachte sie laut auf.
»Du bist ganz schön hartnäckig, oder?«
»Bei so einer schönen Frau immer.« Und er konnte förmlich beobachten, wie sie knallrot wurde. Und dafür mochte er sie noch mehr. Zum Glück war schon Freitag, dann müsste er nicht mehr so lange auf das Date warten. Er war gespannt, wer diese Frau war und was sie so interessant machte.
»Bis Dienstag, Katharina.«
»Tschüss, Dominic.«