25. Kapitel
Sylvester fand Snow in seiner alten Wohnung, wo sie in der Badewanne saß. Er konnte weder ein zusammenzucken, noch irgendwelche Angst oder Argwohn ihm gegenüber feststellen. Ganz im Gegenteil. Es schien ihr nichts mehr auszumachen, dass er sie nackt sah. Zumindest, soweit er durch das schaumige Wasser sehen konnte. Früher hatten sie oft zusammen gebadet. Das war viel bequemer als die Dusche. In der Wanne konnte man sich Zeit lassen, sich gegenseitig erforschen und liebkosen. Aber Snow schien in diesen Moment weniger nach schmusen zu sein.
»Alles in Ordnung?« Sie starrte auf ihre Knie, die aus dem Wasser ragten.
»Ich erinnere mich wieder an alles.« Sein Herz setzte einen Moment aus und er brauchte ein paar Sekunden, um das gesagte zu verarbeiten. Dann kniete er sich neben sie und zog sie in seine Arme. Ihm war egal, ob er nass wurde oder ob er seine Sachen ruinierte. Diese Aussage, diese wenigen Worte hatten ihm eben die Hoffnung auf eine Zukunft mit ihr gegeben. Auf eine gemeinsame Zukunft.
»Das ist doch super.« Sie schüttelte langsam den Kopf und sagte leise an seinem Ohr: »Ich weiß wieder, was sie mir angetan haben, bevor die Bombe hochging. Sie haben mich alle ...« Sie konnte es nicht aussprechen, aber das war auch gar nicht nötig. Es interessierte ihn einfach nicht, ob sie mit anderen zusammen gewesen war. Egal ob freiwillig oder nicht. Worüber sie sich Sorgen machte, war ihr Körper, aber Sylvester wollte ihre Seele, ihr Herz und ihren Verstand. All das hatte nichts mit ihrer Vergangenheit zu tun. Er wollte sie. Maya. Der Preis, den er dafür bezahlen musste, wäre belanglos.
»Das macht für mich keinen Unterschied. Ich liebe dich und für mich ist es bedeutungslos, was passiert ist. Außerdem ist es sowieso alles meine Schuld. Ich hätte dich nie darum bitten dürfen, Derek zu überwachen.« Ihre Hände umklammerten ihn genau so fest, wie er sie festhielt.
»Es tut mir alles so leid, was ich gesagt und getan habe. Ich war so ein riesiger Dummkopf.« Sie lehnte sich etwas zurück und strich ihm ein paar einzelne Strähnen aus dem Gesicht.
»Ich habe mich nicht auf mein Bauchgefühl verlassen und dich immer wieder verletzt.« Er schüttelte den Kopf. Er würde nicht zulassen, dass sie im Selbstmitleid ertrinken würde. Sie musste sich keine Vorwürfe machen. Immerhin hatte sie ihr Gedächtnis verloren und hätte wohl jedem misstraut.
»Snow. Ich bin nicht böse auf dich, falls du dich deswegen entschuldigst. Jeder hätte so reagiert. Das war ein Schutzmechanismus, den man einfach zum Überleben braucht.« Sie lächelte ihn sanft an und fuhr mit ihrem Finger über seine Unterlippe. Auch ihr Blick wanderte nun dorthin. Er konnte regelrecht die sinnliche Anziehung in der Luft spüren.
»Ich heiße Maya. Snow war nie mein richtiger Name. Er war nur die Überschrift eines kurzen Kapitels in unserem Leben.« Sylvester nickte, starrte aber immer noch in ihr blasses Gesicht.
»Wieso konntest du dich nicht mehr erinnern? Hatte das was mit der Verwandlung in einen Wolf zu tun?« Nun sah sie von seinen Lippen auf. Direkt in seine Augen.
»Als Odin mich in einen Wolf verwandelt hatte, hab ich ihn gebeten, meine Erinnerung zu löschen. Dabei hab ich mich wohl unglücklich ausgedrückt und er hat mich wirklich alles vergessen lassen.« Sie verdrehte die Augen. Eine Geste, die er an ihr vermisst hatte.
»Irgendwie bin ich in einem Wald gelandet. Als Wolf. Ich bin ein paar Tage durch die Gegend gezogen und hab mich von selbst erlegtem Wild ernährt. Ich hab gejagt! Stell dir das vor. Irgendwann bin ich bei der Verfolgungsjagd eines Hasen einen Berg herunter gestürzt, wo mich Robert und seine Leute gefunden haben. Ich hatte durch den Sturz das Bewusstsein verloren und mich anscheinend wieder zurück verwandelt. Ich erinnere mich noch, wie ich gefroren habe. Den Rest kennst du ja.« Ja, den Rest kannte er. Er fuhr ihr mit zwei Fingern über den Hals bis hin zur Brust.
»Also wirst du jetzt nicht mehr an Robert denken, wenn wir miteinander ins Bett gehen?« Sie stöhnte genervt auf und erhob ihren wunderschönen Körper aus dem Wasser. Mit ihren in die Hüften gestemmten Händen sah sie wirklich zum Anbeißen aus. Er beneidete jeden einzelnen Wassertropfen, der ihren Körper entlang wandern durfte.
»Ich habe nie an ihn gedacht, als wir zusammen waren. Ich hatte Erinnerungsflashs. Kurze Momente, in denen ich uns früher gesehen habe. Die kamen sonst nur in meinen Träumen.« Scheiße. Dann hatte er also überreagiert und sich so selbst eine Chance auf Sex mit ihr verdorben. Mist! Aber als sie durch ihn hindurchgesehen hatte, als würde sie an etwas oder jemanden anderes denken, war die Eifersucht mit ihm durchgegangen und er war einfach gegangen.
»Warum hast du es mir nicht gesagt?«
»Ich hatte Angst, was die Erinnerungen bringen würden. Die bisherigen Erinnerungen in meinen Träumen waren nicht sonderlich erbauend.« Zu seinem Entsetzen verstand er sie sogar. Seufzend griff er neben sich in ein Regal und zog ein großes Badetuch heraus, welches er ausbreitete und die sorgsam darin einwickelte.
»Komm erst einmal aus der Wanne. Wenn du angezogen bist, reden wir weiter.« Sie nickte und stieg langsam aus der großen Badewanne. Als sie mit beiden Füßen auf der Badematte stand, ließ er sie los und lehnte sich gegen die Wand, um sie beim Anziehen zu beobachten. Vor jetzt auf gleich hatte sie keine Hemmungen mehr vor ihm. Es war, als hätte es diese Wochen und Monate nie gegeben. Als wären sie nie getrennt gewesen.
»Wie geht es Cassandra?« Sylvester zuckte mit den Schultern. Er war nach einem kurzen Blick auf Carmen sofort hier hergekommen. Also hatte er auch nichts weiter von seiner Schwägerin gehört.
»Keine Ahnung. Aber meiner Nichte geht es sehr gut. Sie sieht sogar recht proper aus, wenn man bedenkt, aus wessen Bauch sie geschlüpft ist.« Maya drehte sich ruckartig zu ihm um und bekam vor Überraschung große Augen.
»Das Baby ist da?« Sylvester nickte und nahm sie schließlich in den Arm.
»Der Sturz aus dem Fenster hat wohl alles ausgelöst. Obwohl sie schon vorher ein leichtes Ziehen gespürt haben will. Dann ging es auch sehr schnell. Carla sagte etwas von Sturzgeburt.«
»Das freut mich. Bei Cassandras Statur hatte ich schon Angst, dass das Baby sie bei der Geburt zerreißen würde.« Sie trug nur eines seiner großen T-Shirts und schlang ihre Arme um Sylvesters Mitte. Dann hob sie ihren Kopf und küsste ihn sanft.
»Ich muss noch schnell telefonieren. Dann komm ich rüber zum Reden.« Sie deutete auf ihr Handy, dass sie mit dem Ladekabel an die Steckdose angeschlossen hatte. Sylvester nickte und verschwand ins Wohnzimmer.
Erik ließ sich auf die Couch fallen und beobachtete Josi, die leicht schwankend ins Bad ging, um sich fertigzumachen. Als sie gegen Mittag im Motel angekommen waren, hatte er versucht, ein weiteres Zimmer zu bekommen, aber alles war wegen eines Kongresses in der Stadt vollkommen ausgebucht. Hätte er nicht vorher im Zuge seiner Urlaubsplanung ein Zimmer reserviert, hätten sie beide im Zelt oder im Mietauto schlafen müssen. So mussten sich die beiden lediglich ein Zimmer teilen, was Josi nicht zu stören schien.
»Wir haben doch auch schon zusammen in einem Zelt geschlafen. Da wird ein Zimmer nicht das Problem sein.« Er hörte, wie die Dusche anging, und sah verwundert um die Ecke. Die Tür war einen Spalt offen. War das eine subtile Einladung oder ein Versehen?
Als die Dusche nach zehn Minuten wieder abgestellt wurde, rief er Josi zu: »Warum ist die Tür offen?« Nur mit einem Badetuch um den Körper gewickelt kam sie mit tropfend nassen Haaren heraus und ging zu ihrer Tasche.
»In geschlossenen Räumen bekomm ich Platzangst.«
»Warum?« Sie sah von ihrer Tasche auf und er bemerkte ihre plötzliche Reserviertheit.
»Ein unschönes Kindheitserlebnis.« Was so viel hieß wie: Ich will nicht darüber reden. Mit neuen Sachen huschte sie wieder ins Bad und er schaltete den Fernseher ein. Er musste wohl eingeschlafen sein, weil er nicht mehr mitbekam, wie sie wieder das Zimmer betrat und sich neben ihn auf das Sofa setzte.
Erst als sie mit den Fingerspitzen über seine nackten Arme fuhr und an seinem Hals roch, tauchte er aus seinen Träumen auf. Was hatte sie vor? So viel Körperkontakt hatte es bis jetzt noch nie zwischen ihnen gegeben. Sie kannten sich ja noch nicht einmal so lange. Josi kuschelte sich näher an ihn und fasste nach seinem Kragen, um ihn zu sich herunter zu ziehen.
Ein gelalltes »Äh ... Was hast du vor?« bahnte sich einen Weg aus seinem Mund. Sie grinste. Er war reichlich betrunken. Ihre eigene Trunkenheit hatte die kalte Dusche auf einen relativ normalen Stand zurückgebracht. Nicht das sie völlig nüchtern war, aber sie wusste immerhin wieder, was sie tat. Und sie wollte ihn spüren.
Körperlicher Kontakt war schon immer wichtig für sie gewesen. Die wenigen Erinnerungen, die sie von ihrer Mutter hatte, verband sie alle mit Wärme und Geborgenheit. Auch als sie Alexej als ihren neuen Vater und seine Söhne als ihre Brüder akzeptiert hatte, suchte sie immer wieder deren Nähe. Aber bei Erik war das anders. Mit ihm wollte sie nicht nur kuscheln, sondern mehr. Sie wollte das, was sie im Internet gesehen hatte. Und ab und zu bei ihren Brüdern, wenn sich einer von ihnen mit einem Mädchen in die Scheune geschlichen hatte. Sie wollte seine nackte Haut auf ihrer spüren.
»Dich küssen, natürlich. Was hast du denn gedacht?« Allerdings hatte sie das als rhetorische Frage geäußert, da sie seine Antwort nicht abwartete und ihn stattdessen stürmisch küsste. Es war zwar nicht ihr erster Kuss, aber der Erste, bei dem sie nicht nach ihrer Familie Ausschau halten musste, aus Angst, ihr Vater oder ihre Brüder würden sie entdecken.
Nach einem kurzen Zögern kam ihr seine Zunge entgegen und ein herrliches Spiel aus Empfindungen und Sehnsucht wurde zwischen den beiden ausgefochten. Dieser Moment war irgendwie magisch. Mit den Jungs, die sie vorher geküsst hatten, war es nie so gewesen. Konnte sie weiter gehen? Warum auch nicht? Sollte sie als alte Jungfer zur Hölle fahren? Nein!
Ihre Hände wanderten unter sein Shirt, und als sie das erste Mal seine nackte, warme Haut und die Muskeln darunter spürte, wollte sie das erleben, was sie schon viel früher hätte erleben sollen. Und der verbliebene Alkohol in ihrer Blutbahn ließ sie mutig werden.
Ohne sich von seinem Mund zu lösen, kletterte sie auf seinen Schoß und setzte sich rittlings auf ihn. So ein Angebot ließ er sich anscheinend nicht entgehen und packte ihre Hüfte, um sie gegen seine Erektion zu pressen. Und er hatte genau den richtigen Punkt getroffen, da sie im selben Moment stöhnte, als dieses köstliche Gefühl vor ihrem Schoß durch ihren ganzen Körper strömte.
Sie wollte es wieder fühlen und rieb sich an ihm. Wie von selbst schienen sich ihre Hüften vor und zurückzubewegen und seine Hände wanderten unter ihr Sweatshirt. Sie wusste, dass er sie eigentlich für zu zierlich hielt, das hatte er schon beim Chatten erwähnt. Und auch jetzt fasste er sie so vorsichtig an, als ob er sie mit einem etwas zu festen Griff gleich kaputtmachen würde.
Als seine Finger in nördliche Richtung wanderten, stahl sich ein grinsen auf ihre Lippen. Und als er das erste Mal ihre Brüste streifte, zog er verwundert Luft ein. Ja, sie war nackt unter dem Sweater und ihm schien es zu gefallen. Seine Lippen lösten sich kurz von ihren.
»Kleines, freches Mädchen.« Sie wollte darauf antworten, aber da zog er ihr mit einem Ruck das Sweatshirt über den Kopf. Jetzt saß sie nur noch in Shorts und ihren Armstulpen auf seinem Schoß. Weder Scham noch Angst milderten die Lust, die sie festhielt, als sie in seine bewundernden Augen blickte.
»Du bist wunderschön.« Dann umfassten seine Hände ihre Brüste ganz und sie passten perfekt zueinander. Als wären seine Hände für ihre Brüste gemacht, oder anders herum. Das musste Schicksal sein. Er beugte sich weiter zu ihr und begann ihre Haut am Schlüsselbein zu küssen. Dann spürte sie seine Zunge, die rau über ihren Hals leckte.
»Du schmeckst nach Freiheit. Nach endlosem Himmel. Köstlich.« Sein Mund legte sich wieder auf ihren und er ließ ihre Brüste los. Die Wärme verschwand und sie wollte protestieren, als er seine Hände auf ihren Po legte und zusammen mit ihr auf seinem Schoß aufstand. Sie kicherte, ihn immer noch küssend, und legte ihre Hände um seinen Hals, damit er nicht ihr ganzes Gewicht auf seinen Armen spürte. Aber er war kräftig genug, um ohne ein ächzen und stöhnen zum Bett zu gelangen und sie dort vorsichtig abzusetzen.
»Bist du dir sicher?« Sie lächelte bei dieser Frage. Sie musste wohl etwas falsch machen. Immer, wenn sie einen ihrer Brüder mit einem Mädchen beobachtete hatte, waren die überhaupt nicht mehr in der Lage zu reden. Außer einem »dreh dich um« und »ja, das ist gut« war meistens nichts zu hören.
»Sonst hätte ich dich doch nicht geküsst, oder?« Er entspannte sich sichtlich und küsste sich an ihrem Hals entlang zu ihrem Oberkörper und schließlich zu ihrem Bauch. Dort zog er an ihren Shorts, bis auch diese auf dem Boden lag.
Ungeniert spreizte sie ihre Beine und gewährte ihm ungehindert Zugang zu ihrem geheimsten Ort. Auch das hatte sie schon mehrere Male im Internet gesehen und es schien den Frauen sehr viel Spaß gemacht zu haben. Wie ein Verhungernder stürzte er sich auf ihre feuchte Mitte und ein ganzer Schwall Erregung benebelte ihre Sinne.
Mit ihren eigenen Fingern hatte sie sich nie zu solcher Lust bringen können, wie Erik es eben mit seiner Zunge und seinen Lippen tat. Das war ... unbeschreiblich. Ihre Hüfte bewegte sich rastlos auf und ab, versuchte sich mehr an seine Lippen zu pressen, mehr von diesen Gefühlen zu bekommen.
Und dann war alles zu spät und ein feuriger Orgasmus schoss durch ihren Körper, der wie verrückt zuckte und sich aufbäumte. Nein, so ein welterschütterndes Ergebnis hatte sie bisher nie mit ihren Fingern erreicht. Nicht mal ansatzweise.