8. Kapitel

 

 

Wie ein Feuer brannten sich diese zwei Worte in sein Herz und seinen Verstand. Diese Stimme! Sylvester drängte den Wolf in sich zurück und sah das Wesen vor sich an. Als ob er sich verbrannt hätte, wich er plötzlich vor ihr zurück und sein Blick wurde klar.

Er bewegte den Mund, als ob er etwas sagen wollte, und ging dann wieder auf sie zu. Als er seine Hand erhob und ihr blondes Haar berührte, wich der Wolf vollständig aus seinem Verstand. Mit einem Ruck riss er sie in seine Arme und drückte sie fest an sich. Dann presste er seine Lippen auf ihre und küsste sie wild und leidenschaftlich.

Nach einem kurzen Augenblick der Starre fing sie wieder an, sich in seinen Armen zu winden. Schritte näherten sich der Zelle und Sylvester drehte sich knurrend um, als Josh und Erik, gefolgt von Mark, Jonathan und Evan den Raum betraten. Josh erfasste die Situation und hob beschwichtigend die Hand.

»Sylvester! Lass das Mädchen frei!« Doch Sylvester schüttelte wehemend den Kopf. Erik trat vor und sagte mit leiser und beruhigender Stimme: »Bitte. Sieh sie dir an. Sie stirbt fast vor Angst. Gib sie frei!« Sylvester sah Snow an, die in seinen Armen wie Espenlaub zitterte und von einem Schluchzen geschüttelt wurde. Tränen liefen über ihre Wangen und in ihren Augen konnte er Angst lesen. Sie fürchtete sich vor ihm.

»Sch, sch. Nicht weinen. Es ist alles gut. Du bist jetzt wieder bei mir und ich werde dich dieses Mal mit meinem Leben beschützen.« Seine Stimme klang rau und heiser, wahrscheinlich, weil er sie so lange nicht mehr benutzt hatte. Josh und Erik sahen sich fragend an.

»Er redet wirres Zeug. Wir müssen ihn wohl betäuben, um sie zu befreien.« In diesen Moment hörten alle ihre leise und zittrige Stimme.

»Bitte lassen sie mich gehen.« Langsam begriff er. Das war keine Furcht vor seinem Äußeren, dass sie in Angst und schrecken versetzte. Sie erinnerte sich einfach nicht an ihn. Die Kraft wich aus seinen Beinen und er sank vor ihr auf die Knie. Die Ketten rasselten, als er die Arme wieder hob und sie an der Hüfte festhielt.

»Maya! Bitte sag, dass du dich an mich erinnerst!« Josh glaubte seinen Ohren nicht. Snow schüttelte den Kopf.

»Ich erinnere mich nicht an sie. Sie müssen mich verwechseln.« Als er sie losließ, lief sie zu Josh und verbarg sich hinter ihm. Sylvester war immer noch am Boden und sah ihr nach, als sie mit einer rothaarigen Frau den Raum verließ.

 

Cassandra legte dem zitternden Mädchen einen Arm um die Schulter und führte sie aus dem Keller ins erste Obergeschoss, wo am Ende des Ganges ihr Zimmer lag.

»Ich bin Cassandra. Aber nenn mich ruhig Cass. Ich bin Joshs Frau und damit auch die Chefin hier. Wenn du Probleme, Fragen oder Wünsche hast, dann sag mir Bescheid.« Sie drückte Snow an sich und diese spürte plötzlich etwas Hartes. Cassandra war schwanger. Da war ein kleiner Babybauch. Cass schien ihre Verwirrung mitbekommen zu haben und legte eine Hand auf ihren Bauch.

»Das ist der erste Nachwuchs von Josh und mir. Dauert nicht mehr lange.« So rund sah sie noch gar nicht aus. Vivien kam ihr wieder in den Sinn und ihr inniger Kinderwunsch. Sie versuchte schon seit Jahren schwanger zu werden, schaffte es aber einfach nicht.

Als Cassandra ein Stück vor ihr in ein Zimmer ging, folgte Snow ihr einfach. In ihrem Kopf schwirrten so viele Gedanken herum, dass sie jetzt einfach nicht selbstständig handeln konnte.

Die Angst ließ immer noch ihre Gliedmaßen zittern und erschöpft ließ sie sich auf das fremde Bett sinken. Sie konnte den Geruch von Josh wahrnehmen, sonst nichts. Ihr war vorher noch gar nicht aufgefallen, dass Cassandra keinen eigenen Duft hatte. Aber hier in dem kleinen Raum traf sie diese Erkenntnis wie ein Schlag. Sie zog noch einmal Luft durch die Nase und ließ sie in ihrer Mundhöhle zirkulieren, aber da war nichts.

»Wenn du versuchst, mich zu wittern, wird dir das nicht gelingen. Ich habe keine eigene Marke.«

»Wie kommt das?« Cass setzte sich neben sie und reichte ihr eine Tasse Tee.

»Ich hab mir als Jugendliche meine Schweißdrüsen entfernen lassen. Ich wusste damals noch nicht, dass ich ein Wolf bin.« Snow sah auf die Tasse. Wenn sie diese nicht schnell abstellen konnte, würde es hier ein großes Unglück geben. Das Zittern war einfach viel zu stark.

 

Nachdem Sylvester geduscht hatte und durch eine Rasur wieder menschlich aussah, ging er in den Beratungsraum, wo Josh und Erik bereits auf ihn warteten.

»Schön, dass es dir wieder besser geht.« Erik nickte zustimmend und setzte hinzu: »Wir dachten schon, du würdest gar nicht mehr zu Verstand kommen.« Sylvester ließ sich auf einen der Stühle fallen und sah seine Brüder grimmig an.

»Wo ist sie?« Seine Stimme war tief und seine Brüder versteiften sich. Habt ruhig Angst vor mir! Dann steht ihr mir wenigstens nicht im Weg, wenn ich mir meine Frau hole. Josh sah zu Erik und wandte sich dann an Sylvester.

»Cassandra und Emily kümmern sich um sie. Du kennst sie also?« Sylvester wich seinem Blick aus und nickte langsam.

»Maya war die Informantin. Sie war in der Fabrik. Sie müsste tot sein.«

»Wieso hast du sie uns nie vorgestellt?« Verwundert sah Sylvester zu Josh.

»Sie ist ein Mensch. Das wäre nicht möglich gewesen.« Seine beiden Brüder sahen ihn verwirrt an.

»Sie ist ein Wolf! Hast du ihre Marke nicht gerochen?« Sylvester stand auf. Dabei fiel ein Stuhl um und er packte Josh am Kragen.

»Ich habe sie geliebt! Sie kann kein Wolf sein! Wo ist sie?« Josh packte seine Hände um sich von ihnen zu befreien, aber Sylvesters Griff war wie eine Stahlzange.

»Ich werde dir nicht sagen, wo sie ist. Sie hat furchtbare Angst vor dir.« Sylvester drückte noch mehr zu.

»Wo zum Teufel ist sie?« Erik packte ihn von hinten und versuchte ihn von Josh wegzuziehen.

»Hör auf. Sonst müssen wir dich wieder in den Kerker sperren.« Sylvester ließ Josh langsam los und sagte: »Sie gehört mir! Und ich werde sie mir nehmen!«

 

Snow saß nach einer Stunde immer noch vor Angst zitternd in Cassandras Zimmer. Obwohl sie die rothaarige Frau eben erst kennen gelernt hatte, war sie ihr sofort sympathisch gewesen. Ihr Auftreten war selbstsicher und ihre Stimme angenehm sanft. Sie hatte ihr sogar fürsorglich eine warme Decke umgelegt.

Schlagartig vermisste sie Robert und Vivien. Aber vor allem Robert, obwohl der nur wenige Zimmer entfernt war. Der wilde Blick dieses Sylvesters ging ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf.

»Ich versteh das nicht. Ich kenne diesen Mann nicht. Aber er scheint mich zu kennen.« Cass setzte sich wieder neben sie und legte ihr eine Hand auf den Rücken.

»Vielleicht verwechselt er dich mit jemand anders. Beruhig dich erst mal.« Snow nickte und kuschelte sich noch mehr in die Decke. Dieser Mann im Kerker hatte ihr eine Heiden Angst eingejagt. Und trotzdem hatte sie ein merkwürdiges Gefühl gehabt. Als sie in seine Augen gesehen hatte, schien ihr dieses braun so bekannt vorzukommen. Es verwirrte sie und sie bekam Kopfschmerzen, je mehr sie versuchte sich daran zu erinnern.

»Wenn du möchtest, kannst du heute hier schlafen.« Sie schüttelte den Kopf und sah Cass an.

»Nein. Ich bin dir schon viel zu lange auf die Nerven gegangen.« Sie stand auf und ging Richtung Tür. »Danke für deine Hilfe.« Cass lächelte sie an und erwiderte: »Kein Ding. Du kannst immer zu mir kommen, wenn dir etwas auf dem Herzen liegt.« Damit verließ Snow den Raum.

Mit hastigen Schritten lief sie den Flur entlang bis zu ihrem Zimmer. Dort angekommen schloss sie sich ein und ging ins Bad. Eine heiße Dusche war das, was sie nun brauchte, um ihre angespannten Nerven zu beruhigen. Es half wirklich. Das heiße Wasser rann über ihren Körper und sie entkrampfte sich langsam.

Nachdem sie fertig war, ging sie wieder ins Schlafzimmer und zog sich einen Pyjama an. Es war noch relativ zeitig am Abend, aber sie war total erschöpft. Sie ließ sich auf das Bett fallen und schlief augenblicklich ein.

 


Wölfe der ewigen Nacht
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