19. Kapitel

 

 

Mit starken Nackenschmerzen erhob sich Josi von Eriks Sofa. Sie hätte gestern Abend doch sein Angebot annehmen und in seinem Bett schlafen sollen. Aber da sie sich schon hier bei ihm einquartiert hatte, wollte sie ihm nicht noch sein Bett wegnehmen. Sie hatten am vergangenen Abend noch eine Pizza gegessen und hatten sich dann in sein Zimmer geschlichen. Das war so niedlich. Als ob es sie interessieren würde, was seine Familie von ihr hielt. Irgendwann mussten sie sich ja mal kennen lernen und bei der Menge an Personen in diesem Haushalt, würden sie sich früher oder später auch über den Weg laufen.

Sie sah sich um. Sein Zimmer war ein typisches Männer-Zimmer. Alles akkurat geordnet und viele zusammengewürfelte Möbel. Sein Computer-Arbeitsplatz dominierte den ganzen Raum.

Was hatte sie eigentlich geweckt? Im Haus war noch alles ruhig und auch sonst drang kein Geräusch zu ihr durch. Erik hatte noch nicht einmal geschnarcht. Nein. Irgendetwas anderes musste ihre Nachtruhe gestört haben.

Josi sah auf ihr Smartphone, dass sie auf dem Couchtisch gelegt hatte, und traute ihren Augen nicht. Der Privatdetektiv, den sie angeheuert hatte, teilte ihr in einer kurzen Mail mit, dass die Zielperson aus Alexandria abgereist war. Anscheinend Richtung Westen. Wahrscheinliches Ziel war Los Angeles, wobei diese Aussage nicht 100 prozentig sicher war.

Na toll. Da war sie extra den weiten Weg von Russland hierher geflogen, nur um wieder am Anfang zu stehen. Sie stand auf und ging in Eriks Schlafzimmer. Jetzt konnte sie ihm auch genau so gut sagen, dass sie wieder in ihr Hotel gehen würde.

Im Türrahmen blieb sie stehen. Dieser blonde Gott lag halb nackt im Bett. Er trug nur eine Pyjamahose, seine Brust war unbekleidet und man konnte deutlich die Muskeln sehen. Nicht so ausgeprägt wie bei ihrem Vater oder ihren Brüdern, aber trotzdem bewundernswert.

Er lag auf dem Bauch, ein Kissen unter dem Kopf und die Arme Richtung Kopfteil des Bettes gestreckt. Einfach göttlich. Warum kam ihr im Zusammenhang mit ihm eigentlich immer das Wort Gott in den Sinn? Nur weil er blond und unheimlich niedlich war? Ja. Das könnte sein.

Am Fußende des Bettes stand eine Reisetasche und darauf lagen mehrere Karten und Buchungsunterlagen. Sie schlich sich dorthin und blätterte diese durch. Eine Rundreise! Auf der Karte waren mehrere Zwischenstationen eingezeichnet und das Ziel hieß: Los Angeles. Das konnte doch nicht wahr sein. Warum machte er im Dezember eine Reise? Und viele davon im Zelt oder im Auto, soweit sie dass den Unterlagen entnehmen konnte.

»Und, was Interessantes gefunden?« Bei Eriks rauer Stimme zuckte sie erschrocken zusammen und ließ die Blätter in ihren Händen fallen.

»Guten Morgen. Ich wollte nicht schnüffeln oder so. Ich war nur neugierig.« Er streckte sich wie eine Katze, eigentlich untypisch für Wölfe, und hob dann seinen Kopf, um sie anzusehen. Sie trug nur eines seiner T-Shirts und kurze Shorts, ebenfalls von ihm.

»Zieh dir bitte etwas an! Wenn möglich im Wohnzimmer.« Sie zog verwundert die Augenbrauen hoch.

»Warum?« Er ließ seinen Kopf wieder ins Kissen fallen.

»Josi! Du bist halb nackt und ich hab eine Morgenlatte. Geh einfach ins Wohnzimmer, bis ich eine kalte Dusche hinter mir habe.« Sie grinste. Er hatte eine Morgenlatte und schämte sich dafür. Süß.

Dieses Phänomen hatte sie bei ihren Brüdern schon mehr als einmal mitbekommen und die hatten sich nie geschämt. Ganz im Gegenteil. Da alle Wolkows Morgenmuffel waren, bis auf ihren Vater, der immer gute Laune zu haben schien, liefen sie wie Zombies durch die Gegend, bis sie einen extra starken Kaffee bekamen.

»Du brauchst dich wegen deiner Morgenlatte nicht zu schämen. Ich hab drei ältere Brüder und die hat es noch nie gestört, sich mir so zu präsentieren.« Er stöhnte genervt auf.

»Bitte! Es ist schön, wenn deine Brüder so ungezwungen sind, aber ich bin es nicht. Also ab ins Wohnzimmer.« Sie verdrehte die Augen und marschierte davon.

»Männer!«

 

Als Erik unter der Dusche stand - übrigens eiskalt um sich zur Räson zu bringen - überlegte er, was er mit Josi anfangen sollte. Er würde heute die erste Etappe seiner Reise beginnen und er konnte die Kleine ja schlecht sich selbst überlassen, solange er weg war. Immerhin war sie extra wegen ihm hierher gekommen.

Als er an ihr knappes Outfit von gerade eben dachte, regte sich seine Männlichkeit schon wieder. Sie war wirklich eine kleine Hexe. Und selbst in diesem abgetragenen T-Shirt und den Shorts sah sie sexy aus. Die Qualen, die er während des Chatten mir ihr hatte überstehen müssen, waren nichts im Vergleich zu denen, die er jetzt erleiden musste. Warum war sie auch so hübsch?

Nachdem er fertig geduscht hatte und aus dem Bad kam, um sich anzuziehen, saß Josi auf dem Boden und sah sich seine Karte an, in die er die Reiseroute eingetragen hatte.

»Was tust du da?« Immerhin hatte sie nun wieder ihr Kleid von gestern Abend an, was bedeutend mehr bedeckte, als sein T-Shirt.

»Ich schau nur, wo du hinfährst. Das sieht alles sehr interessant aus.«

»Willst du mitkommen?« Scheiße. Hatte er das wirklich gerade gesagt? Was war nur in ihn gefahren? Aber als er Josis strahlendes Gesicht sah, vergaß er seinen Widerspruch gleich wieder.

»Wirklich? Ich darf mit? Das ist super!« Sie sprang auf und warf sich ihm in die Arme. Er seufzte resigniert.

»Aber du brauchst etwas wärmere Sachen. Den Großteil der Reise werden wir im Zelt verbringen.« Sie nickte und hüpfte auf und ab.

»Das wird mein erster Zeltausflug! Zelten, zelten!« Dann verschwand sie ins Wohnzimmer und rief Erik zu: »Ich hol schnell meine Sachen und kauf mir noch eine dicke Jacke, dann kann es losgehen.« Hauptsache das war kein großer Fehler. Noch hatte er die Möglichkeit, einfach ohne sie abzuhauen.

Wieder seufzte er. Nein, das konnte er nicht bringen. Sie hatte sich so sehr gefreut, als er sie eingeladen hatte, da konnte er sie nicht einfach hier sitzen lassen.

»Bleib hier. Ich räum schnell die Sachen ins Auto und dann fahr ich dich.«

 

Cassandra war schon den ganzen Tag aufgefallen, dass Erik bei allen Mahlzeiten gefehlt hatte.

»Wo ist denn Erik?« Josh sah auf und lächelte dann seine Frau an.

»Er ist campen gefahren.«

»Einfach so?« Er nickte.

»Er hatte es schon vor ein paar Monaten erwähnt und bis jetzt alles geplant. Er kommt in zwei oder drei Wochen zurück. Immerhin will er nicht die Geburt seines Neffen verpassen.«

»Es wird ein Mädchen. Wie oft muss ich es dir noch sagen?« Sie lachte.

»Solange du dir von der Ärztin nicht sagen lässt, was es ist und mir einen Fotobeweis bringst, bleibt es ein Junge.«

»Träum weiter. Ich hab es im Blut. Das wird ein Mädchen.« Auf einmal klopfte es an der Tür und Snow erschien. Ein seltener Gast in ihren Zimmer.

»Annika ist da. Sie hat dir irgendwas mitgebracht.« Und schon erkannte Cass hinter der kleinen Blondine wie Annika ins Zimmer späte.

»Hallo Cassy. Ich wollte dir nur schnell was vorbei bringen. Dann bin ich schon weg Richtung Flughafen.« Sie hielt ein großes Buch in die Höhe.

»Ist das dieses Einrichtungsbuch, von dem du mir erzählt hast?«

»Genau das ist es.« Josh sah nicht begeistert aus. Annika dafür um so mehr. Sie mochte es, Josh zu ärgern und zu piesacken. Es war schon langsam ein Zwang geworden.

Cass wandte sich wieder an Josh und gab ihm einen kleinen Kuss auf die Wange.

»Bis später.« Daraufhin sah er grimmig zu Annika, die ihn strahlend anlächelte.

»Genau Josh. Viel Spaß dann beim Umräumen.« Sie ging mit den beiden Frauen, Snow hatte sich wohl aus Langeweile angeschlossen, in das Spielzimmer, um das Buch kurz durchzublättern. Es waren verschiedene Kinderzimmer abgebildet und überall standen hilfreiche Tipps, wie Abläufe zeitlich gering gehalten werden konnten.

Unerwartet tauchte Sylvester auf dem Flur auf und sie konnten ihn alle durch die offene Tür beobachten. Es war schon fast wie Kino, zu sehen, wie unterschiedlich die zwei Frauen auf ihn reagierten. Snow drehte sich weg und Annika bekam große Augen. Ach ja. Das war das erste Mal, dass sie Sylvester sah. Auch Snow schien das plötzliche Interesse bemerkt zu haben.

 


Wölfe der ewigen Nacht
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