26.


Die Spitzen von vier scharlachroten Lichtschwertern jagten einander am Rande des Schotts entlang, so gleißend hell, dass Ben sie bloß durch die Schutztönung seines Helmvisiers ansehen konnte. Die Klingen schnitten durch das dicke, fremdartige Metall, als wäre es Plastahl, und Ben konnte dunkle Präsenzen fühlen - eine Menge dunkler Präsenzen -, die draußen im Korridor standen.

Sein Vater war jetzt im vorderen Teil des Kontrollraums und versuchte, ein Fluchtloch von einem Meter Durchmesser in das Sichtfenster zu schneiden. Das Metall war lediglich einen Bruchteil so dick wie das der Luke, doch sein Lichtschwert schnitt viel langsamer als die Klingen der mysteriösen Eindringlinge. Es kam Ben seltsam vor, dass dieses dünne, transparente Material um so vieles widerstandsfähiger sein sollte als das schwere Metallschott, aber so sah es nun einmal aus.

»Dad, du kommst wirklich langsam voran«, sagte Ben, der in sein Helmmikro sprach. Nach Rhondis Tod hatten die beiden Skywalkers als Erstes ihre Schutzanzüge angelegt, um so schnell wie möglich zurück zur Schatten zu fliehen. »Könnte deiner Energiezelle der Saft ausgehen?«

Lukes Antwort kam über den Helmempfänger, ruhig und geduldig. »Sohn, ich bin ein Jedi-Aleister. Denkst du wirklich, ich würde vergessen, den Energiezellenstatus meines eigenen Lichtschwerts zu überprüfen?«

»War ja nur eine Frage. Hier gehen sonderbare Dinge vor.« Ben sah wieder zum Schott hinüber und stellte fest, dass die vier roten Klingen die Ecken beinahe erreicht hatten. »Wie beispielsweise. dass die doppelt so schnell durch das Schott säbeln wie du durch das Sichtfenster.«

»Das ist wirklich interessant.« Luke klang, als würde ihn diese Neuigkeit eher faszinieren als nervös machen. »Und du bist sicher, dass du keine Ahnung hast. wer die sind?«

»Dad, das habe ich dir doch schon gesagt. Ich weiß es nicht. Aber sie müssen gehört haben, wie Rhondi gegen die Luke gehämmert hat.« Ben machte sich keine Sorgen über elektronisches Abhören. Selbst, wenn die Eindringlinge einen Empfänger hatten, der auf den richtigen Kanal eingestellt war, war die Kommunikation zwischen den Skywalkers mittels der neuesten Jedi-Technologie verschlüsselt. »Außerdem haben sie ein Lichtschwert in Kopfhöhe durch das Schott gestoßen. Klingt das für dich nach dem Stil der Geistwandler?«

»Eigentlich nicht.« Luke deaktivierte sein Lichtschwert und trat von dem Kreis zurück, den er geschnitten hatte. Etwa zehn Zentimeter an der Oberseite fehlten noch. »Aber so was taucht nicht aus dem Nichts auf. Irgendwie haben sie damit zu tun.«

»Ja, aber wir haben wirklich keine Zeit, jetzt darüber zu reden.«

Ben ließ den Satz abklingen, als sein Vater eine Hand hob und die Macht einsetzte, um den rauchenden Kreis des halb losgelösten Sichtfensters nach außen zu stoßen und ein Loch freizulegen, das groß genug war, um ihnen als Fluchtweg zu dienen. Anstatt als Erster durch die Öffnung zu klettern, ging Luke wieder auf die Rückseite des Raums.

»Wir müssen einen lebend schnappen«, sagte Luke.

»Lebend?«, echote Ben. »Wirf mal einen Blick auf deine Vitalanzeige. Du bist kaum kräftig genug, um den Rückweg zur Schatten zu schaffen - ganz zu schweigen davon. Gefangene zu nehmen.«

»Stimmt - und fühlt sich von Sekunde zu Sekunde richtiger an.« Luke wies auf das Schott. »Ben, wir müssen herausfinden, wer diese Leute sind - und wer sie geschickt hat. Das ist der Schüssel dazu, was es mit diesem Ort auf sich hat.«

Ben wusste, dass es keinen Sinn hatte zu widersprechen. Die Stimme seines Vaters hatte diesen »Ich bin der Meister« -Tonfall angenommen. Abgesehen davon war die Logik seiner Argumentation vernünftig, zumindest, bis sie zu dem Teil kamen, wenn es darum ging, es lebend zurück zur Schatten zu schaffen.

»Können wir die Sache wenigstens vorsichtig angehen?«, fragte Ben. »Im Augenblick wissen wir bloß über die, dass es ihnen nichts ausmacht, Leute umzubringen, und dass sie ein Faible für rote Lichtschwerter haben. Wer auch immer die sind, sie scheinen sämtliche Vorteile auf ihrer Seite zu haben.«

»Nicht alle«, erwiderte Luke, der hinter einen Ausrüstungsschrank auf der anderen Seite des Raums schlüpfte. Er war auf der oberen Ebene, etwa fünf Meter vom Schott entfernt. »Ist dieser Gaszylinder, den du da hast, einsatzbereit?«

Ben überprüfte den Handschweißbrenner, den er dazu verwendet hatte, sich und Rhondi in der Kammer einzuschweißen. Das Zufuhrventil war weit aufgedreht und die Sicherheitsabschaltung außer Betrieb gesetzt.

»Bestätigt.«

»Dann verbirg deine Machtpräsenz und warte auf mein Zeichen!«, wies Luke ihn an. »Vielleicht erfahren wir etwas, einfach indem wir sie beobachten.«

Ben suchte sich ein eigenes Versteck - den Fußraum einer Ausrüstungskonsole, auf der oberen Ebene direkt gegenüber von seinem Vater. Er zog seine Machtpräsenz rasch in sich hinein und ließ sie schrumpfen, bis sogar er selbst sie nicht mehr wahrnahm, dann spürte er, wie der Boden vibrierte, als das schwere Schott in den Raum krachte.

Zwei Sekunden später explodierte die Türladung, doch es ertönten keine gedämpften Schreie, die darauf hingedeutet hätten, dass sich irgendjemand in der Nähe des Eingangs befand, als der Zünder aktiviert wurde. Wer auch immer die waren, Rhondis Mörder hatten ihre Lektion offensichtlich gelernt, als sie Rolunds Zelle geöffnet und dabei die erste Mine ausgelöst hatten.

Die Detonation der Türladung vibrierte noch immer durch den Boden, als Ben das leichtere Trommeln von laufenden Füßen spürte. Er schätzte, dass vielleicht sieben oder acht Eindringlinge hereingekommen waren, aber es war unmöglich, sich diesbezüglich sicher zu sein. Er wartete fünf lange Atemzüge darauf, dass sie an seinem Versteck vorbeikamen, ehe er zum Eingang hinüberspähte. Das Metall rauchte noch und glühte weiß. Allerdings machte er ein Paar Schutzanzugstiefel auf dem Boden draußen vor der Luke aus.

Im Innern von Bens Helm ertönte ein zweifaches Kom-Klicken. Das Signal bedeutete, dass sein Vater sich bereit machte zuzuschlagen, doch es war unmöglich, dass Luke von seiner Seite des Raums aus die Nachhut sah. Ben betätigte den Kinnschalter im Helm, in der Absicht, seinem Dad eine Warnung wegen des Gegners im Hinterhalt zukommen zu lassen. Dann sah er. wie die Stiefel des Eindringlings in den Kontrollraum stürmten, und ihm wurde klar, dass sein Vater bereits in Bewegung war.

Mit dem Gasbehälter in einer Hand und seinem Lichtschwert in der anderen, rollte sich Ben aus seinem Versteck.

Eine Reihe aus acht Eindringlingen stieg zu dem als Ablenkungsmanöver gedachten Loch im Sichtfenster hinunter, allesamt im Laufschritt. Genau wie die Skywalkers trugen sie komplette, kampftaugliche Schutzanzüge und Lichtschwerter. Einige hatten außerdem Blaster, und die meisten trugen Ausrüstungsgürtel mit zwei Scheiden - eine für einen schmalen Dolch mit Glasgriff und eine für ein gebogenes bumerangartiges Schwert mit scharfer Klinge.

Bens Vater rutschte bereits oben auf eine Ausrüstungskonsole, so darauf aus, einen Gefangenen zu machen, dass er die Nachhut nicht wahrnahm, die hinter ihm durch die Luke kam. Das Visier des Eindringlings war oben und ein lavendelfarbenes Gesicht mit feinen Zügen und einer langen Nase zu erkennen, etwas schmaler als das einer Menschenfrau. Sie hielt eins der dunklen Bumerangschwerter in der Hand. Anstatt vorzuspringen und zu einem Nahkampfangriff anzusetzen, wie Ben es erwartet hatte, blieb sie stehen und hob das Parang.

»Dad!«, rief Ben über Kom. »Roll dich weg, sofort*.«

Das Parang flog, und Luke rollte sich beiseite, um just in dem Moment über eine Reihe von Ausrüstungsschränken zu verschwinden, als die Waffe bloß Zentimeter über seinen Helm hinwegwirbelte. Außerstande, die Kom-Nachricht zu hören, zog die Frau eine Grimasse und streckte die Hand aus, um die Waffe mittels der Macht zu sich zurückschnellen zu lassen -und Ben den Rücken zuzukehren, als sie sich in Bewegung setzte, um die Reihe mit den Ausrüstungsschränken zwischen sich und Luke zu bringen.

Ben ließ ihr keine Chance, das Parang zu fangen. Fr legte die letzten drei Meter zwischen ihnen einfach mit einem Machtsprung zurück, richtete sein Lichtschwert auf ihr Herz und drückte den Aktivierungsschalter. Zu seiner Erleichterung standen sowohl seine Waffe, als auch sein Körper vollends unter Energie - auch wenn sich in letzterem Fall unmöglich sagen ließ, ob das an dem Hydrat lag, das er vorhin hinuntergestürzt hatte, oder an seinem verzweifelten Bemühen, seinen Vater zu retten.

Die Frau musste die drohende Gefahr gespürt haben. Noch bevor Bens Klinge voll ausgefahren war, wirbelte sie davon. Mit einer Hand griff sie noch immer nach ihrem Parang, während sie mit der anderen das Lichtschwert einschaltete und gleichzeitig einen wuchtigen Tritt vollführte, um Ben mit ihrem Vorderfuß in die Leistengegend zu treffen.

Das war zu raffiniert, zu viel. Ben wich einfach zurück und zog mit der Macht an ihrer freien Hand. Anstatt in ihren Griff zurückzukehren, bereit, von neuem geschleudert zu werden, trennte das Parang ihre Hand am Gelenk ab. Die Frau schrie auf, und ihr Tritt prallte an dem Behälter ab, den er hielt.

Sie versuchte, einen Lichtschwerthieb gegen Bens Hals folgen zu lassen. Er lehnte sich weg und setzte dann die Macht ein, um sie, ihr Massenzentrum, in seine eigene Klinge zu ziehen.

Im nächsten Moment kribbelte Bens ganzer Körper vor drohender Gefahr, und er wirbelte herum und schlug zu. Seine Klinge wob einen Schutzfächer in die Luft, als die Begleiter der Frau hinter einer Wand aus Blasterfeuer auf ihn zugestürmt kamen.

Er zog sich zum Schott zurück, während er gleichzeitig über Kom seinen Vater rief. »Hey, Dad, wegen dieses Gefangenen.«

»Verschwinde!« Luke kam über die Reihe der Ausrüstungsschränke gerollt und deckte den Eindringling, den er zu fangen versucht hatte, mit Blasterfeuer ein, landete auf dem Boden und eilte auf die Luke zu. »Und gib mir Deckung!«

»Aber immer«, sagte Ben.

Als er durch die Luke glitt, schlug Ben den Zapfen des Handschweißbrenners absichtlich gegen den Türrahmen. Die Kopfdüse flog mit einem Strahl unter Druck stehendem Gas davon, und sofort bildete sich auf dem Kühlkanister eine Schicht Raureif. Er schleuderte den Behälter zurück in den Kontrollraum, der in der schwerelosen Umgebung schwebte, explosive Azetaldämpfe versprühte und von rauchenden Ausrüstungsschränken abprallte.

Ben ging hinter dem Türrahmen in Deckung und zog seinen Blaster. Er schoss um die Ecke herum und öffnete sich vollends der Macht, damit er die Position seines Vaters wahrnehmen konnte. Er fühlte eine Wöge des Entsetzens, als dem anonymen Feind klar wurde, was passieren würde, wenn die Azetalkonzentration hoch genug war, dass sich das Gas entzündete, und dann kam sein Vater mit den Füßen voraus durch die Luke geflogen, dicht über dem Boden, während er Blastersalven in den Kontrollraum zurückschickte.

Zwei Herzschläge später erstarb der Feindbeschuss schlagartig. Ben packte seinen Vater am Knöchel und sprintete den Korridor hinunter, um Luke hinter sich herzuziehen, der weiterhin das Schott hinter ihnen sicherte. Unterwegs musste Ben darauf achten, immer einen Fuß auf dem Boden zu lassen, damit die primitive Form der künstlichen Schwerkraft, die auf der Raumstation herrschte, weiter bei ihm Wirkung zeigte.

Zwanzig Schritte später erreichten sie das andere Ende des Korridors, ohne dass ihnen jemand folgte. Ben blieb stehen und ließ Lukes Knöchel los.

»Was für ein Geballer!«, rief Ben. »Hast du sie alle

erwischt?«

Luke schüttelte den Kopf. »Bloß drei. Die anderen sind mit Machtsprüngen durch dieses Fluchtloch gesprungen, das ich geschnitten habe.« Er richtete sich auf. dann streckte er eine Hand in Richtung des Gangendes aus und benutzte die Macht, um das rausgeschnittene Schott wieder an Ort und Stelle zu platzieren. »Wer auch immer diese Typen sind, sie sind keine Idioten. Sie wissen, was passieren wird, sobald sich das Azetalgas genügend verdichtet hat.«