4.
Als sich die Tempelspitzen hinter dem Nebel versteckten und ein kalter Dunst über den Gemeinschaftsplatz wehte, hatte Jedi-Ritter Bazel Warv das Gefühl, er würde auf Luft wandeln. Vielleicht weckte das feuchte Wetter gleichsam eine seiner Spezies eigene Erinnerung an die Wolkenwälder, die einst seine Heimat Ramoa bedeckten. Oder womöglich fühlte er sich so leichtfüßig, weil er an diesem Morgen zwei Stunden damit zugebracht hatte, auf sein liebstes kleines Mädchen Amelia Solo aufzupassen, ehe er den Rest des Tages in der Gesellschaft seiner Freundin Yaqeel Saav'etu verbracht hatte. Und jeder Tag, an dem er mit Yaqeel zusammen war, war ein guter. Sie war klug und anmutig, mit seidigem Bothaner-Fell, das an nebligen Tagen wie diesem an gesponnenes Gold erinnerte, und es schien sie niemals in Verlegenheit zu bringen, mit einem scharfäugigen, jadehäutigen Koloss wie Bazel gesehen zu werden.
Heute jedoch wirkte Yaqeel nicht ganz so ungezwungen wie sonst. Ihrer Machtaura haftete etwas Dorniges an, das normalerweise erst zutage trat, unmittelbar bevor sie jemanden knurrend zurechtwies, der sich unhöflich, selbstsüchtig oder auf andere Weise unangenehm verhielt. Bazel konnte sich nicht vorstellen, dass er das Ziel ihres Zorns war - das war er noch nie gewesen. Doch er glaubte auch nicht, dass sie immer noch über die Art und Weise wütend war, wie der Kellner beim Mittagessen gelacht hatte, als er einen Zehn-Kilo-Korb Robal-Blätter bestellen wollte.
Vielleicht war Yaqeel verärgert, weil ihrer einzigen Aufgabe für heute bislang noch kein Erfolg beschieden gewesen war: in
Tahiri Veilas Quartier zu gelangen, um herauszufinden, warum sie nicht auf Jaina Solos Anrufe reagierte. Unglücklicherweise hatten sie strikte Anweisungen erhalten, sich nicht bei irgendetwas Illegalem erwischen zu lassen, und der toydarianische Verwalter des Gebäudes hatte nicht bloß Yaqeels Bemühungen widerstanden, ihn mit der Macht zu beeinflussen, sondern seine Versuche gleichfalls als Beleidigung empfunden und klargestellt, dass er das Apartment den ganzen Tag über sorgsam im Auge behalten würde.
Dennoch hatte Yaqeel in diesem Moment nicht den Eindruck vermittelt, darüber sonderlich erzürnt gewesen zu sein. Sie hatte einfach mit den Schultern gezuckt und war gegangen, um Bazel dann zu erklären, dass sie in dieser Nacht zurückkommen würden, sobald der Toydarianer es leid war, Wache zu halten. Damit blieb bloß eine einzige andere Möglichkeit.
Als sie durch den berühmten Wandelgarten des Gemeinschaftsplatzes weiter auf den Tempel zugingen, begann Bazel. in der kehligen Sprache seiner Spezies zu knurren und zu grunzen. Es lag nicht an Yaqeel, dass die Leute ihnen den ganzen Tag lang aus dem Weg gegangen waren, versicherte er ihr. Dafür sei sie viel zu hübsch. Allerdings wurde der Bürgerschaft von Coruscant durch Staatschefin Daalas Presseerklärungen und Javis Tyrrs Holosendung der Eindruck vermittelt, der gesamte Jedi-Orden würde verrückt werden. Sobald heutzutage jemand zwei Jedi-Ritter den Gehsteig entlangkommen sah, war es nur natürlich, um die nächstbeste Ecke zu verschwinden - insbesondere wenn einer dieser Jedi über einen Meter breit war.
Yaqeel ließ ihre langen Ohren sinken und presste sie dicht an ihren Kopf, ein Verhalten, von dem Bazel mittlerweile wusste, dass es ein Ausdruck von Dankbarkeit und Zuneigung war.
»Danke, Barv!« Sie nannte ihn Barv, seit sie sich zusammen mit dem Rest der Jedi-Jünglinge im Schlund versteckt hatten, und der Spitzname war an ihm kleben geblieben. »Aber es liegt nicht an der Öffentlichkeit.«
Sie ließ eine Ohrspitze in Richtung der sorgsam gestutzten Blar-Bäume zucken, die die andere Seite des breiten Gehsteigs säumten. »Es liegt an denen.«
Bazel brauchte nicht hinzuschauen, um zu wissen, wer die waren, und er wagte zu behaupten, dass das nichts war, weswegen man wütend werden musste. Die Solos behielten sie einfach im Auge, weil sie sich Sorgen machten, dass er und Yaqeel womöglich auf dieselbe Weise erkrankten wie ihre Freunde.
Yaqeel neigte überrascht den Kopf nach vorn. »Wann hast du sie denn bemerkt?«
Bazel rieb sich das lange Kinn, und da seine Ramoaner-Kehle ihm nicht gestattete, Basic zu sprechen, grunzte er die Antwort in seiner eigenen Sprache. Es fiel ihm schwer, sich daran zu erinnern, ob er die Solos gerochen hatte, als er und Yaqeel Tahiris Wohngebäude betraten oder als sie es verließen. Wahrscheinlich, als sie es verließen.
Yaqeel knuffte ihm fest gegen die Schulter. »Und du hast es mir nicht gesagt?«
Bazel war nicht klar gewesen, dass er das musste. War ihre Nase nicht genauso groß wie seine?
Yaqeels Ohren schossen nach vorn. »Na, besten Dank!«
Sie legte an Tempo zu. Bazel eilte ihr nach; seine schweren Schritte klangen wie Trommelschläge, als die großen Sohlen auf das Pflaster trafen. Personen, die zehn Meter entfernt waren, warfen Blicke über die Schultern und sahen sich nach geeigneten Stellen um, wo sie verschwinden konnten.
Bazel schenkte ihnen keine Aufmerksamkeit. Man konnte Yaqeel nicht gerade als empfindlich bezeichnen, sodass er fürchtete, wirklich ihre Gefühle verletzt zu haben. Während er sich hinter ihr herschleppte, gab er einen steten Strom von Grunz- und Ächzlauten von sieh, um zu erklären, dass ihre Nase doch bloß im Verhältnis zur Größe ihres Gesichts so groß wie seine sei. Allerdings war Yaqeel nicht in der Stimmung für Erklärungen. Sie ging sogar noch schneller, bis sie beinahe rannte.
Sie erreichten das Ende des Gehwegs und wechselten von den Wandelgärten in die offene Weite des Tempel-Hofs. Yaqeel marschierte flotten Schrittes weiter und steuerte auf die Südseite der großen Pyramide zu, wo sich ein unterirdisches Gleiter-Tor befand, das viele Jedi als Eingang benutzten, weil Javis Tyrr und seine Hologeier-Kameraden keinen Zugang dazu hatten.
Endlich holte Bazel Yaqeel ein und wirbelte herum, um ihr den Weg zu versperren. Ihre Augen waren weit aufgerissen und wölbten sich beinahe blutunterlaufen aus den Höhlen, und unter den verzerrten Lippen zeigten sich die Spitzen ihrer Fänge. Mit einem alarmierten Grunzen packte er sie mit einer großen Hand an der Schulter und verlangte zu wissen, warum sie auf einmal solche Angst vor ihm hatte.
Yaqeels Ohren legten sich flach an die Seiten ihres Kopfes. »Das hat nichts mit dir zu tun, Bazel.«
Yaqeel nannte ihn nie bei seinem richtigen Namen -offensichtlich war irgendetwas ganz und gar nicht in Ordnung. Er schnaubte eine Frage und verlangte zu wissen, was es war.
Yaqeel warf einen Blick über die Schulter, zurück in Richtung der Wandelgärten. »Mit denen, natürlich«, antwortete sie. »Kannst du die Veränderung nicht spüren?«
Jetzt machte Yaqeel Bazel wirklich Angst. Als er sie fragte, welche Veränderung sie meinte, wurde ihre Stimme zu einem schrillen Quieken, das vorbeikommende Passanten dazu veranlasste, einen noch größeren Bogen um sie zu machen.
»Oh, Barv, du bist einfach zu. vertrauensvoll.« Yaqeel nahm Bazel am Handgelenk und setzte sich wieder in Richtung des Gleiter-Zugangs in Bewegung, diesmal in normalerem Tempo. »Lass sie nicht wissen, dass wir ihnen auf die Schliche gekommen sind! Diesen Fehler haben die anderen gemacht.«
Bazel bekam langsam ein ungutes Gefühl. Er wollte wissen, von welchen anderen sie sprach.
Yaqeel schaute mit einem zusammengekniffenen Auge zu ihm auf. »Die anderen, die wie wir sind, natürlich!«
Bazel erkundigte sich danach, ob sie damit den Rest der Einheit meinte, Jysella und Valin.
Yaqeel nickte und fügte hinzu: »Und Seff und Natua auch.«
Sie gingen gerade schräg am Haupteingang vorbei, wo ein komplettes Einsatzteam des Sicherheitsdienstes der Galaktischen Allianz - inklusive gepanzerter Schwebewagen -stationiert worden war, um Daalas Autorität durchzusetzen. Zu beiden Seiten davon standen zwei Nachrichtenfahrzeuge, die auf ihren Parkstreben ruhten, bis sich ihnen die nächste Gelegenheit bot, den Jedi-Orden in Verlegenheit zu bringen, im Augenblick war Javis Tyrr nirgends zu sehen, doch Bazel machte Tyrrs charakteristisches, halb blinzelndes »Hab dich!«-Augenlogo an einem der Fahrzeuge aus, und er wusste, dass der aasfressende Reporter irgendwo ganz in der Nähe sein musste. Er zog Yaqeel auf die andere Seite, wo seine jadegrüne
Masse sie vor umherstreifenden Kameras abschirmte.
Seine schlimmsten Befürchtungen bestätigten sich, als Yaqeel nicht bemerkte, was er gerade tat. »Wir werden zuerst Seff und Natua befreien«, sagte sie. »Dann können wir vielleicht Jysella und Valin retten, einen sicheren Ort suchen, um sie aufzutauen, und herausfinden, was verkrifft noch mal hier vorgeht.«
Bazel stimmte ihr darin zu, dass es mit Sicherheit gut war, dahinterzukommen, was los war. Was er nicht sagte, war, dass Yaqeel ihm das Herz brach. Er war Seff und Natua in der Zuflucht nicht so nahegekommen wie Yaqeel und den HornGeschwistern, doch die Unterkünfte waren so beengt gewesen, dass er sich auch mit den meisten der anderen Schüler angefreundet hatte, und er wollte inständig, dass sie aus dem Anstaltsblock herauskamen - wenn sie dazu bereit waren. Jetzt fing Bazels beste Freundin an, sich zu verhalten, als wäre sie drauf und dran, ihnen Gesellschaft zu leisten, was fraglos eine bessere Alternative war, als wie Valin und Jysella in Karbonit eingefroren zu werden. Dass das geschah, würde Bazel niemals zulassen.
Als sie sich der Ecke des Tempels näherten, warf Bazel einen letzten Blick zu den Kamerafahrzeugen zurück und entdeckte eine einzelne Linse, die auf sie gerichtet war - zweifellos, um Archivaufnahmen von ihm zu machen, damit sie irgendetwas im Kasten hatten, wenn sie einen neuen Bericht über die Jedi-Bedrohung sendeten. Er hob eine Hand, wie um zu winken, während er gleichzeitig einen Machtfunken auf das Fahrzeug zufliegen ließ, der sein Bild - und die meisten anderen Aufnahmen dieses Tages - aus dem digitalen Datenspeicher der Kamera löschen würde.
Sie bogen um die Ecke und kamen zu einer Hecke hoher
Rutolu-Büsche, deren violette Blätter so lang und schmal wie Dolche waren. Ein frisch gestapfter Pfad führte durch die Hecke zu einer brusthohen Sicherheitsmauer, die den versenkten Eingang zum Gleiter-Tor schützte, und das war die Stelle, an der Yaqeel nach ihrem Lichtschwert griff. Bazel wollte unbedingt verhindern, dass sie außerhalb des Tempels Schwierigkeiten machte, wo sie womöglich einen Passanten verletzte und mit Sicherheit die Aufmerksamkeit des GASEinsatzteams erregen würde. Er packte ihr Handgelenk und zog sie weg.
Yaqeel wirbelte mit Feuer in den Augen zu ihm herum, ehe sie einen Stoß Machtenergie in seinen Arm fahren ließ, der so stark war. dass Bazel überrascht aufschrie. Er hatte noch nie zuvor gesehen, wie sie so etwas tat. Tatsächlich hatte er noch nie zuvor gesehen, dass irgendein Jedi die Macht auf diese Art und Weise einsetzte.
»Du, Barv?« Yaqeels Hand fiel auf ihr Lichtschwert. »Die haben dich.«
Bazel stieß ein angewidertes Schnauben aus und merkte an, dass sie niemanden aus dem Anstaltsblock befreien würden, indem sie versuchten, sich ihren Weg in den Tempel freizukämpfen. Der Plan sah vor, die Jedi zum Narren zu halten, schon vergessen?
Yaqeels Hand verharrte auf dem Heft ihres Lichtschwerts; die Spitzen ihres langen, brauen Fells richteten sich auf, als sie Bazel musterte. Endlich sagte sie: »Barv, wir sind die Jedi.«
Bazel verfluchte im Stillen die Begriffsstutzigkeit seiner Spezies und den scharfen Verstand der Bothaner, nahm einen tiefen Atemzug und versuchte, sich damit abzufinden, dass er gleich eine Menge Schmerzen erleiden würde. Selbst unter den besten Umständen war Bazel kein sonderlich guter Lügner, und jetzt würde Yaqeel die Macht benutzen, um zu bestimmen, ob er die Wahrheit sagte oder nicht. Damit blieb ihm bloß eine Möglichkeit: sie zu packen und zu versuchen, sie ins Innere des Tempels zu ziehen, bevor die GA-Sicherheit eintraf und die beiden Jedi sich von denen umbringen ließen.
Lind das war der Moment, in dem Bazel klar wurde, dass er sie anlügen konnte. Der Schlüssel zum Überlisten des Jedi-Wahrheitssinns lag darin, selbst an die Lüge zu glauben, die man erzählte, und wie man das machte, wusste Bazel. Er vermochte nicht zu sagen, woher er das wusste oder wo er das gelernt hatte. Doch alles, was er tun musste, war, seine Worte mit ein bisschen Machtenergie zu durchtränken, damit er selbst glauben würde, was er sagte. Und alle anderen würden das ebenfalls tun.
Also zuckte Bazel einfach die Schultern und zog die Hand von Yaqeels Lichtschwert fort. Er wies daraufhin, dass es letzten Endes vielleicht keine so gute Idee war, Seff und Natua zu retten. Die. die Falschen würden erpicht darauf sein, sie im Auge zu behalten, und in dem Moment, in dem er und Yaqeel sich dem Anstaltsblock näherten, würde man sie vermutlich hinterrücks überrumpeln, sodass sie selbst in einer Zelle endeten.
Yaqeel dachte einen Augenblick über seine Worte nach, ehe sie die Hand vom Lichtschwert nahm. »Wahrscheinlich hast du recht, Barv. Aber wir müssen es versuchen.«
Bazel seufzte erleichtert und nutzte seine neu entdeckte Machtfähigkeit, um es wie Resignation wirken zu lassen. Dann fragte er Yaqeel, ob sie bereit sei.
Yaqeel nickte. »So bereit, wie ich es jemals sein werde.« Sie zog sich an der Schutzmauer hoch, kauerte sieh auf der dunstglitschigen Oberseite hin und schaute zu Bazel hinab.
»Vergiss nicht, dich normal zu verhalten, Barv. Du darfst dich von ihnen nicht zu sehr aus der Fassung bringen lassen!«
Er versicherte ihr, dass er niemandem im Tempel Anlass dazu geben werde, sie mit Argwohn zu betrachten. Selbstverständlich war das eine weitere Lüge, doch er hatte deswegen kein schlechtes Gewissen. Sobald er Yaqeel irgendwo tief im Innern des Tempels hatte, konnte er versuchen, sie zur Vernunft zu bringen, sie dazu bringen zu erkennen, dass den anderen Jedi nichts Schlimmes widerfahren war. Und falls ihm das nicht gelang, würde zumindest jede Menge Hilfe in der Nähe sein, um sicherzustellen, dass sie nicht der GAS in die Hände fiel und wie Valin und Jysella endete.
Bazel legte einen Ellbogen oben auf die Mauer und schwang ein massiges Bein in die Höhe, sodass er rittlings darauf saß. Er blickte in einen weißen Durabetontrichter hinab, etwa fünf Meter hoch und gerade breit genug, dass zwei Speeder in entgegengesetzten Richtungen passieren konnten. Am einen Ende ging der Trichter in einen Tunnel über, der zu den GleiterHangars an der Südseite hinunterführte. Das Durastahltor an diesem Eingang stand weit offen, während ein kleiner, kuppelförmiger Lovolol-Reinigungsdroide die Schwelle polierte.
Unmittelbar vor diesem Tor standen Jaina Solo und Jagged Fel neben einem gepanzerten Luxusflitzer, den das Wappen der Imperialen Restwelten zierte. Staatschef Fel trug eine förmliche Paradeuniform; der Kragen des Hemds war noch geschlossen. Jaina war in ein lila Tageskleid gewandet, das gerade so sehr einer Jedi-Robe ähnelte, dass das Lichtschwert, das von ihrem Gürtel hing, nicht unpassend wirkte. Sie lagen einander in den Armen, küssten sich und schenkten niemand
anderem die geringste Aufmerksamkeit.
Das Fell in Yaqeels Nacken sträubte sich, und ihre Hand glitt wieder auf ihr Lichtschwert zu. Bazel wusste, dass sein Plan, sie sicher in den Tempel zu bringen, soeben ernsthaft in Gefahr geriet.
Er beugte sich dicht zu Yaqeels Ohr und knurrte, dass Jaina und ihr Freund lediglich aneinander interessiert wären. Bazel und Yaqeel sollten einfach nach unten hüpfen, sich bei ihnen für die Störung entschuldigen und ihren Weg in den Tempel fortsetzen.
Yaqeel schüttelte den Kopf. »Was macht dieser Reinigungsdroide da?«, flüsterte sie. »Irgendetwas stimmt hier nicht.«
Bazel fluchte leise, dann erklärte er ihr, dass Jaina vermutlich mit Staatschef Fel ausgegangen war und die beiden irgendwo ein spätes Mittagessen - oder ein frühes Abendessen - eingenommen hatten.
»Bazel, das sind keine normalen Leute«, zischte Yaqeel. »Das darfst du nicht vergessen!«
Bazel nickte und versicherte ihr. dass er sich bemühen würde.
Jaina musste gespürt haben, dass sie sie beobachteten, da sie mit einem Mal ihre Augen öffnete und über Staatschef Fels Schulter zu ihnen emporblickte. Anstatt den Kuss zu unterbrechen, hob sie eine Hand und winkte ihnen mit den Fingern zu. Es war eine beiläufige Geste, wie sie auch jeder andere in einer ähnlichen Situation vollführt haben könnte, doch Bazel entwickelte mehr und mehr Verständnis für Yaqeels Standpunkt. Mit Han und Leia hinter ihnen und Jaina, die ihnen den Zutritt zum Tempel versperrte, hatten die Solos sie in einer perfekten Falle. Konnte das wirklich bloß ein Zufall sein?
Jaina musste seine Verwirrung gespürt haben, da sie sich von ihrem Begleiter löste und sie zu sich herunterwinkte.
»Tut mir leid«, rief sie. Eine untypische Röte stieg in ihre Wangen - schwach, aber deutlich genug, dass es Bazel auffiel. »Ihr stört uns bei nichts. Wirklich nicht.«
Jetzt drehte sich Staatschef Fel ebenfalls um, dessen Wangen dieselbe uncharakteristische Errötung zeigten, und Bazel spürte seinen Herzschlag bis in den Hals pochen. Er konnte sich nicht vorstellen, was ihn je dazu veranlasst hatte, an Yaqeels Urteilsvermögen zu zweifeln - immerhin war sie Bothanerin, und Bothaner kannten sich mit Verrat wesentlich besser aus als Ramoaner.
»Bitte, lasst euch von uns nicht aufhalten«, rief das Wesen, das wie Staatschef Fel aussah. »Ich wollte gerade gehen.«
Yaqeel schien vor Unentschlossenheit erstarrt, also zwang Bazel sich zu einem Lächeln und entgegnete, dass das kein Problem sei und sie keine Eile hätten. Er legte ein wenig Machtenergie in seine Worte, aber allem Anschein nach konnte die Fähigkeit, eine glaubwürdige Lüge zu erzählen, sie nicht aus allem herausholen. Das Wesen, das Jaina verkörperte, runzelte die Stirn und kam um das Gefährt herum auf sie zu. Nicht-Fel beugte sich in die offene Tür, um etwas zu seinem Fahrer zu sagen.
Bazel äußerte die Ansicht, dass sie möglicherweise in einen Hinterhalt geraten waren.
»Möglicherweise?« Yaqeel riss mit einem Ruck ihr Lichtschwert vom Gürtel und wandte sich wieder der Rutolu-Hecke zu. »Lass uns von hier versch...«
Yaqeel ließ den Satz unvollendet, als sich zwei Wesen, die sehr nach Han und Leia Solo aussahen, durch die Hecke drängten. Ihre Wangen wiesen nicht dieselbe Rötung auf, wie
Bazel sie bei Jaina und Staatschef Fel gesehen hatte, doch er wusste, dass es nicht die echten Solos sein konnten, weil Han nicht die Fähigkeit besaß, Machtsprünge zu vollführen, und das hieß, dass er den Tempel nicht durch diesen Eingang betreten konnte. Abgesehen davon meldete sich Bazels Gefahrensinn mit Nachdruck zu Wort, denn beide Solos hielten etwas hinter dem Rücken, und er wusste, dass der richtige Han und die richtige Leia ihm oder Yaqeel niemals Schaden zufügen würden.
Nicht-Leias Blick glitt geradewegs zu dem Lichtschwert in Yaqeels Hand. »Yaqeel, warum hast du dein Lichtschwert herausgeholt? Gibt es irgendein Problem?«
Nicht-Leia sprach immer noch, als Yaqeel vorsprang und brüllte: »Ihr seid.«
Nicht-Han riss bereits die Hand herum. Bazel erhaschte einen flüchtigen Blick auf die silberne Form irgendeiner Art von Handfeuerwaffe, dann hörte er das Pfuut-Pfuut fliegender Pfeile.
Yaqeel stieß einen überraschten Schrei aus; ihre Knie gaben nach, als sie vor Nicht-Leia landete. Sie aktivierte ihr Lichtschwert und ließ das Handgelenk in einer ungeschickten Attacke herumschnellen, doch Nicht-Leia war bereits außer Reichweite getreten. Die Klinge erlosch ruckartig, als das Heft aus Yaqeels zuckender Hand gerissen wurde.
Bazel verfolgte entsetzt, wie Yaqeels Augen in ihrem Kopf nach hinten rollten und Sabber die lange, rote Zunge hinabsickerte, die ihr seitlich aus dem Mund hing. Er brüllte ihren Namen und griff nach seinem eigenen Lichtschwert -dann bemerkte er die Betäubungspistole, die Nicht-Leia auf ihn gerichtet hielt.
»Bazel, das war bloß ein Betäubungsmittel«, sagte Nicht-
Leia. »Yaqeel ist nichts passiert.«
»Ja«, stimmte Nicht-Han zu. »Wie steht's mit dir?«
Bazel erwog, den Versuch zu unternehmen, die beiden unter Einsatz seiner Körpermasse zu überwältigen und mit Yaqeel zu fliehen. Aber er saß noch immer rittlings auf der Mauer, sein Lichtschwert hing an seinem Gürtel, und beide Nicht-Solos hielten Betäubungspistolen in Händen. Er war schlichtweg nicht schnell genug, also bewegte er die Hand vom Lichtschwert fort und nickte, wobei er seine neue Fähigkeit benutzte, um ein wenig Macht hinter die Geste zu legen.
Schlagartig entspannten sich die Gesichter beider NichtSolos, und Nicht-Han stieß vor Erleichterung einen Pfiff aus. »Gut. Einen Moment lang dachte ich, wir hätten euch beide verloren.«
Bazel schüttelte den Kopf, um ihm zu versichern, dass das nicht der Fall war. Er guckte sich eine Landestelle dicht bei Yaqeel aus und rückte seine Beine zurecht. Falls er flink genug war, gelang es ihm vielleicht, sich Yaqeel zu schnappen und durch die Hecke zu verschwinden, ehe.
»Bleib da oben, Bazel!«, wies Nicht-Leia ihn an. »Wir reichen sie hoch.«
»Ja, wir müssen von hier verschwinden.« Nicht-Han kickte Yaqeels Lichtschwert beiseite, dann schob er die Betäubungspistole ins Halfter und bückte sich, um ihre bewusstlose Gestalt hochzuheben. »Dieses GAS-Team war bereits unterwegs hierhin, als wir durch die Hecke kamen.«
Bazel ließ sich wieder rittlings auf die Mauer sinken, ehe er eine Hand nach unten streckte, um Yaqeels schlaffe Gestalt entgegenzunehmen. Diese Fähigkeit zu lügen, war eine nützliche Sache, sinnierte er. Wenn die Schwindler sie einfach zu ihm heraufreichten, konnte er sie vielleicht tragen, bis er
eine Möglichkeit fand zu.
Seine Hoffnungen auf eine leichte Flucht kamen zu einem abrupten Ende, als er ein Paar zierlicher Füße hörte, die hinter ihm oben auf der Mauer landeten. Beide Nicht-Solos leisteten glaubwürdige Arbeit darin, überrascht dreinzuschauen. NichtHan ließ sogar seine Kinnlade nach unten klappen.
»Jaina?«, keuchte Nicht-Han. »Was machst du denn hier?«
»Lange Geschichte«, antwortete Nicht-Jaina. Dem Klang ihrer Stimme nach zu urteilen befand sie sich weniger als zwei Meter hinter Bazel - problemlos in Reichweite seiner schlaksigen Arme. »Aber vielleicht solltet ihr Yaqeel lieber mir geben.«
Nicht-Han und Licht-Leia runzelten gleichermaßen die Stirn und warfen unbehagliche Blicke in Bazels Richtung. Das war der Moment, in dem Bazel die Schwachstelle seines Plans klar wurde. Wenn die Blender echte Jedi durch ihre eigenen Kopien ersetzten, würden sie wissen, wen sie bereits ersetzt hatten -und wen nicht. Sie hatten Bazel zum Narren gehalten, hatten ihn in eine angreifbare Position gebracht, damit es einfacher sein würde, ihn auszuschalten. Und sein ramoanischer Verstand war zu beschränkt gewesen, das zu erkennen! Manchmal hasste er es, so ein großer Einfaltspinsel zu sein, hasste sich dafür, dass es so leicht war, ihn auszutricksen. Und sie hasste er dafür, dass sie ihren Vorteil daraus zogen.
Bazel blaffte zornig, dann wirbelte er herum und ließ die langen Arme in Nicht-Jainas Richtung schnellen. Er hörte sie überrascht aufschreien, dann spürte er einen befriedigenden Aufprall, als er sie am Oberkörper traf und sie davonfliegen ließ.
Das Nächste, das Bazel vernahm, war das Pfuut-Pfuut durch die Luft sausender Pfeile. Gesicht und Arme explodierten in feurigen Wogen stechenden Schmerzes, und schlagartig wurde ihm schwindelig und mulmig zumute. Er spürte, wie er fiel und gegen ein Hindernis aus nachgebendem Metall krachte, und er hoffte, dass dieses ganze Aufschlagen bedeutete, dass von ihm nicht genug übrig bleiben würde, um ihn zu duplizieren.