1.


Tief im Innern des Jedi-Tempels auf Coruscant war der Anstaltsblock verborgen, ein Transparistahlwürfel, der in seinem eigenen versteckten Atrium stand, gebadet in künstlichem blauen Licht und umgeben von sorgsam arrangierten Reihen eingetopfter Olbio-Bäume. Leia Solo konnte Seff Hellin in seiner Zelle zwei Etagen höher knien sehen, als sie durch die Blätter emporspähte. Er befand sich in der nächstgelegenen Ecke und starrte auf seine blutigen Fingerknöchel, als wäre er überrascht, dass stundenlanges Hämmern gegen fusionsgeschweißte Nähte sie tatsächlich verletzt hatte. In der Zelle nebenan kratzte Natua Wan ohne Unterlass an ihrem Türschloss und versuchte, ihre abgesplitterten Krallen in die Magnetdichtung zu schieben, die man nicht einmal mit einem Nanoskalpell hätte ankratzen können.

Die beiden in einem solchen Zustand zu sehen, ließ Leias Herz schmerzen. Außerdem beunruhigte es sie, dass beide Kinder von Corran Horn derselben »Krankheit« zum Opfer gefallen waren. Jetzt, wo die Tempel-Wissenschaftler in ihrem Bemühen, die Ursache dafür zu identifizieren, keinen Schritt vorangekommen waren, befürchtete sie langsam, dass dieser sonderbare Irrsinn womöglich eine ganze Generation von Jedi-Rittern befallen könnte. Und das war etwas, das sie nicht zulassen würde - nicht, wenn jeder neue Fall sie daran erinnerte, wie verwirrt und hilflos sie sich dabei gefühlt hatte, Jacen an den Wahnsinn der Sith zu verlieren.

In dem unsichtbaren Kraftfeld, das das Atrium umschloss, erschien der goldene Umriss eines Zugangsportals. Mit Han und C-3PO im Schlepp betrat Leia das nach Laub riechende Innere. Sie war nicht überrascht, einen subtilen Stich des Verlusts und der Isolation zu verspüren. In den Olbio-Bäumen tummelten sich Ysalamiri. kleine weiße Reptilien, die sich vor Raubtieren schützen, indem sie eine Leere in der Macht erzeugen. Diese Anpassung der Evolution war ein unschätzbares Werkzeug für jeden, der abtrünnige Machtnutzer einsperren wollte - und in letzter Zeit gehörten die Jedi nur allzu oft selbst dazu.

Als sich das Portal knisternd hinter ihnen schloss, lehnte Han sich dicht zu ihr und wärmte Leias Ohr mit einem Flüstern. »Ich denke nicht, dass es hilfreich ist, sie von der Macht abzuschneiden. Sie wirken verrückter als je zuvor.«

»Seff und Natua sind nicht verrückt«, tadelte Leia ihn. »Sie sind krank, und sie brauchen unser Verständnis.«

»He, keiner versteht Verrückte besser als ich!« Han drückte beruhigend ihren Arm. »Mich nennen die Leute immer verrückt.«

»Da hat Captain Solo ganz recht«, stimmte C-3PO zu. Der goldfarbene Protokolldroide stand dicht hinter den Solos; seine metallene Brustplatte drückte sieh kalt gegen Leias linke Schulter. »Im Laufe unserer Verbindung wurde Captain Solos geistige Gesundheit durchschnittlich drei Mal pro Monat infrage gestellt. Gemäß der psychiatrischen Gutachtensvorschriften vieler entsprechender Einrichtungen würde ihn dieser Umstand allein bereits für eine Zelle im Anstaltsblock qualifizieren.«

Han warf dem Droiden einen finsteren Blick zu. ehe er sich mit seinem besten beruhigenden Grinsen wieder an Leia wandte. »Siehst du? Vermutlich bin ich der Einzige im ganzen Tempel, der auf ihrer Wellenlänge liegt.«

»Das würde mich nicht überraschen«, meinte Leia. Sie schenkte ihm ein schiefes Lächeln, dann tätschelte sie die Hand, die ihren Arm umfasst hielt. »Scherz beiseite, ich wünschte mir wirklich, du misstest, was mit ihnen los ist.«

Jetzt war es Han. der ernst wurde. »Ja. Zu sehen, wie sie so durchdrehen, weckt schlechte Erinnerungen. Richtig schlechte Erinnerungen.«

»Das tut es«, bestätigte Leia. »Aber das ist nicht dasselbe. Als endlich irgendjemand erkannt hat, was mit Jacen nicht stimmte, führte er bereits die Galaktische Allianz.«

»Ja, und wir waren der Feind«, stimmte Han zu. »Ich wünschte bloß, wir hätten Jacen seinerzeit in einen Inhaftierungsblock stecken...«

»Das hätten wir auch getan, wenn es irgendeine Möglichkeit gegeben hätte, ihn lebend zu schnappen«, unterbrach Leia ihn. Sie sprachen nicht allzu häufig über dieses Thema, doch wenn sie es taten, war sie jedes Mal am Boden zerstört, und das konnte sie jetzt nicht zulassen. »Konzentrieren wir uns einfach auf die Jedi, die wir retten können.«

Han nickte. »Ich bin dabei. Ich möchte nicht, dass die Familie irgendeines anderen von einer Plasmaexplosion erwischt wird, wie sie uns getroffen hat.«

Han sprach noch, als Meisterin Cilghal und ihre Assistentin Tekli erschienen und zwischen den beiden Reihen eingetopfter Olbio-Bäume entlanggingen. In ihren weißen Medikitteln machte das Paar einen tristen Eindruck: Cilghal eine Iangköpfige Mon Calamari mit traurigen Kugelaugen, Tekli eine zierliche Chadra-Fan, die ihre klappenartigen Ohren eng an das Kopffell angelegt hatte. Cilghal streckte ihre flossenartige Hand erst Leia und dann Hau entgegen, während sie mit plätschernder Mon-Calamari-Stimme das Wort ergriff. »Jedi

Solo, Captain Solo, danke für das schnelle Kommen. Ich vertraue darauf, dass es möglich war. so kurzfristig jemanden zu linden, der auf Amelia achtgibt?«

»Kein Problem«, antwortete Hau. »Barv hat ein Auge auf sie.«

»Barv?«. quiekte Tekli. »Etwa Bazel Warv?«

»Ja. Amelia liebt den großen Kerl einfach.« Hau lächelte. »Ich fange an. zu glauben, dass dieses Mädchen einen Ramoaner heiraten wird, wenn sie groß ist.«

Der Blick, den Tekli Cilghal zuwarf, war beinahe unmerklich, ebenso wie die Reaktion der Mon Calamari darauf, die kurz mit dem Auge, das ihrer Assistentin zugewandt war. nach unten schaute - allerdings geschah das alles nicht rasch genug, um der Aufmerksamkeit einer ehemaligen Diplomatin zu entgehen.

»Ist das ein Problem?«, fragte Leia. »Barv ist schon immer sehr gut mit ihr zurechtgekommen.«

»Ich bezweifle ernsthaft, dass es irgendetwas gibt, worüber man sich Sorgen machen müsste«, meinte Cilghal. »Es ist nur so, dass die einzige Verbindung, die wir bislang zwischen den Patienten finden konnten, ein gewisser gemeinsamer Nenner ist.«

»Was für ein gemeinsamer Nenner?«, fragte Han.

»Alter und Aufenthaltsort«. erklärte Tekli. »Alle vier Opfer befanden sich unter den Schülern, die in der Zuflucht versteckt waren.«

Leia nickte. Die Zuflucht war eine geheime Basis, in der die Jedi während der letzten Phase des Krieges gegen die Yuuzhan Vong ihre Jüngsten in Sicherheit gebracht hatten. Tief im Innern des Schlunds mit seiner Ballung Schwarzer Löcher verborgen und aus den Überresten eines verlassenen

Waffenlabors zusammengeschustert, war die Zuflucht ein recht düsterer Ort gewesen, um sich dort um die jungen Jedi zu kümmern - und womöglich ein gefährlicher, wie es jetzt schien.

»Denkt Ihr an Umweltgifte?«, fragte Leia.

»Wir haben den Ort ziemlich gründlich dekontaminiert«, fügte Han hinzu. »Aber ich nehme an, wir könnten etwas übersehen haben. Die Imperialen haben dort einiges ziemlich sonderbares Zeug hergestellt.«

Cilghal breitete die Hände aus. »Das lässt sich unmöglich sagen. Im Moment ist das Ganze nichts weiter als eine schlichte Beobachtung.« Sie senkte ein mahnendes Auge in Richtung ihrer Assistentin. »Die Patientengruppe ist zu klein, um eine statistische Übereinstimmung nachzuweisen.«

»Stimmt, aber es ist der einzige konkrete Hinweis, den wir haben«, konterte Tekli. »Und ganz gleich, ob das die Ursache für die Erkrankung ist oder nicht, Bazel hatte sowohl zu Valin als auch zu Jysella ein überaus enges Verhältnis.«

»Ja, genau wie zu Yaqeci Saav'etu«, sagte Han. »Ich habe gehört, dass Barv die vier die >Einheit< nennt.«

Leia hob eine Augenbraue. »Gehört Seff auch zu dieser Einheit?« Sie schaute auf und sah, dass Seff noch immer auf seine Hände starrte; in der Zelle nebenan machte sich Natua weiterhin an ihrem Schloss zu schaffen. »Oder Natua?«

»Nicht, dass ich wüsste«, entgegnete Han.

Tekli bestätigte dies mit einem Schütteln ihres goldpelzigen Kopfes.

»Wie wir sehen«, fuhr Cilghal wieder fort, »gibt es zahlreiche Pakten und Verbindungen. Aber welche davon sind wichtig? Oder ist das am Ende überhaupt nicht relevant?«

»Wenn irgendjemand darauf eine Antwort finden kann, dann Ihr«, meinte Leia. »In der Zwischenzeit spricht nichts dagegen, vorsichtig zu sein.«

»Natürlich nicht«, sagte Cilghal. »Wenn ihr also lieber unverzüglich zu Amelia zurückkehren möchtet.«

»Nein, ich denke nicht, dass das notwendig sein wird«, unterbrach Leia sie. »Erzwo-Dezwo ist auch da, und er hat die grundsätzliche Anweisung, mit uns in Kontakt zu treten, wenn irgendetwas anfängt, ungewöhnlich auszusehen. Und wir sind sehr darauf erpicht, Euch zu helfen.«

»Ja.« Han warf einen Blick zum Zellblock hinüber. »So. wie die beiden da oben aussehen, könnt Ihr jede Unterstützung brauchen, die Ihr kriegen könnt.«

»Vielen Dank.« Cilghal drehte sich um und winkte sie in Richtung des Zellblocks. »Allerdings ist der eigentliche Grund dafür, warum ich euch hergebeten habe, der, dass Seffs Zustand sich allmählich bessert.«

Han schaute skeptisch drein. »Dann hat er sich die Hände also nicht dabei aufgeschürft, gegen die Wände zu schlagen?«

»Doch, hat er«, gab Cilghal zu.

»Aber er hat damit aufgehört«, bemerkte Leia. »Ist das die Verbesserung?«

Cilghal nickte. »Einige Tage, nachdem wir sie von der Macht isoliert haben, begannen sowohl Seff, als auch Natua, Symptome starken psychischen Entzugs zu zeigen. Seffs gegenwärtige Ruhe deutet daraufhin, dass bei ihm womöglich die Genesungsphase eingesetzt hat.«

»Moment mal!« Han warf einen unbehaglichen Blick zu Leia hinüber. »Soll das heißen, sie sind abhängig von der Macht?«

»Alles, was wir wissen, ist. dass es da eine Verbindung zu geben scheint«, erwiderte Cilghal vorsichtig.

»Wir fragen uns, ob die Macht womöglich als so eine Art

Träger für den Irrsinn fungiert«, erklärte Tekli. »Oder vielleicht als Auslöser.«

Cilghal richtete missbilligend ein Auge auf ihre Assistentin. »Natürlich handelt es sich bei alldem zu diesem Zeitpunkt um reine Spekulation.« Das andere Auge schwang in Leias Richtung - eine Mon-Calamari-Fähigkeit. die Leia nach wie vor ein wenig verwirrend fand. »Bislang ist es uns weder gelungen den Entzug noch die Genesung zu bestätigen.«

»Und dafür braucht Ihr uns?«, mutmaßte Leia.

Cilghal nickte. »Wir würden gern heimlich einen Enzephaloscan durchführen, um zu bestimmen, wie ruhig Seff tatsächlich ist...«

»Und wir sollen ihn dabei ablenken, richtig?«, endete Han für sie.

»Wären Sie so freundlich?«, fragte Cilghal. »Wir können kein Grundbelastungsmuster messen, solange wir seine Aufmerksamkeit nicht auf irgendetwas anderes konzentrieren. Und Sie und Leia sind in Sachen Schwindelei die Besten, die wir hier im Tempel haben.«

»Auf Coruscant'«, korrigierte Han, ein bisschen zu stolz. Er stieß einen Daumen in C-3POS Richtung. »Allerdings wird unser Goldjunge hier keine große Hilfe dabei sein, irgendwen an der Nase herumzuführen. Warum wolltet Ihr, dass er mitkommt?«

»Natua hat vor sich hin gezischt, während sie sich an dem Schloss zu schaffen gemacht hat«, erklärte Tekli. »Ich fange an zu glauben, dass sie Selbstgespräche führt.«

»Das ist durchaus möglich«, merkte C-3PO an. »Die Phonetik vieler reptilischer Sprachen weist zischende Grundlaute auf. Es wäre mir eine Freude, Euch bei der Identifizierung der Sprache behilflich zu sein.«

»Eine Übersetzung wäre wesentlich nützlicher«, meinte

Tekli. »Es könnte sich als hilfreich erweisen zu wissen, was sie sagt.«

»Ce-Dreipeo steht Euch zur freien Verfügung«, sagte Leia zu Cilghal. »Genau wie Han und ich.«

Cilghal dankte ihnen und führte sie zum Anstaltsblock. Tekli verschwand im Kontrollraum, um zwei Schockstäbe für die Solos und eine Betäubungsmittelpistole für Cilghal zu holen, ehe sie verkündete, dass sie mit dem Enzephaloscanner zu ihnen stoßen würde, sobald Seff abgelenkt war. Leia und Han verstauten die Schockstäbe hinten am Kreuz unter den Gürteln, dann folgten sie Cilghal zu einem Turbolift und fuhren zum Laufsteg im 2. Stock hoch.

Die längs des Laufstegs aufgereihten Zellen waren eindeutig eher zu dem Zweck entworfen worden, jemanden sicher zu verwahren, als ihn zu bestrafen, da sie mit Fließformsofas, holografischen Unterhaltungsanlagen und blickgeschützten Sanitärkabinen ausgestattet waren. Dem gedämpften Kratzen von Fingernägeln nach zu urteilen, das durch die zweite Tür drang, bot dieser Unterschied Natua Wan allerdings keinen Trost.

Die erste Tür stand offen. Im Innern der Zelle saß ein großer, kräftig aussehender menschlicher Jedi und meditierte, wobei auf dem einen Knie eine nach oben gewandte Handfläche ruhte, und auf dem anderen ein Armstumpf. Auf dem Boden neben ihm lag eine künstliche Hand, mit der Handfläche nach oben, deren Daumen und Mittelfinger sich berührten. Dutzende von Operationen und Hauttransplantationen hatten seine Brandverletzungen bis zu dem Punkt wiederhergestellt, dass sein Gesicht zwar künstlich, aber nicht mehr grässlich aussah; allerdings waren seine Ohren flach und unförmig geblieben, und die stoppelige Beschaffenheit seines kurzen

blonden Haars verriet den synthetischen Ursprung.

Als sich die Gruppe seiner Tür näherte, öffneten sich die blauen Augen des Jedi ruckartig und fixierten erst Leia, dann Han. »Prinzessin Leia, Captain Solo«, sagte er. »wie schön, dass wir uns wiedersehen!«

»Das finden wir auch, Raynar«, sagte Ilan. »Geht's dir gut hier drin?«

»Sehr gut«, entgegnete Raynar. »Vielen Dank.«

Raynar Thul, ein trauriges Beispiel für den Preis, den junge Jedi für ihren Dienst an der Galaxis zu häufig zahlten, war beim selben Kampfeinsatz als vermisst gemeldet worden, der das Leben des jüngsten Sohns der Solos - Anakin - gefordert hatte. Jahre später war Raynar als UnuThul wieder aufgetaucht, als jener grausam entstellte, wahnsinnige Neunister, der die Expansion der Killik-Kolonie in die Chiss-Territorien geleitet hatte. Zum Glück hatte sich Raynar nicht als zu mächtig erwiesen, um ihn lebend zu fangen, und mittlerweile war er seit mehr als sieben Jahren im Anstaltsblock zu Hause, während Cilghal ihm dabei half, wieder zu Verstand zu kommen.

Wäre damals Natasi Daala die Staatschefin der Galaktischen Allianz gewesen, hätte man Raynar vermutlich in Karbonit eingefroren und im nächstbesten Inhaftierungszentrum aufgehängt - genau, wie es Valin und Jysella Horn widerfahren war, als sie krank wurden. Und dieser Gedanke machte Leia so wütend wie einen Wampa in der Sauna. Jeder, dessen Verstand unter dem gelitten hatte, was sie für die Allianz erduldet hatten, verdiente es, wieder gesund gemacht zu werden, anstatt das Etikett »Gefahr für die Gesellschaft« verpasst zu bekommen und wie ein Wandkunstwerk behandelt zu werden.

Leia blieb am Eingang zu Raynars Zelle stehen. »Hallo, Raynar. Cilghal hat uns erzählt, dass du großartige Fortschritte gemacht hast.« Tatsächlich hatte die Mon Calamari den Solos gesagt, dass alles, was noch zu tun war, darin bestand, Raynar dazu zu bringen zu begreifen, dass er wieder gesund war. »Brauchst du irgendetwas?«

»Nein, es ist mir erlaubt, den Proviantmeister selbst zu besuchen«, entgegnete Raynar. Er warf einen Blick in Richtung der angrenzenden Zelle, wo Natua immer noch an ihrer Tür kratzte, und grinste ein wenig spitzbübisch. »Es sei denn, man könnte etwas gegen diesen Lärm unternehmen. Das reicht, um einen Mann in den Wahnsinn zu treiben!«

»Kein Problem«, meinte Han, der die Hand nach der Kontrolltafel an der Außenseite der Zelle ausstreckte. »Es wird ruhiger sein, wenn wir die Tür zu.«

»Wenn ich's recht bedenke«, unterbrach Raynar ihn, »vielleicht gewöhne ich mich ja an den Krach.«

Han grinste. »Ich dachte mir schon, dass dir das bei deinem Problem hilft.«

»Du solltest dich um eine Zulassung als Therapeut bemühen, Schatz«, sagte Leia trocken. Sie wandte sich an Raynar. »Aber im Ernst, Raynar, wenn der Lärm dich stört, warum wechselst du dann nicht einfach dein Quartier?«

Raynars Augen wurden so groß, wie es seine starren Brauen zuließen. »Meine Zelle verlassen?«

»Die Tür steht ohnehin schon seit einer ganzen Weile offen«, ergänzte Cilghal. »Und falls sich die Lage bezüglich der jungen Jedi weiter verschlechtert, brauchen wir vielleicht dein Zimmer.«

»Oben auf der Schlafsaalebene gibt es jede Menge leerer Unterkünfte«, merkte Han an.

Raynar nahm seine künstliche Hand an sich, dann erhob er sich und trat auf die Tür zu. »Wäre ich dort willkommen?«

»Das hängt davon ab«, sagte Han mit einem Grinsen. »Wirst du deine Hausarbeiten selbst erledigen?«

»Die Zeiten, in denen ich mich als etwas Besseres erachtet und mich geweigert habe, Hausarbeiten zu erledigen, sind lange vorbei, Captain Solo.« Raynars Tonfall war eher verwirrt denn empört, als wäre er so in Gedanken versunken, dass ihm ganz entgangen war, dass Han scherzte. Er stand an der Tür, erwog seine Optionen, dann zuckte er mit den Schultern und legte seine künstliche Hand an. »Ich weiß nicht, ob ich dafür bereit bin. Ich weiß nicht, ob die dafür bereit sind.«

Leia schickte sich gerade an, darauf hinzuweisen, dass es bloß eine Möglichkeit gab, das herauszufinden, doch bevor sie etwas sagen konnte, ging Raynar wieder zur Mitte seiner Zelle. Cilghal schüttelte enttäuscht den Kopf, Han seufzte, und Leia biss sich frustriert auf die Lippen.

»Immer locker bleiben!«, rief Raynar über die Schulter. »Ich muss bloß packen. Immerhin war ich eine ganze Weile hier, nicht wahr?«

Leias Erleichterung war bittersüß. So froh sie auch darüber war, dass Raynar seine Zelle verließ, so sehr wünschte sie sich, dass Inhaftierung und Rehabilitation auch für ihren Sohn Jacen möglich gewesen wären. Doch Jacen war zu mächtig, um ihn gefangen zu nehmen, und zu zerstörerisch, um ihn in Freiheit zu lassen. Letzten Endes war ihnen keine andere Wahl geblieben, als ihn zur Strecke zu bringen.

Wir hatten keine andere Wahl.

Das rief Leia sich nahezu jeden Tag ins Gedächtnis. Und dennoch wusste sie, dass sie und Han sich bis zu ihrem Tode fragen würden, warum sie die Gefahr, in der Jacen schwebte, nicht rechtzeitig erkannt hatten, um ihn zu retten; warum ihnen nicht klar geworden war, dass ihr Sohn der Dunklen Seite anheimfiel, bis es zu spät gewesen war...

Sobald Raynar damit begonnen hatte, seine wenigen Habseligkeiten zusammenzupacken, lächelte Cilghal und führte sie weiter den Laufsteg entlang. Als sie an der nächsten Zelle vorbeikamen, hörte Natua auf, an ihrem Türschloss zu kratzen, und drückte sich gegen den Transparistahl, ihre zusammengekniffenen Augen auf Han gerichtet. Über ihre zarten Gesichtsschuppen breitete sich ein rötlicher Farbton aus, und sie schob eine Hand an der Wand entlang, um sie in seine Richtung auszustrecken.

»Captain Solo!« Selbst durch die elektronischen Lautsprecher, die ihre Worte auf den Laufsteg übermittelten, klang Natuas Stimme sanft und schmeichelnd. Leia war nur froh, dass die starken Anziehungspheromone der Falleen sicher im Innern ihrer Zelle eingeschlossen waren. »Bitte. holen Sie mich hier raus! Die tun mir weh.«

»Nicht so sehr, wie du dir selbst wehtust«, erwiderte Han und wies auf die purpurnen Schlieren, die ihre blutigen Fingerspitzen auf der Wand hinterlassen hatten. »Tut mir leid, Nat. Du musst hierbleiben und zulassen, dass sie dir helfen.«

»Das hier ist keine Hilfe!« Natua schlug so fest gegen die Wand, dass das daraus resultierende Pang C-3PO dazu brachte, nach hinten gegen das Sicherheitsgeländer zu stolpern. Sie fing an, in der sonderbaren, zischelnden Sprache zu fluchen, die Tekli vorhin erwähnt hatte. »Sseorhstki hsuzma sahaslatho Shi'ido hscsstivaph!«

»Ach, du liebe Güte!«, rief C-3PO aus. »Jedi Wan schwört, Captain Solo und seine Mitverschwörer auf schrecklich unangenehme Weise zu töten. Zum Glück hat es den Anschein, als hätte sie ihr Vorhaben nicht sonderlich gut durchdacht. Ich habe nicht einmal Gedärme.«

»Dann erkennst du die Sprache?«, fragte Leia.

»Natürlich«, antwortete C-3PO. »Das alte Hsoosh ist in den Hohen Häusern der Falleen nach wie vor die Zeremoniensprache.«

»Die Zeremoniensprache?«, echote Han. »Wie die, die sie dazu benutzen, um feierliche Schwüre abzulegen?«

»Korrekt«, bestätigte C-3PO. »Die führenden Klassen haben sie mehr als zweitausend Standardjahre lang lebendig gehalten, um sich von der Masse abzuheben.«

»Dreipeo, das ist im Augenblick nicht von Belang«, unterbrach Leia ihn. Die Art und Weise, wie Han die Zähne zusammenbiss, verriet Leia, dass eine verrückte Jedi, die Todesschwüre gegen sie ausbrachte, ihn ehrlich beunruhigte. Eine Lektion über die Historie der alten Hsoosh-Sprache hätte womöglich genügt, um ihn dazu zu bringen, C-3POS innere Mechanik herauszureißen. »Warte hier und gib uns Bescheid, was Natua sonst noch zu sagen hat!«

C-3PO bestätigte den Befehl, und Leia und Han folgten Cilghal zur nächsten Zelle. Seff hatte sich in die hintere Ecke begeben, wo er jetzt kniete, das Gesicht von der Tür abgewandt, die zerschundenen Hände auf den Oberschenkeln. Das kaum wahrnehmbare Heben und Senken der Schultern wies darauf hin, dass er meditierte; möglicherweise versuchte er, seinen aufgewühlten Verstand zu beruhigen und dem, was ihm widerfahren war, einen Sinn abzugewinnen.

Cilghal schaute über den Laufsteg zurück zum Turbolift, wo Tekli mit etwas wartete, das wie ein ein Meter langer Aufzeichnungsstab aussah, der in einer Parabolantenne endete. Als die Chadra-Fan nickte, um kundzutun, dass sie bereit war, trat Cilghal näher an Seffs Zelle heran und klopfte behutsam gegen die Wand.

Seff, ein stämmig gebauter junger Mann mit kantigen Schultern und hellem, lockigem Haar, reagierte, ohne den Blick von der Ecke abzuwenden. »Ja, Meisterin Cilghal?«

Seine Stimme drang aus dem kleinen Lautsprecher nahe der Tür, und als Cilghal antwortete, beugte sie sich vor, um ihren Mund nah an das winzige Mikrofon darunter zu bringen.

»Woher wusstest du, dass ich es bin?«, fragte sie.

»Ihr.« Seff mühte sich um eine Erklärung, ehe er schließlich sagte: »Ihr seid es immer... oder Tekli. Und Tekli käme nicht so hoch beim Anklopfen.« Er zuckte die Schultern. »Also, um die Frage zu beantworten, die Euch zweifellos auf der Zunge liegt: Nein, ich habe nicht die Fähigkeit entwickelt, durch eine Ysalamiri-Leereblase mit der Macht in Verbindung zu treten.«

»Aber du scheinst dich tatsächlich besser zu fühlen«, sagte Cilghal.

»Da werde ich mich auf Euer Wort verlassen müssen.« Seff blieb in der Ecke kauern, ohne sie anzusehen, doch sein Tonfall wurde weicher. »Ich habe keine klare Erinnerung daran, wie ich mich zuvor gefühlt habe.«

Cilghal rollte ein hoffnungsvolles Auge in Leias Richtung, ehe sie von neuem zu Seff sprach. »Erinnerst du dich daran, warum du hier bist?«

»Das hängt davon ab, was Ihr mit hier meint. Ich entsinne mich, den Versuch unternommen zu haben, Valin Horn aus den Fängen der GA-Sicherheit zu retten. Und ich entsinne mich, von einer Person angegriffen worden zu sein, die sehr nach Jaina Solo aussah.« Seff hielt inne und schüttelte den Kopf. »Ich nehme an, dass ich mich im Anstaltsblock auf der Inhaftierungsebene des Jedi-Tempels befinde, aber nichts

davon ergibt sonderlich viel Sinn.«

»Vermutlich sollte es auch keinen Sinn ergeben«, meinte Cilghal. Sie lächelte, von einer Erleichterung erfüllt, die Leia nicht ganz teilte. »Ich fürchte, du hast in letzter Zeit unter paranoiden Wahnvorstellungen gelitten.«

Seffs Kopf und Schultern sackten in ziemlich überzeugender Weise zusammen, und er starrte weiter in die Ecke, ohne etwas zu sagen.

»Seff, du wirst wieder gesund«, sagte Cilghal. Das war etwas, was jeder gute Seelenklempner zu seinem Patienten sagen würde, ganz gleich, ob es stimmte oder nicht. »Das ist ein vielversprechendes Zeichen.«

Leia war nicht in der Lage, Mon-Calamari-Mienen gut genug zu deuten, um zu wissen, ob Cilghal das ehrlich meinte. Was sie allerdings wusste, war, dass sie selbst davon nicht überzeugt war. Die Art. wie Seif die ganze Zeit über sein Gesicht verbarg, gefiel Leia nicht. Und wenn er Schwierigkeiten hatte, sich daran zu erinnern, was mit ihm passiert war. woher wusste er dann eben, dass es immer Cilghal oder Tekli waren, die ihn besuchten?

Cilghal sprach weiterhin in das Mikrofon der Gegensprechanlage. »Seff, du hast Besuch. Wäre es in Ordnung, wenn wir hereinkommen?«

»Besuch?« Endlich wandte Seff den Blick von der Ecke ab; seine hellen Augen glänzten vor Neugierde. »Absolut. Kommt herein!«

Bevor Leia ihren Bedenken Ausdruck verleihen konnte, streckte Cilghal die Hand aus und gab einen Code ein, der das Schloss deaktivierte. Als die Tür beiseiteglitt, schaute Leia zu Han hinüber und war erleichtert, dieselbe Skepsis in seinen Augen zu sehen, die sie in ihrem eigenen Bauch fühlte. Falls

Cilghal zu optimistisch war, gab es wenigstens noch jemand anderen, der bereit war, sich bei Bedarf auf Seff zu stürzen.

»Jedi Solo, Captain Solo.« Cilghal wankte sie in die Zelle. »Bitte!«

»Die Solos?«

Seff, der eher zynisch denn erfreut klang, stand auf und wandte sich ihnen zu. Zu Leias Überraschung zeigte sich kein alarmierendes Glitzern in seinen Augen, und seine Lippen zuckten nicht, noch ließ er irgendetwas anderes Offensichtliches erkennen, das darauf hingewiesen hätte, dass Cilghals Erleichterung nicht gerechtfertigt war. Allerdings glitten seine Brauen etwas zu langsam in die Höhe, als dass sein Erstaunen aufrichtig gewesen wäre.

»Was verschafft mir die Ehre?«

»Wir wollten bloß nach dir sehen«, sagte Han. Um Seff daran zu hindern, sich der Tür zu nähern, streckte er die Hand aus und ging in die Ecke hinüber. »Schön zu sehen, dass du dich besser fühlst.«

Als Seff ihm seinerseits die Hand hinhielt, machte Leia sich bereit, beim ersten Anzeichen von Schwierigkeiten in Aktion zu treten. Dennoch blieb Seff bloß in der Ecke und wirkte gelinde verwirrt, als die beiden einander die Hand schüttelten.

Leia nahm die Hand vom Schockstab in ihrem Kreuz fort und trat neben Han. »Du siehst wirklich viel besser aus als beim letzten Mal, als wir dich sahen.«

Seffs Augen glitten in ihre Richtung. »Nach allem, was ich weiß, scheint das keine große Leistung zu sein.«

Er ließ ein unprätentiöses Lächeln aufblitzen, und Leia fragte sich, ob all die Vertrauensbrüche und Enttäuschungen, die sie im Laufe der Jahre erlitten hatte, sie langsam zu argwöhnisch machten.

»Erinnerst du dich daran, wann du die Solos gesehen hast?«, fragte Cilghal. Sie verharrte unmittelbar vor der Tür, als wäre ihre Anwesenheit eine unangenehme Notwendigkeit und als wolle sie nicht stören. »Abgesehen von hier auf Coruscant, meine ich.«

Seff runzelte einen Moment lang die Stirn, und Leia dachte, er würde sagen, dass er sich nicht entsinnen könne.

Dann jedoch ließ er erneut dieses plumpe Lächeln aufblitzen und sagte: »War das nicht auf Taris, bei dieser Tierschau?«

»Das stimmt«, bestätigte Han. Er legte Seff eine Hand auf die Schulter und glitt geschickt herum, sodass der junge Jedi die Tür im Rücken hatte, als sie miteinander sprachen. »Die, wo der Ornuk den ersten Preis gewonnen hat.«

»Han, das war nicht der Ornuk«, sagte Leia in tadelndem Ton. Sie ging herum, an Seffs andere Seite, und stand Han gegenüber, sodass sie den jungen Jedi von beiden Seiten flankierten und seine Aufmerksamkeit mit einem sanften Schubs rasch in eine andere Richtung lenken konnten. »Das war das Chitlik!«

Hau blickte finster drein. »Was redest du da? Es war dieser große Ornuk. Ich sollte es wissen: das Vieh hätte mir fast in den Knöchel gebissen!«

Leia rollte die Augen, und als Seffs entspannter Kiefer ihr verriet, dass ihr Ablenkungsmanöver funktionierte, schüttelte sie vehement den Kopf. »Das war der Cannus Solix! Das wüsstest du, wenn du nicht angefangen hättest. Schlägereien anzuzetteln, als die Preisrichter den Unterschied erklärt haben.«

»He. ich habe diese Schlägerei nicht angefangen«, konterte Han; die Schärfe in seiner Stimme war so glaubwürdig, dass selbst Leia nicht sicher war, ob er tatsächlich schauspielerte.

»Ist es etwa meine Schuld, wenn.«

»Wie oft habe ich das schon gehört?«, unterbrach Leia ihn. Sie konnte sehen, dass Tekli auf der anderen Seite der Zelle an der Tür stand und die trichterförmige Antenne des tragbaren Enzephaloscanners auf Seffs Hinterkopf richtete. »Wenn es nach dir ginge, ist es nie deine Schuld.«

»Das stimmt. ist es auch nie.« Han wandte sich an Seff. »Du warst bei der Schau, junge. Wen haben sie verhaftet?«

Doch Seff schenkte Han nicht länger irgendwelche Aufmerksamkeit. Er blickte in dieselbe Ecke, die er angeschaut hatte, als sie eintrafen, starrte einen gewölbten Schemen im Transparistahl an, den Leia nicht sofort als Spiegelbild erkannte - bis ihr klar wurde, warum Seff vorhin wusste, dass es Cilghal war, die geklopft hatte. In der Hoffnung, seine Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken, legte Leia ihm eine Hand auf die Schulter.

»Seff, bitte, verzeih uns!«, sagte sie. Als er weiterhin die Spiegelung betrachtete, drückte sie fest zu. »Wenn man so lange zusammengelebt hat wie Hau und ich, entwickelt man einige Macken.«

Leia wurde erst bewusst, dass Seff sie angriff, als sie spürte, wie sein Arm über den ihren streifte, um ihren Ellbogen in einen schmerzhaften Griff zu nehmen, dem sie nicht entkommen konnte, ohne sich das Gelenk auszukugeln. Sie wirbelte herum, rief eine Warnung und schaffte es kaum, ihn daran zu hindern, sich den Schockstab zu schnappen, den sie hinten im Gürtel versteckt hatte. Im nächsten Augenblick war Han zwischen ihnen und ließ seinen eigenen Schockstab auf Seffs Schulter herniedersausen.

Seff wich zurück und zog Leia in die Bahn des Hiebs. Zwar bekam er immer noch den Großteil des Schlags gegen seinen

Oberarm, doch sie erhielt einen so gewaltigen Stromschlag, dass sich ihre Knie versteiften und sich die Zähne tief in ihre Zunge gruben.

Unglaublicherweise ging Seff nicht zu Boden. Er trieb Han mit einem Ellbogenschlag ins Gesicht nach hinten, ehe er ihm in den Magen grätschte und ihn gegen die Wand schleuderte. Als er in Richtung Tür wirbelte, ließ er Leias Arm schließlich los und machte einen Satz auf Tekli und Cilghal zu.

»Nein, das tut ihr nicht!«, schrie Seff, der zwei Meter von ihnen weg landete. »Ihr kopiert mich nicht!«

Sowohl Leias Beine als auch einer ihrer Arme wabbelten nur noch vor sich hin, doch sie hatte immer noch eine gute Hand, mit der sie ihren Schockstab ergriff.

In diesem Moment war Seff bloß noch einen Schritt von Tekli und Cilghal entfernt.

Von der Türöffnung ertönte das Pfuut-Pfuut einer Betäubungspistole. Seff taumelte; ein Arm versuchte, die Pfeile aus seiner Brust zu schlagen, während er darum kämpfte, das Gleichgewicht zu halten. Er tat noch einen Schritt, dann aktivierte Leia ihren Schockstab und stieß ihm den Stab von hinten in die Beine. Er krachte bloß Zentimeter vor Cilghals Füßen zu Boden, wo er dann zuckend und geifernd lag.

Cilghal drehte sich zu Tekli um und ließ ein gurgelndes Seufzen hören. »Du kannst den Scanner ebenso gut ausschalten«, meinte sie. »Ich denke, wir haben erfahren, was wir wissen mussten.«