24.


Ahri Raas musste sterben, und es würde Vestara das Herz brechen, ihn zu töten.

Er hatte den ganzen Morgen über neben ihr gelegen, an ihrem üblichen Platz am Flussufer, und er hatte kein einziges Mal in ihre Richtung geschaut. Wenn man bedachte, was sie nicht anhatte - und wie sehr er seit gestern versuchte, sich normal zu geben -, verriet sein Verhalten ihr alles, was sie wissen musste. Yuvar Xal würde etwas gegen Lady Rhea unternehmen - und das schon sehr bald.

Natürlich würde der Kampf eine schreckliche Vergeudung sein. Von der Besatzung der Ewiger Kreuzfahrer waren bloß noch fünfzehn Mitglieder am Leben, und schon ein kurzer Machtkampf würde diese Zahl nochmals um die Hälfte reduzieren. Es würde nicht einmal genügend Überlebende geben, dass sie überhaupt einen Anführer brauchten. Allerdings hatte der Dschungel hungriger Pflanzen auf diesem Planeten Lady Rheas Rang ebenso verschlungen wie die Expedition selbst. Endlich bot sich Xal die Möglichkeit, sie sich vom Hals zu schaffen, und wenn Sith eine Schwäche entdeckten, schlugen sie zu. Was das anging, waren sie wie Reißzahnblumen - stets nach einem Opfer dürstend.

»Ves, bist du eigentlich je dahintergekommen?«, fragte Ahri. Seine Stimme klang ein wenig gedämpft und fern, als würde er in die entgegengesetzte Richtung schauen. »Warum Schiff dich ausgewählt hat, meine ich?«

»Ich weiß es nicht.« Vestaras Verbindung zu Schiff war der einzige Faktor, der gegen Xal arbeitete, weil es schließlich immer noch eine Handvoll Überlebender geben würde, die darauf hoffte, von Abeloths Planet entkommen zu können -und dazu mussten sie ihre Mission zu Ende bringen und Schiffbergen. »Wegen meiner mädchenhaften Schönheit, schätze ich.«

Ahri lachte leise; es klang gezwungen.

Vestara schob ihre Hand auf den Waffengürtel zu, der oben auf ihren zusammengefalteten Kleidern lag. Sie beschloss, dass sie das Parang benutzen würde, weil es relativ lautlos war. Darüber hinaus zeugte dieses Bumerangschwert im Gegensatz zum Shikkar nicht von Respektlosigkeit oder Abscheu.

»Im Ernst, Ves«, sagte er. »Besteht eine Möglichkeit, dass du Schiff wieder unter Kontrolle bekommst?«

»Sicher«, log Vestara. »Wenn wir Schiff finden, kann ich ihn befehligen.«

Vestara wusste, warum Ahri darauf drängte, mehr darüber zu erfahren. Wenn er sie dazu bringen konnte zuzugeben, dass sie Schiff nicht besser kommandieren konnte als jeder andere auch, dann war Lady Rheas letztes Standbein dahin. In den letzten paar Wochen war die gesamte Mannschaft der Ewiger Kreuzfahrer nach und nach zur Oberfläche heruntergeholt worden, um ihnen nach einer Handvoll von Schiff-Sichtungen bei der schwierigen Verfolgung zu helfen. Zwei dieser Suchmissionen hatten in der Zerstörung von Raumfähren resultiert, und die zweite Katastrophe hatte die Kreuzfahrer mit bloß noch einem einzigen Piloten - und einem einzigen Shuttle - in der Umlaufbahn gelassen.

In jener Nacht hatte Abeloth angezweifelt, dass es ihnen jemals gelingen würde, Schiff einzulangen, und verkündet, dass die Zeit gekommen sei, vom Planeten zu fliehen. Lady Rhea hatte dem letzten Piloten unverzüglich befohlen, herzukommen und den Suchtrupp abzuholen.

Unglücklicherweise war das Shuttle auf der steinigen Kruste einer alten Lavagrube gelandet. Die Einstiegsrampe war kaum runtergefahren, als auch schon der Boden einbrach. Dem Piloten gelang es, sich mit einem Sprung in Sicherheit zu bringen, doch das Schiff stürzte tausend Meter in eine Magmaquelle. Und jetzt waren keine Raumfähren mehr übrig.

Nach einer Weile sprach Ahri wieder. »Okay, zeig's mir!«

»Was soll ich dir zeigen?«

Mit einem Mal begriff Vestara, dass sie den Verrat ihres Freundes ernsthaft unterschätzt - oder ihre eigene Fähigkeit überschätzt hatte, Machtauren zu lesen. Sie zog ihr Parang aus der Scheide und rollte sich zu Ahri herum. um festzustellen, dass er sich lässig auf einen Ellbogen gestützt hatte und in die andere Richtung schaute. Langsam hob er einen wunderschön geformten Arm, der so lange dem blauen Sonnenlicht ausgesetzt war, dass die Haut jetzt beinahe saphirblau war, und deutete das Flusstal hinauf.

»Ist das nicht Schifft«, fragte er.

Vestara musste sich aufrecht hinsetzen, bevor sie erkennen konnte, worauf er zeigte, und selbst dann schwang sie beinahe ihr Parang herum, bevor ihr klar wurde, wie sehr sie sich getäuscht hatte. Ahri versuchte nicht, sie reinzulegen, um sie seinerseits zu töten. Er wies auf eine ferne Silhouette, wie eine Kugel mit Flügeln, die dicht über dem Fluss auf sie zuflog und sich so schnell bewegte, dass sie innerhalb eines Lidschlags von der Größe eines Daumennagels zu Faustgröße anschwoll.

»Nun?«, fragte er.

Ahri drehte sich wieder zu Vestara herum und sah, dass sie das Parang in der Hand hielt. Sofort wurden seine Augen groß und furchtsam, und er war so rasch auf den Beinen, dass sie Angst hatte, ihn töten zu müssen, bloß um zu verhindern, dass er überrascht aufschrie und damit ungewollt ein Blutbad auslöste.

»Sheesta, Ves!« Er taumelte einige Schritte zurück; sein Blick glitt zu seinen Kleidern, und sein Waffengürtel schwebte in seine Hand. »Hattest du gerade vor, mich umzubringen?«

»Nein, natürlich nicht«, behauptete Vestara. Sie ließ ihren eigenen Gürtel zu sich schnellen und schob den Parang in die Scheide zurück. »Ich dachte, ich hätte eine Schlangenranke gesehen, das ist alles. Seit dieses Saugschilf Lady Rhea und mich beinahe ertränkt hätte, vertraue ich nicht mehr darauf, dass Abeloth dafür sorgt, dass uns nichts geschieht.«

Ahri schaute sich an dem sandigen Ufer um. Im Umkreis von zehn Metern gab es keine Pflanzen, gleich weicher Art.

»Ah, genau«, sagte er. Er trat zurück, dann ließ er seine Kleider zu sich schweben und zog sich an. »Ich denke, wir kehren besser zu Abeloth und Meister Xal zurück. Wenn du Schiff nicht gerufen hast, waren sie es vielleicht.«

»Die waren es auch nicht«, meinte Vestara. »Das kann ich dir versichern.«

Sie streifte ihre Kleider über und machte sich dann auf den Rückweg zu den anderen, wobei sie einen Bogen um die großen Drendek-Echsen machte, die am Stand lagen und mit ihren großen grünen Schwängen Sonne tankten. Ahri begleitete sie, sorgsam darauf bedacht, ihr nicht den Rücken zuzukehren, indem er vorausging, und nicht bedrohlich zu wirken, indem er hinter ihr ging, während er die ganze Zeit über drei volle Schritte Abstand hielt, damit er Zeit haben würde, auf einen Angriff zu reagieren. Vestara hoffte, dass seine Vorsicht mehr ein Zeichen von Zorn als von Furcht war. Sobald sein Zorn abklang, konnten sie vermutlich zusammenbleiben, bis das Töten tatsächlich begann. Aber falls

Ahri sie aus Furcht auf Abstand hielt, war ihre Freundschaft vorbei. Vestara war zu gut ausgebildet, als dass sie zugelassen hätte, mit irgendeinem Sith allein zu sein, der sie fürchtete.

Als sie schließlich in Sichtweite von Abeloths traditionellem Felspodest kamen, hatte sich der Rest der Mannschaft bereits versammelt. Baad Walusari und die beiden anderen Keshiri-Offiziere standen mit Lady Rhea ein wenig abseits. Alle anderen - einschließlich Yuvar Xal - standen am Fuß von Abeloths Felsen. Alle schauten flussaufwärts in Richtung von Schiff, die Augen groß vor Überraschung und Hoffnung.

Vestara war beunruhigt, in Xals scharf geschnittenem Gesicht außerdem auch noch Entschlossenheit zu sehen. So frustrierend Schiffs plötzliches Auftauchen für ihn in diesem Moment auch sein mochte, war er zweifellos entschlossener denn je, gegen Lady Rhea vorzugehen. Als Vestara klar wurde, dass sie bloß eine einzige Chance hatte, den Angriff zu verhindern, blieb sie stehen und wandte sich dem Fluss zu.

Schiff war fast bei ihnen, eine rot geäderte Sphäre von zehn Metern Durchmesser. Seine zart wirkenden Schwängen waren beinahe senkrecht geneigt, als er langsamer wurde, um zu landen. Vestara rief ihn in der Macht. Schiff, komm zu mir!

Schiff schien belustigt. Hatten wir diese Diskussion nicht bereits?

Das hier ist etwas anderes, beharrte Vestara. Selbst wenn du Abeloth gehorchst, dienst du immer noch den Sith. Komm zu mir und rette uns... oder geh zu Xal und vernichte uns alle!

Schiff bremste ab, steuerte jedoch nicht auf sie zu, und Vestara spürte das Gewicht von einem Dutzend Blicken im Rücken. Darauf bedacht, einem Angriff zuvorzukommen, drehte sie sich auf einem Fuß herum, um Xal und Ahri im Auge zu behalten. Sie stellte fest, dass Abeloths grausames Gesicht zu ihr sah, der breite Mund gerade und grimmig, die silbernen Augen strahlten wie winzige kalte Sterne aus den Tiefen ihrer Höhlen empor.

Vestara erschauerte und schaute beiseite. Das Bemühen, dem bevorstehenden Kampf zuvorzukommen, ja, ihn sogar zu überleben, schien kaum der Mühe wert. Ob nun Lady Rhea oder Xal als Sieger daraus hervorging, änderte nichts daran, dass die ganze Mannschaft dem Untergang geweiht war. Sie waren Abeloths Spielzeug, Haustiere, die sie so lange zu ihrer Unterhaltung hielt, wie sie sie am Leben erhalten konnte, nicht mehr imstande, ohne sie auf diesem Planeten zu überleben, wie ein Canakalvogel der Keshiri außerhalb seines Käfigs. Vestara, Ahri, selbst Xal und Lady Rhea - sie alle würden hier sterben, und ob sie nun von fleischfressenden Pflanzen verschlungen wurden oder durch ihre eigenen Klingen starben, machte schwerlich einen Unterschied.

Vestara wusste das alles, wusste, dass ihre Bemühungen ihr bestenfalls einige weitere Tage des Leids und der Verzweiflung einbringen würden. Doch sie weigerte sich aufzugeben. Sie hatte die Absicht, bis zu ihrem letzten Atemzug und darüber hinaus weiterzukämpfen, jeden Gegner, den sie konnte, mit sich ins Grab zu nehmen, und wenn auch nur aus Stolz. da die einzige Wahl, die Vestara Khai noch blieb, die war, zu bestimmen, wie sie starb, und sie hatte vor, einen guten Tod zu haben.

Schiff war jetzt fast zum Stillstand gekommen und schwebte mehr oder weniger über der Mitte des purpurnen Flusses, womöglich gefangen zwischen Gehorsam und Flucht. Vestara streckte eine Hand aus, griff in der Macht nach Schiff und befahl ihm: Komm her! Sofort!

Und Schiff gehorchte.

Mit der Schnelligkeit eines Gedankens war er vor ihr und ragte mit einem Mal so groß vor ihr auf, dass Vestara dachte, er wolle gegen sie krachen. Doch sie rührte sich nicht vom Fleck und zwang sich, nicht zusammenzuzucken, damit sie nicht als Feigling starb.

Gleichwohl, Schiff konnte einen Sith ebenso wenig töten, wie er einen starken Willen missachten konnte. Er stoppte einen Meter entfernt und schwebte vor ihr. Sein augenförmiges Sichtfenster war nicht auf Vestara gerichtet, sondern auf Abeloth.

Vestara gelangte zu dem Schluss, dass sie nichts zu verlieren hatte, und befahl: Öffnen!

Wieder wirkte Schiff amüsiert. Wie du befiehlst.

In seiner Seite tat sich ein waagerechter Spalt auf, und er fuhr eine kurze Einstiegsrampe aus. Offensichtlich war das hier alles viel zu gut, um wahr zu sein. Es konnte sich bloß um eine weitere von Abeloths Fallen handeln, die umso grausamer war, weil sie die Rettung vor einem sicheren und schmerzhaften Tod verhieß.

Die übrigen Überlebenden waren zweifellos genauso überrascht wie Vestara, wenn auch vermutlich nicht so argwöhnisch. Gefühlte hundert Herzschläge lang standen sie da und starrten mit offen stehenden Mündern die sich senkende Rampe an, als hätten sie noch nie zuvor eine gesehen und könnten die Erlösung, die sie versprach, überhaupt nicht fassen.

Wie üblich Fing Lady Rhea sich am schnellsten wieder. Sie wandte sich mit ernster Miene an Vestara. »Das wurde auch Zeit, Vestara. Ich fing schon an, mich zu fragen, ob Meister Xal womöglich recht daran tat, deine besondere Bindung zu Schiff anzuzweifeln.«

Sie winkte Xals Unterstützer zur Rampe und trat selbst vor. »Wir sollten nicht krampfhaft an Traditionen festhalten«, sagte Lady Rhea, die sich jetzt an Xals Gefolgsleute wandte. »Ihr dürft vor mir an Bord gehen.«

Lady Rheas potenzielle Angreifer mussten nicht zweimal dazu aufgefordert werden, sich ihr wieder unterzuordnen. Sie eilten so rasch vorwärts, wie es ging, ohne dabei zu rennen, dicht gefolgt von Baad Walusari und den anderen beiden Keshiri-Offizieren, die die ganze Zeit über loyal zu Lady Rhea gestanden hatten. Bloß Xal und Ahri blieben zurück. Der Meister starrte Vestara unverblümt und mit düsterer Miene an, fassungslos, wie schnell sich das Blatt für ihn gewendet hatte. Sein Schüler hingegen sah aus, als würde er die heftigste Tracht Prügel seines Lebens erwarten.

Lady Rhea schenkte Meister Xal ein Grinsen, das ihm einen einsamen, schmerzvollen Tod versprach, ehe sie sich an Abeloth wandte. »Du musst jetzt an Bord gehen, Abeloth.« Obwohl ihre Worte nahelegten, dass das ein Befehl war, glich ihr Tonfall mehr einer Bitte. »Bloß der kurze Flug zur Kreuzfahrer ist ein bisschen beengt, das verspreche ich dir.«

Abeloth reagierte darauf mit: einem Lächeln, das so grausam war, dass es Xal und Ahri sicherlich ein angeekeltes Schaudern beschert hätte, wenn sie imstande gewesen wären, Abeloths wahre Natur zu sehen - so, wie sie selbst es tat.

»Ich freu mich darauf, mit Euch an Bord der Kreuzfahrer zu gehen«, sagte Abeloth, »sobald wir Luke Skywalker und seinen Sohn Ben gefangen genommen haben.«

Die Macht wogte vor Erstaunen und Verwirrung.

»Luke Skywalker?«, fragte Lady Rhea.

Abeloth nickte. »Und Ben.« Sie wandte sich in Xals Richtung und fuhr dann fort: »Sagtet Ihr nicht, dass das das

ursprüngliche Ziel der Expedition gewesen sei, Lord Xal?«

Xals Miene erbleichte, da es einem Todesurteil gleichkam, sich unberechtigt als Lord auszugeben. »Ich habe nie gesagt, ich wäre ein Lord.« Er warf Lady Rhea einen nervösen Blick zu, zweifellos, um zu sehen, ob sie die Absicht hatte, sich Abeloths Versehen zunutze zu machen, um einen Rivalen außer Gefecht zu setzen, und er bekräftigte: »Ich bin kein Lord.«

»Aber das werdet Ihr sein«. versprach Abeloth, die an seine Seite trat. »Wenn Ihr mit Luke und Ben Skywalker in Ketten nach Kesh zurückkehrt.«

»Unsere Mission wäre gewesen, die Skywalkers zu töten, nicht, sie gefangen zu nehmen«, merkte Lady Rhea an. »Allerdings wurde dieser Auftrag von dem Befehl abgelöst, Schiff zu bergen.«

In Abeloths Augen flammte Zorn auf. »Und jetzt habt Ihr Schiff geborgen, oder nicht?«

Sichtlich aufgewühlt von Abeloths Wut, nickte Lady Rhea bloß.

»Gut. Dann war Eure Mission erfolgreich.« Abeloths Augen schrumpften wieder zu silbernen Sternen zusammen. »Und jetzt kann Schiff Euch bei dieser neuen Aufgabe helfen. Stellt Euch nur vor, wie erfreut Euer Zirkel der Lords sein ward, wenn ihr mit Schiff und den Skywalkers zurückkommt.«

»Vorausgesetzt, du wirst da sein, um uns dabei zu helfen, Schiff unter Kontrolle zu halten«, entgegnete Lady Rhea. »Andernfalls fürchte ich, wird der Zirkel der Lords alles andere als erfreut sein, dass wir zwei Jedi zur letzten Bastion des Sith-Imperiums bringen.«

»Natürlich werde ich bei Euch sein«, erwiderte Abeloth besänftigend. »Denkt Ihr, ich will auf ewig in dieser Hölle festsitzen?«

Ein triumphierendes Glühen trat in Lady Rheas Machtaura, und Vestara wurde klar, dass ihre Meisterin immer noch keine Ahnung davon hatte, dass sie ausgetrickst wurde. Und wie hätte es auch anders sein können? Vestara hatte hundertmal versucht, Lady Rhea vor Abeloths wahrer Natur zu warnen, stets ohne Erfolg. Schließlich war Vestara gezwungen gewesen, zu akzeptieren, dass niemand sonst ihre Begleiterin so sehen konnte, wie sie wirklich war.

Abeloth war keine Schiffbrüchige, nicht bloß eine Frau, die hier dreißig Jahre lang gestrandet gewesen war. Sie war viel mehr als das - eine Manifestation einer uralten Macht, dunkel und abscheulich, dass es jede menschliche Vorstellungskraft überstieg. Wie konnte Lady Rhea einem solchen Geschöpf nicht willenlos ergeben sein? Wie konnte sich dem irgendjemand widersetzen? Der einzige Grund, warum Vestara noch lebte, war, dass es Abeloth amüsierte zuzusehen, wie sie darum kämpfte, nicht den Verstand zu verlieren, da war Vestara sich sicher.

Abeloth ließ ihren Blick zu Vestara schweifen und schickte ein Gefühl wie kaltes Feuer durch ihre Adern, ehe sie ihre Tentakel um Xals Schultern schlang.

»Wir müssen uns unterhalten, Lord Xal.« Abeloth bedeutete Ahri, ihnen zu folgen, drehte Xal von ihnen weg und ging auf die andere Seite von Schiff zu. Als sie Lady Rheas ansteigende Flut der Wut zu spüren schien, blieb sie stehen, schaute über die Schulter zurück und fragte: »Und wie werden sie Euch nennen, wenn Ihr im Zirkel sitzt, Lady Rhea? Lady Rhea, Hochlord der Sith?«

Lady Rheas Zorn schmolz dahin wie Eis in einem Fluss. Sie neigte den Kopf und lächelte breit. »Das wäre der korrekte Titel, ja«, erwiderte sie. »Falls ich erwählt werde.«

In Abeloths Augen funkelte Zuversicht. »Das werdet Ihr, Hochlady Rhea. Zweifelt nicht daran.«

Damit wandte sich Abeloth von neuem ab und führte Xal um Schiff herum. Vestara wartete, bis sie außer Sicht waren, dann suchte sie den Blick ihrer Meisterin und wies mit ihrem Kopf in die entgegengesetzte Richtung. Als Lady Rhea nickte, setzte Vestara sich in Bewegung und flüsterte ihrer Meisterin mit der Macht etwas zu, sodass nur sie allein ihre Worte hörte.

»Ihr wisst, dass Abeloth uns eine weitere Falle stellt, richtig?«

»Ich würde es nicht unbedingt eine Falle nennen«, entgegnete Lady Rhea. Obwohl ihre Worte kaum mehr als ein Flüstern waren, drangen sie dennoch deutlich an Vestaras Ohren. »Abeloth rekrutiert Xal bloß, um für sie zu spionieren, um sicherzugehen, dass ich nicht zu unseren ursprünglichen Befehlen zurückkehre und mich bloß damit zufriedengebe, Schiff geborgen zu haben. Sie will mit einem beeindruckenden Geschenk auf Kesh eintreffen: mit den Skywalkers als Sklaven.«

Vestara schüttelte vehement den Kopf. »Wir fliegen nicht nach Kesh«, sagte sie. »Zumindest nicht Abeloth. Habt Ihr es nicht bemerkt? Sie hat alles in ihrer Macht Stehende getan, um uns hier gefangen zu halten.«

»Weil sie die Skywalkers noch nicht in Position gelockt hatte«, beharrte Lady Rhea. »Jetzt, wo sie ein angemessenes Präsent hat.«

Vestara wirbelte zu ihrer Meisterin herum, zog mit einer Hand ihr Parang und schwang den anderen Arm so schnell empor, dass Lady Rhea noch sprach, als Vestaras geöffnete Handfläche ihre Wange rötete.

»Nein!«, platzte Vestara heraus. »Denkt nach! Wie viele Raumfähren haben wir verloren?«

In Lady Rheas grünen Augen flammte Zorn auf. »Kein Schüler, der so etwas einmal tut, lebt so lange, es noch mal zu wiederholen.«

Lady Rheas Hand fiel auf ihr Lichtschwert, doch Vestara war darauf vorbereitet und drückte Lady Rhea in dem Moment, in dem ihre Finger das Lichtschwert berührten, ihr Parang gegen das Handgelenk.

»Gebt mir zwei Minuten, bevor Ihr das tut!«, verlangte sie. »Bitte, Meisterin! Beantwortet mir bloß drei Fragen, dann könnt Ihr mich töten, wie immer es Euch beliebt. Wie viele Raumfähren haben wir verloren?«

»Nun gut.« Lady Rhea löste die Finger vom Heft ihrer Waffe, ließ die Hand jedoch weiter neben dem Lichtschwert hängen. »Alle, die wir hatten.«

»Und wie viele Besatzungsmitglieder sind noch an Bord der Kreuzfahrer?«

Lady Rheas Augen wurden kalt - und wenn sie kalt waren, dann waren sie berechnend. »Keine.«

»Letzte Frage.« Vestara zog ihr Parang von Lady Rheas Handgelenk fort. »Wenn Ihr klaren Verstandes wärt, würdet Ihr dann jemals solch törichte Fehler machen?«

Das Feuer kehrte in Lady Rheas Augen zurück, doch zusammen mit ihrem Zorn sah Vestara auch ein Flackern von Begreifen darin lodern. Langsam trat Vestara zurück und schob ihr Parang in die Scheide, ehe sie sich vor ihrer Meisterin hinkniete und den Kopf senkte.

Als ihr Kopf mehrere Sekunden später immer noch auf den Schultern weilte, war Vestara nicht übermäßig überrascht. Auf ihre Meisterin traf vieles zu, aber nicht, dass sie verschwenderisch war. Dennoch blieb Vestara knien und spielte die reumütige Schülerin, bis Lady Rhea selbst entschied,

dass die Scharade ihren Zweck erfüllt hatte.

»Du kannst dich ebenso gut erheben, Vestara«, sagte sie. »Wir wissen beide, dass ich wegen einiger angeblich unverletzlicher Regeln keine talentierte Schülerin umbringen werde.«

Vestara stand auf. »Vielen Dank, Mylady.«

»Aber wenn du das jemals wieder tust, wird es das letzte Mal sein«, warnte Lady Rhea sie. »Ich lasse mir nicht sagen, dass ich Fehler mache. Ist das klar?«

»Verzeiht mir!«, bat Vestara, die sich in die Wange biss, um sich ein Lächeln zu verkneifen. »Das wird nie wieder passieren.«

»Gut.« Lady Rhea wandte sich wieder Schiff zu, das weiterhin wartend dastand. »Gehe ich recht in der Annahme, dass du nichts mit Schiffs Sinneswandel zu tun hattest?«

»Absolut«, sagte Vestara. »Schiff hat mit mir gespielt, aber er steht nach wie vor vollkommen unter Abeloths Kontrolle.«

»Was bedeutet, dass wir auf diesem Todesplaneten gefangen sind.« Lady Rhea wurde nachdenklich. »Es sei denn.« Sie hielt inne und wandte sich dann an Vestara. »Du weißt bereits, was das heißt, oder?«

Vestara grinste, ohne dass es sie kümmerte, dass die Narbe in ihrem Mundwinkel ihr Lächeln schief wirken ließ.

»Ich glaube schon«, sagte sie. »Wenn Schiff uns alle bei einem einzigen Flug mitnehmen kann, müssen die Skywalkers ganz in der Nähe sein. Und sie müssen in irgendetwas hergekommen sein. Sobald Schiff 'uns zu ihnen gebracht hat.«

»Absolut richtig.« Lady Rhea brach ab, als Abeloth und Xal hinter Schiff auftauchten, dann wandte sie sich ab und sprach mit einem Machtflüstern, das so leise war, dass Vestara nicht sicher war, ob sie es nicht bloß in ihrem Verstand hörte. »Wir

töten die Skywalkers und.«

»... wir stehlen ihr Gefährt«, brachte Vestara den Satz mit einem Lächeln zu Ende. »Wie schwer kann das schon sein?«