11.


Im Schoß ihrer acht Jahre alten Enkeltochter lag ein blasses Fellknäuel namens Anji, das letzte der Nexu-Jungen, die Leia auf dem Viehmarkt drei Wochen zuvor zu Waisen machen musste. Die vier Augen des weiblichen Welpen glänzten im flackernden Licht der Vidwand, als Anji über das einfache Apartment der Solos wachte, doch sie hielt ihre Rückenstachel flach gegen das Fell gepresst, und ihre Zehenklauen waren in die Pfoten zurückgezogen. Offensichtlich fühlte sich die kleine Kreatur in ihrem neuen Zuhause wohl - selbst mit abgestumpften Stacheln, geschnittenen Klauen und einem Dentalimplantat, das sie daran hinderte, fest genug zuzubeißen, dass Blut kam. Der Anblick des Geschöpfs zusammen mit Allana sorgte dafür, dass Leia ein Kloß im Hals saß, da Jacen ebenso liebevoll und geschickt mit Tieren umgegangen war, und es machte sie glücklich zu wissen, dass etwas von der Güte in ihrem Sohn in dessen Tochter überlebt hatte.

Anji hob den Kopf und schnüffelte in der Luft, was Allana dazu brachte, die Stirn zu runzeln und zu Leias Ende der Couch rüberzuschauen.

»Omi, sei doch nicht so traurig. Dann denkt Anji, dass irgendetwas nicht stimmt.«

In Leias Auge glitzerte eine Träne, doch sie lächelte und streckte die Hand aus, um das Fell des Nexu zu streicheln. »Ich bin eigentlich nicht traurig, Allana.« Sie öffnete ihr Herz der Macht und ließ die Freude hineinfließen, die es ihr bereitete, Allana großzuziehen. »Manchmal erinnere ich mich an traurige Zeiten, aber dich hier zu haben, macht deinen Großvater und mich sehr, sehr glücklich. und nichts wird daran je etwas ändern.«

Allana dachte darüber nach, und ihre Stirn legte sich an denselben beiden Stellen in Falten, wie sie es bei Jacen in diesem Alter getan hatte. Einen Moment lang dachte Leia, dass ihre Enkeltochter sie fragen würde, ob auch Anji sie glücklich machte.

Stattdessen trat ein Schleier der Furcht in Allanas graue Augen, und sie fragte: »Auch nicht, wenn ich krank und verrückt werde, so wie Barv?«

Mit einem Mal fühlte sich Leias Herz, als würde es einen Satz machen. »Du wirst niemals krank werden, Schatz - nicht so wie Barv und Yaqeel. Du hast den Schlund nicht einmal gesehen.«

»Aber ich verstecke mich, genauso, wie sie es getan haben.« Während Allana sprach, schüttelte sie den Kopf, und ihr langes, schwarz gefärbtes Haar schwang hin und her. Anjis Stacheln richteten sich auf, und der Welpe hielt nach Ärger Ausschau. »Und ich will nicht in Karbonit leben. Niemals.«

»Oh Allana, darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen.« Jetzt verstand Leia. Sie und Han waren den ganzen Nachmittag über nervös gewesen, weil der Jedi-Rat immer noch zu entscheiden versuchte, wie sie auf die Haftbefehle für Bazel und Yaqeel reagieren sollten. »Das wird dir nicht passieren.«

»Woher weißt du das?«, wollte Allana wissen.

»Weil du Anji hast.« Es war Han, der das sagte, als er mit einem Tablett heißer Schokolade in den Raum zurückkehrte. »Mädchen, glaubst du wirklich, sie würde zulassen, dass dich irgendwer in Karbonit steckt?«

Allanas Augen hellten sich auf, und sofort spürte Leia in der

Macht, wie die Furcht des Mädchens verflog.

»Natürlich nicht«, entgegnete Allana. Sie streichelte Anjis Kopf, und der kleine Nexu ließ sich wieder auf ihren Schoß sinken und schnurrte zufrieden. »Sie würde sie umhauen, wenn sie auch bloß daran denken.«

»Daran habe ich keinen Zweifel.« Leia warf Han ein Lächeln zu, das sagte: Danke für die Rettung! Als Großvater schien er ein machtartiges Gespür dafür zu haben, was Allana hören musste, um sich sicher und geliebt zu fühlen, und das hatte -nicht überraschend für Han Solo - nichts mit Logik zu tun. »Das muss der Grund dafür sein, warum dein Opi deine Mutter darum gebeten hat, dass du Anji behalten darfst.«

Allanas Augen weiteten sich, und sie wandte sich an Han. »Für immer?«

Han lächelte und antwortete: »Nichts ist für immer, Kleines. Aber solange Anji hier glücklich ist und nicht anfängt, unsere Freunde aufzufressen, schon.«

Zu Leias Überraschung schien Hans unverblümte Aufrichtigkeit Allana keine Sorgen zu bereiten. Sie knuddelte den kleinen Welpen bloß und lächelte zu Han empor.

»Danke, dass du sie überredet hast, Opi!«

»Gern geschehen. Liebes.« Han stellte das Tablett auf den Getränketisch vor der Couch und nahm gegenüber von Allana Platz. »Als sie ein Mädchen war, hat deine Mutter Rancoren geritten. Da war es nicht allzu schwer, sie davon zu überzeugen, dass du mit einem so kleinen Etwas wie einem zweihundert Kilo schweren Waldraubtier zurechtkommst.«

Allanas Augen wurden noch größer. »Meine Mami reitet auf Rancoren?«

»Sie hat Rancoren geritten - früher. Das ist schon lange her.« Leia nahm zwei Becher vom Tablett und reichte einen davon Allana, ehe sie Han hinter dem Rücken ihrer Enkeltochter einen warnenden Blick zuwarf. »Und der Rancor war zahm.«

Allanas Kopf schwang zu Leia herum. »Die haben zahme Rancoren?«, fragte sie aufgeregt. »Kann ich auch auf einem reiten?«

»Aber klar, Kleines«, meinte Han, der grinsen musste, weil Leias Strategie nach hinten losgegangen war. »Wenn wir das nächste Mal auf Dathomir sind, suchen wir dir einen schön Großen.«

»Wirklich?« Allana sah weiterhin Leia an. »Du würdest es nicht verbieten?«

Leia schaute Han mit zusammengekniffenen Augen an. »Natürlich nicht, Schatz. Ich verspreche es.« Dieses Versprechen abzugeben, war eine ziemlich sichere Sache -Dathomir war einer der letzten Orte, die sie irgendwann in nächster Zeit zu besuchen erwartete. Sie hob die Fernbedienung für die Vidwand auf und reichte sie Allana. »Mittlerweile hat Opas Sendung schon angefangen. Willst du den Kanal für ihn wechseln?«

»Ja!« Allana richtete die Fernbedienung auf den Empfänger. »Perre Needmos Nachrichtenstunde kommt sofort!«

»Danke, Kleines.«

Han nahm seine heiße Schokolade, dann lehnte er sich zurück und schlang den freien Arm um Allanas Schultern. Dieses Ritual war eines Tages geboren worden, als ein schlechter Traum sie aus ihrem Nickerchen gerissen hatte, woraufhin sie zu ihm gekommen war und sich neben Han zusammengerollt hatte. Am nächsten Tag war sie aufgetaucht, sobald die Sendung anfing. Am Tag darauf hatte sie bereits auf der Couch gewartet, als die Solos den Raum betraten.

Anschließend hatte Han begonnen, anstatt eines Gizer-Biers drei Becher heiße Schokolade mitzubringen, und so war eine Tradition geboren worden. Manchmal machte sich Leia Gedanken darüber, ob es gut war, einen so jungen Verstand mit so vielen Nachrichten zu konfrontieren, doch einer der Gründe, warum sie und Han Perre Needmos Nachrichtenstunde mochten, war, dass mindestens ein Drittel der Themen gute Neuigkeiten waren. Abgesehen davon musste die Chume'da des Hapes-Konsortiums wissen, was in der Galaxis vorging, wie Allana selbst angemerkt hatte.

Allana betätigte die Fernbedienung, und die Trickfilmspinnen auf der Vidwand wurden durch das faltige Bild von Perre Needmo ersetzt, einem ältlichen Nachrichtensprecher. Sein Chevin-Gesicht schien abgesehen von den kleinen, glänzenden Augen, den grauen Lippen und den quadratischen gelben Zähnen komplett aus Schnauze zu bestehen. Fr besaß zwei Büschel widerborstigen silbergrauen Haars, von denen eins den Scheitel seines schmalen Schädels bedeckte, während das andere von seinem kaum erkennbaren Kinn herabhing.

Wie erwartet drehte sich der Hauptbeitrag um die Ereignisse, in die die Solos an diesem Tage verwickelt gewesen waren. In der unteren Ecke der Vidwand war ein kleines Bild des Jedi-Tempels zu sehen, als Needmos Baritonstimme aus den Deckenlautsprechern rumpelte.

». fand die schwelende Krise heute ihre Fortsetzung, als die Jedi-Ritter Saav'etu und Warv paranoiden Wahnvorstellungen zum Opfer fielen.« Archivbilder von Yaqeel und Bazel tauchten in den Ecken der Vidwand auf. »Zeugen am Tatort zufolge begannen die beiden, sich außerhalb des Jedi-Tempels sonderbar zu verhalten, woraufhin sie von Han und Leia Solo rasch hineinbugsiert wurden. Kurz darauf eskalierte die Situation, als ein GAS-Sondereinsatzkommando versuchte, einen Haftbefehl gegen die beiden Jedi-Ritter zu vollstrecken. Man ließ den Trupp draußen vor einem Hangartor stehen. Es heißt, dass der Jedi-Rat zu dieser Stunde darüber berät, ob der Orden dazu verpflichtet ist, sich den Haftbefehlen zu beugen oder nicht. Eine tiefgreifende Analyse der Präzedenzfälle und verfassungsrechtlichen Auswirkungen, die sich daraus ergeben, sehen Sie im Anschluss an diesen Bericht.«

Die Bilder auf der Vidwand wurden von Nahaufnahmen von Jags ramponierter Limousine ersetzt, die quer über den Gemeinschaftsplatz sauste.

»Bei dem heutigen Vorfall wurde niemand verletzt«, fuhr Needmo fort, »doch ein Diplomaten-Luftgleiter wurde schwer beschädigt, als Jedi Warv unter Betäubungsmittel gesetzt wurde und auf das Dach des Gefährts stürzte.«

Leia warf einen Blick zur Seite und sah, dass ihre Enkeltochter betroffen dreinschaute. »Allana. du weißt doch, dass Barv und Yaqeel nicht wollen würden, dass du dir wegen ihnen Sorgen machst, oder?«

Allana nickte. »Sicher weiß ich das. Sie sind meine Freunde.«

Ais ihre düstere Miene nicht verschwand, fragte Han: »Warum höre ich da ein großes Aber kommen?«

Allana belohnte ihn mit einem breiten Lächeln. »Weil du ziemlich gescheit bist, Opi«, erwiderte sie. »Vielleicht möchte Barv nicht, dass ich mir Sorgen mache, aber ich kann nicht anders. Er und Yaqeel sind meine Freunde.«

»Ich mache mir auch Sorgen, Liebes«, sagte Leia. »Aber wir müssen versuchen, damit aufzuhören. Meisterin Cilghal arbeitet angestrengt daran, Barv und all den anderen kranken Jedi-Rittern zu helfen, und es gibt niemanden, der das besser

könnte. Sie wird rausbekommen, was mit ihnen los ist.«

Dieser Beruhigungsversuch trug wenig dazu bei, die Wolke des Zweifels zu heben, die über Allana schwebte. »Nicht, wenn der Jedi-Rat sie Staatschefin Daala ausliefert.«

Leia wollte sagen, dass die Meister das niemals tun würden, doch dann zügelte sie sich. Das war offenkundig nicht wahr. Der Rat hätte nicht immer noch getagt, wenn die Meister nicht zumindest in Erwägung ziehen würden. Bazel und Yaqeel an Daala zu übergeben, und Allana war klug genug, das zu wissen.

Leia sah Han an und fand bei ihm keine Hilfe. Zuvor hatte er darauf gedrängt, in die Sitzung zu stürmen, damit sie den Fall selbst mit den Meistern erörtern konnten. Doch Leia hatte darauf bestanden, dass ihre Anwesenheit bloß eine unerwünschte Ablenkung gewesen wäre und sie darauf vertrauen mussten, dass Kenth und die anderen Meister alleine die richtige Entscheidung fällten. Jetzt, nach fünf Stunden der Anspannung, fragte sie sich langsam, ob sie diesbezüglich die richtige Wahl getroffen hatte.

Leia hätte es Han nicht übel genommen, wenn er sie einfach hängen gelassen hätte, um mit einem amüsierten Grinsen zuzusehen, wie sie versuchte, sich eine beschwichtigende Antwort für Allana einfallen zu lassen. Und vielleicht hätte er das auch getan, wenn es um etwas weniger Wichtiges gegangen wäre als ihre Enkeltochter. Doch es gab eine Handvoll Dinge, mit denen Han Solo niemals Spielchen spielte, und Allana war eins davon.

Nach einem kurzen Schweigen drückte er einfach bloß Allanas Schulter und sagte: »He, selbst wenn der Jedi-Rat Barv an Staatschefin Daala aushändigt, ist das nicht für immer. Dann tun wir alles, was wir können, um ihn zurückzuholen. Okay?«

»Versprichst düs?«, fragte Allana. »Wir werden uns genauso anstrengen wie Meister Horn und seine Frau, richtig? Jeder weiß, dass sie nicht aufgeben werden, bis sie Valin und Jysella zurückhaben.«

»Ja, wir werden uns genauso anstrengen«, beteuerte Leia. »Wir werden auch nicht aufgeben.«

»Und das ist ein Versprechen, Kleines«, fügte Han hinzu.

Was Leia betraf, so schwanden in diesem Moment sämtliche Zweifel daran, Allana die Nachrichten sehen zu lassen. Sie und Han zogen mehr groß als nur ihre Enkeltochter. Sie zogen die Erbin des hapanischen Throns groß, und Leia konnte sich keinen besseren Weg vorzustellen. Allana darauf vorzubereiten, als ihr zu zeigen, wie Han und Leia Solo auf Ungemach und Unsicherheit reagierten.

»Und wenn dein Großvater sich in den Kopf setzt, etwas zu tun«, ergänzte Leia, »ist es ziemlich schwierig, ihn davon abzuhalten.«

»Ja«, sagte Allana mit einem Nicken. »Er ist so stur wie ein brünstiges Konto.«

Han schnaubte, und Leias Augenbrauen schossen in die Höhe. »Wo hast du das denn her?«, fragte sie.

»Ich habe zufällig gehört, wie Meister Durron das gesagt hat«, erklärte Allana; sie wirkte besorgt. »Warum? Was bedeutet denn brünstig?«

»Das ist, wenn du immer und immer wieder dasselbe machst, bloß weil du dich daran gewöhnt hast, es auf diese Weise zu machen«, meinte Han. AJs Leia erleichtert ihren Atem entweichen ließ, schaute er auf und blinzelte. »Glaubst du, Kyp meinte damit etwas anderes?«

»Keineswegs«, sagte Leia. »Was hätte er sonst meinen können?«

Allana sah erst sie und dann Han stirnrunzelnd an. »Ich bin kein Baby mehr. Leute. Mami hat mir beigebracht, wie man merkt, wenn jemand flunkert. Ihr hättet einfach sagen können, dass ihr es mir später erzählt.«

Leia lächelte. »Und das werden wir.«

»Wenn du fünfzig wirst«, sagte Hau.

Allana rollte mit den Augen und schaute zur Vidwand zurück, wo der Schirm jetzt eine Aufnahme von Melari Ruxon und Reeqo Swen zeigte, die sich ohne Mäntel und Lichtschwerter vom Tempel entfernten.

»Wie es scheint, hat die Krise ebenfalls Auswirkungen auf die Moral der Jedi«. berichtete Needmo. »Kurz nach dem Zwischenfall wanden zwei Schüler dabei gesehen, wie sie den Tempel verließen. In einem darauffolgenden Interview mit dem Journalisten Javis Tyrr gaben die beiden zu, aus dem Orden ausgetreten zu sein. Heute Abend werden wir näher beleuchten, ob diese Austritte als Warnung für Staatschefin Daala gedacht sind, und wie ein Massenaustritt von Jedi-Rittern die Stabilität der Regierung beeinflussen könnte. Darüber hinaus werden wir über die überraschende Aussage der Staatschefin diskutieren, der zufolge Jedi genau wie hochrangige Militäroffiziere auch nach ihrem Austritt aus dem Orden weiterhin der Regierungsautorität unterworfen sind.«

Melari und Reeqo wurden durch eine Aufnahme von Tahiri Veila in Elektro-Fußeisen und -Handfesseln ersetzt, die schwer bewacht in das Galaktische Justizzentrum geführt wurde. Han sprang aufgebracht von der Couch und prustete heiße Schokolade durch die Gegend; Leia ließ ihren Becher einfach fällen.

»Was zur Hölle soll das?«, brüllte Han die Vidwand an. »Jetzt sind sie zu weit gegangen!«

»Die ehemalige Adjutantin des abtrünnigen, zum Sith gewordenen Jedi Jacen Solo wurde wegen Gräueltaten gegen die Galaxis verhaftet«, meldete Needmo. »Tahiri Veila, selbst eine ehemalige Jedi-Ritterin, wurde zahlreicher Verbrechen während des jüngsten Bürgerkrieges angeklagt, einschließlich der Ermordung des populären Staatschefs der Imperialen Restwelten, Großadmiral Gilad Pellaeon. Im Analysebeitrag unserer Sendung präsentieren wir Ihnen später eine Zusammenfassung der vollständigen Anklagepunkte, die gegen sie erhoben werden.«

»Ich ertrage das nicht.« Han deutete auf die Fernbedienung in Allanas Händen. »Schalt das ab, Schatz!«

Allana richtete die Fernbedienung auf den Empfänger, und die Vidwand verblasste zu einem Transparistahlfenster, das den Blick über den Gemeinschaftsplatz in Richtung des Galaktischen Justizzentrums freigab. Han stand einen Moment lang außer sich vor Wut da, dann wandte er sich Leia zu.

Bevor er sprechen konnte, sagte Allana: »Ich verstehe das nicht. Hat jemand anderes Admiral Pellaeon umgebracht?«

»Nein, Liebes«, entgegnete Leia. »Es gab eine Menge Zeugen, und sie sagen alle, dass es Tahiri war.«

»Sollte sie dann nicht dafür vor Gericht gestellt werden?«

Leia sah Han hilfesuchend an, doch er knirschte immer noch mit den Zähnen und schüttelte den Kopf. Sie schaute zu Allana zurück.

»Das ist eine komplizierte Frage«, sagte Leia. »Leider werden in Kriegen viele Leute getötet. Das weißt du.«

Allana nickte. »Von Soldaten«, erwiderte sie. »Von der anderen Seite. Aber ich dachte, Tahiri war auf der Seite meines Vaters.«

»Die meiste Zeit des Kriegs über, ja«, erklärte Leia. »Aber nicht am Ende.«

»Aber als Tahiri Admiral Pellaeon umgebracht hat, stand sie auf der Seite meines Vaters, oder? Genau wie Admiral Pellaeon.«

»Genau genommen nicht«, sagte Leia. »Zu diesem Zeitpunkt stand Admiral Pellaeon im Grunde auf niemandes Seite.«

»Dann hat er sich nicht am Krieg beteiligt?«

»Nicht offiziell«, sagte Leia. »Nach dem, was wir in Erfahrung bringen konnten, hat er seinerzeit noch darüber nachgedacht, auf welcher Seite er sein wollte.«

»Dann hätte Tahiri ihn nicht umbringen dürfen«, beharrte Allana. »Man darf keinen Leuten wehtun, die nicht beim Krieg mitmachen.«

Leia lächelte und schüttelte angesichts der unnachgiebigen Logik ihrer Enkeltochter den Kopf. Allana fing an, sie davon zu überzeugen, dass Tahiri sich vor Gericht verantworten sollte. Leia hob den Becher vom Boden auf, den sie fallengelassen hatte, und schindete Zeit, indem sie nach C-3PO rief.

Schließlich sagte sie: »Eines Tages wirst du eine großartige Königinmutter abgeben, Allana. Das sind sehr scharfsinnige Fragen.«

Allana strahlte vor Stolz, sagte jedoch: »Ich habe ein Gespür für Solo-Ausflüchte, Omi. Versuch nicht, durch Schmeicheleien vom Thema abzulenken!«

Das riss Elan tatsächlich aus seinem Wutanfall. »Da hat sie dich erwischt, Omi.«

Er schaute sich nach der heißen Schokolade um, die er über die gesamte weiße Ausstattung des Raums verspritzt hatte, dann zuckte er die Schultern, stürzte das herunter, was noch in seinem Becher war, und wandte sich wieder Allana zu.

»Die Sache ist so, Kleines. Du weißt doch, was Spione sind, oder?«

Allanas Augen wurden argwöhnisch und furchtsam, und Anji richtete sich in ihrem Schoß auf und streckte den Rücken durch. Allana stellte ihre heiße Schokolade vorsichtig auf dem Tisch ab, ehe sie nickte.

»Das weiß ich.«

Ein gequälter Ausdruck trat in Hans Gesicht, doch er fuhr fort. »Ich dachte mir, dass du das weißt. Nun. Tahiri hat in gewisser Weise für Jacen spioniert. Und als sie herausfand, dass Admiral Pellaeon nicht auf seiner Seite mit den Imperialen Restwelten in den Krieg ziehen wollte, gab Jacen ihr einen Befehl.«

»Admiral Pellaeon zu ermorden?«

»Das ist richtig«, bestätigte Leia, wiederum verblüfft - und dankbar -, wie gut Han mit ihrer Enkeltochter offenbar umgehen konnte. »Tahiri hat Befehle befolgt, genau wie jeder Soldat.«

Allanas Stirnrunzeln wich nicht. »Befolgen Soldaten immer Befehle?«

»Fast immer«, meinte Han. »Wenn sie das nicht tun, brauchen sie einen wirklich guten Grund dafür.«

Allana dachte einen Moment darüber nach und schaute mit schiefgelegtem Kopf zu ihm auf. »Dann musst du aber wirklich eine Menge gute Gründe gehabt haben, als du Soldat warst.«

Aus Leias Bauch explodierte Gelächter - schallendes Gelächter, um genau zu sein. Sie streckte die Hand nach unten und zerwühlte das schwarz gefärbte Haar ihrer Enkeltochter.

»Und dabei kennst du nicht die Hälfte der Geschichten, Schatz.«

»Ja, aber ich habe immer meinen Auftrag erledigt«, betonte Han. Er blinzelte Allana zu. »Abgesehen davon mag niemand einen einfachen Ja-Sager.«

Allana nickte ernst. »Dasselbe sagt Mami auch«, stimmte sie zu. »Ich glaube, das ist der Grund dafür, warum sie immer noch so einsam ist. Hapanische Männer sind alle Ja-Sager.«

Leia gewahrte unvermittelt einen traurigen Blick auf die Zukunft ihrer Enkeltochter: eine lächelnde, rothaarige Frau, die. umgeben von Wesen aller Spezies - Bothaner und Hutts, Ishi Tib und Mon Calamari, sogar Menschen und Squibs -neben einem weißen Thron stand, aber trotzdem irgendwie allein wirkte. Es gab keinen Mann, der bei ihr stand, keinen wie Han. an den sie sieh wenden konnte, um Trost und Unterstützung zu erfahren. Allana Solo würde in einer Zeit beispiellosen Friedens und Harmonie leben, in einer Zeit der Blüte für sämtliche Völker der Galaktischen Allianz. Doch sie würde diejenige sein, die all das bewahrte, diejenige, an die sich der Rest der Galaxis wandte, wenn der Frieden bedroht war.

Das war das Schicksal, auf das die Solos sie vorbereiteten. Von ihren kurzen Besuchen bei Tenel Ka wusste Leia, wie einsam ein solches Dasein sein konnte, wie ermüdend und voller Angst jeder Tag war. Was Leia hingegen nicht wusste, war, ob sie den Schneid besaß, Allana zu diesem Schicksal zu verurteilen, sie zu einem Leben zu verdammen, in dem ihr Wort das Geschick von Welten lenkte.

»... ist das richtig, Leia?«

Aus ihrer Tagträumerei gerissen, zwang Leia sich zu einem Lächeln und nickte Han zu. »Ahm. Wenn du das sagst, Liebling.«

Han runzelte die Stirn, verwirrt und gereizt. »Das tue ich«, bekräftigte er. »Wir reden schließlich über ihren Großvater.«

»Richtig. Prinz Isolder war ein guter Mann«, meinte Leia, »und unabhängig.«

Han schüttelte verzweifelt den Kopf und schickte sich an, Leia für ihre Unaufmerksamkeit zu tadeln, doch Allana kam ihm zuvor.

»Ist schon in Ordnung, Opi. Du hörst Omi auch nicht immer zu.«

Hans Verärgerung wich einem gewissen Schuldbewusstsein, und Leia tätschelte Allana auf den Rücken.

»Du bist eine richtige Friedensstifterin, nicht wahr?«, fragte sie. »Diese Gabe solltest du niemals verlieren, abgemacht?«

»Das werde ich nicht. Omi«, versprach Allana. »Aber worüber hast du dann nachgedacht? Du hast so traurig gewirkt.«

Leia zögerte und schreckte vor der Aussicht zurück, versuchen zu müssen, ihre Vision vor Allana verborgen zu halten. Zum Glück wurde ihr die Notwendigkeit dazu durch C-3POS rechtzeitiges Eintreffen erspart.

»Verzeihung bitte, aber.« C-3PO blieb nach drei Schritten in den Raum stehen und ließ seine Fotorezeptoren über die heiße Schokolade schweifen, die auf Couch, Getränketisch und Fußboden verspritzt war. »Ach, du meine Güte! Wie ich sehe, hat Miss Allana wieder ihre heiße Schokolade verschüttet.«

»He, das war ich nicht!« Allana hielt ihm ruckartig ihren Becher hin. wobei sie nur noch mehr heiße Schokolade auf die Couch schwappen ließ. »Siehst du?«

»Ich fürchte, diesmal sind Han und ich die Schuldigen«, sagte Leia. »Wo hast du gesteckt? Ich habe bereits vor fünf Minuten nach dir gerufen.«

»Das tut mir furchtbar leid, Prinzessin Leia. Ich habe am sicheren Holokom einen Anruf entgegengenommen.« C-3PO drehte sich um und zeigte den Gang hinunter in Richtung Arbeitszimmer. »Wynn Dorvan bittet darum, mit Euch oder

Captain Solo sprechen zu dürfen. Ich habe ihm zu erklären versucht, dass Sie während Perre Needmos Nachrichtenstunde nicht zu sprechen sind, doch er war höchst beharrlich. Er scheint zu glauben, Sie hätten eine Nachricht ignoriert, die er geschickt hat.«

»Der Wynn Dorvan?«, fragte Han.

Leia fügte hinzu: »Der persönliche Assistent von Staatschefin Daala?«

»Ja, um eben jenen Wynn Dorvan handelt es sich«, bestätigte C-3PO. »Obwohl ich Ihre Verwirrung durchaus nachempfinden kann. Im Meldeverzeichnis von Coruscant sind mehr als einhundertsiebzigtausend Wynn Dorvans aufgeführt.«

Die Solos wechselten verblüffte Blicke. Sie kannten Wynn Dorvan aus den Tagen der Neuen Republik. Als Stellvertreter des Beauftragten für Tenolodiumvorräte hatte er eine lukrative Geldhinterziehungsaktion aufgedeckt, deren Kopf sein eigener Vorgesetzter gewesen war. Anstatt um ein Stück vom Kuchen zu bitten - wie es viele Bürokraten in seiner Lage getan hätten -, hatte er sein Leben riskiert, um die Staatschefin der Neuen Republik über die Angelegenheit zu unterrichten - die zu jener Zeit zufällig Leia gewesen war. Anschließend war er dank seiner makellosen Reputation rasch durch die Ränge aufgestiegen. Und jetzt war er Staatschefin Daalas persönlicher Assistent.

»Soll ich Master Dorvan ausrichten, dass Sie nach Perre Needmos Nachrichtenstunde gern Kontakt zu ihm aufnehmen?«

»Nein, wir sprechen jetzt mit ihm«, sagte Leia und ging zum Arbeitszimmer. »Bleib bei Allana!«

»Und ruf den Es-Neun«, fügte Han hinzu, wobei er mit der

Hand in Richtung der heißen Schokolade winkte. »Dieses Zeug macht Flecken, wenn man es nicht sofort aufwischt.«

Leia ging durch den Flur voran zum zusätzlichen Schlafzimmer, das ihnen als Arbeitszimmer diente, und trat zu der kleinen Holokommunikationseinheit in der Ecke. Über dem Holoprojektionsfeld schwebte der faustgroße Kopf eines unscheinbaren Mannes, dessen einziges auffälliges Merkmal darin bestand, dass jede einzige Strähne seines braunen Haars perfekt arrangiert war.

»Hallo, Wynn«, grüßte Leia ihn und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ist das HoloNet nicht eine ziemlich kostspielige Methode, um Stadtgespräche zu führen?«

»Aus diesem Grund kommt auch niemand auf den Gedanken, es zu überwachen«, entgegnete Dorvan. »Ist Ihr Ende der Leitung sicher?«

»Verschlüsselt und sicher«, versicherte Han ihm. »Was soll das alles? Falls Daala versucht, wegen dieser Haftbefehle irgendwelche Strippen zu ziehen.«

»Lim ehrlich zu sein, weiß Staatschefin Daala nicht das Geringste hiervon«, unterbrach Dorvan ihn, »und ich hoffe, dass sie es niemals herausfindet. Aus diesem Grund benutze ich eine Holokom-Einheit mit Verschlüsselung.«

»Wir sind ganz Ohr«, sagte Leia. »Dreipeo zufolge denken Sie, wir hätten eine Nachricht von Ihnen ignoriert?«

»Bezüglich der Mandalorianer«, entgegnete Dorvan. »Versuchen die Jedi mit Absicht, Staatschefin Daala davon zu überzeugen, sie hätte keine andere Wahl, als diese Söldner anzuheuern? Sobald diese Schüler den Tempel verließen, hat sie mich angewiesen, die Finanzierung für eine gesamte Kompanie zu sichern. Ich bin in der Lage, die Sache eine Woche hinauszuschieben, weil sie das Ganze aus den offiziellen

Büchern raushalten will, aber darüber hinaus.«

»Moment mal«, fiel ihm Han ins Wort. »Eine Kompanie? Soll das heißen, Daala hat vor, eine ganze Kompanie von Mandalorianern anzuheuern?«

»Natürlich«, antwortete Dorvan. »Haben Sie in den letzten paar Tagen nicht mit Staatschef Fel gesprochen?«

Han und Leia schauten sich an, und Leia überkam ein mulmiges Gefühl. Jag besaß eine ziemlich unnachgiebige Vorstellung von Pflicht und Ehre, und womöglich hatte er das Gefühl gehabt, dass es ihn in einen Interessenkonflikt gestürzt hätte, Nachrichten für Dorvan zu übermitteln.

Nach einer Sekunde sagte Han: »Ach so. diese Kompanie.«

Dorvans Kopf sank nach unten. »Er hat Ihnen nichts davon erzählt.«

»Staatschef Fel scheint mir für einen Kurier eine sonderbare Wahl zu sein«, wandte Leia ein. »Besonders, wo Sie doch offensichtlich gewillt sind, das Risiko einzugehen, mit uns in direkten Kontakt zu treten.«

Dorvan schaute wieder auf. »Eigentlich war er kein Kurier«, erklärte er. »Ich habe bloß dafür gesorgt, dass er >zufällig< mitangehört hat, was Staatschefin Daala erwägt, damit ich nicht meinen Job - und meine Freiheit - in Gefahr bringen musste, indem ich persönlich mit Ihnen in Verbindung trete. Angesichts von Fels Beziehung zu Ihrer Tochter.«

». haben Sie angenommen, er würde das Richtige tun«, brachte Han den Satz für ihn zu Ende. Sein Tonfall verhärtete sich. »Ich auch.«

Leia hingegen ließ sich nicht so leicht überzeugen. »Netter Versuch, Wynn, aber Sie können Staatschefin Daala ausrichten, dass wir nicht darauf hereinfallen.«

Dorvans Augenbrauen zogen sich zusammen. »Worauf

hereinfallen?«

»Auf ihren Bluff.« Leia lehnte sich dichter zu den Hololinsen vor, sodass es am anderen Ende der Verbindung so aussah, als würde ihr Gesicht größer werden. »Sie sind so aufrichtig, wie ein Bürokrat nur sein kann, Wynn. Sie würden Daala niemals auf diese Weise hintergehen.«

»Und mit Sicherheit nicht kostenlos.« Han beugte sich neben Leia nach unten und ließ ein feixendes Grinsen aufblitzen. »Wie Leia schon sagte, netter Versuch. Einen Moment lang hatten Sie mich fast.«

Dorvans Gesicht rötete sich. »Ich bluffe nicht!«, beteuerte er. »Und ich würde das hier niemals für Geld machen!«

»Nein?«, fragte Leia. »Und warum sollten Sie es dann tun?«

»Offensichtlich zum Wohle der Allianz!«, spie Dorvan zurück. »Oder bin ich der Einzige, der findet, dass es eine Farce wäre, wenn Staatschefin Daala die Jedi zur Auflösung treibt?«

»Ist es das, was sie zu tun versucht?«, fragte Leia.

»Jedenfalls handelt es sich dabei mit Sicherheit um ein Resultat, das sie bereitwillig in Kauf nimmt, falls nötig. Aber ich denke, dass sie ernsthaft der Ansicht ist, dass der Orden der Kontrolle der Regierung unterstellt werden sollte.« Dorvan leckte sich die schmalen Lippen, dann fügte er hinzu: »Und um offen zu sein, muss ich mich angesichts der jüngsten Ereignisse fragen, ob sie damit vielleicht richtig liegt.«

»Warum reden Sie dann mit uns?«, wollte Han wissen.

»Weil Daala, selbst wenn sie in dieser Beziehung recht hat. bei allem anderen falsch liegt«, erwiderte Dorvan. »Sie glaubt, die Sith seien nicht mehr als Jedi in dunklen Gewändern, und dass die einzige Möglichkeit, sie an der Rückkehr zu hindern, darin besteht, die Jedi unter die Knute der Regierung zu zwingen.«

»Und Sie sind da anderer Meinung?«, fragte Leia.

»Würde ich ein solches Risiko auf mich nehmen, wenn ich das nicht wäre?«, entgegnete Dorvan. »Da draußen in der Galaxis lauern finstere Dinge, Prinzessin Leia. Darüber bin ich mir im Klaren. Und mir ist ebenfalls bewusst, dass es ein schrecklicher Fehler ist, diese finsteren Dinge mit den Jedi-Rittern zu verwechseln, die uns vor ihnen zu beschützen versuchen.«

Leia dachte einen Moment darüber nach. »Sagen wir, ich schenke Ihnen fürs Erste Glauben - dass Daala wirklich vorhat, die Mandalorianer anzuheuern. Was soll ich Ihrer Meinung nach mit dieser Information anfangen?«

»Sie nutzen, Prinzessin Leia!« Dorvans Gesicht wurde kleiner, als er sich von seinem eigenen Holokom zurücklehnte. »Sie weitergeben und sie sich zunutze machen!«