13.
Bis sie zum ersten Mal einen auseinandergenommen hatte, war Jaina sich nicht über die überwältigende Komplexität eines Reinigungsdroiden im Klaren gewesen. Auf dem langen Tisch verstreut lagen seifig riechende Zerstäuber, Sprüher, Bürsten, Polierköpfe, Vakuumdüsen, Desintegratoren, Infratrockner, Schaltplatinen und ein Dutzend andere Bauteile semiminiaturisierter Ausstattung, die der Funktion des Droiden vollkommen angemessen schienen. Was sich nicht als dazugehörig erwies - zumindest sobald sie seine wahre Natur bestimmt hatte -, war der winzige Parasitendroide, den sie ins Steuersystem montiert fand.
Als schmutziges Analyse-Lösungsmittel-Modul getarnt, war der Parasit ein Wunderwerk der Spionagetechnik, so geschickt entworfen, dass man dem Tempel-Sicherheitsdienst nicht vorwerfen konnte, ihn übersehen zu haben. Anstatt eigene Linsen und Mikrofone zu erfordern, hatte sich der Parasit in die Foto- und Audiorezeptoren des Reinigungsdroiden eingeklinkt. Er brauchte nicht einmal seine eigene Datenspeichereinheit. Stattdessen hatte er die gesamte
Schmutzerkennungsdatenbank seines Wirts überschrieben und diesen Teil des Datenchips dann für den eigenen Gebrauch abgeteilt. Um die Daten zu übermitteln, wartete der Parasit einfach, bis er sich in der Nähe einer offenen Tür befand, ehe er eine Blitzübertragung komprimierter Daten - so codiert, dass sie wie gewöhnliches Interferenzstörrauschen klangen -in den Kommunikationsstrom des Reinigungsdroiden einspeiste. So viel hatte Jaina bereits herausgefunden.
Was sie hingegen noch nicht herausgefunden hatte, war, wie Javis Tyrr an ein derart ausgeklügeltes Gerät gelangt war. Bei dem Parasitendroiden handelte es sich offensichtlich um hochmoderne Überwachungsausrüstung, von der Art, deren Herstellung Millionen von Credits - vermutlich Zehnmillionen von Credits - kostete. Journalisten hatten schlichtweg keinen Zugriff auf solche Mittel - insbesondere nicht drittklassige Schmierfinken wie Tyrr.
Jaina nahm einen dringend benötigten Schluck von ihrem Kaf. Sie ließ den Blick beiläufig über den 'fisch schweifen, während sie sich fragte, wer wohl die Mittel besaß, Überwachungsgerät in Geheimpolizeiqualität zu erwerben, und dazu noch den Wunsch, es in Tyrrs Hände zu legen. Natürlich war Daala eine Möglichkeit. Doch angesichts des Umstands, dass Tyrrs Berichte mit ihr beinahe ebenso schonungslos umgingen wie mit den Jedi, schienen sie und Tyrr ein eher unwahrscheinliches Team zu sein.
Hinter Jaina ertönte ein leiser Ton. Sie drehte ihren Hocker herum, um zu sehen, was der Computer diesmal für sie zutage gefördert hatte. und sie hatte ihre Antwort.
Auf dem Bildschirm war der visuelle Vergleich zweier miniaturisierter Prozessoren. Der Chip links war aus dem Parasitendroiden, der auf der rechten Seite stammte aus einem Vorrat an Abhörausrüstung, die gegen Ende des letzten Bürgerkriegs konfisziert worden war, als die Jedi die Anakin Solo gekapert hatten. Der Beschriftung unter dem Bild zufolge hatte man die Ausrüstung im einstweiligen Quartier von einem der Imperialen gefunden, die zu diesem Zeitpunkt an Bord gewesen waren, einem gewissen Moff Lecersen.
Mit. einem Mal fühlte sich Jaina. als würde es in ihrem Bauch vor Schlangen wimmeln. Sie ertappte sich dabei, dass sie ihr Komlink in der Hand hatte, ohne sich daran erinnern zu können, danach gegriffen zu haben. Sie tippte Jags Schnellwahlcode ein, ehe sie mit wachsender Rage die fünf Sekunden wartete, die er brauchte, um ranzugehen.
»Schön, von dir zu hören«, sagte er, was keinen Zweifel daran ließ, dass sein Assistent nachgesehen hatte, um sicherzustellen, dass sie es war, bevor er ihm das Komlink gab. »Du wirst dich kurzfassen müssen. Wir sind unterwegs zu.«
»Blas das Treffen ab!«, sagte Jaina. »Wir müssen uns unterhalten.«
»Jaina. das kann ich nicht. Staatschefin Daala erwartet mich.«
»Selbst wenn der Imperator höchstpersönlich wiederauferstanden wäre, um sich mit dir zu treffen, wäre mir das egal«, erwiderte Jaina. »Du musst dir anhören, was es Neues gibt, und du musst es dir jetzt anhören!«
Jag schwieg einen Moment lang, dann sagte er: »Was ist los?«
»Das sage ich dir, wenn du hier bist.« Jaina zog nicht einmal in Erwägung, ihm einen Tipp zu geben, worum es ging. Wenn Lecersen Javis Tyrr dabei helfen konnte, eine Wanze in den Jedi-Tempel zu schmuggeln, dann war er ebenfalls imstande, eine in Jags Limousine zu platzieren. »Ich lasse dich im Osthangar von einem Schüler abholen.«
Jaina schaltete ab, ohne auf eine Erwiderung zu warten, ehe sie im Wohnbereich der Schüler anrief, um Jags Eskorte zu arrangieren. Sie versuchte, trotz der kalten Wut, die sich in ihr aufbaute, den Kopf klar zu behalten. Gegen Ende des letzten Bürgerkriegs waren Lecersen und die anderen Moffs gerne bereit gewesen, eine von den Jedi ernannte Staatschefin zu akzeptieren, anstatt für die Kriegsverbrechen, die sie durch die Freisetzung ihres Nanovirus begangen hatten, hingerichtet zu werden. Doch sie waren nie richtig über die Schmach hinweggekommen, dass Luke Skywalker ihnen die Bedingungen hierfür diktiert hatte. Und jetzt wurden sie vollkommen von der felsenfesten Weigerung der neuen Staatschefin aufgerieben, den in den Imperialen Restwelten üblichen Filz zu ignorieren. Deshalb sah Jaina keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass Lecersen hinter der Abhöraktion steckte. Ihre einzigen Fragen lauteten, wie viel er gehört hatte und weichen Schaden das bei Jag und den Jedi anrichten würde.
Jaina wandte sich wieder dem Labortisch zu und hob das winzige Schaltmodul auf, das die Quelle ihres Zorns war. Es wäre eine gewaltige Hilfe gewesen zu wissen, wie viel von ihrer Unterhaltung der Parasitendroide an Javis Tyrr übermitteln konnte. Jetzt, wo sie etwas über seine Bauweise und Herkunft wusste, war das vielleicht sogar möglich - aber nicht ohne Unterstützung. Obwohl Jaina im Umgang mit Maschinen stets ein gewisses Geschick bewiesen hatte, war jemand nötig, der mehr als bloß »geschickt« war, um sich in ein derart fortschrittliches Stück Spionageausrüstung einzuklinken. Wenn sie es vermasselte, würde sich das Modul mit ziemlicher Sicherheit selbst zerstören.
Was Jaina brauchte, war Lowbaccas Hilfe. Sie wusste, dass er gern bereit sein würde, ihr zur Hand zu gehen, aber dann würde er die Unterhaltung über Daala und die Mandalorianer hören. Und wie konnte Jaina von ihm verlangen, ein Geheimnis zu bewahren, von dem sie selbst nicht einmal sicher war, ob sie es wirklich für sich behalten sollte?
Aus dem vorderen Teil des Labors ertönte ein leises Wuuusch, als die Tür aufglitt. Jaina warf einen Blick auf ihr Chrono und sah, dass erst fünf Minuten vergangen waren, seit
sie Jag angerufen hatte.
»Wow, das ging schnell«, rief Jaina, die noch immer den Parasitendroiden studierte. »Du musst ganz in der Nähe gewesen.«
Sie brach den Satz ab, als sie spürte, wer tatsächlich durch die Tür kam. Die Machtauren gehörten nicht Jag, sondern ihren Eltern, und beide waren sehr traurig - und sehr wütend. Jaina stellte den Parasitendroiden rasch auf den Tisch zurück und drehte sich gerade rechtzeitig um, um zu sehen, wie ihre Mutter als Erste das unordentliche Laboratorium betrat.
Natürlich wanderte der Blick ihrer Mutter geradewegs zu dem Wirrwarr von Schaltkreisen und Kabelsträngen vor Jaina. »Was ist das?« Sie ließ ihre Augen über die Bauteile des Reinigungsdroiden schweifen. »Hier sieht es aus wie in deinem Zimmer, als du zwölf warst.«
»War es da wirklich so aufgeräumt?« Als der Scherz die düstere Stimmung ihrer Mutter nicht aufhellen konnte, erklärte Jaina: »Ich denke, ich habe herausgefunden, wie Javis Tyrr seine Aufnahmen aus dem Innern des Tempels bekommen hat.«
Jaina war klug genug, nicht wegen des Droiden zu lügen. Der Versuch, eine Jedi-Mutter anzulügen, wäre nicht bloß sinnlos gewesen, sondern hätte auch Alarmsirenen losschrillen lassen. Stattdessen bestand die einzige Hoffnung, ihr Geheimnis über die Mandalorianer zu bewahren, darin, entspannt zu wirken und das Thema einfach zu vermeiden.
»Erinnert ihr euch an die Reinigungseinheit, die in der Nähe des Hangartors gearbeitet hat, als Barv und Yaqeel um die Ecke kamen?« Als ihr Vater nickte, hob Jaina den Parasitendroiden auf und drehte ihn zwischen Daumen und Zeigefinger. »Ich habe diesen kleinen Burschen versteckt darin gefunden.«
Als keiner ihrer Eltern irgendein Interesse daran zeigte, wie Jaina die Wanze gefunden hatte - eine, die der TempelSicherheitsdienst mindestens ein Dutzend Mal übersehen hatte -, wusste sie, dass etwas im Argen lag. Sie legte den Parasiten auf den Tisch zurück, ehe sie mit wachsender Besorgnis verfolgte, wie ihre Eltern näher kamen.
»Was ist los?«
Ihr Vater blieb neben ihr stehen. »Liebling, es ist nicht einfach, dir das zu sagen.«
Er ergriff ihre beiden Hände, und Jaina seufzte vor Erleichterung. Wenigstens war niemand aus der Familie gestorben. Wäre jemand gestorben, hätte ihr Vater sie in einer bärenartigen Umarmung zerdrückt - und überhaupt hätte sie das zuerst in der Macht gespürt. So viele Solo-Skywalkers waren schließlich nicht mehr übrig.
Als ihr Vater nicht imstande zu sein schien weiterzusprechen, wandte sich Jaina an ihre Mutter. »Ist Ben durchgedreht?«, fragte sie. »Ich weiß, dass Cilghal denkt, dass die Schüler in Gefahr sind, die damals in der Zuflucht waren.«
»Soweit wir wissen, geht es Ben gut«, sagte Leia. »Es geht um Jag.«
»Nein, ich habe eben mit Jag gesprochen. Sofern es in den letzten.« Jaina sah auf ihr Chrono und musste beunruhigt feststellen, dass Jag jetzt jeden Moment eintreffen konnte. ». zehn Minuten keinen Attentatsversuch gegeben hat. geht es ihm bestens.«
»Nachdem du gehört hast, was wir zu sagen haben, wird sich das vermutlich ändern«, sagte ihr Vater. »Mach dich auf was gefasst, Mädchen!«
Jaina runzelte die Stirn. »Und worauf?«
»Liebling, es gibt da etwas, das Jag dir verschwiegen hat.«
Ihre Mutter warf ihrem Vater einen flüchtigen Blick zu, dann fuhr sie fort: »Dein Vater und ich dachten, dass du es zuerst von uns hören solltest.«
»Was denn?« Jaina zog ihre Hände aus dem Griff ihres Vaters und legte die Stirn in Falten. »Wollt ihr mir erzählen, dass Jag noch eine andere trifft?«
Zu Jainas Bestürzung lächelten ihre Eltern nicht einmal.
»Schlimmer«, sagte ihr Vater. »Er verschweigt dir Dinge.«
»Das bezweifle ich ernsthaft, Dad.« Jaina zupfte an ihrer Robe. »Jedi, schon vergessen?«
»Genau wie deine Mutter«, konterte er. »Und sie kennt trotzdem bloß die Hälfte meiner Geheimnisse.«
Ihre Mutter warf ihm einen raschen Das-glaubst-auch-nur-du-Blick zu, bevor sie sich wieder an Jaina wandte. »Jaina, du kannst davon nichts wissen.«
»Denn wenn du es tätest, hätten wir es nicht von einem Spion hören müssen.« Ihr Vater ergriff von neuem ihre Hände. »Jaina, Liebes, Staatschefin Daala hat vor, Mandalorianer anzuheuern.«
Jaina wurde flau im Magen. Endlich verstand sie, was ihre Eltern ihr über Jag erzählen wollten, und sie wusste, wie hintergangen sie sich angesichts seiner Entscheidung fühlen mussten, diese Information geheim zu halten. Gleichzeitig jedoch war sie ungeheuer erleichtert, weil sie jetzt nicht länger mit ihrem eigenen Gewissen hadern musste, indem sie das Geheimnis für sich behielt. Um ehrlich zu sein, hatte sie sich ohnehin gefragt, wie lange sie das wohl durchhalten würde.
»Das sind verlässliche Informationen«, bekräftigte ihre Mutter, die den Grund für Jainas Nachdenklichkeit offensichtlich fehldeutete. »Das kommt ganz von oben.«
»Ach ja?« Als ihr klar wurde, dass sie so reagieren musste.
als wäre das für sie kein alter Hut, zog Jaina ihre Hände wieder weg und reckte einen Daumen in die flöhe. »Zunächst mal, wen kümmert das? Solange Boba Fett nicht selbst kommt, werden wir mit einem Kommando Mandos fertig, ohne uns die Roben schmutzig zu machen.«
»Dennoch wird es einen Kampf geben«, erinnerte ihre Mutter sie. »Und bei dieser Art von Kampf verlieren alle irgendwie.«
»Ja«, stimmte ihr Vater zu. »Und augenblicklich ist das Letzte, was die Jedi brauchen, dass in den Holonachrichten ein Haufen toter Mandalorianer auf den Tempelstufen auftauchen.«
»Verstanden«, sagte Jaina.
Diese nächste Frage wollte sie eigentlich gar nicht stellen. Zweifellos wussten ihre Eltern bereits - irgendwoher —, dass Jag sein Wissen darüber für sich behalten hatte. Ihre einzige Chance darauf, ihn in ihren Augen zu rehabilitieren, bestand darin, ihnen begreiflich zu machen, dass sein Ehrgefühl Jag dazu gezwungen hatte, das Geheimnis zu bewahren. Nun, das ihrer Mutter begreiflich zu machen - ihr Vater würde das nie verstehen. Aber wenn Jaina ihre Mutter davon überzeugen konnte, dann würde ihre Mutter ihren Vater letztlich dazu bringen, Jag zu vergeben.
»Aber mir ist nicht klar, was das alles mit Jag zu tun hat«, fuhr Jaina fort. »Es sei denn, diese mandalorianischen Kompanien treffen hier mit imperialen Transportern ein?«
»Das würde mich nicht überraschen«, schnaubte ihr Vater.
»Nun, mich schon«, gab Jaina zurück. »Die Moffs haben dafür gesorgt, dass Boba Fett niemals nach Mandalore zurückkehren kann. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Mandalorianer irgendwen vom Imperium um eine
Mitfluggelegenheit bitten würden.«
»Stimmt«, meinte ihre Mutter. »Aber du bist ein kluges Mädchen, Jaina. Du weißt, was wir damit meinen.«
Jaina seufzte. Sie ließ ihr Kinn nach unten sinken und sah erneut verstohlen auf ihr Chrono. Es war jetzt fast eine Viertelstunde her, seit sie Jag kontaktiert hatte. Vorausgesetzt, dass er zu diesem Zeitpunkt unterwegs zu seinem Treffen mit Daala gewesen war, konnte er nicht sonderlich weit vom Tempel entfernt gewesen sein. Er würde jeden Moment hier sein, und das Letzte, was sie wollte, war, dass er ins Labor marschiert kam, bevor ihre Eltern begriffen, warum er das Geheimnis für sich behalten hatte - zumindest, wenn sie wollte, dass sie zu ihrer Hochzeit kamen.
»In Ordnung«, sagte Jaina. »Sagen wir mal, Jag wusste tatsächlich, dass die Mandalorianer kommen. Na und? Das bedeutet nicht, dass er es uns sagen musste.«
»Was ist mit dir los? Haben dir die Käfer wieder den Verstand verwirrt?«, explodierte ihr Vater. »Wir sind für ihn momentan das, was einer Familie am nächsten kommt! Und Luke ist derjenige, der ihm diesen Posten gegeben hat.«
»Und dieser Posten bringt eine lange Liste von Pflichten und Verpflichtungen mit sich«, entgegnete Jaina, ebenso hitzig, »zu denen nicht gehört, sich wie ein Jedi zu verhalten! Er hat genug damit zu tun, die Moffs auf Linie zu halten, ohne mitten in unsere Probleme mit Daala hineingezogen zu werden.«
Das lange Schweigen, das folgte, verriet Jaina, dass sie den Rancor gerade aus der Grube gelassen hatte. Sie war nicht schockiert genug - nicht wütend genug - gewesen, als dass es so gewirkt hätte, als habe sie das gerade zum ersten Mal gehört. Ihr Vater zuckte zusammen wie ein Sabacc-Spieler, dem soeben klar wurde, dass er aufs falsche Feld gesetzt hatte, und sie drehte sich, um zu sehen, wie ihre Mutter sie mit schlaffem Kiefer und schmalen Augen musterte.
»Du wusstest es!«, sagte ihre Mutter. »Und du hast es niemandem erzählt.«
Jaina stieß einen langgezogenen Atemzug aus. »Mom, es steht viel auf dem Spiel.«
»Warte mal einen Moment«, unterbrach ihr Vater sie. Er sah ihre Mutter an und wies dann auf Jaina. »Sie wusste über die Kübelköpfe Bescheid?«
Ihre Mutter schloss die Augen und nickte. »Ja, Han. Jaina wusste von den Mandos, und sie wusste, dass Jag uns nichts davon erzählt hat. Deshalb verteidigt sie ihn.«
»Ich verteidige ihn. weil er seinen Schwur gehalten hat, stets im besten Interesse des Imperiums zu handeln«, entgegnete Jaina. »Den Schwur, den er geleistet hat, weil Onkel Luke ihn dazu gedrängt hat, ihr Staatschef zu werden.«
Der Blick ihres Vaters wurde kalt und zornig, und sie wich unwillkürlich ein Stück zurück. »Was ist mit den Schwüren, die du abgelegt hast?«, wollte er wissen. »Bedeuten die nichts mehr, jetzt, wo du dabei bist, zu Mylady Fel zu werden?«
Er schüttelte empört den Kopf, dann wirbelte er auf dem Absatz herum, stürmte in Richtung Tür davon und ließ Jaina zu verblüfft zurück, um darauf etwas zu erwidern - und drauf und dran, in den dunklen Abgrund von Einsamkeit und Gewissensbissen zurückzufallen, der sie beinahe verschlungen hatte, nachdem sie Jacen getötet hatte. Sie drehte sich um und stellte fest, dass der Blick ihrer Mutter bloß geringfügig weniger verurteilend war als der ihres Vaters, auch wenn ihr Gesichtsausdruck eher von Enttäuschung denn von Zorn zeugte.
»Mom, du musst das verstehen!«, bat Jaina.
Bevor sie ihr erklären konnte, wie Jag versuchte, die Restwelten vollends in die Galaktische Allianz einzubringen, hob ihre Mutter eine Hand, um sie zum Schweigen zu bringen.
»Jaina, wir werden später darüber reden«, sagte sie und setzte sich in Bewegung, um Han zu folgen. »Momentan sollte ich lieber dafür sorgen, dass Han niemandem wehtut.«
Jaina nickte. Erst dachte sie, ihre Mutter würde die Sache lediglich etwas überspitzen - bis sie ebenfalls eine vertraute Präsenz fühlte, die sich der Tür des Labors näherte.
»Oh, kriff!« Jaina schickte sich an, zur Vorderseite des Labors zu eilen - bis ihre Mutter mit dem Finger auf den Hocker deutete.
»Setz dich hin!«, befahl sie. »Ich kümmere mich um deinen Vater.«
Die Tür öffnete sich bereits mit einem Wuuusch, noch bevor sie zu Ende gesprochen hatte, dann kam Jagged Fel in voller Paradeuniform mit großen Schritten um die Ecke marschiert -und lief direkt in Han Solo hinein, der gerade aus der anderen Richtung kam.
»Oh, Captain Solo - entschuldigen Sie«, sagte Jag, der die Hand ausstreckte, um ihn zu stützen, »Jaina hat nicht gesagt, dass Sie.«
»Geh mir aus dem Weg, Sleemo!« Hans Handflächen trafen Jag nahe der Achselhöhlen und ließen ihn rückwärts gegen seine verblüffte rodianische Eskorte taumeln. »Denk ja nicht, ich würde dich nicht wegpusten, bloß weil das einen Krieg auslösen könnte!«
Damit stürmte er an Jag vorbei und verschwand außer Sicht. Jag stand mit offenem Mund da, als Jainas Mutter im Türrahmen erschien.
»Ahm, Prinzessin Leia«, sagte Jag zögernd. »Ich bin mir nicht
sicher, was das zu bedeuten hatte, aber.«
»Natürlich weißt du das«, unterbrach Leia ihn. Sie trat dichter an Jag heran und blieb erst stehen, als ihre Nase fast an seine Brust stieß. Dann schaute sie mit finsterer Miene auf, um ihm in die Augen zu sehen. »Meine Tochter scheint zu denken, dass du einen guten Grund dafür hattest, den Mund zu halten, und vielleicht hattest du den tatsächlich. Aber ich schätze, das hier sollte für eine Weile besser das letzte Mal sein, dass wir dich im Jedi-Tempel sehen.«
Jags Gesicht sackte in sich zusammen. Er wirkte wütend, schuldbewusst und verlegen, alles auf einmal, doch er unternahm keinen Versuch, die Sache zu erörtern oder zu erklären. Er nickte einfach.
»Natürlich. ich verstehe.« Er sah zu Jaina hinüber, ehe er fragte: »Wäre es akzeptabel, wenn ich einige Worte mit Jaina wechsle, bevor ich gehe?«
Leia warf einen düsteren Blick ins Labor. »Ich denke, das solltest du besser tun«, erwiderte sie. »Ihr zwei habt definitiv einige Dinge zu bereden.«
Damit wandte sie sich ab und verschwand den Gang hinunter, um Han zu folgen.
Jaina ließ sich auf den Hocker fallen, saß da und starrte zu Boden, während sie auf das Klappern von Jags Absätzen lauschte, die über den Fußboden auf sie zukamen.
»Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass du es ihnen nicht erzählt hast.«
Jags Tonfall klang gerade fragend genug, um Jaina wehzutun und dafür zu sorgen, dass sie sich noch einsamer fühlte. Sie rief sich ins Gedächtnis, dass sie einst, vor langer Zeit, ihm einen Grund dafür geliefert hatte, an ihrem Versprechen zu zweifeln. Das half ihr dabei, sich eine scharfe Erwiderung zu verkneifen,
die beinahe automatisch in ihr aufgestiegen war.
»Ich weiß nicht, wie sie es rausgefunden haben«, sagte sie monoton. »Sie haben einen Spion erwähnt, aber sie waren nicht in der Stimmung, um darüber zu reden.«
Jag blieb vor ihr stehen und nickte. »Ich nehme auch nicht an, dass das eine Rolle spielt, zumindest nicht im Augenblick.« Jetzt lag mehr Zuversicht in seiner Stimme und Erleichterung. »Aber es wird die Dinge verkomplizieren.«
Jaina schaute auf und schnaubte, so verstört von den Folgen, die das, was gerade geschehen war, hatte - für sie, für die Jedi und für die Zukunft der Galaktischen Allianz -, dass sie das Gefühl überkam, jeden Moment in hysterisches Gelächter ausbrechen zu müssen.
»Du weißt nicht einmal die Hälfte.«
»Da bin ich mir sicher«, sagte Jag und griff nach ihren Händen. »Aber wir werden das durchstehen, das verspreche ich dir. Wenn deinen Eltern klar wird, wie wichtig es war, dieses Geheimnis in den Beitrittsverhandlungen zu bewahren, werden sie die schwierige Lage verstehen, in die ich dich gebracht habe.«
»Ja, aber erwarte bloß nicht, dass sie dir das verzeihen.« Jaina brachte ein schwaches Lächeln zustande, ehe sie ihre Hände aus den seinen löste. »Das habe ich allerdings nicht gemeint. Erkennst du das hier?«
Sie nahm den Parasitendroiden vom Labortisch und hielt ihn Jag hin.
Jags Augen weiteten sich. »Ich fürchte ja.« Er ließ den Blick über die Einzelteile schweifen, die vor Jaina verstreut lagen. »Aus dem Innern des Reinigungsdroiden?«
Jaina nickte. »Leider ja«, entgegnete sie. »Lecersen?«
»Vermutlich. Das weiß ich mit Sicherheit, sobald ich auf den
Speicher der Einheit zugegriffen habe.«
»Woher weißt du, dass ich das nicht bereits getan habe?«, fragte Jaina.
»Weil er immer noch in einem Stück ist und du nach wie vor all deine Finger besitzt.«
Jag streckte die Hand nach dem Parasitendroiden aus, doch Jaina zog ihn rasch weg.
»Nicht so schnell!«, sagte sie. »Die Jedi müssen auch irgendetwas von diesem Schlamassel haben.«
Jag stieß einen langen Atemzug aus, dann nickte er. »In Ordnung«, meinte er. »Du kannst ihn zurückhaben, sobald wir die Selbstzerstörungssprengladung entfernt und den Speicher kopiert haben.«
»Abgemacht.« Jaina reckte sich nach oben, um ihn zu küssen, und sagte dann: »Aber ich glaube, es gibt da noch eine andere Sache, für die du das Ding brauchen wirst.«
Jag runzelte verwirrt die Stirn.
»Zeig es Daala!« Jaina legte ihm den Droiden in die Hand und schloss seine Finger darum. »Das könnte für uns alle von Nutzen sein.«