14.


Schiff war da draußen in diesem Dschungel aus Farn und Pilzen. Vestara konnte seine dunkle Präsenz irgendwo auf der anderen Seite des purpurnen Flusses fühlen, oben auf der Flanke des Rauch ausstoßenden Vulkans, der den Horizont voraus beherrschte. Er bedrängte sie in der Macht beinahe körperlich und bombardierte sie in seinem Bemühen, sie zur Umkehr zu bewegen, mit Furcht, Besorgnis und Zorn. Er wollte nicht, dass sie und der Rest ihrer Begleiter hier bei ihm blieben. Schiffhatte sie alles gelehrt, was sie wissen mussten, um das Sith-Imperium in der Galaxis wieder herzustellen, und jetzt wünschte er, dass sie ihn seinem Schicksal überließen und ihr eigenes erfüllten.

Vestara verstand das alles. Doch Großlord Vol hatte die Ewiger Kreuzfahrer und ihre Mannschaft geschickt, um Schiff nach Kesh zurückzubringen, und das würden sie auch tun. Vestara konzentrierte sich einen Moment lang auf Schiffs Präsenz, dann hob sie eine Hand und wies auf eine dunkle Basaltfelszunge, etwa ein Viertel des Weges den Vulkan hinauf.

»Schiff ist irgendwo da in der Nähe«, sagte sie. »Ich weiß nicht genau wo, aber er muss uns sehen können. Er drängt mich massiv umzukehren.«

Lady Rhea musterte den Felsvorsprung vom kargen Ufer aus, an dem der Bergungstrupp stand, im vollen Schein der blauen Sonne. Normalerweise hätten sie nach Deckung gesucht, indem sie sich hinter die Farnbäume entlang des Flusses duckten, doch sie hatten auf die harte Tour gelernt, dass das Blattwerk auf diesem sonderbaren Planeten gefährlicher war als die drückende Hitze.

Nach einem Moment nickte Rhea und hielt ihr Komlink an den Mund. »Kreuzfahrer, habt ihr unsere Position?«

»Bestätigt.«

Die Erwiderung erfolgte mit der melodiösen Stimme von Baad Walusari, dem Keshiri-Schwert, dem sie das Kommando übergeben hatte, während sie den Bergungstrupp anführte. In den meisten Flotten wäre es der Erste Offizier gewesen, der den Befehl über das Schiff übernahm, solange der Kommandant fort war. Allerdings würde eine Sith, die einen derart törichten Fehler machte, anschließend vermutlich überhaupt nichts mehr befehligen, wenn sie auf das Gefährt zurückzukehren versuchte. Stattdessen gehörte Meister Xal ebenfalls zum Suchtrupp, sodass Lady Rhea ihn im Auge behalten konnte.

»Sehr gut«, gab Lady Rhea zurück. »Schiff verbirgt sich auf dem Vulkan westlich von uns. Haltet den Traktorstrahl einsatzbereit, falls er versucht, seine Position zu ändern!«

Walusari bestätigte den Befehl, und Lady Rhea erteilte dem Bergungsteam Anweisungen. Sie teilte sie zur Suche in Paare ein und ermahnte sie zu vorsichtigem Vorrücken auf breiter Front. Natürlich würden sich Vestara und Lady Rhea geradewegs zur Felszunge begeben, während alle anderen zu beiden Seiten von ihnen fächerförmig ausschwärmten.

»Schiff ist zu gerissen, um sich irgendwo zu zeigen, wo die Kreuzfahrer ihn mit den Sensoren erfassen kann«, endete Lady Rhea, die an der Spitze der langen Reihe von Schwertern ging, die sie für die Bergungsmission mit runter zur Planetenoberfläche genommen hatte. »Deshalb wird es jemand aus dieser Gruppe sein, der Schiff findet. Ganz gleich, um wen es sich dabei handelt: Wenn das passiert, meldet ihr seinen Standort und wartet dann darauf, dass ich eintreffe und

mich der Situation persönlich annehme. Ist das klar?«

Die meisten der Schwerter versicherten ihr, dass es das sei. doch eine Frau mit rötlichbrauner Haut, die auf den Namen Alexa Zin hörte, fragte: »Was, wenn Schiff zu fliehen versucht?«

»Dann verhindert ihr das«, entgegnete Lady Rhea. »Schiff gehorcht jedem Sith mit einem starken Willen. Den habt ihr alle, andernfalls wärt ihr nicht hier. Befehlt Schiff einfach zu bleiben, wo er ist, und wartet dann, bis ich komme!«

Alexa ließ unterwürfig das Kinn sinken. »Habt Dank für Euren Rat, Lady Rhea. Ich bin Euch zutiefst dankbar.«

Rhea tat Zins Dankbarkeit mit einem Winken ab. »Gern geschehen, Schwert Zin. Ich bin mir sicher, auch andere brauchen Führung.« Sie stoppte am anderen Ende der Reihe, wo Vestara stand, drehte sich um und sagte: »Ich bin sicher, dass ich euch nicht daran erinnern muss, in diesem Dschungel auf euch aufzupassen. Aber falls irgendetwas euch holt, sterbt leise! Wenn ihr das macht, werden eure Familien belohnt -und bestraft, wenn ihr es nicht tut.«

Lady Rhea hatte recht: Diese Erinnerung war nicht notwendig. Mittlerweile waren bereits vier Mitglieder des Bergungsteams den fleischfressenden Pflanzen zum Opfer gefallen, die auf diesem seltsamen Planeten eher die Regel denn die Ausnahme zu sein schienen. Allerdings wurde die Ermahnung, leise zu sterben, mit einem Schaudern aufgenommen, von dem sich Vestara sicher war, dass Lady Rhea genau das beabsichtigt hatte, handelte es sich dabei doch um eine nicht allzu subtile Erinnerung daran, dass die Macht eines Sith-Lords selbst über das Grab eines Untergebenen hinausging.

Nachdem sie der Warnung einen Moment Zeit gegeben hatte, um Wirkung zu zeigen, signalisierte Lady Rhea Meister Xal und Ahri zu warten, ehe sie den Rest der Gruppe über den Fluss wankte. Die meisten der Schwerter entschieden sich dazu, einfach mit einem Machtsprung zum anderen Ufer überzuwechseln, und als sie landeten, musste Vestara zu ihrem Bedauern mitansehen, wie drei langdornige Blätter eines hohen, trichterförmigen Baums nach unten schwangen, um die rotbraunhäutige Alexa Zin aufzuspießen. Zin, die ihr Lichtschwert bereits in der Hand hielt, trennte die Blätter rasch von ihren holzigen Stängeln ab, doch aus anderen Richtungen schossen bereits weitere nach unten. Ihr Suchmannschaftspartner und ein weiteres Schwert zogen flink ihre Glasbumerange - Parangs - aus den Gürtelscheiden und schleuderten sie in das Wrirrwrarr. Als die Klingen ihr Ziel schließlich erreichten, war Zin schon von Ranken umwickelt und wurde in die Krone des Baums hochgezogen. Vestara hoffte, der Umstand, dass sie sich nicht dagegen wehrte, bedeutete, dass sie bereits tot war.

»Kein einziger Laut«, bemerkte Xal, der sich zu Lady Rhea gesellte. »Ich glaube, ihr Sohn ist ein Tyro.«

»Mach eine Notiz, Vestara!«

Obwohl Vestara großes Vertrauen in ihre Fähigkeit hatte, sich selbst an eine lange Liste von Namen korrekt zu erinnern, war ihr eigenes Überleben alles andere als gewiss. Deshalb holte sie pflichtbewusst ihr kleines ledernes Schreibetui aus der Tasche hervor, stach sich mit einem Blutgriffel in den Finger und schrieb Zins Namen auf ein Blatt Loubpapier.

»Ihr Name ist notiert«, meldete Vestara. »Wünscht Ihr, etwas bezüglich ihres Sohns hinzuzufügen?«

Lady Rhea nickte. »Der Junge soll bei unserer Rückkehr seinen Meister finden.«

Während Vestara die Notiz anfertigte, lächelte Xal wohlwollend.

»Sehr großzügig.« Er schaute über den purpurnen Fluss zu den übrigen Sith hinüber, die bereits im Dschungel verschwanden. »Habt Ihr einen besonderen Ratschlag für mich?«

»In der Tat«, entgegnete Lady Rhea. »Schiff zu bergen ist für Großlord Vol von größerer Bedeutung, als wer dafür das Lob erntet. Falls Ihr oder Ahri es findet, wird er keine anderen Namen hören.«

Xals Augenbrauen schossen in die Höhe. »Überaus aufmerksam«, sagte er. »End dennoch sind Ahri und ich bloß zwei unter vielen. Die Chance, dass jemand anderes Schiff findet, ist durchaus wahrscheinlich. insbesondere, wo Ihr ihnen einen so entscheidenden Vorsprung vor uns verschafft habt.«

»Und wenn sie das tun, wird Euer Name genauso fallen wie meiner«, versprach Lady Rhea. »Ich will, dass uns bei der Bergung von Schiff nichts in die Quere kommt. Ist das klar?«

Xal neigte zustimmend sein schmales Haupt. »Dürfte ich in diesem Fall vorschlagen, dass wir weitergehen? Wenn wir zu weit zurückfallen, gibt es eine Lücke in der Suchlinie.«

Lady Rhea musterte ihn einen Moment lang, während sie sich zweifellos - genauso wie Vestara - fragte, wie lange Xal brauchen würde, um zu dem Schluss zu gelangen, dass er mehr dadurch gewinnen konnte, die Abmachung zu brechen, als sich daran zu halten. Schließlich entließ sie ihn mit einem Handwedeln.

Vestara verstaute das Schreibset wieder im Gewand und verfolgte dann, wie Xal und Ahri den Fluss überquerten. Sie tanzten über die Oberfläche und setzten die Macht ein, um ihre Füße am Versinken zu hindern. Sie mussten an einem Eiland vorbei, das von Dutzenden grüner Echsen bedeckt war. doch die Kreaturen schienen nicht das geringste Interesse an ihnen zu haben. Sie lagen einfach weiterhin mit ausgebreiteten Schwingen da, badeten im grellen Schein der blauen Riesensonne und hoben kaum die langen Hälse, als Xal und Ahri an ihnen vorübereilten. Allerdings war das Eiland auch von Dutzenden länglicher gelber Wasserpflanzen umgeben, die ungeachtet der Strömung des Flusses allesamt in Richtung der Echsen zu wachsen schienen. Als Ahri und Xal näher kamen, schwammen mehrere der Pflanzenstränge in ihren Weg, schlugen mit einem Mal wie Schlangen zu und attackierten sie von allen Seiten.

Ahri und Xal aktivierten ihre Lichtschwerter und wirbelten in einem wilden Gestöber aus Schlitzen und Spritzen los, das sie hinter einem aufsteigenden Wasserdampfschleier verbarg. Ein paar verdorrte und rauchende Stängel segelten aus der Wolke, und kurz darauf tänzelte das Duo auf das gegenüberliegende Ufer. Sie arbeiteten sich mit einer Reihe kurzer Sprünge die Böschung hinauf und setzten die Macht ein, um jeden Busch beiseitezuschieben - und manchmal sogar zu entwurzeln -, der ihnen in die Quere kam, bevor sie über die Kante eines roten Sandsteinvorsprungs kletterten und im Dschungel dahinter verschwanden.

Lady Rhea deutete auf den Felsvorsprung. »Siehst du, wo sie aus dem Fluss gekommen sind?«

Vestara nickte. »Ja.«

»Gut. Zieh deine Waffen!« Lady Rhea löste ihr eigenes Lichtschwert vom Gürtel und zog das Parang aus seiner Scheide, dann sagte sie: »Dorthin gehen wir auch. Sobald wir drüben sind, begeben wir uns zu unserem eigenen

Suchkorridor und gehen los, um Schiff zu finden.«

Das war so klassisch Sith, dass Vestara es beinahe hätte vorhersehen können: einen Untergebenen dazu zu zwingen, das anfängliche Risiko auf sich zu nehmen, um ihm dann zu folgen und die Ehre für sich zu beanspruchen. Vestara trat an den Rand des Ufers, wo Lady Rhea einen guten Blick auf sie haben würde, wenn sie ihre Waffen zog, dann löste sie das Lichtschwert und holte das Parang hervor. Eine Sekunde später spürte sie einen Schubs in der Macht und wusste, dass sie die Erlaubnis hatte fortzufahren.

Vestara öffnete sich der Macht und spürte, wie sie in sie hineinströmte, so dunkel und kalt, dass es beinahe überwältigend war. Sie war noch nie zuvor an einem Ort gewesen, an dem die Macht so stark war, dass sie ihr tatsächlich Gänsehaut bescherte und dafür sorgte, dass ihr Rückgrat vor Aufregung kribbelte. Keiner der Orte war so, und die Präzision, mit der selbst Lady Rhea hier auf die Macht zurückgriff, verriet ihr, dass diese Stärke ihnen allen ein wenig Angst machte. Natürlich hinderte das niemanden daran, sie sich zunutze zu machen. Kein wahrer Sith würde jemals zulassen, dass Furcht zwischen ihm und der Macht stand.

Vestara sprang in die Luft, benutzte die Macht, um sich noch höher emporzukatapultieren, und flog auf den Felsvorsprung, auf den Lady Rhea gezeigt hatte. Zu Hause auf Kesh oder auf jedem anderen Planeten, auf dem beinahe Standardgravitation herrschte, wäre sie bloß imstande gewesen, die Hälfte der Strecke über den purpurnen Fluss zu springen. Auf dieser sonderbaren Welt jedoch überbrückte sie die Distanz ohne Mühe und landete leichtfüßig, bereit, sich gleichermaßen mit ihren Waffen wie auch mit der Macht zu verteidigen.

Als keine Äste nach unten auf ihren Kopf zuschwangen und keine Ranken vorschnellten, um sich um ihre Knöchel zu schlingen, hob Vestara die Hand, in der sie ihr Lichtschwert hielt, und signalisierte, dass es sicher war. Einen Moment später erreichte Lady Rhea den Felsvorsprung, und gemeinsam rückten sie flussabwärts am Elfer entlang vor. Nach fünfzig Schritten erreichten sie ihren Suchkorridor und betraten den Dschungel. Vestara übernahm die Führung und ging etwa fünf Schritte voraus. Obgleich ihr Gefahrensinn wesentlich weniger versiert war als der ihrer Meisterin, kam es überhaupt nicht infrage, dass Lady Rhea die gefährliche Spitze übernahm. Ein Schüler war zuerst und vor allem der Diener seines Meisters, und das hieß, dass er die erste Wucht jedes Angriffs abbekam, mit dem sie konfrontiert wurden.

Das Blattwerk des Dschungels bestand größtenteils aus Farnbäumen und riesigen Säulenpilzen, die bislang keinen Appetit auf Tierfleisch an den Tag gelegt hatten - zumindest noch nicht. Dennoch arbeitete sich Vestara mit Lichtschwert und Parang vor, um jeden Wedel, jede Ranke und jede Wurzel wegzuschneiden, die bis auf einen Meter an ihren Pfad heranreichte. Sie hatten festgestellt, dass die Pflanzen es für gewöhnlich vorzogen, überraschend anzugreifen, um ihre Beute wann immer möglich von hinten zu attackieren.

Während sie dahingingen, setzte Schiff Vestara in der Macht weiterhin zu, drängte sie, umzukehren und von hier zu verschwinden. Schiffs Schicksal sei es zu dienen, und ihm blieb keine andere Wahl, als dem starken Willen zu gehorchen, der ihm befahl, hier zu dienen. Das Schicksal des Stamms hingegen sei es zu herrschen, und das war ihnen von hier aus nicht möglich. Vestara schenkte dem Flehen keine Beachtung, abgesehen davon, dass ihr auffiel, dass Schiff sie vermutlich immer noch sehen konnte, wenn er seine Bedenken so klar an

ihren Geist übermitteln konnte.

Sie waren den Vulkanhang etwa einen Kilometer hinaufgestiegen, als Lady Rhea einen scharfen Befehl ausstieß, der Vestara mitten im Schritt erstarren ließ.

»Stehen bleiben - sofort!«

Vestara gehorchte augenblicklich und nutzte die Macht, um ihr Gewicht abzufangen, das sich auf den Vorderfuß verlagert e. Sie stand da und griff auf die Macht zurück, um auf einem Bein zu balancieren, derweil Lady Rhea die fünf Schritte zwischen ihnen überbrückte. Die Sith-Lady blieb neben Vestara stehen und benutzte die Macht, um eine dünne Zellulosematte beiseitezuschälen, die so perfekt getarnt war, dass sie unmöglich vom humusbedeckten Boden ringsum zu unterscheiden war.

Unter der Matte lag ein zotteliges grünes Nagetier von der Größe einer Menschenhand. Das halb verrottete Tier war von einem Teppich fingerlanger Widerhaken aufgespießt worden, die aus einem Wirrwarr halb vergrabener Wurzeln aufragten. Vestara ließ behutsam den Fuß sinken, mit dem sie beinahe in die Falle getreten wäre, ehe sie die gelben, fächerförmigen Blätter des Busches bemerkte, von dem die Wurzeln auszugehen schienen.

»Vielen Dank, Lady Rhea«, sagte Vestara. »Das wäre überaus schmerzhaft geworden.«

»Vermutlich tödlich«, korrigierte Lady Rhea. »Diese Widerhaken sind giftig.«

Vestara ließ den Blick wieder auf die Widerhaken fallen und versuchte, sie zu studieren, ohne es sich allzu sehr anmerken zu lassen. Sie sah keinen Hinweis darauf, dass die Ursache für den Tod des Nagers in irgendetwas anderem bestand als darin, dass er durchbohrt worden war, doch sie war klug genug, die

Behauptung ihrer Meisterin nicht infrage zu stellen.

Stattdessen sagte Vestara: »Ein Planet, auf dem die Pflanzen die Tiere fressen, ist irgendwie ziemlich rückständig, findet Ihr nicht auch?«

Lady Rhea nickte. »An dieser Welt ist nichts natürlich, vom Ort, an dem sie verborgen ist, bis hin zu den Lebensformen, die sie bewohnen.« Sie schaute in den Dschungel empor und kniff nachdenklich die Augen zusammen. »Ich denke, deshalb hat Schiff uns hierhergeführt. Allein seine bloße Existenz belegt, dass es sich bei diesem widernatürlichen Planeten um einen Ort großer Macht handelt.«

»Ich bitte um Nachsicht, Lady Rhea.« Innerlich zuckte Vestara angesichts der Bestrafung zusammen, die ihr zweifellos dafür blühte, anderer Ansicht als ihre Meisterin zu sein, doch sie musste sich vergewissern, dass sich Lady Rhea über Schiffs Verhalten vollends im Klaren war - womöglich hing später die ganze Mission davon ab. »Aber ich glaube nicht, dass Schiff tatsächlich will, dass wir hier sind. Er versucht nach wie vor, mich zur Umkehr zu bewegen.«

Zu Vestaras Überraschung lächelte Lady Rhea. »Natürlich tut es das. Es will sichergehen, dass wir würdig sind.«

Mit einem Mal wurde Vestara klar, was ihre Meisterin dachte. »Ihr glaubt, dass unsere Anwesenheit hier etwas mit der Rückkehr zu tun hat?«

»Exakt.« In Lady Rheas Augen leuchtete Anerkennung. »Darauf hat Schiff uns die ganze Zeit über vorbereitet.«

Vestara musste zugeben, dass das sehr gut möglich schien. Den Keshiri-Mythen zufolge kehrte alle paar Äonen eine Spezies geheimnisvoller Destruktoren in die Galaxis zurück, um die Zivilisation auszulöschen und alle Lebewesen in ihren natürlichen, primitiven Zustand zurückzuversetzen. Durch eine

Kombination aus historischem Zwischenfall und Schicksal waren die Sith-Vorfahren des Vergessenen Stamms vor mehr als fünf Jahrtausenden auf Kesh abgestürzt, und die eingeborenen Keshiri hatten die Überlebenden als die legendären Protektoren begrüßt, die dazu auserwählt waren, ihren Planeten zu beschützen, wenn die Destruktoren zurückkehrten.

Zuerst hatten die Sith die Legende bloß als praktische Methode betrachtet, die wesentlich größere eingeborene Bevölkerung zu beherrschen. Im Laufe der Jahrhunderte jedoch hatten ihre Nachkommen begonnen, archäologische Beweise zutage zu fördern, die darauf hindeuteten, dass es sich bei der legende in Wahrheit um eine historische Tatsache handelte. Schließlich war der Vergessene Stamm zu dem Schluss gelangt, dass ihr Schwindel letzten Endes ihr Schicksal war.

Und jetzt waren sie hier, an einen Ort der Dunkelheit geführt von einem Schiff, das so alt war wie die Sith selbst - an einen Ort, der allem Anschein nach von Wesenheiten geschaffen worden war, deren Macht und Wissen jedes Vorstellungsvermögen überstieg. War es da nicht logisch, anzunehmen, dass Schiff sie aus einem bestimmten Grund hierhergeführt hatte?

Vestara neigte vor ihrer Meisterin das Haupt. »Eure Weisheit scheint heller als die Sonne dort droben, Lady Rhea. Ich sehe keinen Grund, warum Schiff uns zu einem solchen Planeten führen sollte, wenn nicht, um uns die Macht zu schenken, die wir brauchen.«

Sie ließ den Satz abklingen, als ihr mit einem Mal doch ein anderer Grund dafür einfiel, warum Schiff sie zu einem solchen Ort gebracht haben mochte.

»Vestara?« Lady Rhea nutzte die Macht, um ihren Arm zu schütteln. »Stimmt irgendwas nicht?«

»Ich. Ich weiß es nicht«, gestand Vestara. Sie sah Lady Rhea geradewegs in die Augen. »Mir ist gerade ein Gedanke gekommen - einer, der falsch sein muss.«

Lady Rhea runzelte die Stirn, da diese Wortwahl der einzig akzeptable Weg war, wie eine Schülerin ihrer Meisterin widersprechen konnte. »Und welcher wäre das?«

»Ich bin mir sicher, dass Ihr diese Möglichkeit bereits selbst bedacht und abgetan habt«, fuhr Vestara fort. »Aber was, wenn Schiff uns hierhergeführt hat, weil dies der Heimatplanet der Destruktoren ist?«

Die Art und Weise, wie Lady Rheas Blick härter wurde, verriet Vestara, dass sie diese Möglichkeit nicht in Erwägung gezogen hatte, doch die Vorstellung beunruhigte sie genug, dass sie sich nicht einmal die Mühe machte, etwas anderes vorzugeben.

»Du hast eine erschreckende Fantasie. Vestara.« Einen Moment lang wirkte Lady Rhea gedankenverloren, dann sagte sie: »Na schön, und warum sollte uns Schiff zum Heimatplaneten der Destruktoren führen?«

»Was, wenn Schiff ihnen die ganze Zeit über gedient hat?«, fragte Vestara. »Wenn die Destruktoren vom Schicksal des Stammes wussten, was gäbe es dann für einen besseren Weg, dem zuvorzukommen, als jemanden zu schicken, der uns geradewegs in ihre Fänge lotst?«

»Eine vernünftige Taktik.« Lady Rhea bedeutete Vestara weiterzuklettern, bevor sie ihr dicht auf den Fersen um das Beet mit Widerhaken versehener Wurzeln folgte. »Aber wir sind nicht der Stamm. Was hätten die Destruktoren davon, dass sie eine Fregatte von Kriegern vernichten?«

Vestara grübelte. Das war ein Problem. »Natürlich habt Ihr recht. Ein Spion bringt einem Feind nicht das Geringste, wenn er nicht im Heim des Gegners ist.«

»Und warum hätte Schiff dann überhaupt zu uns kommen sollen?«, drängte Lady Rhea. »Der Stamm war auf Kesh gefangen, doch jetzt durchstreifen wir die Galaxis nach Belieben. Schiff hat uns in jeder Hinsicht stärker gemacht.«

»Stimmt«, gab Vestara zu. »Aber jetzt konzentrieren war uns in erster Linie auf die Jedi, nicht auf die Destruktoren. Vielleicht besteht das Ziel darin, dafür zu sorgen, dass wir in eine Richtung schauen, wenn wir eigentlich in die andere sehen sollten.«

»Aber was machen wir dann hier?«, fragte Lady Rhea. »Wenn dies die Heimat der Destruktoren ist, hat Schiff nichts anderes getan, als unsere Aufmerksamkeit darauf zu lenken.«

»Und die Position des Feindes zu verraten«, fügte Vestara hinzu, der klar war, wie dürftig ihre Argumentation war. »Verzeiht mir, Lady Rhea. Ich habe nichts anderes getan, als Euren Kopf mit törichten Gedanken zu füllen.«

»Manchmal haben unsere Gegner auch törichte Gedanken. Vestara, und es ist gut, sie zu verstehen.« Während Lady Rhea sprach, erklommen sie die Flanke des Vulkans und machten weiter vorn den dunklen Felsvorsprung aus, der ihr Ziel war. »Denk weiter über diese Sache nach - und füll meinen Kopf mit allen anderen törichten Gedanken, die du vielleicht hast!«

»Wie Ihr wünscht«, versprach Vestara. »Habt Dank, dass Ihr nicht schlecht von mir denkt, weil ich solchen Unsinn ins Spiel bringe.«

»Zu Dankbarkeit besteht kein Anlass«, erwiderte Lady Rhea. »Achte nur darauf, deine närrischen Anregungen nicht zur Sprache zu bringen, wenn andere sie mitanhören könnten. Wir

müssen unseren Ruf wahren.«

Vestara lächelte, als ihr plötzlich bewusst wurde, dass sie mittlerweile schon seit mehreren Minuten nicht gespürt hatte, wie Schiff sie wegzudrängen versuchte. Sie benutzte ihr Lichtschwert, um ein regenschirmgroßes Blatt entzweizuhacken, das aus einem Gewirr faulig riechender Ranken nach unten fiel, dehnte ihr Machtbewusstsein in Richtung des Felsvorsprungs aus - und fühlte statt Schiff ihren Freund Ahri.

Noch bevor Vestara leise fluchen konnte, fragte Lady Rhea: »Was ist los?«

»Schüler Raas«, antwortete Vestara. »Ich denke, Meister Xal hat den Suchkorridor, den Ihr ihm zugewiesen habt, verlassen, und ist geradewegs zum Vorsprung gegangen.«

»Und weshalb überrascht dich das?«

Vestara atmete verbittert. »Weil ich dachte, Ihr hättet eine Abmachung mit ihm getroffen.«

»Ich habe ihm eine Abmachung angeboten«, korrigierte Lady Rhea. »Die er nicht abgelehnt hat.«

»Ist das nicht dasselbe, wie sie zu akzeptieren?«

»Eigentlich schon«, sagte Lady Rhea und schnaubte belustigt. »Offensichtlich hatte er so oder so nicht die Absicht, sich an unsere Vereinbarung zu halten.«

»Aber warum habt Ihr ihm dann überhaupt das Angebot gemacht?«, fragte Vestara.

»Sag düs mir!«, hielt Lady Rhea dagegen. »Was habe ich damit erreicht?«

Vestara dachte einen Moment lang nach, ehe ihr klar wurde, was sie getan hatte. »Ihr habt ihn dazu gebracht, Euer Spiel zu spielen«, sagte sie. »Er dachte, er würde Euch bereits täuschen, deshalb hat er nichts anderes versucht.«

»Wir machen noch ein richtiges Schwert aus dir.« Lady Rhea legte Vestara eine Hand auf die Schulter und stoppte sie, bevor sie sanfter weitersprach. »Jetzt erzähl mir von dir und Schüler Raas! Steht ihr euch nah genug, dass du seine Machtaura erkennst?«

Sofort fühlte Vestara sich schuldig. »Das hat nichts mit Illoyalität Euch gegenüber zu tun, Lady Rhea. Ahri und ich sind beste Freunde, seit wir Tyros waren.«

»Das dachte ich mir schon«, meinte Lady Rhea. »Aus diesem Grund hat Xal ihn ausgesucht.«

Vestaras Augenbrauen schossen in die Höhe. »Ich dachte, weil Ahri. nun, ein Keshiri ist.«

»Und das ist Xal. nicht?« Lady Rhea lächelte. »Ich bin mir sicher, dass das ein Teil des Grundes ist. Es schadet nie, den Blick der anderen von den eigenen Schwächen abzulenken -wie du sehr wohl weißt.«

Lady Rhea fuhr mit einem Finger an den sorgsam aufgetragenen Augenwirbeln entlang, die Vestara jeden Morgen aufmalte, um die Aufmerksamkeit von der kleinen Narbe in ihrem Mundwinkel abzulenken.

»Aber die Wahrheit ist, dass Meister Xal darauf gehofft hat, dass sich Ahris Verbindung zu dir für ihn womöglich als vorteilhaft erweisen würde.«

»Zu mir?«, fragte Vestara schwer atmend. »Wegen Schiff?«

»Weil du meine Schülerin bist«, erklärte Lady Rhea. »Ich bin mir sicher, dass Xal gehofft hat, deine Freundschaft mit Ahri würde ihm gelegentlich gewisse Einblicke in mein Denken gewähren.«

Vestara spürte ihren Herzschlag bis in die Kehle. »Lady Rhea, ich würde niemals...«

»Ich weiß, Vestara«, beteuerte sie, »und ich bin sicher, dass das der Grund dafür ist, warum Xal mit deinem Freund so unzufrieden ist.«

Vestaras Herz rutschte ihr nach unten. Das Letzte, was sie wollte, war, Ahri das Leben schwer zu machen, doch sie hatte auch nicht vor, ihre eigene Meisterin zu hintergehen, damit er gut dastand.

Und das war genau das, was Lady Rhea im Sinn zu haben schien. »Ich weiß nicht, wie nah ihr beide euch steht«, sagte sie. »Aber es kann nicht schaden, Ahri gewisse Fortschritte machen zu lassen.«

Vestaras Augen wurden groß. »Ihr meint.« Sie wusste, was Lady Rhea damit meinte, doch sie konnte sich nicht ganz dazu bringen, es laut auszusprechen - nicht, wenn das bedeutete, ihren besten Freund zu verraten. »Ihr wollt, dass ich Ahri benutze?«

»Ich meine, dass Xal kommen wird, um dich zu töten«, entgegnete Lady Rhea mit wachsender Verärgerung. »Und dann wäre es schön, wenn du einen Freund hättest, der dir diesbezüglich eine kleine Warnung zukommen lassen würde.«

»Oh.« Vestara zögerte, als ihr klar wurde, dass Lady Rhea genau das vorschlug, was sie gedacht hatte. und dass ihre einzige echte Wahl darin bestand, ihren Ratschlag zu beherzigen oder zu sterben. »Wenn Ihr es so ausdrückt.«

Lady Rhea nickte. »Exakt.« Sie ließ Vestaras Schulter los und wies auf den Hang. »Jetzt lass uns gehen und Schiffholen.«

In der Erwartung, dass jeden Moment Xals Parang aus dem Dschungel geflogen kommen würde, übernahm Vestara die Führung und kletterte den schroffen Abhang hinauf zu der Stelle, wo sie Ahri warten fühlte. Als sie ihn fand, lauerte er zu ihrer Freude nicht in einem Hinterhalt, noch stand er draußen in offenem Gelände, um als Köder zu fungieren. Er kauerte am

Fuß des Vorsprungs, zwischen zwei Felsen versteckt, und beobachtete den Eingang einer Vulkanhöhle, der kaum groß genug wirkte, um Schiff passieren zu lassen.

Obwohl Vestara und Lady Rhea auf die Macht zurückgriffen, um sich in völliger Stille zu nähern, schwang sein Kopf zu ihnen herum, als sie noch zwanzig Schritte entfernt waren, und der Ausdruck der Erleichterung auf seinem wunderschönen Gesicht genügte, um sämtliche Gedanken an einen Hinterhalt aus Vestaras Gedanken zu verbannen. Sie nutzte die Macht, um das letzte Dutzend Meter mit einem Sprung zu überwinden, an seiner Seite zu landen und sich neben den Felsbrocken niederzukauern, bei denen er sich verbarg.

»Was ist los?«, flüsterte sie.

Ahri gab sich ratlos. »Meister Xal wollte Schiff alleine da rausholen«, sagte er. »Er hat mir aufgetragen, hier draußen zu bleiben und ihm Bescheid zu geben, wenn ich euch sehe.«

Vestara runzelte die Stirn. »Und hast du das getan?«

Ahri schüttelte den Kopf. »Ich kann ihn nicht mal fühlen«, sagte er. »Versuch du es doch mal!«

Vestara runzelte die Stirn, streckte jedoch ihre Machtsinne aus und wurde schlagartig von demselben dunklen Verlangen überwältigt, das sie gespürt hatte, als sie sich diesem System näherten. Da war irgendetwas in der Höhle, etwas Hungriges, Einsames und Mächtiges, aber es war nicht Xal. Und auch nicht Schiff.

Sie wandte sich an Ahri. »Das ist. nicht gut.«

»Sag mir, was wir jetzt tun sollen!«, bat er. »Was willst du jetzt machen?«

»Ich weiß es nicht.« Vestara schaute den Hügel hinunter, streckte ihre Sinne nach Lady Rhea aus und ließ zuversichtliche Gefühle in die Macht strömen. »Befehle befolgen?«

Ahri nickte. »Im Zweifelsfall.«

Einen Moment später marschierte Lady Rhea mit großen Schritten den Hang empor. Sie wirkte, als würde die Situation sie weit weniger beunruhigen, als sie es Vestaras Einschätzung zufolge in Wahrheit tat. Sie blieb vor dem Höhleneingang stehen und spähte in die Dunkelheit, bevor sie das Wort ergriff, ohne sich dabei umzudrehen, um Ahri oder Vestara anzusehen.

»Ich nehme an, Meister Xal ist dort drin?«

»Soweit ich weiß, ja«, antwortete Ahri. »Er ging vor etwa fünf Minuten rein.«

»Schiff?«

Ahri zuckte die Schultern. »Wir haben etwas gehört, aber man sollte.«

». niemals Mutmaßungen anstellen«, brachte Lady Rhea den Satz für ihn zu Ende. Sie streckte eine Hand in Ahris Richtung aus und nutzte die Macht, um den Glühstab aus seiner Schlaufe am Ausrüstungsgürtel schweben zu lassen. »Weißt du nicht, dass es kein gutes Eicht auf einen wirft, wenn man seinen Meister verliert. Schüler Raas?«

Ahri warf Vestara einen nervösen Blick zu. Dann, als sie ihm ein beruhigendes Lächeln schenkte, sagte er: »Ich habe lediglich seine Anweisungen befolgt, Lady Rhea.«

Sie schenkte ihm ein durchtriebenes Lächeln. »Da bin ich mir sicher.«

Lady Rhea aktivierte Ahris Glühstab und warf ihn in die Höhle. Vestara erhaschte einen flüchtigen Blick auf ein großes und graues Ding, das von der Decke baumelte - oder vielleicht waren es auch mehrere Dinge, allesamt lang und sich windend, mit Saugnäpfen an der Unterseite und gelben, mit Widerhaken versehenen Stacheln an den Enden.

Der Glühstab hüpfte über den Boden, rollte langsam im Kreis herum und warf einen Schein blassblauen Lichts an die porigen Wände. Einen Augenblick lang wurde eine zappelnde, mannsgroße Mumie erhellt, die - in lila Seide gehüllt - an der Rückwand hing, dann glitt das Licht vorüber und kam beim dunklen Schlund eines langen, schwarzen Tunnels zur Ruhe, der ins Herz des Berges hinabführte.

Lady Rhea wies mit einem Finger auf den Glühstab und benutzte in aller Seelenruhe die Macht, um ihn wieder über den Boden zurückrollen zu lassen, bis der Lichtschein auf dem lila Kokon verharrte, der an der Rückwand hing. Vestara war nicht im Geringsten überrascht, die Umrisse von Meister Xals scharf geschnittenem Gesicht in der Seide auszumachen; eine kleine Speichelblase trat aus seinem Mund und verschwand wieder darin, während er sich abmühte zu atmen.

»Nun«, sagte Lady Rhea. »Ich glaube nicht, dass Schiff das getan hat.«

Sie winkte Vestara und Ahri zum Höhleneingang.

Vestara schluckte schwer und wandte sich dann an Ahri. »Er ist dein Meister«, sagte sie.

Ahri nickte. »Ich Glückspilz«, entgegnete er. »Falls irgendetwas schiefgeht.«

»Ja«, versprach Vestara, »dann werde ich dich einfach töten.«

Ahri schlüpfte aus seinem Versteck, dann schaltete er das Lichtschwert ein und verschwand in der Höhle. Da die grauen Tentakeldinger, die von der Decke hingen, nicht sofort nach unten schnellten, um ihn zu umhüllen, gelangte er ungehindert bis zu Meister Xals Kokon und schlug darauf ein.

Vestara sah nicht, was als Nächstes geschah, weil sie Ahri mit einem Hechtsprung in die Höhle folgte. Sie rollte über den unebenen Boden und kam dann neben Xal hoch, um ihre rote, mit einem Lignan-Kristall betriebene Klinge an seiner Seite herniedersausen zu lassen.

Von der Wand befreit - wenn auch noch nicht vom Kokon -, stürzte Xal nach vorn und wäre zu Boden gekracht, hätte er nicht die Macht eingesetzt, um seinen Fall zu bremsen. Ohne ihm weitere Aufmerksamkeit zu schenken, wirbelte Vestara auf dem Absatz herum, um sich den grauen Tentakeln zu stellen, die sie zuvor gesehen hatte.

Sie baumelten nicht länger von der Decke herab. Tatsächlich waren sie nirgends zu entdecken, obwohl aus Richtung des dunklen Tunnels, den der Glühstab vorhin enthüllt hatte, eindeutig ein schlurfendes Geräusch herüberdrang. Vestara setzte rasch die Macht ein, um den Lichtstrahl zum Durchgang herumzuschwingen. und sah sich einer attraktiven, anmutigen Frau gegenüber. Ihre Augen waren grau, und ihr schulterlanges Haar hatte die Farbe von Honig.

Vestara bemühte sich noch zu begreifen, was sie da sah, als Ahri vor sie sprang - sein Lichtschwert schoss auf die Schulter der Frau zu. Das markante Zischen einer hocherhitzten Klinge, die durch Fleisch und Knochen fuhr, erklang, und dann erfüllte der beißende Gestank von versengtem Fleisch die Luft.

Plötzlich wurde Ahri gegen die Höhlenwand hinter Vestara geschleudert, das Lichtschwert erlosch. Sein Kopf schlug mit einem abscheulichen, dumpfen Krachen auf. Vestara verfolgte entsetzt, wie er zuckend zu Boden ging, dann aktivierte sie ihre eigene Klinge und sprang vor, um anzugreifen.

Im nächsten Moment hing sie in der Dunkelheit, hielt ihr deaktiviertes Lichtschwert fest und starrte in zwei große graue Augen, so kalt und leblos wie Perlen. Mit einem Mal hatte Vestara einen weiteren törichten Gedanken, aus welchem

Grund Schiff sie hierhergeführt haben mochte - einen Gedanken, der ihr noch viel mehr Angst einjagte als alle anderen. Vielleicht hatte Schiff sie nicht hergebracht, um den Stamm zu vernichten, sondern um die Destruktoren zu befreien.

Die Frau ließ ihre Hand sinken, woraufhin Vestara auf den Höhlenboden krachte.

»Bitte entschuldige!«, sagte sie. »Ich war mir nicht sicher, ob du real bist.«