9.


»Als du sagtest, >Körper, jede Menge Körper«, beschwerte sich Luke über sein Helmmikrofon, »hatte ich irgendwie erwartet, dass es sich dabei um tote Körper handelt.«

»Wer weiß?«, fragte Ben. »Sehen die für dich lebendig aus? Fühlen sie sich lebendig an?«

Luke musste zugeben, dass dem nicht so war. Er und Ben standen kurz hinter der Schwelle der Kammer, die sie vom Kontrollraum aus gesehen hatten, von der Zentrifugalkraft der Raumstation am Boden gehalten. Allerdings leuchteten sie mit ihren Helmlampen in das schwerelose Innere der Kammer »hinauf«, wo ein sanft wogendes Meer von Gliedmaßen und Torsos langsam über ihre Köpfe hinwegtrieb.

Das sich krümmende Licht war immer noch sichtbar, wenn auch bloß als unbeständiges violettes Glühen, das die Silhouetten der Leiber über ihren Häuptern aus dem Dunkel riss. Alle paar Sekunden zuckte eine Hand oder ein Fuß, oder ein Atemwölkchen stieg aus jemandes Mund auf, das ein vages Anzeichen von Leben lieferte. Selbst ihre Machtpräsenzen wirkten beinahe inexistent, so schwach und zerstreut, dass man sie nicht von der diffusen Aura unterscheiden konnte, die diesen gesamten Bereich des Schlunds durchdrang.

»Sie fühlen sich wie nichts an«, stimmte Luke zu. »Zumindest wie nichts, das ich je zuvor in der Macht gefühlt habe.«

Er berührte einen Kinnschalter im Innern seines Helms, um eine Visieranzeige zu aktivieren, die die Umgebungsdaten der Kammer anzeigte. Als er nichts Besorgniserregenderes sah, als einen leicht erhöhten Kohlendioxidwert und eine frostige

Raumtemperatur, schaltete er das Lebenserhaltungssystem auf Bereitschaft und öffnete sein Visier wieder.

Als die Versiegelung nachgab, füllte der Ammoniakgestank ungewaschener Körper seine Nasenlöcher. Da sich menschliche Nasen so schlecht darauf verstanden, individuelle Düfte wahrzunehmen, hatte er Mühe, die unterschiedlichen Gerüche zu identifizieren. Der ausgeprägteste war schlichtweg das Resultat zu vieler ungewaschener Leiber auf begrenztem Raum. Aber unterschwellig war da auch eine gewisse Fäulnis und - kaum wahrnehmbar - der Duft getrockneten Fleisches.

Dann vereinten sich die Gerüche zu einem einzigen durchdringenden Gestank, der einem die Tränen in die Augen trieb, und Luke musste auf die Macht zurückgreifen, um seinen Magen am Rebellieren zu hindern. Nach ein paar flachen Atemzügen überwand er den Ekel und fühlte die kalte Luft, die in Nase und Wangen biss. Die Temperatur war nicht ganz auf dem Gefrierpunkt, aber kalt genug, dass er sich fragte, ob irgendjemand - oder irgendetwas - auf diese Weise versuchte, die Verfallsgeschwindigkeit in der Kammer zu senken.

Bens Helm öffnete sich mit einem Zischen, dann keuchte er: »Du meine Güte! Und ich dachte vorhin schon, der Gestank könnte nicht mehr schlimmer werden.«

»Dann hast du nicht genügend Zeit mit Hutts verbracht«, stellte Luke fest. »Da werden wir Abhilfe schaffen müssen.«

Ben unterdrückte ein Würgen, ehe er fragte: »Das würdest du deinem eigenen Sohn antun?«

»Betrachte es als Fortsetzung deiner Ausbildung«, meinte Luke. »Ein Jedi-Ritter sollte in jeder Umgebung zurechtkommen.«

»Ich wette, Yoda war nicht so grausam.«

»Yoda hat in einem Sumpf gelebt«, erinnerte Luke seinen

Sohn. »Er hat mich Zeug essen lassen, das schlimmer gerochen hat als das hier.«

»Niemals!«

»Aber sicher!« Luke lieferte seine beste Yoda-Imitation ab. »Hmmtn... Schlurrlaich frisch aus dem Sumpf. Im Hals er kribbelt, und den Magen erfüllt!«

Ein krächzender Laut drang aus dem Innern von Bens Helm hervor.

Luke lachte innerlich. »Atme einfach durch die Zähne!«, schlug er vor. »Du gewöhnst dich daran.«

Luke leuchtete mit seiner Helmlampe die Wesen an, die in der Nähe schwebten. Sie trugen helle Overalls und auch zweiteilige Arbeitsmonturen, beide von der Art, wie man sie unter Schutzanzügen trug, und ihre Füße waren entweder bloß oder von Stiefeln bedeckt. Viele waren Menschen, doch es gab auch Vertreter der meisten anderen raumfahrenden Spezies: Falleen, Twi'lek, Bothaner und Dutzende anderer. Alle waren ausgemergelt und ungepflegt, und die in älterer Kleidung wirkten merklich dünner und verlotterter als jene, die moderne Kleider trugen.

Wenn eine Lampe ihre Gesichter erhellte, wandten sie für gewöhnlich den Blick ab oder bewegten sogar eine Hand, um ihre Augen abzuschirmen. Hin und wieder jedoch -insbesondere wenn die Individuen teilweise abgemagert waren oder besonders alte Kleidungsstücke anhatten - zogen sich die Pupillen nicht zusammen, und sie zeigten keinerlei Reaktion. Ben leuchtete mit seiner Lampe gerade einen dieser Körper an. einen halb mumifizierten Bith in einem ärmellosen Arbeitsoverall aus der Ära der Alten Republik, als er schließlieb ein nervöses Ächzen ausstieß.

»Das hier jagt mir langsam kalte Schauer über den Rücken.«

»Mir auch.« Luke streckte die Hand vor einer jungen Wookiee-Frau aus, schien mit der Helmlampe darauf und verfolgte mit zunehmender Verwirrung, wie sich ihre Augen einen flüchtigen Moment darauf konzentrierten, bevor sie sich wieder nach innen kehrten. »Ich glaube, die meditieren sich zu Tode.«

»Ja, das ist ziemlich düster, keine Frage«, sagte Ben. »Aber schau dir das hier mal an!«

Luke drehte sich um und entdeckte eine Reihe flüssiger Perlen, die im Lichtstrahl der Helmlampe seines Sohnes schwebten und von der Masse der Leiber über ihnen nach unten sanken. Er hatte in zu vielen Raumschlachten zu viele ähnliche Perlen gesehen, um nicht zu wissen, worum es sich dabei handelte, und ihre helle purpurne Farbe deutete daraufhin, dass sie erst kürzlich vergossen worden waren.

»Wer von denen blutet?«, fragte Luke.

Ben aktivierte seine Ärmellampe und leuchtete hinter sich, um der purpurnen Spur hoch zu dem Gewirr treibender Leiber zu folgen. Auf den Kleidern mehrerer Wesen zeigten sich Schnüre roter Ovale, doch man konnte keine Risse oder Wunden ausmachen, und sämtliche Flecken wirkten zu klein, um die Quelle der ausgeprägten Blutspur zu sein.

»Ich schätze, es gibt bloß einen Weg, das rauszufinden.« Ben stieß einen Daumen in Richtung des Kammerinneren. »Sollen wir?«

Bens Tonfall klang beiläufig, doch seiner Stimme haftete eine Schärfe an, die nahelegte, dass es ihm nicht gefiel, sich dem purpurnen Geheimnis über ihnen noch weiter zu nähern. Und Luke konnte es ihm nicht verübeln. Es war möglich, dass es sich bei der sich krümmenden Strahlung um nichts anderes als die Manifestation von nutzbar gemachter

Gravitationsenergie handelte, vergleichbar mit dem Reaktorglühen der wesentlich größeren Centerpoint-Station. Oder es handelte sich um eine greifbare Verkörperung der Macht, um die Ursache des fremdartigen Verlangens, das Ben als Kleinkind solche Furcht eingejagt hatte. Was auch immer es war, Ben war bereit, sich ihm zu stellen und seinen alten Ängsten die Stirn zu bieten, und Luke war nie stolzer auf ihn gewesen.

»Ja, ich denke, das sollten wir besser«, sagte Luke. »Jemand da oben muss verletzt sein. Warum übernimmst du nicht die Führung?«

Ben nickte, dann sprang er davon. Obwohl es keine künstliche Schwerkraft gab, die ihn wieder nach unten gezogen hätte, musste er die Macht einsetzen, um seinem schrägen Schwung entgegenzuwirken und zu vermeiden, gegen jemanden zu stoßen. Nahezu augenblicklich stieß er einen verblüfften Schrei aus, und ein angstvolles Frösteln trat in seine Machtaura.

»Ben?«, rief Luke. »Was ist los?«

»Ahm, nichts«, versicherte Ben ihm. »Ich war bloß überrascht. Ich denke, eine alte Freundschaft hat mich eingeholt.«

Luke runzelte die Stirn. »Deine spezielle Freundin?«

»Also, um Tahiri geht es hier mit Sicherheit nicht«, entgegnete Ben. »Aber keine Sorge. Ich komme damit klar.«

»Bist du sicher?«

»Wir werden sehen.« Ben verharrte zwischen zwei schwebenden Körpern, jetzt etwa drei Meter über und drei Meter vor Luke. »Kommst du?«

»Ich bin direkt hinter dir.«

Luke sprang vom Boden hoch und konzentrierte sich auf die

Macht, um den Schwung zu regulieren. Sobald er sich auf die andere Seite der Kammer zubewegte, stieg in ihm ein kalter Tentakel des Verlangens empor, der ihn drängte, näher zu kommen, sieh hinzugeben. aber ras? Oder wem? Luke hatte keine Ahnung; er wusste bloß, dass sich die Präsenz uralt und mächtig, ja. irgendwie vertraut anfühlte, und dass sie ihn zu erkennen schien und sich um ihn sorgte und sich nach seiner ewigen Gesellschaft sehnte.

»Oh«, entfuhr es Luke. Er prallte von einem warmen Körper ab, dann nutzte er die Macht, um seinem Sohn zu folgen. »Das ist irgendwie. beunruhigend.«

»Ich schätze, so könnte man es ausdrücken«, pflichtete Ben bei. »Ich würde es einfach beängstigend nennen.«

»Ja«, stimmte Luke zu, »das auch.«

Er gelangte an Bens Seite, und gemeinsam folgten sie der Blutspur tiefer in die Kammer hinein. Als sie sich weiter der Mitte näherten, konnten sie lila Lichtstrahlen ausmachen, die sich zwischen den schwebenden Gestalten nach unten schlängelten. Manchmal schien das Licht tatsächlich durch die Leiber hindurch. Allerdings schien die fremdartige Präsenz sie nicht dichter an das Glühen heranzuziehen. Stattdessen hatte es den Anschein, als wäre sie überall um sie herum, um sie zu umschlingen und sie in ihrem Innern zu verwahren.

Schließlich rückten sie in einen Bereich vor, in dem es keine deutliche Blutspur gab, bloß jede Menge Wesen, die von Kopf bis Fuß mit purpurnen Flecken gesprenkelt waren. Einer davon war ein Duros, bei dem ein stetes Bluttröpfeln aus einem hässlichen, mehrfachen Bruch des Oberschenkels drang. Der Farbe des vorstehenden Knochenendes und des umliegenden Fleischs nach zu urteilen war die Verletzung noch ziemlich frisch. Der Duros hatte so viel Blut verloren, dass sein nasenloses Gesicht von blau beinahe zu weiß verblasst war, und seine großen roten Augen waren rosa vor Schock. Doch falls irgendwelche anderen Wesen in der näheren Umgebung bemerkt hatten, dass ihr Gefährte in Schwierigkeiten steckte. hatten sie sieh nicht die Mühe gemacht, ihre Meditation dafür zu unterbrechen. Sogar noch erschreckender - zumindest für Lukes Begriffe - war die Standardausführung des Jedi-Piloten-overalls. den das Opfer trug, und eine gewisse Ebenmäßigkeit der Wangen, von der Luke glaubte, dass er sie aus den Berichten über einen bestimmten vermissten Jedi kannte.

»Ben. sieht der wie Qwallo Mode aus?«

»Ja«, erwiderte Ben. »Abgesehen davon kann ein Duros in einem Jedi-Pilotenoverall niemand sonst sein. Die einzige Frage, die ich mir stelle, ist: Was macht er hier?«

»Gute Frage. Vielleicht kann er sie uns beantworten.« Luke öffnete eine der Oberschenkeltaschen seines Druckanzugs und holte ein Medipack hervor. »Das heißt, wenn wir ihn retten können.«

Er zog eine Laserschere heraus und schnitt das Bein des Overalls auf. Ben legte einen Druckverband um den verletzten Oberschenkel, doch er hatte kaum damit begonnen, die Manschette aufzublasen, als der Patient mit einem Ruck seinen Kopf herumschnellen ließ und sie ansah. Luke legte dem Duros sanft eine Hand auf die Schulter.

»Ist schon in Ordnung, Qwallo. Sobald wir die Blutung gestoppt haben, wird es dir besser gehen.« Um ehrlich zu sein, war Luke sich in dieser Hinsicht nicht wirklich sicher, da Mode - vorausgesetzt, dies war tatsächlich Qwallo Mode - bereits eine Menge Blut verloren hatte. Doch eins der ersten Dinge, die man beim medizinischen Notfalltraining lernte, war, den Patienten ruhig zu halten. »Erkennst du mich?«

Modes Augen schwangen zu Luke herum, dann weiteten sie sich und verrieten Panik. Er fing an, wild mit den Armen um sich zu schlagen und mit seinem gesunden Bein zu treten.

»Verflucht!«, riet Ben. der sich abmühte, den Druckverband aufzublasen. »Glaubst du. er hat sie?«

»Vielleicht.« Luke musste nicht fragen, was er mit sie meinte. Bevor sie in den Schlund vorgedrungen waren, hatten sie eine Nachricht darüber von Cilghal erhalten, was auf der Tiermesse mit Natua Wan geschehen war. und beiden Skywalkers war klar geworden, dass ihre Krankheit bedeutete, dass die Jedi nicht die geringste Ahnung hatten, wie weit verbreitet diese Psychose sein mochte. »Ich nehme an, diese Erklärung ist für sein Verschwinden genauso gut wie jede andere.«

Luke glitt um Mode herum und hielt seine Arme fest, dann übertrug er durch die Macht beruhigende Gefühle auf ihn. Schlagartig wurde der Tentakel in seinem Innern stärker und ausgeprägter, um ihn mit einem kalten Verlangen zu erfüllen, das ihn - so fremdartig, wie es war - nur allzu sehr an den einsamen Schmerz gemahnte, mit dem er seit Maras Tod lebte.

Mode drehte sich an der Hüfte und riss ein Knie hoch, das Ben beinahe am Unterarm erwischte.

»Stang!«, sagte Ben. »Beruhigungsmittel?«

»Lieber nicht«, entgegnete Luke. »Er hat so viel Blut verloren, dass wir ihn damit womöglich umbringen könnten.«

»Dann solltet Ihr ihn vielleicht in Ruhe lassen«, sagte eine tiefe Stimme hinter ihnen. »Ihr scheint mehr Schaden anzurichten als zu helfen, oder?«

Luke warf einen Blick zurück, um sich dem flachnasigen Gesicht eines uralten Gotal gegenüberzusehen, der kopfüber in dem violetten Licht hing. Angesichts der großen Hautfetzen, die von den langen Sensorhörnern oben auf seinem Haupt abblätterten, und den breiten Zügen, die so ausgemergelt waren, dass sein Antlitz bloß aus Stirn und Zähnen zu bestehen schien, war er offensichtlich selbst dem Tode nah. Außerdem trug er die abgewetzten Überreste einer ärmellosen Jedi-Robe, wie sie nahezu ein Jahrzehnt vor Palpatine aktuell gewesen war.

Hinter dem Gotal schwebten mehrere weitere Wesen in verschiedenen Stadien des Verhungerns. Da war ein altersgelber Givin, der mit seinem äußeren Knochenpanzer so aussah wie ein wandelndes Skelett - und das war er jetzt tatsächlich. Da war ein spindeldürrer Ortolaner mit einem verkümmerten Rüssel und einem Leib, der so dünn war, dass er nicht mehr zu sein schien als ein ledriger Sack Falten. Da waren sogar zwei gelbhaarige Menschen, ein ausgemergelter Mann und eine leichenhafte Frau in grün gestreiften Overalls, die vor dem letzten Bürgerkrieg der letzte Schrei gewesen waren.

Luke sah nichts, das darauf hindeutete, dass sie dem Jedi-Orden angehörten, und er gelangte zu dem Schluss, dass die Gegenwart von zwei Jedi aus unterschiedlichen Epochen vermutlich wenig mehr als ein Zufall war. Er signalisierte Ben weiterzuarbeiten und hielt dann wieder Modes Arme fest, während er den Gotal ansah.

»Den größten Schaden richtet man durch Tatenlosigkeit an, Jedi.« Luke ließ den Satz abklingen, in der Hoffnung, dass der Gotal seinen Namen nannte. Als er das nicht tat - und der Gotal auch keine Anstalten machte, ihn von selbst preiszugeben -, zuckte Luke die Schultern und sagte: »Wir versuchen, diesem Duros das Leben zu retten.«

»Es gibt kein Leben«, erwiderte der Gotal. »Es gibt nur die

Macht.«

»Das stimmt nicht«, meinte Luke stirnrunzelnd. Der Gotal zitierte eine der bedeutendsten Lehren des Jedi-Kodex falsch -eine Lehre, die die Grundlage der Bereitschaft der Jedi bildete, sich selbst zum Wohle anderer zu opfern: Es gibt keinen Tod, es gibt nur die Macht. »Wenn du ein Jedi bist, weißt du das.«

»Einst glaubte ich, ein Jedi zu sein.« Der Blick des Gotal schweifte von Luke fort. Ob er verlegen war oder sich bloß an andere Zeiten erinnerte, ließ sich unmöglich sagen. »Damals nannte ich mich Seek Ryontarr.«

»Diesen Namen habe ich im Jedi-Holocron gesehen«, entgegnete Luke, der auf die Macht zurückgriff, um seinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen. »Du bist auf einer Mission verschwunden, die das Ziel hatte, die Thronerben von Nath Goordi zu retten.«

Ryontarrs Blick wanderte wieder zu Luke zurück. »Nicht verschwunden. Ich habe sie in einem Habitat hier in der Nähe gefunden«, erklärte er. »Ich habe ihre Entführer unschädlich gemacht und die Thronerben gerettet.«

»Es gibt keine Belege für ihre Rückkehr nach Nath Goordi«, merkte Luke an. »Und ich bezweifle, dass es zu einem Nachfolgekrieg gekommen wäre, wenn sie gerettet worden wären.«

Ein rätselhaftes Lächeln trat in Ryontarrs ausgemergelte Züge. »Es gibt viele Arten der Rettung.«

Hinter Luke ertönte ein kratzendes Knack, und Mode heulte vor Schmerz. Luke schaute sich um und sah, dass Ben das verletzte Bein des Patienten abspreizte, das er noch immer am gebeugten Knie festhielt und daran zog, als er sich bemühte, den gebrochenen Oberschenkelknochen zu richten. Obgleich Ben offensichtlich auf die Macht zurückgriff, um die Hüften und den Oberkörper ruhig zu halten, trat Modes freies Bein wild umher, als er den Jungen, der ihn versorgte, von sich zu stoßen versuchte.

Luke konzentrierte sich auf die Macht, um das wild um sich tretende Bein bewegungsunfähig zu machen. Beinahe rechnete er damit, dass Ryontarr oder einer der anderen Zuschauer sie angreifen würde, während seine Aufmerksamkeit geteilt war, doch die Gruppe schien damit zufrieden, abzuwarten und zuzusehen. Ben schiente das Bein rasch zu Ende - zumindest so gut, wie es unter diesen Einständen möglich war -, und Modes Heulen verklang zu einem Stöhnen.

Nach einem Moment keuchte Mode: »Bitte. aufhören! Ich habe bloß versucht. versucht, Euch zu helfen, Meister Skywalker.«

Luke hob eine Augenbraue. »Du erkennst mich. Qwallo?«

»Natürlich. Ich kenne Euch«, sagte Mode. »Ich sehe Euch.«

Die Betonung des Wortes sehe wies darauf hin, dass Mode damit mehr meinte, als augenscheinlich war, doch Luke interessierte sich mehr für das, was der Duros nicht gesagt hatte. »Dann glaubst du nicht, dass wir Attrappen sind?«

Qwallo schüttelte den Kopf. »Nicht möglich«, meinte er. »Das weiß ich jetzt.«

»Warum habt Ihr dann auf die Schatten gefeuert?«, forschte Ben. »Ihr seid derjenige, der das getan hat, nicht wahr?«

»Natürlich ist er das«, sagte Ryontarr, der Ben über Lukes Schulter hinweg musterte. »Erkennst du ihn nicht wieder?«

»Doch. aber wie hat er das gemacht?«, fragte Ben. »Ich meine, er trug nicht einmal einen Schutzanzug. Und wie ist er hierhergekommen?«

»Das warst du bald genug verstehen, junger Jedi-Ritter«, erwiderte Ryontarr. Er sah zurück zu Luke. »Ihr werdet alles verstehen, wenn ihr den armen Qwallo einfach in Ruhe lasst. Ob es euch nun bewusst ist oder nicht, ihr fügt ihm nichts als Schaden zu.«

»Er hat eine Menge Blut verloren«, wandte Luke ein. »Und wir werden ihn nicht tatenlos sterben lassen.«

»Nein?« Ryontarr schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, ihr würdet euch das noch einmal überlegen. Ihr habt keine Ahnung.«

Irgendwo über ihnen erklang das Kreischen eines abgefeuerten Blasters, und durch das Gewirr schwebender Körper wehte der Gestank von versengtem Fleisch nach unten.

Ryontarr seufzte und stieß einen Atemzug aus, der so verdorben roch, als habe er ein Jahrzehnt in seiner Lunge geschlummert, ehe er fragte: »Denkt ihr, ihr könnt uns alle am Sterben hindern?«

Ein weiterer Blaster kreischte auf, diesmal dicht genug, dass Luke einen flüchtigen Blitz erhaschte, als die Salve aus dem Lauf der Waffe in den Kopf der Person schlug, die sie abfeuerte. Ein kurzes, schmerzerfülltes Schnauben erklang, und der beißende Geruch von versengtem Fleisch wurde stärker.

»Ahm, Dad.« Ben warf einen Blick über die Schulter in Richtung der Stelle, wo sich der zweite Blaster entladen hatte. »Vielleicht sollten wir uns zu Ende anhören, was Jedi Ryontarr zu sagen hat.«

»Nenn ihn nicht Jedi!« Luke atmete durch zusammengebissene Zähne aus, ehe er den Gotal mit finsterer Miene und voller Abscheu ansah. »Ich kann nicht glauben, dass du jemals ein Jedi warst.«

Ryontarr zuckte die Schultern. »Einst war auch ich jung und

ein Sklave der Überzeugungen anderer.«

»Aber diese Tode sind nicht Seeks Werk«, sagte einer von Ryontarrs Begleitern, der ausgezehrte Ortolaner. Seine nasale Stimme klang kratzig und war schwer zu verstehen, da sein Rüssel mangels Gebrauch so schwach war, dass er sich nicht abrollen, sondern sich bloß etwas lockern konnte. »Sie sind das Eure.«

Luke, der Qwallo noch immer an den Schultern festhielt, sah Ryontarr weiterhin düster an. »Ich bin nicht derjenige, der ihnen befohlen hat, sich zu erschießen.«

»Wegen dem, was ich einst war, nehmt Ihr an, dass ich hier das Sagen habe.« Ryontarr breitete die Arme aus, als würde er Luke auffordern, ihn in der Macht zu erforschen. »Aber Ihr seid derjenige, der handelt, ohne zu verstehen.«

»Wisst Ihr, es ist nicht schlimm, jenseits der Schatten zu sterben.« Diesmal war es die gelbhaarige Frau, die das Wort ergriff. Ihre Stimme war warm und geduldig, als wäre sie eine Mutter, die ihr Kind verbesserte. »Doch in einem Körper gefangen zu leben, das ist. Qual.«

»Wartet mal einen Moment!« Ben schwebte immer noch vor Mode und hielt sein verletztes Bein fest. »Wollt ihr damit sagen, dass die Leute sich umbringen, weil sie nicht wollen, dass wir sie in ihrer Meditation unterbrechen?«

»Geistwandeln ist kein Meditieren, aber ja«, entgegnete der gelbhaarige Mann. Seine Stimme war der der Frau so ähnlich, dass es fast schien, als wären sie Geschwister. »Das Leben ist bloß ein Traum, unsere Körper bloß Gebilde eines langen und ruhelosen Schlafs. Wenn ihr uns an unsere Leiber gefesselt lasst, stört ihr unser Erwachen.«

»Es liegt nicht in unserer Absicht, euch bei eurem. Erwachen zu stören«, beteuerte Luke. Er war sich nicht sicher, ob er alles verstand - oder glaubte -, was Ryontarr und die anderen ihnen erzählten. Doch zumindest ergab Qwallos Wunsch, in Ruhe gelassen zu werden, so Sinn. »Es besteht kein Grund, dass sich noch jemand erschießt.«

»Dann werdet ihr Qwallo in Frieden lassen, damit er hinter die Schatten zurückkehren kann?«, fragte Ryontarr. »Wenn sein Körper stirbt, solange er darin weilt, wird seine Rückkehr sehr schwierig werden.«

Luke blickte auf Mode hinab. Das Letzte, was er wollte, war, den Duros dem Tod zu überlassen, doch Mode hatte bereits deutlich gemacht, dass er ihre Hilfe nicht wollte. Abgesehen davon hatte Ryontarr mit einer Sache recht: Wenn er nicht wollte, dass es an diesem Ort vor Toten wimmelte, blieb Luke keine andere Wahl, als sich Qwallos Wunsch zu fügen.

»Wenn es das ist, was Qwallo möchte, dann ja.« Luke wandte sich an Mode. »Wir lassen dich hinter die Schatten zurückkehren. Aber zuvor würde ich dich gern etwas fragen.«

Mode nickte. »Beeilt Euch!«

»Was ist passiert, als du versehwunden bist?«, fragte Luke. »Warum hast du deine Mission nicht zu Ende gebracht?«

»Ich wurde.« Mode schüttelte traurig den Kopf, »verwirrt.«

Luke und Ben tauschten Blicke, und dann fragte Luke: »Du hast geglaubt, du wärst von Doppelgängern umgeben, nicht wahr?«

Modes Augen wurden groß. »Woher wisst Ihr das?«

»Das ist einigen anderen Jedi-Rittern auch passiert«, erklärte Luke.

»Dann seid Ihr zum. richtigen Ort gekommen«, sagte Mode. »Hier wird alles klar werden.«

»Ich bin froh, das zu hören, Qwallo.« Luke riskierte einen Blick in die Runde, halb in der Erwartung, dass Ryontarr versuchen würde, den Duros zum Schweigen zu bringen, bevor er irgendein rätselhaftes Geheimnis verriet. Als der Gotal und seine Begleiter damit zufrieden schienen, die Unterhaltung ihren Verlauf nehmen zu lassen, fragte Luke: »Und jetzt glaubst du nicht länger, dass wir Doppelgänger sind?«

Mode schüttelte den Kopf. »Nein, jetzt weiß ich es besser.«

»Woher?«, fragte Ben, ohne sich die Mühe zu machen, seine Aufregung zu verbergen. Falls sie herausfinden konnten, was Mode geheilt hatte, dann konnten sie Cilghal vielleicht etwas Nützliches berichten, wenn sie den Schlund verließen. »Was ist passiert?«

Mode rollte sich in das schwerelose Äquivalent einer sitzenden Position und schaute Ben an. »Ich ging hinter die Schatten, und dort sah ich die Wahrheit. Ihr könnt keine Blender sein. weil ihr nicht real seid.« Er ergriff Bens Hand. »Allein die Macht ist real. und sie ist wunderschön, Ben. So, so wunderschön.«

Man musste Ben zugutehalten, dass es ihm gelang, seine Hände nicht vor lauter Entsetzen wegzureißen. Allerdings klappte seine Kinnlade nach unten und die Augenbrauen wölbten sieh, und selbst der halbtote Duros konnte die Bestürzung in seinen Augen lesen.

Mode zog die Hände von Bens fort, und sein Tonfall wurde schroff. »Du wirst es sehen, Ben«, meinte er. »Jetzt, wo du hier bist, wirst du es sehen müssen.«

Mode konzentrierte sich auf die Macht und versuchte, sich zu befreien, aber Luke hielt nach wie vor seine Schultern fest.

»Noch eine Frage«, sagte Luke, der sich weigerte, den noch immer zerrenden Duros loszulassen. »Warum hast du auf uns gefeuert?«

Mode sah Luke über die Schulter mit finsterer Miene an.

»Das sagte ich bereits. um euch zu helfen.«

»Mit einer Rakete?«, wollte Ben wissen. »Tolle Hilfe.«

»Durchaus«, beharrte Ryontarr. Er schwebte nach unten und löste Lukes Hände sanft von Modes Schultern. »Wir wissen, wie viele Bande zur physischen Welt Ihr besitzt, Meister Skywalker. Qwallo hat bloß versucht, sie zu durchtrennen, damit sie Euch nicht zurückholen können.«

Luke schaute erstaunt auf Mode hinunter. »Du hast versucht, uns von der Außenwelt abzuschneiden?«

»Er hat versucht, euch zu befreien«, korrigierte Ryontarr. »Diese Bande sind es, die euch an euer Traumleben binden.«

Er bedeutete Luke und Ben, Mode ganz loszulassen. Als sie gehorchten, drehte er sich um und schwebte davon. Luke runzelte die Stirn und schickte sich an, ihm zu folgen, doch die gelbhaarige Frau glitt herüber, um ihm den Weg zu versperren.

»Es sind Eure Träume, die Euch vom Pfad abkommen lassen, Meister Skywalker«, behauptete sie.

»Genauso, wie es die Träume Eures Neffen waren, die ihn vom Pfad abkommen ließen«, fügte ihr Bruder hinzu. »Es war einer von Jacens Träumen, der ihn davon überzeugt hat, in die unwirkliche Galaxis zurückzukehren.«

»Dann war Jacen hier?«, fragte Ben.

Seine Aufregung knisterte durch die Macht wie ein Stromschlag, und der selbstgefällige Schimmer in den Augen der Geschwister verriet Luke, dass sie Bens Reaktion gefühlt hatten - und dass das genau das Resultat war, das sie zu erreichen gehofft hatten.

»Man hat uns gesagt, dass Jacen hierhergekommen ist«, sagte Luke, um an ihrem Köder zu knabbern. »Das ist einer der Gründe, der auch uns hergeführt hat.«

»Obwohl man euch davor gewarnt hat«, sagte der

Ortolaner, »und euch erzählt hat, dass wir euren Geist trinken.«

»Etwas in der Art«, gab Luke zu. Er spürte, dass die Unterhaltung mit Ryontarrs Abgang eine neue und gefährlichere Phase erreicht hatte, aber ihm war nicht recht klar, warum - er wusste nicht, was die Geisttrinker von ihm und Ben wollten. »Doch ich bin neugierig. Woher wisst ihr, dass man uns von euch berichtet hat?«

Die Frau lächelte. »Weil die Aing-Tii die Wahrheit genauso sehr fürchten, wie sie die fürchten, die jenseits des Schleiers weilen«, antwortete sie. »Und sie haben Jacen dasselbe erzählt, als er herkam, um das kalte Etwas zu finden.«

Luke und Ben schauten sich verwirrt an, dann fragte Luke: »Das kalte Etwas?«

»So hat Jacen es genannt - das kalte Etwas in der Macht«, erzählte der Ortolaner. »Er hat gesagt, er hätte es gespürt, als er bei den Aing-Tii war.«

Luke nickte. Der Begriff passte zu der Unruhe in der Macht, die er und Ben gefühlt hatten, unmittelbar bevor sie die Aing-Tii verließen, und Tadar'Ro hatte ihnen berichtet, dass Jacen dem Kathol-Rift den Rücken gekehrt hatte, nachdem er etwas im Schlund wahrgenommen hatte, das nicht richtig war.

»Hat er es gefunden?«, drängte Ben.

Die Frau lächelte ihn an. »Er hat uns gefunden, Ben.«

»Das ist keine Antwort auf meine Frage.«

»Bloß, weil du Angst davor hast, die Antwort zu sehen.« Sie wandte sich ab und trieb durch die Leiber; ihr Bruder folgte ihr dichtauf. »Wenn du keine Angst mehr hast, wirst du deine Antwort finden.«

Ben blickte finster drein und schickte sich an, ihr zu folgen, doch Luke streckte eine Hand aus. Er war noch nicht bereit, den Köder der Geisttrinker zu schlucken - nicht, bis er wusste, warum sie ihn überhaupt ausgeworfen hatten.

»Mein Neffe hat das kalte Etwas nicht gefunden«, vermutete Luke. »Andernfalls hätte es ihn nicht wieder gehen lassen.«

Die Frau verharrte und lächelte über die Schulter zurück. »Sehr gut, Meister Skywalker. Dafür hat er etwas anderes gesehen - etwas Dunkles, das näher kam und von dem er glaubte, dass nur er allein es aufhalten könne.«

Luke, der sich an die Visionen erinnerte, die ihn in den ersten Tagen des letzten Bürgerkriegs heimgesucht hatten, fing an, sich innerlich krank und verdrossen zu fühlen. In seinen Träumen hatte er einen geheimnisvollen, dunklen Mann mit einem von einer Kapuze verhüllten Gesicht gesehen - mit einem Gesicht, das verhüllt geblieben war, bis Jacen Mara umgebracht und zu diesem dunklen Mann geworden war: zum Sith-Lord Darth Caedus.

Und dies war der Ort, an dem alles begonnen hatte, an dem Jacen jenen ersten zögerlichen Schritt in die Schatten getan hatte.

Luke schüttelte den Kopf. Im Stillen tobte er angesichts dieser Tragödie, fragte sich, wie er die Anmaßung hatte übersehen können, die Jacen dazu gebracht hatte, einen solchen Fehler zu machen - wie er zulassen konnte, dass ein junger Mann, ein Opfer von Yuuzhan-Vong-Folter und Sith-Hirnwäsche, das Gefühl gehabt halte, dass die Bürde der Galaxis ganz allein auf seinen Schultern ruhte.

»Ich hätte ihn niemals gehen lassen dürfen.« Luke sprach mehr zu sich selbst als zu den Geisttrinkern oder zu Ben, und wünschte, er wäre weise genug gewesen, darauf zu beharren, dass Jacen nach dem Krieg bei seiner Familie und seinen

Freunden blieb - damit ihm klar geworden wäre, dass niemandem, der so viel durchlitten hatte wie sein Neffe, erlaubt sein sollte, allein die Galaxis zu durchstreifen. »Er ist zu der Dunkelheit geworden, vor der er Angst hatte.«

»Jacen. Meister Skywalker?« Die Frau und ihr Bruder schwebten wieder zu ihm zurück. Ihre Mienen wirkten aufrichtig bekümmert - und ungläubig. »Ihr denkt, Jacen wurde zur Dunkelheit?«

Luke nickte, verwirrt von ihrer Verwirrung. »Das geschah, bevor Qwallo hier eintraf, deshalb nahm ich an, dass ihr das wisst: Jacen wurde zu Darth Caedus.«

Die beiden Geschwister schauten einander an und nickten, dann sagte der Bruder: »Davon haben wir gehört - doch so ist es nicht. Das ist bloß ein Teil des Traums, den Ihr fälschlicherweise für die Wahrheit haltet.«

»Jacen konnte nicht zur Dunkelheit werden«, fügte die Frau hinzu. »Seine Beweggründe waren rein. Er konnte der Dunkelheit nicht mehr anheimfallen, als dies einem Stern möglich wäre.«

Luke schüttelte traurig den Kopf. »Ich wünschte, dem wäre so«, sagte er. »Aber.«

»Es ist so«, beharrte der Ortolaner. »Falls unser Wort dafür nicht genügt, kommt und seht selbst!«

»Wie das?«, fragte Ben. Sein Stirnrunzeln verriet, dass Ben ebenso gut wie Luke wusste, worauf die Geisttrinker hinauswollten. »Jacen ist seit zwei Jahren tot.«

»Es gibt keinen Tod.« Die Worte kamen von dem Givin, der zum ersten Mal mit trockener, rauer Stimme sprach. Das lebende Skelett schwebte herum, um sie anzusehen, und verharrte mit seiner knochigen Gestalt neben Lukes Schulter. »Es gibt kein Leben; es gibt nur die Macht.«

Luke drehte sich, um dem Blick des Givin zu begegnen. In die dunklen Löcher seines Exoschädels zu sehen war, als würde man in die leeren Höhlen eines menschlichen Totenkopfes schauen.

»Wollt ihr damit sagen, dass ich Jacen jenseits der Schatten begegnen kann?«

»Wir wollen damit sagen, dass wir euch dabei helfen können zu sehen, was Jacen gesehen hat«, krächzte der Givin. »Dann werdet ihr imstande sein, in sein Herz zu blicken. Zu entscheiden, ob es zu euch sprechen wird oder nicht, liegt nicht in unserer Hand.«

»Natürlich nicht«, sagte Luke. »Ich verstehe.«

Er war klug genug, nicht ernsthaft in Erwägung zu ziehen, tatsächlich in der Lage zu sein, mit Jacen sprechen zu können, und Luke war sich nicht sicher, ob er das gewollt hätte, selbst wenn das möglich gewesen wäre. Allerdings versprach der Givin, ihm dabei zu helfen zu verstehen, was Jacen widerfahren war - und war das nicht der gesamte Zweck ihrer Reise?

Als Luke das Angebot nicht sofort ablehnte, weiteten sich Bens Augen. »Dad, du weißt, dass sie dich bloß ködern. Jacen ist tot, und nichts wird daran irgendetwas ändern.«

»Ich weiß.« Während Luke sprach, begann der kalte Tentakel in seinem Innern zu wachsen, ein bisschen höher zu gleiten, an den Wänden seines Magens und in seiner Speiseröhre zu kratzen, als er nach Halt suchte. »Aber vielleicht hilft mir das dabei, zu verstehen, was mit ihm passiert ist.«

»Dann werdet Ihr mit uns hinter die Schatten zurückkehren?« Die Frau lächelte. »Ich bin sicher, Ihr werdet es sehr. erleuchtend finden.«

»Falls ich mich dazu entschließe mitzukommen«, korrigierte Luke. »Zuerst muss ich wissen, was ihr von mir und Ben wollt.«

»Was wir von euch wollen. Meister Skywalker?«, fragte der Bruder. »Was lässt Euch glauben, dass wir irgendetwas von euch wollen?«

»Die Art und Weise, wir ihr euch die ganze Zeit über bemüht, es zu kriegen«, antwortete Ben rundheraus. »Wie ihr Jacen als Köder ausgeworfen habt, war nicht unbedingt subtil.«

»So seht ihr das also?« Das Lächeln der Frau schwand, und sie wandte sich ab, um davonzugleiten. »Dann nehme ich an, dass bloß noch eine Frage im Raum steht: Könnt ihr dem Köder widerstehen?«

Ihr Bruder blinzelte Ben zu, dann nickte er dem Ortolaner zu und folgte ihnen. Der Givin blieb, wo er war. und schwebte weiterhin neben den Skywalkers, um geduldig auf ihre Entscheidung zu warten.

»Nun, was auch immer hier vorgeht, es spielt sich jenseits der Schatten ab.« Luke suchte den Blick seines Sohnes. »Ich glaube nicht, dass uns eine andere Wahl bleibt, Ben.«

Ben schluckte schwer und nickte. »Ja - ich wünschte nur, wir wüssten, was jenseits der Schatten wartet.« Er musterte die ausgemergelten Leiber, die um sie herumschwebten, ehe er sagte: »Vielleicht sollten wir zuerst etwas essen.«

»Ich weiß das zu schätzen, Ben. Aber du weißt, dass du damit nicht uns meinst.«

Ben senkte die Brauen. »Dad, ich muss mich dem ebenfalls stellen. Du kannst mich nicht davor beschützen.«

»Ich beschütze dich nicht, Ben - ich gebe dir einen Befehl.« Luke lächelte, dann fügte er hinzu: »jemand muss die Schatten reparieren.«

Jetzt schaute Ben wirklich verängstigt drein. »Allein? Das könnte eine Woche dauern!«

»Hoffen wir, dass dem nicht so ist.« Luke schaute sich in der

Kammer um und rümpfte die Nase. »Ich glaube nicht, dass ich so lange hier drin sein möchte.«

»Das ist mal sicher«, meinte Ben. »Wahrscheinlich werden wir diesen Gestank nie wieder los.«

Luke prustete. »Man merkt, dass du noch nie in der Müllpresse eines Todessterns gesteckt hast.« Er schwebte näher an seinen Sohn heran und legte beide Hände auf Bens Schultern. »Jetzt hör mir zu - komm mir nicht nach! Falls irgendetwas schiefgeht, kehrst du nach Coruscant zurück und berichtest den Meistern, was wir hier gefunden haben. In Ordnung?«

Ben runzelte die Stirn. »Was könnte denn schiefgehen?«

»Vermutlich nichts.« Luke warf dem Givin einen Blick zu, der ein bisschen zu eifrig bemüht war, beruhigend zu nicken. »Aber falls doch irgendetwas passiert, wollen wir nicht, dass wir beide hier dahinsiechen, ohne dass irgendjemand weiß, was wir gefunden haben. Das ist also ein Befehl.«

»Okay.« Ben nickte, doch sein Blick wich beiseite. »Ich habe verstanden.«

»Versprichst du es?«, drängte Luke.

»Dad, ich habe verstanden.« Bens Augen kehrten zu Lukes zurück. »Es gibt keinen Grund, warum wir beide hier festsitzen sollten. Ich bin kein Idiot. Das ist mir selbst klar.«

Luke fixierte einen Moment lang Bens Blick, bevor er schließlich nickte. »Gut.« Er umarmte Ben kurz, dann sagte er: »Ich werde versuchen, mich zu beeilen.«

»Das ist auch besser für dich«, entgegnete Ben. »Bloß eine Frage, bevor du gehst.«

»Gewiss.«

Ben wandte sich an Givin. »Wie viel Zeit haben wir?«

Der Givin legte den Kopf zur Seite. »Wie viel Zeit?«

»Bevor diese Station in die Luft fliegt.« Ben deutete vage zum Kontrollraum, wo man immer noch schwach die Alarmsignale hören konnte. »Luch ist doch aufgefallen, was da drin vorgeht, oder?«

»Oh, die Alarme«, erwiderte der Givin. »Die habe ich glatt vergessen. Die sind vor etwas mehr als zwei fahren losgegangen.«

Ben warf Luke einen besorgten Blick zu, dann fragte er: »Vor etwas mehr als zwei Jahren? Vor siebenundzwanzig Monaten vielleicht?«

»Ja, präzise.« Der Givin nickte. »Kurz nachdem die Centerpoint-Station zerstört wurde, sofern die Daten, die man uns gegeben hat, korrekt sind.«

Bens Gesicht fiel in sich zusammen - beinahe genauso sehr, wie Lukes Magen sich zusammenzog.

»Aber euch sind keine Probleme aufgefallen?«, drängte Ben. »Ihr macht euch wegen nichts Sorgen?«

»Worüber sollten wir uns Sorgen machen?« Der Givin breitete seine knochigen Hände aus. »Es gibt kein Lehen, es gibt keinen Tod...«

»Ja, ich weiß schon«, brummte Ben. »Es gibt nur die Macht.«